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Zur Rechtmäßigkeit eines Pferdehaltungsverbotes

VGH München, Beschluss vom 14.09.2017 – 9 CS 17.456

 

Sachverhalt:

Der Antragsteller wendet sich gegen einen Bescheid des Landratsamts, mit welchem ihm unter Androhung der sofortigen Vollziehung das Halten und Betreuen von Vieh gemäß § 2 Nr. 4 Tiergesundheitsgesetz untersagt und die Auflösung des bestehenden Pferde– und Schafbestandes aufgegeben wurde.

Bei mehreren Vorortkontrollen hatte die Amtsveterinärin festgestellt, dass die Tierhaltung des Antragsstellers erhebliche Mängel aufwies. So fehlte es mehrfach an der Trinkwasserversorgung für die Schafe, zudem wurden die Schafe nicht ordnungsgemäß geschoren. Obwohl eines der Schafe hochgradig lahmte, wurde kein Tierarzt hinzugezogen. Bezüglich der Pferdehaltung wurde festgestellt, dass den Pferden keine trockene Liegefläche zur Verfügung stand und der Auslaufbereich matschig-versumpft war, auch wurde die Hufpflege der Pferde vernachlässigt. Die Weide wurde nicht ordnungsgemäß eingezäunt und es befanden sich Gegenstände auf der Weide, an denen sich die Pferde hätten verletzen können. Dies wurde auch anhand von Fotos dokumentiert.

Der Antragsteller wendete dagegen ein, bei den Feststellungen handele es sich lediglich um Momentaufnahmen, welche ein Tierhaltungsverbot nicht rechtfertigen könnten. Außerdem stünde den Pferden ein ausreichend großer, trockener Stall zur Verfügung.

Der Antragsteller hat im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes einen Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung gestellt. Dieser wurde von dem Verwaltungsgericht abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.

 

Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs:

Der VGH folgte der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die Beschwerde gegen den Beschluss blieb ebenfalls erfolglos.

Das Landratsamt hatte in dem Bescheid die Anordnung der sofortigen Vollziehung ausreichend begründet. Es hatte dazu ausgeführt, dass ohne die sofortige Vollziehung das Ziel der Anordnungen, die Tiere vor konkreten Gefahren hinsichtlich Schmerzen, Leiden oder Schäden zu bewahren, gefährdet sei. Durch die Einlegung von Rechtsbehelfen würden Maßnahmen des Schutzes der Tiere für längere Zeit heraus gezögert werden. Gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung bestehen daher grundsätzlich keine Bedenken.

Hinzu kommt, dass das Tierhaltungsverbot voraussichtlich rechtmäßig im Sinne des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG ist.

Nach den Feststellungen der Amtstierärztin, die sie aufgrund mehrfach durchgeführter Kontrollen beim Antragsteller getroffen hatte, haben wiederholt Verstöße gegen § 2 TierSchG vorgelegen.

Der VGH hat diesbezüglich ausgeführt, dass der fachlichen Einschätzung des Amtstierarztes sowohl hinsichtlich der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, als auch hinsichtlich der Frage, ob die in § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG vorausgesetzten qualifizierten Folgen vorliegen, eine vorrangige Beurteilungskompetenz zukommt. Zur Entkräftung der fachlichen Beurteilung ist ein substantiiertes Gegenvorbringen erforderlich, ein bloßes Bestreiten reicht regelmäßig nicht aus. Ein solches konnte der Antragsteller im vorliegenden Fall jedoch nicht vorbringen.

Hinzu kommt, dass für das Tatbestandsmerkmal der wiederholten Zuwiderhandlung bereits zwei Verstöße ausreichen. Der Einwand des Antragstellers, es habe sich lediglich um Momentaufnahmen gehandelt, vermochte daher schon deswegen nicht überzeugen, da die Amtstierärztin an mindestens zwei Kontrollterminen schwere Verstöße gegen das Tierschutzgesetz dokumentiert hatte. Nach ständiger Rechtsprechung ist es zudem anerkannt, dass ein Verbot der Tierhaltung und -betreuung im Fall gravierender und zahlreicher Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen und Anordnungen bereits dann gerechtfertigt ist, wenn die bloße Gefahr besteht, dass den Tieren anderenfalls erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden zugefügt werden.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Kopfscheues Pferd –Rücktritt vom Pferdekaufvertrag wegen charakterlicher Mängel?

Problem: Beschaffenheitsvereinbarung

OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.09.2005; AZ: 22 U 82/05

Vorinstanz: LG Wuppertal, Urteil vom 18.04.2005

 

Sachverhalt:

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Pferdes.

Die Klägerin erwarb vom Beklagten ein Pferd nebst Zubehör für einen Kaufpreis von 4000 Euro. Vor dem Kauf ritt die Klägerin das Pferd Probe.

Der Beklagte habe laut der Klägerin ihr zugesichert, dass das Pferd zum Turniereinsatz geeignet sei. Beim Proberitt sei das Pferd auch ruhig gewesen. Nach der Übergabe sei das Pferd jedoch kopfscheu, nervös und unwillig gewesen und somit weder als Freizeit- noch als Turnierpferd zu gebrauchen.

Zudem sei der mitgelieferte Sattel für das Pferd ungeeignet gewesen, sodass sich die Klägerin einen neuen Sattel kaufen musste.

Der Beklagte behauptet, es sei vereinbart gewesen, dass Pferd als Freizeitpferd zu verwenden.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klage wurde abgewiesen.

Es stehe nach der Überzeugung des Gerichts fest, dass das Pferd als Freizeitpferd geeignet sei und die Möglichkeit eines Turniereinsatzes nur in Aussicht gestellt worden sei. Laut dem Sachverständigen sei zudem davon auszugehen, dass das Pferd an Turnieren für die Dressur teilnehmen könne.

Ansprüche bzgl. des Sattels seien nicht gegeben, da die Klägerin keine Nacherfüllung verlangt habe. Bei einem Mangel beim Sattelzeugs eines Pferdes muss der Kläger diese zunächst verlangen.

Gegen diese Entscheidung begehrt die Klägerin die Berufung. Die Berufung wird zurückgewiesen, da sie unbegründet ist.

Das Pferd weist nämlich keinen Sachmangel nach § 434 Abs. 1 BGB auf. Ein Rücktrittsrecht kommt wegen fehlender Dressureignung nicht in Betracht, da eine solche Beschaffenheitsvereinbarung nicht zwischen den Parteien vereinbart wurde.

Das Pferd sei nach dem Gutachten des Sachverständigen nicht dressurgeeignet sowie nicht turniergeeignet. Das Pferd weigert sich vehement auch bei einem geübten Reiter, an den Hilfen zu gehen. Das Pferd gehorche somit nicht auf reiterliche Einwirkungen.

Zwar haben die Parteien über die Turniereignung des Pferdes gesprochen, diese Gespräche führten aber zum einen nicht dazu, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung vereinbart wurde. Der Sohn des Beklagten, der die Verhandlungen geführt hatte, habe nur dem Kläger mitgeteilt, dass das Pferd das Potenzial für eine Turnierteilnahme nach seiner Einschätzung habe, es also A-Dressur laufen könne, nicht aber, dass es dies auch wirklich erreichen könne. Die Klägerin konnte durch die Aussage erkennen, dass das Pferd bei dem Beklagten kein Training hierfür bekam und, dass dies deshalb nur eine Einschätzung des Beklagten war. Zum anderen steht im Pferdekaufvertrag, dass das Pferd nicht gesund und versicherungsfähig (Haftungsausschluss) ist. Es kommt folglich erst gar nicht als Turnierpferd in Frage.

Der Beklagte habe somit nur ein Pferd mit beschränkter Nutzungsmöglichkeit verkauft. Er wollte nicht für die Beschaffenheit als Turnierpferd einstehen.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Kein anfängertaugliches Pferd – Rücktritt vom Pferdekaufvertrag

OLG Oldenburg, Urt. v. 01.02.2018 – 1 U 51/16

 

Sachverhalt:

Die Klägerin, eine in New York wohnhafte Reiterin, wollte für sich ein anfängertaugliches Pferd kaufen. Da sie erst im gehobeneren Alter überhaupt mit dem Reiten angefangen hatte und dementsprechend noch wenig Erfahrung hatte, suchte sie nach einem braven, leichtrittigen, lektionssicheren und anfängertauglichen Pferd. Der Beklagte bot ihr dazu das Pferd „C“ an, welches nach seiner Aussage all diese Attribute erfülle. Nachdem die Klägerin das Pferd drei Mal zur Probe ritt, kaufte sie es zum Preis von 55.000€. Kurze Zeit später stellte sich jedoch heraus, dass das Pferd sich nicht so einfach im Umgang darstellte. Dies äußerte sich darin, dass es sich kaum longieren ließ und beim Aufsteigen festgehalten werden musste. Die Käuferin erklärte daraufhin den Rücktritt wegen eines Sachmangels, da das Pferd nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweise. Der Beklagte blieb bei seiner Ansicht, dass es sich bei „C“ um ein braves und leicht zu handhabendes Pferd handele, so dass es zum Rechtsstreit kam.

 

Entscheidungsgründe:

Das OLG Oldenburg gab der Klägerin Recht, denn das Pferd entspreche nicht der Beschaffenheitsvereinbarung. Nach dieser Vereinbarung sollte das Pferd brav und leicht zu handhaben sein. Nach Aussage mehrerer Zeugen und des Sachverständigen stellte es sich jedoch so dar, dass das Pferd sehr nervös sei, sich in der Box nicht anfassen lasse und unberechenbar sei. Bei „C“ handele es sich um ein sehr sensibles Pferd, für dessen Handhabung besondere Erfahrungen im Umgang mit Pferden notwendig seien, weswegen es für Anfänger, wie die Klägerin, gerade nicht geeignet sei. Nach Ansicht des Gerichts sei das Rücktrittsrecht auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom Mangel hatte, denn es könne nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Umstand der Klägerin bei den Proberitten hätte auffallen müssen. Die Aufforderung zur Nacherfüllung unter Setzung einer Frist war vorliegend entbehrlich, da die Nachlieferung eines anderen Pferdes ausscheide. Die Parteien haben sich nämlich auf den Kauf dieses bestimmten Pferdes geeignet und nicht auf die Lieferung eines austauschbaren Pferdes.  

Interessant sind hierzu die Ausführungen des OLG Hamm – 19 U 132/11 in Bezug auf ein zum Steigen neigendes Pferd. Das Gericht hat hier ausgeführt, dass bei Verhaltensauffälligkeiten nicht automatisch die Nacherfüllung in Form der Nachbesserung ausgeschlossen sein muss, denn es könnte möglich sein, dass diese therapierbar sind. Mit diesem Aspekt scheint sich das OLG Oldenburg jedoch gar nicht befasst zu haben.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Hengstiges Verhalten – Minderung des Kaufpreises wegen Sachmangels

Keine Nachbesserung wegen Arglist des Verkäufers

BGH, Urteil vom 09.01.2008, AZ: VIII ZR 210/96

Vorinstanz: OLG Hamm, Urteil vom 14. Juni 2006, AZ: 11 U 143/05

Eingangsinstanz: LG Münster, Urteil vom 28. Oktober 2005, AZ: 16 O 582/04

Sachverhalt:

Die Klägerin kaufte von dem Beklagten ein Dressurpferd zum Preis von 45.000 Euro. Sie machte wegen eines Sachmangels Minderung in Höhe von 50% des Kaufpreises geltend. Bei dem Sachmangel handele es sich um einen „(residualen) Kryptorchiden“ d.h. es erfolgte bei der Kastration keine vollständige Entfernung des Hodengewebes.

Durch die unvollständige Kastration zeige das Pferd hengstiges Verhalten und sei als Dressurpferd nicht geeignet. Laut der Klägerin habe der Beklagte vor dem Kauf von dem Mangel gewusst und sie daher arglistig getäuscht.

Entscheidungsgründe:

In der Eingangsinstanz und in der Berufungsinstanz unterlag die Klägerin. Die Revision hatte jedoch Erfolg. Die rechtlichen Erwägungen der Vorinstanzen halten eine rechtliche Nachprüfung nicht stand.

Die Klägerin hat ein Anspruch auf Minderung des Kaufpreises nach §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 2, 440, 441, 90 a BGB.

Das Pferd entsprach nicht der vereinbarten Beschaffenheit, weil die vor Gefahrübergang durchgeführte Kastration nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde und das Pferd damit nicht mehr als Dressurpferd geeignet war.

Die Klägerin musste dem Beklagten keine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen. Grundsätzlich wird auch beim Tierkauf vorausgesetzt, dass dem Verkäufer zuerst erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt wird, welches hier unstreitig nicht passierte. Es liegt jedoch eine Ausnahme nach § 440 BGB vor, in dem eine Fristsetzung entbehrlich ist.

Es ist zwar nicht für die Klägerin unzumutbar, dem Pferd die Risiken einer erneuten Operation auszusetzen – an der Beurteilung des Berufungsrichters wegen eines schriftlichen Gutachtens eines Sachverständigen war nichts auszusetzen -.

Die Nacherfüllung ist aber wegen der arglistigen Täuschung des Beklagten für die Klägerin unzumutbar. Eine begangene Täuschungshandlung des Beklagten beschädigt nämlich die erforderliche Vertrauensgrundlage für die Nacherfüllung. Eine Fristsetzung ist entbehrlich.

Der Beklagte hatte als Verkäufer nur ein Anrecht auf Nacherfüllung, wenn er von dem Sachmangel beim Abschluss des Pferdekaufvertrages nichts wusste. War ihm der Mangel jedoch bekannt, hätte er vor Abschluss des Pferdekaufvertrages den Mangel beseitigen können. Der Verkäufer, der arglistig täuscht, hat somit die verbundenen wirtschaftlichen Nachteile der Rückabwicklung des Vertrages zu tragen.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Pferderecht Reitunfall Haftung des Pferdebesitzer „ Kein Nutztierprivileg“ bei Einsatz eines Pferdes zum heilpädagogischen Reiten”

„Ein von einer gemeinnützigen GmbH in einer Jugendhilfeeinrichtung zum heilpädagogischen Reiten eingesetztes Pferd unterliegt nicht dem Nutztierprivileg des § 833 Satz 2 BGB.“

Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 31. Januar 2018, Az. 2 U 30/15

vorgehend LG Saarbrücken, 28. April 2015, 4 O 130/14

 

Der Sachverhalt

Die Klägerin, eine Berufsgenossenschaft, nimmt die Beklagte, bei der es sich um eine als gemeinnützig anerkannte Trägergesellschaft der Caritas handelt, auf Schadensersatz wegen eines Reitunfalls der bei ihr gesetzlich unfallversicherten Zeugin K. in Anspruch. Die Zeugin K. war aufgrund eines Honorarvertrags zweimal wöchentlich mit dem Beritt von vier Therapiepferden betraut, welche die Beklagte in der von ihr betriebenen Jugendhilfeeinrichtung hält. Die Pferde werden dort im Rahmen des Therapieangebots der Einrichtung eingesetzt, zu dem auch heilpädagogisches Reiten gehört. Bei einem Geländeausritt stürzte die Zeugin K. von dem Pferd „Hexe“, wobei sie sich eine Lendenwirbelfraktur zuzog.

Die Klägerin behauptet, das Pferd habe sich plötzlich aus nicht näher bekannten Gründen, möglicherweise aufgrund eines Geräuschs in einer Hecke, erschrocken und daraufhin gebockt. Der Zeugin K. sei es trotz jahrelanger Erfahrung im Umgang mit Pferden nicht möglich gewesen, das Pferd zu beruhigen und den Sturz zu verhindern.

Die Beklagte hat den Unfallhergang, die unfallbedingten Verletzungsfolgen sowie die Aufwendungen der Klägerin bestritten und geltend gemacht, die Zeugin K. hätte als gute und erfahrene Reiterin ein einfaches Bocken des als gutmütig und ruhig beschriebenen Pferdes beherrschen müssen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Nach seiner Auffassung ist die Tierhalterhaftung der Beklagten gemäß § 833 Satz 2 BGB ausgeschlossen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klageziel weiter. Sie macht im Wesentlichen geltend, das Pferd „Hexe“ sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein Nutztier, weil die Beklagte als gemeinnützige Einrichtung nicht erwerbswirtschaftlich tätig sei, sondern nur ideelle Zwecke verfolge.

 

Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht gab der Klägerin Recht. Der Klägerin stünde ein Schadensersatzanspruch gemäß § 833 Satz 1 BGB gegen die Beklagte als Halterin des Pferdes „Hexe“ zu.

Nach § 833 Satz 1 BGB ist, sofern der Körper oder die Gesundheit eines Menschen durch ein Tier verletzt wird, derjenige, welcher das Tier hält, zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Die Tierhalterhaftung erfordert die Verwirklichung einer typischen Tiergefahr, die sich in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbstständigen Verhalten des Tieres äußert. Diese Voraussetzung sei erfüllt. Es sei zu dem Sturz gekommen als „Hexe“ aus dem Schritt heraus plötzlich einen (einzigen) „riesengroßen Satz“ machte und die Reiterin über die rechte Schulter abwarf. Es komme nicht darauf an, ob die Zeugin K., das Pferd möglicherweise hätte beruhigen und dadurch den Sturz hätte verhindern können. Dies könne allenfalls ein Mitverschulden der Reiterin begründen, nicht aber dazu führen, dass sich eine spezifische Tiergefahr nicht verwirklicht habe.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei die Haftung der Beklagten nicht gemäß § 833 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Danach tritt die Ersatzpflicht des Tierhalters nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist (Nutztier), und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

Für die Einordnung als so genanntes „Nutztier“ i.S. des § 833 Satz 2 BGB sei auf die allgemeine Zweckbestimmung abzustellen, die dem Tier von seinem Halter gegeben worden ist. Dieser Zweck müsse allerdings stets ein wirtschaftlicher sein. Tiere, die aus Liebhaberei oder zu sonstigen ideellen Zwecken wie zum Beispiel zur Ausübung des Reitsports gehalten werden, ohne dass der Halter aus ihrer Nutzung  seinen Erwerb bezieht, seien von der Vorschrift nicht erfasst. Unter Erwerbstätigkeit i.S. des § 833 Satz 2 BGB ist dabei jede Tätigkeit zu verstehen, die auf Gewinnerzielung gerichtet ist.

Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass die von einem nicht wirtschaftlichen Verein (§ 21 BGB) zur Erfüllung seiner satzungsgemäßen Aufgaben zur Reittherapie von Behinderten gehaltenen Pferde – ebenso wie die eines nicht wirtschaftlichen allgemeinen Reitsportvereins – nicht unter das Nutztierprivileg des § 833 Satz 2 BGB fallen. Einem Reitverein, der sich der Reittherapie von Behinderten widmet, steht daher die Entlastungsmöglichkeit nach dieser Vorschrift nur dann zu, wenn er seine Reitpferde überwiegend oder jedenfalls in einem so erheblichen Umfang wie ein wirtschaftliches Unternehmen zu Erwerbszwecken nutzt, was allerdings wiederum mit der satzungsmäßig ideellen Zweckbestimmung des Vereins nicht mehr im Einklang stünde (BGH, aaO).

Diese Grundsätze seien auf den hier gegebenen Fall, in dem die Pferde von einer als gemeinnützig anerkannten GmbH im Rahmen des Angebots einer von dieser betriebenen Jugendhilfeeinrichtung zum heilpädagogischen Reiten eingesetzt werden, übertragbar mit der Folge, dass die Beklagte sich nicht auf § 833 Satz 2 BGB berufen könne. Eine Gesellschaft erlangt durch die Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft steuerrechtlichen Sonderstatus. Die Steuervergünstigung ist daran geknüpft, dass die Körperschaft ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgt. Kennzeichnend für alle drei steuerbegünstigten Zwecke ist das Merkmal der Selbstlosigkeit. Es setzt gemäß unter anderem voraus, dass nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke – zum Beispiel gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke – verfolgt werden.

Die in der Jugendhilfeeinrichtung gehaltenen Therapiepferde dienen auch nicht dem Beruf der Beklagten. Ein von einer juristischen Person – wie der Beklagten – gehaltenes Tier könne grundsätzlich unter die Bestimmung des § 833 Satz 2 BGB fallen, wenn es dazu bestimmt ist, dem Aufgabenbereich der juristischen Person und damit deren „Beruf“ zu dienen. Eine Abhängigkeit der Beklagten von Haltung von Therapiepferden lasse sich jedoch nicht feststellen. Wie aus der Angebotsbeschreibung hervorginge, handele es sich bei dem therapeutischen Reiten um ein (freiwilliges) gruppenergänzendes Angebot, das neben andere Therapieangebote trete.

Der Tierhalterhaftung der Beklagten stünden auch keine sonstigen Gründe entgegen.

Die Zeugin K. hat den Ausritt nicht auf eigene Gefahr unternommen. Eine vollständige Freistellung des Tierhalters von der Haftung nach § 833 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr komme allenfalls in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. Ein genereller Ausschluss der Tierhalterhaftung sowohl unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr als auch unter Schutzzweckerwägungen ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung jedenfalls für Fallgestaltungen abgelehnt worden, in denen sich Personen der Tiergefahr aus beruflichen Gründen vorübergehend aussetzen, ohne dabei die vollständige Herrschaft über das Tier zu übernehmen. Davon sei auch hier auszugehen, da die Zeugin K. zum Zeitpunkt des Sturzes die von der Beklagten gehaltenen Therapiepferde lediglich zweimal wöchentlich im Rahmen einer auf Honorarbasis ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit beritt.

Im Übrigen könne von einem Handeln auf eigene Gefahr im Rechtssinn nur dann die Rede sein, wenn sich jemand in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen, ohne dass dafür ein triftiger – rechtlicher, beruflicher oder sittlicher – Grund vorliegt. Daran fehle es hier. Bei dem Pferd „Hexe“ handele es sich um ein ruhiges und gutmütiges Tier. Allein der Umstand, dass die Zeugin es bei ihren Ausritten im freien Gelände bewegte, sei für sich genommen nicht ausreichend für die Annahme, bei ihrem Umgang mit dem Pferd habe ein gesteigertes Gefährdungspotenzial bestanden. Auch ein vertraglicher Haftungsausschluss liege nicht vor. Er bedürfe im Allgemeinen einer eindeutigen Abrede und sei in dem zwischen der Beklagten und der Zeugin K. geschlossenen Honorarvertrag nicht enthalten.

Für ein die Haftung minderndes Mitverschulden gäbe es keine Anhaltspunkte.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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