02151 - 76 70 00 9

Gutgläubiger Erwerb eines Pferdes

LG Bonn, Urt. v. 30.07.2015 – 2 O 444/14

Sachverhalt:

Der Kläger, vom Beruf Pferdezüchter, verlangte von der Beklagten die Herausgabe eines Pferdes. Der Kläger hatte das streitgegenständliche Pferd unter verlängertem Eigentumsvorbehalt an Dritte übergeben. Diese sollten das Pferd für ihn weiterverkaufen. Er übergab den Dritten den dazu gehörigen Pferdepass sowie eine Kopie der Eigentumsurkunde. Die Dritten verkauften das Pferd an einen Pferdehändler, ohne den Kläger den erzielten Verkaufspreis zu übergeben. Der Pferdehändler verkaufte wiederum das Pferd an die Beklagte, die jetzige Besitzerin des Pferdes. Der Kläger war der Meinung, er habe das Eigentum an dem Pferd nicht verloren. Die Beklagte hatte grob fahrlässig gehandelt. Die Kopie der Eigentumsurkunde reiche für den Eigentumsübergang nicht aus. Die Beklagte verlangte wiederum im selben Prozess von dem Kläger die Herausgabe der Eigentumsurkunde.

 

Entscheidung:

Der Pferdezüchter hatte mit seiner Klage keinen Erfolg. Die Beklagte hatte zudem ein Anrecht auf die Eigentumsurkunde. Der Kläger hatte keinen Anspruch auf Herausgabe des Pferdes, da er nicht mehr dessen Eigentümer war. Die Beklagte ist infolge eines gutgläubigen Erwerbs Eigentümerin geworden. Sie war beim Kauf des Pferdes bezüglich der Eigentümerstellung des Pferdehändlers im guten Glauben.

Exkurs gutgläubiger Erwerb an beweglichen Sachen nach §§932 – 936 BGB:

Der Eigentumserwerb an beweglichen Sachen vom Nichtberechtigten ist in den Paragraphen 932-936 BGB geregelt. Nichtberechtigte sind in der Regel Personen, die nicht Eigentümer aber Besitzer der zu verkaufenden Sache sind. Die Besitzverschaffungsmacht des Verkäufers an der Sache bildet hier den Rechtsschein des Eigentums, auf den der Käufer vertrauen darf. Voraussetzung ist jedoch, dass der Erwerber gutgläubig in Bezug auf das Recht am Eigentum des Veräußerers ist. Er darf also weder wissen, noch aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht wissen, dass der Veräußerer nicht Eigentümer ist.

Ausgeschlossen ist ein gutgläubiger Erwerb allerdings bei abhandengekommen, das heißt gestohlenen Sachen. Sie hatte zum einen von dem verlängerten Eigentumsvorbehalt keine Kenntnis. Zum anderen hatte sie im Zeitpunkt des Kaufs bezüglich der Eigentümerstellung des Verkäufers oder dessen Berechtigung keine grob fahrlässige Unkenntnis.

Die Kopie der Eigentumsurkunde reicht für ein grobfahrlässiges Handeln nicht aus. Die Eigentumsurkunde, ausgestellt vom Zuchtverband, enthält nur Angaben zum Pferd, nicht aber zum Eigentümer. In die Eigentumsurkunde wird nur der Züchter, nicht der zukünftige Erwerber eingetragen. Die Eigentumsurkunde gibt daher wie auch der Pferdepass nur Auskunft über das Pferd. Der Vermerk, der nur eine Vorgabe des Zuchtverbands ist, „Die Eigentumsurkunde steht demjenigen zu, der Eigentümer des Pferdes i.S. des BGB ist. Sie ist daher bei Veräußerung des Pferdes zusammen mit dem ebenfalls zum Pferd gehörigen Pferdepass dem neuen Eigentümer zu übergeben und bei Tod des Tieres an den ausstellenden Verband zurückzugeben …“ hindert den Eigentumsübergang nicht.

Eine grobe Fahrlässigkeit der Beklagten lag des Weiteren auch nicht vor, da die Kopie der Eigentumsurkunde aufgrund eines Aufklebers mit Barcode einen autorisierten Charakter hatte.

Die Beklagte hatte daher einen Herausgabeanspruch der Eigentumsurkunde. Als Eigentümerin des Pferdes hat sie daran ein schützenwertes Interesse.

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

Pferde und Kinder

Landgericht Nürnberg-Fürth, Hinweisbeschluss vom 16.10.2017, Az. 16 S 5049/17

Vorinstanz: Amtsgericht Nürnberg, Urteil vom 13.07.2017, Az. 239 C 1390/17

Der Sachverhalt

Die Beklagte besuchte mit ihren drei und fünf Jahre alten Enkelkindern die Reithalle einer nahe gelegenen Reitanlage. Damit ihr dreijähriges Enkelkind die Reiter mit ihren Pferden besser sehen konnte, setzte die Beklagte es auf die Holzbande. Dort baumelten die Beine des Kindes, sodass seine Turnschuhe gegen die Holzwand stießen.

Zu diesem Zeitpunkt führte die Klägerin ihr Pferd am langen Zügel durch die Reithalle. Das Pferd der Klägerin erschrak durch das von dem Enkel der Beklagten verursachte Geräusch und ging rückwärts. Durch die plötzliche Rückwärtsbewegung des Pferdes rutschte die Hand der Klägerin in den Zügel und wurde nach hinten gerissen. Die Klägerin erlitt eine Schulterverletzung. Neben einem Schmerzensgeld von 3.000 Euro verlangte sie von der Beklagten auch den Ersatz des Haushaltsführungsschadens in Höhe von fast 2.000 Euro.

Die Entscheidungen

Das Amtsgericht wies die Klage ab. Der Beklagten sei der Schaden nicht zurechenbar. Sie habe sich sozialadäquat verhalten. Es sei nachvollziehbar, ihr Enkelkind auf den Rand der Bande zu setzen, um den Pferden und Reitern zusehen zu können. Ihr sei höchstens geringfügig vorzuwerfen, dass die Füße des Kindes in den Reitbereich hineinragten.

Im Übrigen sei allein das Verhalten des Pferdes, welches in den Zurechnungsbereich der Klägerin fällt, für die Verletzung der Klägerin ausschlaggebend. Für die Beklagte sei es weder vorhersehbar noch vermeidbar gewesen, dass das Pferd auf Poltergeräusche so schreckhaft reagieren werde.

Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung beim Landgericht Nürnberg-Fürth ein, nahm diese aber nach dem Hinweisbeschluss des Landgerichts zurück. Das Landgericht bestätigte nicht nur die Ansicht des Amtsgerichts, es ging sogar darüber hinaus.

An der Reithalle befand sich weder ein Hinweisschild, noch würden die Besucher anders vor dem Betreten der Reithalle darauf hingewiesen werden, dass man sich möglichst leise verhalten müsse. Vor allem hinsichtlich Alltagsgeräuschen – wie dem Poltern der Bande – hätte es eines ausdrücklichen Hinweises bedurft.

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

 

Haftung des Reitturnierveranstalters

Oberlandesgericht Freiburg, Urteil vom 20.04.2018, Az. 14 U 173/16

Vorinstanz:  Landgericht Freiburg im Breisgau, Urteil vom 14.10.2016, Az. 1 O 209/15

Der Sachverhalt

Auf dem Turnier des beklagten Vereins 2011 wurde ein fast dreijähriges Kind durch ein Pferd sehr schwer am Kopf verletzt, als es unbeaufsichtigt in einen Pferdeanhänger kletterte. Das Kind ist seitdem für den Rest seines Lebens auf permanente Betreuung angewiesen.

Die Eltern des Kindes klagten gegen die Pferdehalterin und den Reitverein auf die Erstattung bereits entstandener und noch unklarer Folgekosten.

 

Die Entscheidungen

Das Landgericht entschied, dass die Pferdehalterin zu einem Drittel für den Unfall und seine Folgekosten hafte: Sie habe bei dem Unfall ihr Pferd nicht in der gebotenen Weise beaufsichtigt und sei daher schadenersatzpflichtig. Die restlichen zwei Drittel müssten die Eltern des verletzten Kindes tragen, da diese ihre Pflicht, das Kind angesichts der am Turnier drohenden Gefahren ständig zu beaufsichtigen, ebenfalls verletzt hätten.

Hinsichtlich des Reitvereins wurde die Klage abgewiesen. Der Verein habe seine Verkehrssicherungspflichten nicht verletzt. Er habe vielmehr darauf vertrauen dürfen, dass gerade kleine Kinder ständig unter der Aufsicht ihrer Eltern oder anderer Verantwortlicher stehen werden und daher auch „Gefahrenstellen, die nur im Zusammenspiel mit der besonderen Unerfahrenheit von Kleinkindern wirksam werden“, nicht besonders gesichert werden müssten. Die Verkehrssicherungspflichten des Vereins seien außerdem durch die Aufsichtspflicht der Eltern „neutralisiert“ worden.

Gegen dieses Urteil legte die beklagte Pferdehalterin Berufung beim Oberlandesgericht ein.

Das Urteil des Oberlandesgerichts änderte jedoch an der Haftung der Pferdehalterin nichts. Sie haftet weiterhin für ein Drittel des Schadens. Sie habe den Pferdehänger nicht unbeaufsichtigt lassen dürfen. „[Die Pferdehalterin] hätte sich nur dann von ihrem geöffneten Anhänger entfernen können, wenn sie sich darauf hätte verlassen können, dass seitens des veranstaltenden Vereins durch eine Aufsicht oder eine sichere Absperrung dafür gesorgt worden wäre, dass sich Unbefugte den Hängern nicht näherten“.

Neben der Pferdehalterin und den Eltern, haftet nach Ansicht des Oberlandesgerichts aber auch der Reitverein. Es könne hinsichtlich der Verkehrssicherungspflichten eines Veranstalters nicht nur auf Erwachsene abgestellt werden. Der Veranstalter müsse ebenso wirksame Schutzmaßnahmen ergreifen, „um Kinder vor den Folgen ihrer Unerfahrenheit und Unbesonnenheit zu schützen“. Dies habe der Reitverein versäumt.  Weder habe es eine Absperrung zwischen dem öffentlich zugänglichen Ausstellungsbereich mit verschiedenen Landmaschinen und den abgestellten Pferdeanhängern gegeben, noch seien Helfer damit beauftragt worden, in diesem Bereich nach dem Rechten zu sehen und Besucher darauf hinzuweisen, dass dieser Bereich nicht betreten werden dürfe. Dies sei umso verwerflicher, da es am Unfalltag derart warm gewesen sei, dass fast alle Pferdehänger zur besseren Belüftung mit offener Ladeklappe abgestellt waren.

Dieser Gefahr habe der Reitverein „mit einem zumutbaren Aufwand, der die Anforderungen an ein ländliches Reitturnier nicht übersteigt, wirksam begegnen können“.  „Bei der am Tag des Unfalls bei dem Reitturnier konkret gegebenen Situation hätte der Beklagte aufgrund seiner Verkehrssicherungspflicht Maßnahmen ergreifen müssen, um sicher zu stellen, dass jedenfalls Kinder, die aufgrund ihres Alters die durch den Kontakt mit Pferden begründeten Gefahren nicht einschätzen können, sich diesen nicht unbeaufsichtigt nähern. Es hätte hierzu genügt, wenn der Beklagte eine Aufsichtsperson vorgesehen hätte, die im Bereich der abgestellten, offenen Pferdeanhänger ihren Standort öfters gewechselt hätte, so dass sie den fraglichen Bereich kontrollieren und bei der Annäherung von Kindern hätten eingreifen können. […] Der Beklagte musste zum einen aufgrund der Gesamtumstände die Möglichkeit einkalkulieren, dass sich kleinere Kinder der Aufsicht ihrer Eltern entziehen könnten, und zum anderen berücksichtigen, dass auch ältere Kinder anwesend waren, bei denen man sich nicht darauf verlassen konnte, dass sie lückenlos beaufsichtigt werde.“

Das Oberlandesgericht entschied, dass die Pferdehalterin, das Elternpaar und der Reitverein zu jeweils einem Drittel haften.

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

 

Haftung des Pensionsstallbetreibers für verletztes Pferd

OLG Frankfurt, Urt. v. 14.09.17 – 15 U 21/16, vorgehend LG Marburg, Urt. v. 09.12.15 – 2 O 64/14

Sachverhalt:

Der Kläger ist Halter und Eigentümer eines Pferdes, welches er in dem Pensionsbetrieb des Beklagten einstallte. Das Pferd sollte dort in einer Box untergebracht werden und morgens auf einen Paddock gebracht und abends von diesem wieder zurück in die Box geholt werden. Wenige Tage, nachdem das Pferd auf dem Betrieb eingestallt wurde, erhielt der Kläger morgens einen Anruf von einer Angestellten des Beklagten, die ihm mitteilte, dass das Pferd lahme. Es stellte sich heraus, dass das Pferd mehrere Schürfwunden am Kopf hatte und unter anderem eine Oberarmfissur und eine Ellenbogenfraktur aufwies. Wie genau es zu den Verletzungen kam ist umstritten, entweder durch einen Sturz beim Heraus- oder Hereinbringen vom Paddock oder durch ein Festlegen in der Box.

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe der von ihm aufgewendeten Behandlungskosten für das Pferd.

 

Entscheidung:

Das LG Marburg hatte in erster Instanz die Klage als unbegründet abgewiesen.

Das Gericht hat zunächst festgestellt, dass es sich bei einem Pferdeeinstallungsvertrag um einen gemischten Vertrag mit Elementen des Miet-, Kauf-, Dienst-, sowie Verwahrungsvertrages handelt. Den Schwerpunkt bildet hier der entgeltliche Verwahrungsvertrag, da nicht lediglich eine Box zur Verfügung gestellt werden, sondern es auch versorgt und gefüttert werden sollte. Daher kommt nach dem Schwerpunkt des Vertrages das Verwahrungsrecht nach § 688 BGB zur Anwendung, nach dem der Pensionsbetreiber neben der Überlassung einer Box insbesondere auch die Übernahme der Fürsorge und Obhut für das jeweilige Pferd schuldet.

Ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 I BGB kommt daher in Betracht, wenn der Stallbetreiber seine Obhutspflicht schuldhaft verletzt. Dazu habe jedoch der Kläger zunächst darzulegen, dass die Pflichtverletzung objektiv in den Verantwortungsbereich des Beklagten gefallen ist.

Das Landgericht ging jedoch davon aus, dass dem Kläger dieser Nachweis nicht gelungen sei, denn es konnte nicht aufgeklärt werden, ob sich das Pferd beim Herausbringen verletzt hatte oder sich in der Box festgelegt hatte. Letzteres stellt eine allein auf die dem Pferd innewohnende Tiergefahr zurückzuführende Verletzung dar, die nicht vom Beklagten zu vertreten wäre.

Anders sah dies jedoch das Berufungsgericht, welches dem Kläger einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen der aufgewendeten und erforderlichen Tierarztkosten zusprach.

Der Beklagte habe aufgrund des Vertrages mit dem Kläger die ihm obliegenden Obhuts- und Fürsorgepflichten sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass sich das Pferd nicht verletzt und im ordnungsgemäßen Zustand wieder an seinen Eigentümer herausgegeben werden kann.

Da sich das Pferd zu dem Zeitpunkt als es sich verletzte im alleinigen Verantwortungs- und Gefahrenbereich des Beklagten befand, trifft hier den Beklagten und nicht den Kläger die Beweislast. Der Beklagte hat den Entlastungsbeweis dafür zu führen, dass ihn bezüglich der Verletzungen des Pferdes kein Verschulden trifft. Dies ist ihm vorliegend nicht gelungen, da gerade nicht aufgeklärt werden konnte, ob die Verletzungen durch ein Festlegen oder einen Sturz auf dem Paddock entstanden sind.  

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

Zur Haftung des Reitlehrers beim Springtraining

KG Berlin, Beschl. v. 02.03.2017 – 11 U 5/16

Sachverhalt:

Der Kläger des vorliegenden Verfahrens buchte bei dem Beklagte eine Stunde Springtraining. Der Beklagte, der ein erfahrener Reitlehrer war, baute zu Beginn der Reitstunden einen In-Out-Sprung bestehende aus einem ca. 30 cm hohen Cavaletti und einem höheren Steilsprung auf. Der Abstand zwischen den beiden Sprüngen betrug ca. 2,40 m. Der Beklagte wies den Kläger an, das Hindernis zunächst im Trab anzureiten, wobei das Pferd des Klägers das Cavaletti zunächst umstieß. Anschließend sollte der Kläger das Hindernis im Galopp anreiten, was ihm auch zweimal hintereinander ohne weiteres gelang. Daher erhöhte der Beklagte den Steilsprung leicht auf ca. 80 cm. Bei dem darauffolgenden Versuch, das erhöhte Hindernis im Galopp zu überwinden, riss das Pferd des Klägers die obere Stange des Steilsprungs mit den Vorderbeineinen zu Boden und stürzte auf den Kläger. Der Kläger erlitt hierdurch erhebliche Verletzungen. Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld. Er behauptet, der Beklagte habe den Sturz dadurch verursacht, dass er die Abstände zwischen den Sprüngen falsch abgemessen habe.

 

Entscheidung:

Die Klage hatte weder in erster noch in zweiter Instanz Erfolg, da der Kläger dem Beklagten nicht die Verletzung einer für den Sturz ursächlichen Verkehrssicherungspflicht nachweisen konnte.

Da dem Springtraining zugrunde liegenden Vertragsverhältnis ist als Dienstvertrag gem. §§ 611 ff. BGB zu qualifizieren, da der Beklagte lediglich die Durchführung einer Unterrichtsstunde, nicht aber einen konkreten Ausbildungserfolg schuldete. Ein Schadensersatzanspruch aus dem Dienstvertrag kommt in Betracht, wenn dem Dienstleister die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht zur Last gelegt werden kann. Die Frage, wann bei einer Springstunde die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht angenommen werden kann, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Ausschlaggebenden Faktoren sind dabei das Alter und der Ausbildungsstand von Pferd und Reiter,  der Schwierigkeitsgrad der Übung und die Frage, ob das Hindernis ordnungsgemäß aufgebaut worden ist.

Da der Kläger des vorliegenden Verfahrens als durchaus erfahrenen Reiter mit seinem Pferd das Hindernis in der Reitstunden bereits zweimal problemlos überwunden hatte und das Pferd des Klägers in der Vergangenheit unstreitig bereits Sprünge bis zu einer Höhe von etwa 1,05 m erfolgreich gemeistert hatte, war nur noch fraglich, ob der Beklagte den Abstand zwischen dem Cavaletti und dem Steilsprung pflichtwidrig zu eng gewählt hatte. Denn die Richtlinien für Reiten und Fahren der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) sehen für ein In-Out „regelmäßig“ eine Distanz von 3 m oder mehr vor.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand fest, dass dies vorliegend nicht der Fall war. Denn bei den Richtlinien der FN handelt es sich lediglich um Empfehlungen und nicht um verbindliche Richtlinien im juristischen Sinne. Der Trainer einer Springreitstunde kann daher individuell an Fähigkeiten und Merkmale von Pferd und Reiter angepasst die Abstände zwischen den Hindernissen wählen, d.h. also vergrößern als auch verkleinern.  Einen „ordnungsgemäßen“ Abstand zwischen Cavaletti und dem nachfolgenden Hindernis existiert daher nicht.

Der Beklagte hätte den Kläger auch nicht darauf hinweisen müssen, dass er den Sprung erhöht hatte, denn die Erhöhung war so geringfügig, dass sie keinen Einfluss auf den Sprungablauf haben konnte.

Das im Rahmen der Springreitstunden aufgezeichnete Video ergab zudem, dass das Pferd nicht aufgrund des zu geringen Abstands gestürzt war, sondern weil sie unaufmerksam war. Eine Überforderung von Pferd und Reiter war zu keinem Zeitpunkt ersichtlich. Bei dem Sturz des Beklagten hatte sich vielmehr  das dem Springreitsport naturgemäß innewohnende allgemeine Risiko verwirklicht. Eine Haftung des Beklagten schied daher aus.

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia