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Hengst stirbt nach Kastration: Tierarzt haftet

Hengst stirbt nach Kastration: Tierarzt haftet

OLG Hamm bejaht grobe Behandlungsfehler und Verletzung der Aufklärungspflichten

Sachverhalt

Eine Pferdehalterin zog nach einer für ihr Pferd tödlich endenden Operation vor Gericht:
Sie forderte von ihrem Tierarzt Schadensersatz in Höhe der aufgewendeten Kosten für die tierärztliche Behandlung (3000 Euro) sowie Wertersatz in Höhe des Kaufpreises, den sie für das Tier zuvor in Spanien bezahlt hatte (5000 Euro).

Ihr Hengst „Apache“ sollte eigentlich lediglich kastriert werden. Diese Kastration hatte der Tierarzt am liegenden Pferd vorgenommen. Dabei war es jedoch zu Komplikationen gekommen, in Folge derer das Tier in eine Klinik verlegt und dort nochmals operiert werden musste. Es erlitt im Nachgang dieser Behandlung eine Muskelerkrankung sowie ein Multiorganversagen; die Versuche, es wieder in den Stand zu verbringen, scheiterten allesamt, sodass das Pferd letztlich eingeschläfert wurde.

Die Eigentümerin des Hengstes verklagte daraufhin den Tierarzt und das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Urteil vom 12.09.2016, Aktenzeichen: 3 U 28/16) gab ihr Recht.

Danach muss der Tierarzt nun aus zwei verschiedenen Gründen haften:

Entscheidung

Einerseits muss er sich dafür verantworten, dass die von ihm durchgeführte Kastration nicht dem medizinischen Standard entsprach. Denn während dieser Operation hatte er eine sogenannte Ligatur, also das Unterbinden eines Blutgefäßes mit einem chirurgischen Faden, nur auf einer Seite vorgenommen und überdies nicht ausreichend fixiert, sodass sich in der Folge die in der Tierklinik festgestellten Folgeprobleme (die Muskelerkrankung und das Multiorganversagen) entwickelt hatten. Diese Behandlungsfehler stufte das Gericht als grob ein, sodass vermutet werden kann, dass aufgrund dieser groben Behandlungsfehler auch der spätere Tod des Pferdes herbeigeführt worden und dieser mithin dem Tierarzt zuzurechnen war. Das OLG Hamm wendete damit auch hier die vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 10. Mai 2016 (Aktenzeichen VI ZR 247/15) von der Arzt- auf Tierarzthaftung übertragene Rechtsprechung zur Beweislastumkehr an und bleibt somit klar auf der Linie der aktuellen Rechtsprechung zu Haftungsfragen im tiermedizinischen Bereich.

Andererseits muss der Tierarzt, so das Gericht, dafür haften, dass er seine Aufklärungspflichten nicht erfüllt hat. Diese Aufklärungspflichten resultieren aus dem von ihm mit der Pferdehalterin abgeschlossenen tierärztlichen Behandlungsvertrag. Danach wäre er verpflichtet gewesen, sie darüber zu informieren, dass ein Pferd sowohl im Liegen als auch im Stehen kastriert werden kann, und er hätte sie in diesem Zusammenhang auch darüber aufklären müssen, welche Risiken jeweils mit der einen oder anderen Eingriffsart verbunden sein können, und welche Art des Eingriffs bei dem betreffenden Hengst (u.a. aufgrund seiner Rassezugehörigkeit und damit einhergehender körperlicher Auffälligkeiten) vorzugswürdig ist.

Damit stärkte das OLG Hamm nochmals die Rechte von Tierhaltern gegenüber Tierärzten und machte wieder deutlich, dass diese insbesondere ihre Aufklärungspflichten vor operativen Eingriffen am Tier sehr ernst nehmen sollten, um einer Haftung bei eventuellen Komplikationen, die nie gänzlich ausgeschlossen werden können, vorzubeugen.

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Susan Beaucamp

(Rechtsanwältin)

Haftung des Turnierveranstalters bei Reitturnier

Haftung des Turnierveranstalters bei Springturnier

BGH, Urteil vom 23. 9. 2010 – III ZR 246/09

Sachverhalt

 Der Beklagte richtete auf der vereinseigenen Anlage ein Reit- und Springturnier aus. In der zuvor veröffentlichten Ausschreibung mit „Allgemeinen Bestimmungen“ hieß es unter anderem: „Der Veranstalter schließt jegliche Haftung für Schäden aus, die den Besuchern, Teilnehmern und Pferdebesitzern durch leichte Fahrlässigkeit des Veranstalters, seiner Vertreter oder Erfüllungsgehilfen entstehen. Jede Haftung für Verletzungen bei Menschen und Pferden wird ausgeschlossen.“

Der Kläger ist Eigentümer der Stute S, welche mit der Tochter des Klägers auf diesem Turnier in einer Springprüfung der Klasse M startete. Am Ende des Parcours befand sich ein Kombinationshindernis bestehend aus einem Steilsprung und einem Oxer. Nachdem das Pferd das erste Hindernis übersprungen hatte, kollidierte es mit einem rechts neben dem Hindernis aufgestellten Fangständer, der als fest verschraubte Holzkonstruktion mit einem Eisenfuß ausgeführt war und dessen oberes Ende einige Zentimeter niedriger lag als die obere Stange des Hindernisses. Das Pferd erlitt infolge dieser Kollision schwere Verletzungen im Kniebereich und musste nach erfolgloser medizinischer Behandlung eingeschläfert werden.

 

Entscheidung

Der BGH folgte den vorinstanzlichen Entscheidungen. Danach war die Klage erfolgreich, der Beklagte schuldet dem Kläger gemäß §§ 280 I, 241 II BGB Schadensersatz in Höhe des Wertes der verletzten Stute.

Bei einem Reitturnier handelt es sich nach herrschender Meinung um eine Auslobung in Form eines Preisausschreibens. Daher besteht zwischen dem Turnierveranstalter und den Teilnehmern eine schuldrechtliche Sonderverbindung. Aus dieser können (Neben-)Pflichten hinsichtlich der sorgfältigen und ordnungsgemäßen Vorbereitung und Durchführung des Wettbewerbs und hinsichtlich des Schutzes der Teilnehmer vor Gefahren erwachsen. Diese Schutzpflichten können auch gegenüber Dritten,wie hier dem Kläger als Eigentümer des Pferdes, begründet werden.

Der Beklagte hat vorliegend die ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt und hierdurch den Tod des Pferdes verursacht. Grundsätzlich ist der Turnierveranstalter dazu verpflichtet, eine geeignete Anlage für den Wettbewerb zur Verfügung zu stellen, welche keine Gefahren ausweist, die über das übliche Risiko hinausgehen und mit denen der Turnierteilnehmer nicht zu rechnen braucht. Dabei sind diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger und gewissenhafter Angehöriger des betreffenden Verkehrskreises für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm zumutbar sind.

Im vorliegenden Fall entsprach der aufgestellte Fangständer in seiner konkreten Verwendung nicht diesen Anforderungen, da er niedriger als das zu überspringende Hindernis und von diesem nicht optisch abgegrenzt war. Wenn ein Fangständer dazu einlädt, übersprungen zu werden, so muss er wenigstens so konstruiert sein, dass ein Überspringen gefahrlos möglich ist. Dies ist nicht der Fall, wenn der Fang, wie hier, standfest ist.

Das Handeln des Parcourschefs und der Turnierrichter ist insofern dem Veranstalter auch zurechenbar als dessen Erfüllungsgehilfen gem. § 278 BGB.

Ein Mitverschulden nach § 254 BGB bzw. eine Anspruchsminderung aus entgegenstehender Anwendung des § 833 BGB wurden abgelehnt, da ein Reiterfehler nicht festgestellt werden konnte und weil die Verschuldenshaftung der Gefährdungshaftung gegenübersteht.

Die Haftung konnte auch nicht aufgrund der „Allgemeinen Bedingungen“ ausgeschlossen werden, da die Klauseln unwirksam, im Sinne der hier anwendbaren AGB-Kontrolle, waren. Der vollständige Ausschluss der Haftung, auch in Bezug auf Personenschäden und in Fällen groben Verschuldens, ist nach § 309 Nr. 7 a,b BGB nicht zulässig.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Schadensersatz oder Minderung im Pferderecht

Kein großer Schadensersatz anstelle oder neben der Minderung

BGH, Urt. v. 09.05.2018 – VIII ZR 26/17

Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass die Rückabwicklung eines Kaufvertrages im Wege des sogenannten großen Schadensersatzes nicht mehr möglich ist, wenn wegen desselben Mangels bereits zuvor die Minderung des Kaufpreises erklärt wurde.

Das Urteil bezog sich auf einen Kaufvertrag über einen PKW, welcher immer wieder diverse Mängel aufwies. Nachdem einige der gerügten Mängel von dem Verkäufer repariert wurden, erklärte der Käufer die Minderung des Kaufpreises in Höhe von 20 % nach §§ 437 Nr. 2, 441 Abs. 1 Satz 1 BGB, da er der Auffassung war, dass die verschiedenen Mängel auf einer herstellungsbedingten Fehleranfälligkeit des PKW beruhten. Der Käufer klagte auf Rückzahlung des Differenzbetrages. In der Zwischenzeit traten erneut Mängel an dem Fahrzeug auf, von denen jedoch nur einer beseitigt werden konnte. Daher stellte der Käufer nun sein Klagebegehren um und verlangte nunmehr statt der Minderung des Kaufpreises die vollständige Rückabwicklung des Kaufvertrages im Wege des großen Schadensersatzes nach §§ 437 Nr. 3, 281 Abs. 1 Satz 3, Abs. 5 BGB.

Zwar handelte es sich in dem vorliegenden Fall um einen Kaufvertrag über einen PKW, wegen der Regelung des § 90 a BGB, nach dem auf Tiere die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sind, sind die folgenden Ausführungen des BGH jedoch auch von großer Bedeutung für die Gewährleistungsrechte bei Kaufverträgen über Pferde bzw. Tiere allgemein.

Entgegen der Entscheidungen der Vorinstanzen hat der BGH in der Revision entschieden, dass es nicht mehr möglich ist, anstelle oder neben einer bereits wirksam erklärten Minderung des Kaufpreises unter Berufung auf denselben Mangel die Rückabwicklung des Vertrages zu verlangen und hat die Klage des Käufers abgewiesen.

Grundsätzlich soll dem Käufer ein Wahlrecht zustehen, ob er an dem Vertrag festhalten oder sich vollständig davon lösen will, wenn die gekaufte Sache mangelhaft ist. Hierzu stehen ihm die Gewährleistungsrechte aus § 437 BGB zur Verfügung. Als Gestaltungsrechte, wenn er am Vertrag festhalten will, stehen ihm die Minderung (§§ 437 Nr. 2, 441) oder der kleine Schadensersatz (§§ 437 Nr. 3, 281 Abs. 1 Satz 1) zur Wahl. Will er sich vom Vertrag lösen, so kann er den Rücktritt (§§ 437 Nr. 2, 323) erklären oder den Schadensersatz statt der ganzen Leistung (sog. großer Schadesnersatz, §§ 437 Nr. 3, 281 Abs. 1 Satz 3, Abs. 5) fordern.

Kleiner Schadensersatz

Dabei spricht man von dem kleinen Schadensersatz, wenn der Gläubiger die mangelhafte Sache behält und den Wertunterschied zu einer mangelfreien Sache als Schaden ersetzt verlangt. Der kleine Schadensersatz kann bei jeder Pflichtverletzung geltend gemacht werden.

Großer Schadensersatz

Von dem großen Schadensersatz spricht man indes, wenn der Gläubiger die mangelhafte Sache zurück gibt und Schadensersatz für die Nichterfüllung des ganzen Vertrages verlangt. Er ist nach § 281Abs. 1 Satz 3 BGB ausgeschlossen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

Minderung des Kaufpreises

Nach § 437 Nr. 2, 441 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Käufer einer mangelhaften Sache „statt zurückzutreten“ den Kaufpreis mindern. Damit soll er die Möglichkeit erhalten die mangelhafte Sache zu behalten und durch die angemessene Herabsetzung des Kaufpreises das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung wieder herzustellen. Bereits auf dem Wortlaut „statt“ wird das Alternativverhältnis deutlich. Dieses bezieht sich zwar ausdrücklich auf den Rücktritt, da jedoch der Rücktritt und der große Schadensersatz wirtschaftlich dieselben Wirkungen haben, nämlich die vollständige Rückabwicklung des Kaufvertrages, muss sich dieses Alternativverhältnis auch auf den großen Schadensersatz beziehen. Hat der Käufer die Minderung und damit das Festhaltenwollen am Vertrag wirksam erklärt, so hat er damit sein Wahlrecht verbraucht. Aus diesem Grund ist es grundsätzlich zwar möglich, neben der Minderung den Ersatz von Begleitschäden nach § 280 Abs. 1 oder den kleinen Schadensersatz zu verlangen, was schon aus der Verbindung „und“ zwischen § 437 Nr. 2 und Nr. 3 deutlich wird, er kann sich jedoch nicht mehr dafür entscheiden, sich nun doch vom Vertrag lösen zu wollen, jedenfalls solange es sich um denselben Mangel handelt. Daher kann der große Schadensersatz nicht neben der Minderung erklärt werden.

Die einmal erklärte Minderung kann aber auch nicht mehr zurückgenommen und durch die Forderung des großen Schadensersatzes ersetzt werden. Bei der Minderung handelt es sich nämlich um ein Gestaltungsrecht, mit welchem das Vertragsverhältnis unmittelbar durch einseitiges Rechtsgeschäft geändert wird. Solche Gestaltungsrechte können nicht einseitig zurückgenommen oder widerrufen werden, sobald sie wirksam erklärt wurden und die Erklärung dem Vertragspartner zugegangen ist. Die Erklärung ist daher für den Käufer bindend und kann nicht mehr durch spätere Erklärungen ersetzt werden.

Zu beachten ist, dass sich dieses Problem nur bei konkurrierenden Rechtsbehelfen bezüglich ein und desselben Mangels stellt. Hätte der Käufer den Rücktritt oder den großen Schadenersatz statt der ganzen Leistung wegen eines später auftretenden neuen Mangels erklärt, der von der Minderungserklärung nicht umfasst war, so wäre die Lösung vom Vertrag noch möglich gewesen.

Sollte man eine mangelhafte Sache erworben haben, so empfiehlt es sich jedenfalls vorher intensiv darüber nachzudenken, ob man an dem Vertrag festhalten oder sich davon lösen will.

Für das Pferderecht bedeutet dies nun folgendes:

Sollte sich nach dem Erwerb eines Pferdes herausstellen, dass das Pferd z. Bsp. an Gelenkchips leidet, hat der Pferdekäufer nun im Sinne des ihm zur Verfügung stehende Gewährleistungsrechts (§437 BGB)  die Möglichkeit von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Entscheidet sich der neue Eigentümer des Pferdes nun entweder für den kleinen Schadensersatz oder die Kaufpreisminderung, hat er wegen des Festahltenwollens am Vertrag sein Wahlrecht verbraucht. Der Pferdekäufer  kann zu einem späteren Zeitpunkt wegen desselben Mangels nicht mehr vom Kaufpreis zurücktreten. Tritt allerdings ein neuer anderer Mangel „Kissing Spines“ auf und das Pferd eignet sich somit nicht mehr für die im Kaufvertrag vereinbarte Beschaffenheit (Springreiten), so hat der Käufer des Pferdes erneut die Möglichkeit von dem ihm zur Verfügung stehenden  Wahlrecht Gebrauch zu machen und kann vom Kaufvertrag zurücktreten.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

 

Unfall mit Pony im Straßenverkehr – Hälftige Haftung

OLG Celle Urt. v. 10.04.2018 – 14 U 147/17

 

Sachverhalt:

Mit ihrem Pony ritt die  Tochter der Klägerin auf der rechten Seite eines Weges. Hierbei handelt es sich um eine einspurige Fahrbahn mit Randstreifen auf beiden Seiten. Der Beklagte befuhr mit seinem LKW der Reiterin entgegen. Als die Reiterin den LKW kommen sah, hielt sie mit dem Pony an und stellte es leicht schräg mit dem Kopf Richtung Fahrbahn auf den Randstreifen und blieb dabei auf dem Pony sitzen. Der Beklagte drosselte das Tempo des LKWs und lenkte ihn ganz auf den rechten Rand der asphaltierten Fahrbahn. Als der LKW etwa halb an dem Pony vorbei war, erschreckte sich dieses, stieg und verletzte sich so schwer, dass es an den Folgen des Unfalls eingeschläfert werden musste. Ob es zu einer Kollision zwischen Pferd und LKW  gekommen ist oder nicht, konnte nicht abschließend geklärt werden. Die Klägerin begehrt neben der Erstattung von Behandlungskosten auch den Wert des Ponys ersetzt.

 

Entscheidung:

Der Beklagte wurde vom Landgericht Verden ( 5 O 282/14) auf Basis einer hälftigen Haftung zur Zahlung von 4000 € an die Klägerin verurteilt. Die Entscheidung der hälftigen Haftung wurde damit begründet, dass der LKW Fahrer die ihm aus §§ 1 Abs. 2, 2 Abs. 2 StVO obliegenden Pflichten nicht nachgekommen sei. Der von ihm zur Reiterin eingehaltene Abstand sei nicht ausreichend gewesen.  Dies wäre ihm jedoch objektiv möglich gewesen, wenn er den Grünstreifen befahren hätte. Alternativ hätte er anhalten und das Pferd passieren lassen oder sich mit der Reiterin verständigen müssen.

Der Mitverschuldensanteil der Klägerin von 50% ergibt sich aus der allgemeinen Tiergefahr, die sich durch das Scheuen des Ponys realisiert hat. Des Weiteren habe sich die Reiterin vor dem Unfall korrekt verhalten, weshalb ihr kein über die allgemeine Tiergefahr hinausgehender Verursachungs- und Verschuldensbeitrag anzulasten ist.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit dem Ziel, dass der LKW-Fahrer den Schaden in voller Höhe zu ersetzen habe. Die Berufung wurde vom Oberlandesgericht Celle jedoch zurückgewiesen. Im Ergebnis hat das Oberlandesgericht Celle das Urteil der Vorinstanz bestätigt, nach dem die Klägerin einen um 50% gekürzten Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten (bzw. dessen Versicherung)  aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 VVG hat. Im Gegensatz zum Landgericht sah das Berufungsgericht auch ein Verschulden bei der Reiterin, was sich allerdings im Ergebnis nicht auswirkt. Nach der ständigen Rechtsprechung scheidet eine Mithaftung des Tierhalters aus § 833 Abs. 1 BGB in der Regel aus, wenn den Mitverursacher des Unfalls nicht nur eine Gefährdungshaftung, sondern auch eine Verschuldenshaftung aus § 823 Abs. 1 BGB trifft. Nur in letzterem Fall greift § 840 Abs. 3 BGB wonach nur diejenige Partei haftet, die zusätzlich ein Verschulden trifft. Hier haftet der Beklagte nicht nur aus der Betriebsgefahr des LKWs, sondern auch aus dem schuldhaften Verstoß gegen das Abstandsgebot. Grundsätzlich reicht zwar ein Seitenabstand beim Passieren anderer Verkehrsteilnehmer von einem Meter aus, beim Passieren von Reitern muss allerdings mit unerwarteten Reaktionen des Pferdes gerechten werden, so dass hier unter Abwägung der konkreten Umstände ein Mindestabstand von anderthalb bis zwei Meter zum Pony einzuhalten ist.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Celle scheidet die Anwendung des § 840 Abs. 3 BGB im vorliegenden Fall aber deshalb aus, weil die Reiterin ebenfalls ein Verschulden trifft. Sie haftet für die Unfallfolgen nicht nur aus § 833 S. 1 BGB, sondern auch aus § 823 Abs. 1, 254 BGB bzw. 17 StVG. Das bloße Durchparieren zum Halten und schräg zur Fahrbahn stellen des Pferdes reicht für die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt nicht aus. Die Reiterin hätte die Gefahrsituation erkennen und vom Pony absteigen müssen, um es zu führen. Alternativ hätte sie zurück reiten müssen bis zu einer breiteren Stelle des Weges, an dem der LKW mit größerem Abstand hätte passieren können. Jedenfalls hätte sie sich mit dem LKW-Fahrer verständigen müssen. Ferner stellte  das Aufstellen des Ponys mit dem Kopf Richtung Fahrbahn, also mit Fluchtrichtung auf den LKW und der dadurch noch weiter verringerte Abstand des Ponys zur Fahrbahn eine Sorgfaltspflichtverletzung dar.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

Wucherpreis beim Kauf eines Sportpferdes – Rückabwicklung des Kaufvertrages wegen Sittenwidrigkeit

OLG Frankfurt, Urt. v. 26.01.2018 – 13 U 214/15

 

Sachverhalt:

Die Parteien streiten über wechselseitige Ansprüche aus dem Kaufvertrag über ein Sportpferd.

Der Kläger hatte für seine Tochter von dem Beklagten – einem ehemaligen Springreiter mit eigenem Reitstall und Außenspringanlage – ein sechsjähriges Springpferd für 60.000,00 € erworben, wobei 40.000,00 € direkt angezahlt wurden.

 

Der Beklagte hatte das Pferd selbst erst einige Monate zuvor für einen deutlich unter dem Verkaufspreis liegenden „Freundschaftspreis“ gekauft, dessen Höhe zwischen den Parteien streitig ist. Das Pferd verblieb zunächst im Stall des Verkäufers und wurde dort von der Tochter des Klägers geritten.

 

Kurz nach Abschluss des Kaufvertrages stellte der Käufer das Pferd erstmalig einem Tierarzt vor. Dieser stellte eine Lahmheit, einen Chip in jedem Hinterbein (freier Gelenkskörper) sowie eine   Mauke und Sehnenscheidengallen geringen Grades fest. Insgesamt  wurde das Pferd aber als „sporttauglich“ eingestuft.

 

Da das Pferd nach Ansicht des Käufers im Zeitpunkt des Kaufs bestenfalls einen Verkehrswert von 5.000,00 – 8.000,00 €gehabt hätte, erklärte der Käufer die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung und verlangte die Rückabwicklung des Kaufvertrages.

 

Der Beklagte hat dagegen Widerklage auf Zahlung der restlichen 20.000€ eingereicht.

 

Entscheidung:

 

Nachdem der Kläger in erster Instanz vor dem Landgericht Darmstadt (Urteil vom 09.11.2015 -19 O 349/13) unterlegen war, hatte seine Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt vollumfänglich Erfolg

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Nach Ansicht des OLG Frankfurt war der Klage stattzugeben und die Widerklage abzuweisen, weil der über das streitgegenständliche Pferd geschlossene Kaufvertrag sittenwidrig und daher gemäß § 138 I BGB nichtig war. Der Käufer könne daher die volle Rückzahlung der geleisteten Anzahlung von 40.000,00 € Zug um Zug gegen Rückgabe  des Pferdes verlangen.

 

Gem. § 138 I BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, das gegen die guten Sitten verstößt, wobei der in § 138 II BGB geregelte Wucher eine besondere Fallgruppe des sittenwidrigen Rechtsgeschäfts bildet. Wucher im Sinne dieser Vorschrift liegt vor,  wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht und subjektiv eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten festgestellt werden kann. Eine verwerfliche Gesinnung liegt vor, wenn jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, so kann allein dieser Umstand eine beweiserleichternde tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer verwerflichen Gesinnung im Sinne des § 138 I BGB begründen. Dabei wird ein besonders grobes Missverhältnis regelmäßig dann angenommen, wenn der Wert der Leistung rund doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung. Diese Vermutung greift nur dann nicht ein, wenn sie im Einzelfall durch besondere Umstände erschüttert wird. Diese Grundsätze gelten auch beim Kauf eines Sportpferdes (BGH-Urt. v. 18.12.2002, Az.: VIII ZR 123/02).

 

Im vorliegenden Fall handelte es sich nach Überzeugung des Sachverständigen bei dem Pferd lediglich um ein solides Amateur-Springpferd für den Freizeitsport und nicht um ein überdurchschnittliches Sportpferd mit Potential für die schwere Klasse. Als Mittelwert wurden die Ergebnisse der Zwischenauktionen des Hannoveraner Verbandes herangezogen und ein entsprechender Abzug für den Gesundheitszustand vorgenommen. Der vom Beklagten behauptete Freundschaftspreis von 20.000,00 €betrug lediglich 1/3 des vom Beklagten selbst verlangten Kaufpreises, so dass die Annahme eines groben Missverhältnisses indiziert war.

 

Das Gericht ging auch davon aus, dass der Beklagte in der Lage war, den Verkehrswert eines Pferdes zumindest der Größenordnung nach einzuschätzen. Dass ihm die Röntgenbefunde zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses nicht bekannt waren, ist dabei unerheblich, da diese nach den Ausführungen des Sachverständigen hier nur einen geringen Einfluss auf die Ermittlung des Verkehrswerts hatten.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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