Oberlandesgericht Freiburg, Urteil vom 20.04.2018, Az. 14 U 173/16
Vorinstanz: Landgericht Freiburg im Breisgau, Urteil vom 14.10.2016, Az. 1 O 209/15
Der Sachverhalt
Auf dem Turnier des beklagten Vereins 2011 wurde ein fast dreijähriges Kind durch ein Pferd sehr schwer am Kopf verletzt, als es unbeaufsichtigt in einen Pferdeanhänger kletterte. Das Kind ist seitdem für den Rest seines Lebens auf permanente Betreuung angewiesen.
Die Eltern des Kindes klagten gegen die Pferdehalterin und den Reitverein auf die Erstattung bereits entstandener und noch unklarer Folgekosten.
Die Entscheidungen
Das Landgericht entschied, dass die Pferdehalterin zu einem Drittel für den Unfall und seine Folgekosten hafte: Sie habe bei dem Unfall ihr Pferd nicht in der gebotenen Weise beaufsichtigt und sei daher schadenersatzpflichtig. Die restlichen zwei Drittel müssten die Eltern des verletzten Kindes tragen, da diese ihre Pflicht, das Kind angesichts der am Turnier drohenden Gefahren ständig zu beaufsichtigen, ebenfalls verletzt hätten.
Hinsichtlich des Reitvereins wurde die Klage abgewiesen. Der Verein habe seine Verkehrssicherungspflichten nicht verletzt. Er habe vielmehr darauf vertrauen dürfen, dass gerade kleine Kinder ständig unter der Aufsicht ihrer Eltern oder anderer Verantwortlicher stehen werden und daher auch „Gefahrenstellen, die nur im Zusammenspiel mit der besonderen Unerfahrenheit von Kleinkindern wirksam werden“, nicht besonders gesichert werden müssten. Die Verkehrssicherungspflichten des Vereins seien außerdem durch die Aufsichtspflicht der Eltern „neutralisiert“ worden.
Gegen dieses Urteil legte die beklagte Pferdehalterin Berufung beim Oberlandesgericht ein.
Das Urteil des Oberlandesgerichts änderte jedoch an der Haftung der Pferdehalterin nichts. Sie haftet weiterhin für ein Drittel des Schadens. Sie habe den Pferdehänger nicht unbeaufsichtigt lassen dürfen. „[Die Pferdehalterin] hätte sich nur dann von ihrem geöffneten Anhänger entfernen können, wenn sie sich darauf hätte verlassen können, dass seitens des veranstaltenden Vereins durch eine Aufsicht oder eine sichere Absperrung dafür gesorgt worden wäre, dass sich Unbefugte den Hängern nicht näherten“.
Neben der Pferdehalterin und den Eltern, haftet nach Ansicht des Oberlandesgerichts aber auch der Reitverein. Es könne hinsichtlich der Verkehrssicherungspflichten eines Veranstalters nicht nur auf Erwachsene abgestellt werden. Der Veranstalter müsse ebenso wirksame Schutzmaßnahmen ergreifen, „um Kinder vor den Folgen ihrer Unerfahrenheit und Unbesonnenheit zu schützen“. Dies habe der Reitverein versäumt. Weder habe es eine Absperrung zwischen dem öffentlich zugänglichen Ausstellungsbereich mit verschiedenen Landmaschinen und den abgestellten Pferdeanhängern gegeben, noch seien Helfer damit beauftragt worden, in diesem Bereich nach dem Rechten zu sehen und Besucher darauf hinzuweisen, dass dieser Bereich nicht betreten werden dürfe. Dies sei umso verwerflicher, da es am Unfalltag derart warm gewesen sei, dass fast alle Pferdehänger zur besseren Belüftung mit offener Ladeklappe abgestellt waren.
Dieser Gefahr habe der Reitverein „mit einem zumutbaren Aufwand, der die Anforderungen an ein ländliches Reitturnier nicht übersteigt, wirksam begegnen können“. „Bei der am Tag des Unfalls bei dem Reitturnier konkret gegebenen Situation hätte der Beklagte aufgrund seiner Verkehrssicherungspflicht Maßnahmen ergreifen müssen, um sicher zu stellen, dass jedenfalls Kinder, die aufgrund ihres Alters die durch den Kontakt mit Pferden begründeten Gefahren nicht einschätzen können, sich diesen nicht unbeaufsichtigt nähern. Es hätte hierzu genügt, wenn der Beklagte eine Aufsichtsperson vorgesehen hätte, die im Bereich der abgestellten, offenen Pferdeanhänger ihren Standort öfters gewechselt hätte, so dass sie den fraglichen Bereich kontrollieren und bei der Annäherung von Kindern hätten eingreifen können. […] Der Beklagte musste zum einen aufgrund der Gesamtumstände die Möglichkeit einkalkulieren, dass sich kleinere Kinder der Aufsicht ihrer Eltern entziehen könnten, und zum anderen berücksichtigen, dass auch ältere Kinder anwesend waren, bei denen man sich nicht darauf verlassen konnte, dass sie lückenlos beaufsichtigt werde.“
Das Oberlandesgericht entschied, dass die Pferdehalterin, das Elternpaar und der Reitverein zu jeweils einem Drittel haften.
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Rechtsanwältin Susan Beaucamp
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