Rechtliche Hilfe beim Dauerbrenner „Kissing-Spines“

Rechtliche Hilfe beim Dauerbrenner „Kissing-Spines“

Kissing-Spines bzw. das Kissing Spines Syndrom, kurz KS, bedeutet übersetzt so viel wie „Küssende-Dornfortsätze-Syndrom“. Die Dornfortsätze sind beim Pferd die knöchernen Teile der Wirbelsäule, die ab dem Widerrist bis zur Kruppe erspürt werden können. Sie bestehen aus dünnen Verlängerungen jedes einzelnen Wirbelkörpers und bilden bei einem Pferd den Widerrist sowie die Oberlinie.

Als KS werden Veränderungen dieser Dornfortsätze bezeichnet, wie z.B. die Minimierung der Abstände untereinander oder im ungünstigeren Fall der komplette Verlust. Diese Vorgänge gehen häufig, aber nicht immer, mit lokalen Entzündungen einher.

Sowohl die Engstände selbst als auch diese Entzündungen verursachen bei dem Tier oftmals starke Schmerzen. Denn die Dornfortsätze reiben bei Bewegung dauerhaft aneinander und dies begünstigt etwaige Entzündungsprozesse. Vor allem durch schnellere Gangarten, wie Trab und Galopp, werden diese Prozesse noch verstärkt.

Pferde mit der Diagnose „Kissing-Spines“ sind mit speziellem muskelaufbauendem Training und einer schonenden Reitweise häufig problemlos als Freizeitpferde einsetzbar; die Einsatzmöglichkeit im professionellen Pferdesport ist jedoch fast ausgeschlossen.

Doch was kann man tun, wenn sich erst nach dem Pferdekauf herausstellt, dass bei dem gekauften Pferd ein KS vorliegt? Mit dieser Frage hatte sich das Landgericht Münster zu beschäftigten und entschied, dass der Käufer den Kaufvertrag rückabwickeln und die getätigten Aufwendungen vom Verkäufer ersetzt verlangen kann, selbst wenn das Pferd noch keine Symptome zeigt und auf eine Ankaufsuntersuchung verzichtet wurde.

Landgericht Münster entscheidet über Vollblutstute mit Kissing-Spines

In einem Fall, der dem Landgericht Münster vorlag (Urteil vom 10.08.2004, Az. 10 O 716/03), ging es um eine 11-jährige Vollblutstute, bei der nach dem Kauf ein leichtes Kissing-Spines-Syndrom diagnostiziert wurde.

Der vom Gericht beauftragte Sachverständige bestätigte die zuvor gestellte Diagnose. Zwar konnte der Sachverständige eine wahrnehmbare eingeschränkte Rittigkeit der Stute nicht feststellen; trotzdem wies er darauf hin, dass der Kauf eines solchen Pferdes mit einem „Kissing-Spines-Syndrom“ mit einem erheblichen Risiko verbunden sei. Denn es könne nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden, dass die diagnostizierten Engstände der Dornfortsätze dem Pferd in Zukunft keine Probleme bereiten könnten. Der Kauf eines derartigen Pferdes sei deshalb jedenfalls für den Käufer risikobehaftet.

Trotz fehlender Symptome: Kissing-Spines als Mangel des Pferdes

Das Gericht kam daher trotz fehlender Symptome zu dem Ergebnis, dass die verkaufte Vollblutstute mangelhaft im Sinne des § 434 BGB war.

Diese Entscheidung ist insofern bedeutend, als die Rechtsprechung bis zu diesem Urteil einhellig davon ausging, dass ein Mangel des Pferdes nur angenommen werden könne, wenn er sich auch tatsächlich bereits realisiert habe. Das Pferd müsste im Fall der Kissing-Spines folglich schon lahm gehen oder auf Grund der Schmerzen im Rücken unwillig/ unrittig sein. Diese Symptome müssten sich, so die Gerichte in der Vergangenheit, dauerhaft, zumindest aber in regelmäßigen Abständen zeigen.

Das Landgericht Münster stellte demgegenüber klar, dass allein in der Diagnose der Erkrankung bereits ein Mangel zu sehen sei. Dies gelte selbst dann, wenn die Erkrankung nur leicht sei, dafür aber mit dem Risiko behaftet, dass das Pferd in seiner Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigt sein könne. Bei einem Pferd ohne die Verengung der Dornfortsätze bestünde dieses Risiko nämlich nicht.

Entscheidung trotz fehlender Ankaufsuntersuchung

Interessant war auch der Hinweis des Gerichts, dass die vorliegend nicht durchgeführte Ankaufsuntersuchung keine andere rechtliche Bewertung zuließe, da nicht bei jeder Ankaufsuntersuchung Röntgenbilder gefertigt würden und diese Erkrankung nur durch eine röntgenologische Untersuchung hätte festgestellt werden können.

Auch die Aufforderung zur Nacherfüllung unter Fristsetzung war vorliegend entbehrlich gewesen, so das Landgericht, da nicht sicher sei, dass durch eine entsprechende tierärztliche Behandlung das Pferd zukünftig symptomfrei bleiben würde.

Wenn Sie bei Erwerb eines Pferdes gerade mit Blick auf das Kissing Spines Syndrom sichergehen wollen, sollte allerdings vorab unbedingt eine Ankaufsuntersuchung mit entsprechenden röntgenologischen Untersuchungen durchgeführt werden.

Gerne helfen wir Ihnen weiter, wenn Sie mit der Diagnose Kissing-Spines konfrontiert werden.