„Spat“ als Sachmangel beim Reitpferd?

Spat“ als Sachmangel beim Reitpferd?

LG Münster, Urteil vom 20.07.2007 AZ.: 10 O 240/06

Leitsätze:

Liegt bei Gefahrübergang bei einem Reitpferd die Röntgenklasse III – IV (hier wegen Spat) vor, so liegt ein Mangel im Sinne des § 434 BGB wegen Abweichens von der Sollbeschaffenheit vor, auch wenn bei Übergabe noch keine klinischen Symptome vorlagen.

Der Käufer kann somit vom Kaufvertrag zurücktreten und Verwendungsersatz verlangen.

Sachverhalt (vereinfacht):

Die Klägerin ist Hobbyreiterin und suchte ein Pferd, mit dem ihr Mann ins Gelände ausreiten könnte. Dazu wurde ihr von dem Ehemann der Beklagten eine Quater Horse Stute von deren Gestüt für 13.000€ angeboten. Die Klägerin ritt das Pferd zur Probe, wobei ihr nichts ungewöhnliches auffiel, insbesondere keine Lahmheiten. Nachdem die Finanzierung geklärt wurde, kaufte die Klägerin die Stute von der Beklagten. Ihr wurden die Papiere des Pferdes übergeben, sowie Erklärungen des Verkäufers, das Untersuchungsprotokoll der Ankaufsuntersuchung mit Verwendungszweck und die allgemeinen Vertragsbedingungen. All diese Unterlagen, wurden der Klägerin nach dem Proberitt bereits zur Einsichtnahme vorgelegt. In der Erklärung der Verkäuferin wurde unter Disziplin/ Ausbildungsstand „Reining“ und unter der derzeitigen Nutzung „Training“ angegeben.

Einige Wochen nach dem Kauf begann die Stute vorne rechts zu lahmen. Die Lahmheit wurde auch von einem Tierarzt bestätigt, woraufhin die Klägerin die Stute bei der Beklagten reklamierte. Auf die Reklamierungen reagierten die Beklagte und ihr Mann nicht, sie schoben die Lahmheit auf einen fehlerhaften Beschlag. Das Pferd wurde erneut tierärztlich untersucht, wobei die Lahmheit auf eine Verkalkung proximal des Gleichbeines zurückgeführt wurde. Nach der Behandlung sei die Lahmheit zunächst verschwunden, aber nach kurzer Zeit erneut aufgetreten. Bei einer weiteren Untersuchung habe sich eine Läsion an selber Stelle gezeigt. Das Pferd wurde sodann einem zweiten Tierarzt vorgestellt, welcher eine Hufknorpelverknöcherung sowie Verdacht auf eine chronische Osteitis des Hufbeins feststellte. Eine dauerhafte Nutzung als Reitpferd sei danach fragwürdig. Die Klägerin erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag. Die Beklagte weigerte sich, das Pferd gegen Erstattung des Kaufpreises zurück zu nehmen.

Die Klägerin behauptet, das Pferd ausdrücklich als Reit- und Turnierpferd gekauft zu haben, die Beklagte habe auch behauptet, dass sich das Pferd zu diesem Zwecke eigne. Die Beklagte bestreitet das. Sie behauptet, das Pferd wäre als Zuchtstute verkauft worden. Unstreitig sei aber, dass das Pferd auch für Geländeritte des Mannes der Klägerin gekauft wurde.

Die Entscheidung des LG Münster:

Das Gericht nahm an, dass das Pferd unter einem Sachmangel im Sinne des § 434 I BGB leide und die Klägerin daher wirksam vom Vertrag zurücktreten konnte. Die Klägerin hat daher einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages. Die Stute eigne sich nicht zu der vertraglich vorausgesetzten Verwendung als Reitpferd.

Unstreitig war, dass sich das Pferd zumindest auch für Geländeritte eigne, also unter anderem zum Reiten und nicht nur zur Zucht gekauft wurde. Dafür spreche nach Ansicht des Sachverständigen auch der hohe Kaufpreis, welcher bei einer reinen Zuchtstute, die nicht reitbar ist, geringer ausgefallen wäre.

Das Gericht kam nach der Anhörung des Sachverständigen zu der Überzeugung, dass sich das Pferd mit der Diagnose „Spat“, nicht als Reitpferd eigne. Bei Spat handelt es sich um einen osteoarthrotischen Prozess, der Schmerzen verursacht, solange das Gelenk beweglich ist und daher zu Lahmheiten führt. Die Spaterkrankung ist als solche nicht heilbar, eine Nutzbarkeit des Pferdes kann eventuell durch eine Versteifung des Gelenks erreicht werden. Der Erfolg der Therapie sei jedoch ungewiss und diene auch nur der Nutzbarmachung des Pferdes, eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes sei dadurch aber nicht möglich. Eine Nacherfüllung durch die Beklagte sei daher nicht möglich oder zumindest aufgrund des ungewissen Ausgangs und der langen Rekonvaleszenzzeit für die Klägerin unzumutbar. Eine Nachlieferung scheidet indes bei Pferden immer aus, da es das betreffende Pferd nur einmal gibt.

Der Mangel lag auch bereits bei Gefahrübergang vor, dies ergebe sich schon aus den Röntgenbildern der Ankaufsuntersuchung, auf denen bereits geringgradige Veränderungen zu erkennen waren. Nach diesen Aufnahmen wäre das Pferd in die Röntgenklasse III – IV einzustufen gewesen. In dieser Röntgenklasse liege die Wahrscheinlichkeit für eine klinische Relevanz bei über 50%. Bereits daraus folge, dass das Pferd von der Sollbeschaffenheit abweiche.

Insofern sei dieser Fall auch nicht mit der Entscheidung des BGH ( NJW 2007, 1351) vergleichbar, da dort bei den Kissing Spines nicht auszuschließen war, dass das Pferd die übliche Beschaffenheit von gleichartigen Pferden aufwies. Nach Studien seien solche Befunde nämlich bei über 50% der untersuchten Pferde festgestellt worden. Um der üblichen Beschaffenheit zu genügen, müsse ein Tier auch nicht in jeglicher Hinsicht einer Idealnorm entsprechen.

Bei Spat gäbe es hingegen keine solche Studie, woraus sich ergibt, wie viele Pferde vergleichbarer Art dieselben Befunde aufweisen würden. Auch sei nicht bekannt, wie häufig Spat zu klinischen Symptomen führe.

Der Rücktritt der Klägerin war daher gerechtfertigt, eine Nacherfüllung ausgeschlossen und daher die Fristsetzung entbehrlich. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung des Kaufpreises sowie Ersatz der notwendigen Verwendungen, wozu auch die Tierarzt- und Hufschmiedkosten sowie die Pensionskosten zählen.

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Einordnung in die Röntgenklasse III- IV u.a. wegen Kissing- Spines

Mangelhaftigkeit eines Pferdes wegen Einordnung in die Röntgenklasse III- IV u.a. wegen Kissing- Spines?

OLG Hamm, Urteil vom 04.08.2006 AZ.: 11 U 142/05

Vorinstanz: LG Münster, Urteil vom 24.10.2005 AZ.: 5 O 588/04

Leitsatz:

Ein Sachmangel im Sinne des § 434 I BGB wird noch nicht allein dadurch begründet, dass das gekaufte Pferd in seiner Konstitution eine Anlage für eine negative gesundheitliche Entwicklung in sich trägt, die möglicherweise zu einem Schaden mit Auswirkungen auf das Springvermögen des Pferdes führen könnte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich nicht feststellen lässt, ob bei Vertragsschluss konkrete Vereinbarungen über die konstitutionelle Beschaffenheit des Pferdes getroffen wurden, von denen der tatsächliche Zustand abweicht.

Sachverhalt:

Der Kläger kaufte von dem Beklagten einen 13jährigen Wallach. Dieser wurde zuvor von der Tochter des Beklagten geritten und auch auf Springturnieren in höheren Klassen eingesetzt. Zu eben diesem Zwecke kaufte der Kläger das Pferd, was auch in den Vertragsverhandlungen deutlich gemacht wurde. Im Rahmen der durchgeführten Ankaufsuntersuchung war nur eine Belastungsprobe gemacht worden, welche unauffällig war. Röntgenaufnahmen wurden dabei nicht angefertigt.

Erst nach der Übergabe ließ der Käufer das Pferd röntgen, wobei verschiedene Befunde festgestellt wurden, unter anderem ein Engstand sowie eine Sklerosierung der Dornfortsätze ( Kissing-Spines), geringgradige Einbuchtungen am Strahlbeinrand und andere. Aufgrund dieser Befunde ordnete der Tierarzt das Pferd der Röntgenklasse III – IV zu.

Der Kläger behauptete, der Verkäufer und seine Tochter hätten im Rahmen der Vertragsverhandlungen ausdrücklich erklärt, dass das Pferd röntgenologisch in Ordnung sei und sich als Sportpferd eigne. Der Beklagte erwiderte jedoch, seine Tochter hätte den Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Pferd nicht röntgenologisch untersucht worden sei, das Pferd aber nie eine Lahmheit gezeigt hätte, also klinisch in Ordnung sei. Einen Beweis für die jeweilige Behauptung konnte jedoch keine der Parteien erbringen.

Der Kläger erklärte daraufhin den Rücktritt vom Vertrag, und forderte die Rückabwicklung, da er der Meinung war, die Einstufung in Röntgenklasse III – IV stelle einen erheblichen Mangel des Pferdes dar. Dieser Aufforderung kam der Beklagte nicht nach. Daraufhin erhob der Käufer Klage, mit dem Ziel, den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes zurück zu erhalten und seine Aufwendungen ersetzt zu bekommen.

Urteil in der 1. Instanz:

Das Landgericht Münster gab der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens statt und verurteilte den Beklagten zur Rückabwicklung des Kaufvertrages. Das Landgericht befand das Pferd für mangelhaft, da es sich nicht für den bei Vertragsschluss vorausgesetzten Zweck, nämlich das Turnierreiten im Springsport, eigne. Wegen der Mangelhaftigkeit sei der Kläger zu Recht von dem Vertrag zurückgetreten. Einen Gewährleistungsausschluss seitens des Beklagten hätte dieser nicht beweisen können.

Urteil der Berufungsinstanz:

Dies sah das Oberlandesgericht anders und gab der Berufung statt. Nach dessen Auffassung fehlte es daher an einem Mangel des Wallachs. Der röntgenologische Befund als solcher stelle noch keinen Mangel dar. Das bloße Vorliegen der festgestellten Skelettveränderungen, welche hier auch nur geringgradig ausfielen, reiche allein nicht aus, um einen Mangel anzunehmen. Vielmehr müssten zur Annahme eines Mangels zu dem röntgenologischen Befund auch noch hierauf beruhende klinische Erscheinungen wie eine Lahmheit hinzutreten, dies gelte jedenfalls dann, wenn keine konkrete Beschaffenheitsvereinbarung über die Konstitution des Pferdes getroffen wurde. Der Wallach zeigte jedoch keinerlei klinische Auffälligkeiten.

Nach den Erläuterungen des Sachverständigen werden der Röntgenklasse III Befunde zugeordnet, die erheblich von der Norm abweichen, bei denen klinische Erscheinungen aber wenig wahrscheinlich sind. Daher würden bei solchen Pferden noch gute Aussichten darauf bestehen, dass sie ohne besondere Auffälligkeiten reiterlich genutzt werden könnten. Wie weit dies tatsächlich möglich ist, hänge dabei maßgeblich von Pflegezustand, Training und Haltungsbedingungen ab, also Faktoren, die im Wesentlichen durch den Tierhalter selbst gesteuert würden. Diesen Ausführungen folgte das Gericht vollumfänglich und lehnte daher die Annahme eines Sachmangels im Sinne des § 434 I BGB ab.

Das OLG wäre voraussichtlich zu einer anderen Entscheidung gekommen, hätte der Käufer beweisen können, dass hinsichtlich der Konstitution des Pferdes konkrete Absprachen zwischen Kläger und Beklagtem getroffen wurden, das Pferd also im Ergebnis einer Beschaffenheitsvereinbarung nicht entsprach. Ebenfalls konnte der Kläger nicht nachweisen, dass ihm gegenüber von der Tochter des Verkäufers falsche Angaben zum Gesundheitszustand oder dem Springvermögen des Wallachs gemacht wurden, wodurch auch eine Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung ausschied.

Es empfiehlt sich daher, ein Pferd bereits vor dem Kauf im Rahmen einer Ankaufsuntersuchung röntgen zu lassen oder zumindest schriftlich eine konkrete Beschaffenheitsvereinbarung festzuhalten.

Sorgfalts- und Instruktionspflichten des gewerblichen Pferdevermieters

Sorgfalts- und Instruktionspflichten des gewerblichen Pferdevermieters

Bei der gewerblichen Vermietung von Pferden zum Ausritt muss der Vermieter dafür sorgen, dass das überlassene Pferd ordnungsgemäß gesattelt ist und sich der Sattel während des Ausritts nicht lockern kann. Zudem muss er den Mieter darauf hinweisen, dass der Sitz des Sattels unterwegs vorsorglich noch einmal überprüft werden sollte.“

Landgericht Arnsberg, Urteil vom 20. Juni 2000, Az. 5 S 41/00

Vorinstanz: Amtsgericht Menden, Urteil vom 19. Januar 2000, Az. 4 C 438/98

Der Sachverhalt

Der Beklagte vermietet gewerblich Pferde zum Ausritt in der Umgebung. Die Klägerin hatte ein Pferd für solch einen Ausritt gemietet. Das Pferd wurde von einem Angestellten des Beklagten zum Reiten fertiggemacht. Nach etwa einer halben Stunde fiel die Klägerin während eines leichten Galopps vom Pferd und verletzte sich. Sie behauptete, der Sattel hätte sich gelöst und wäre nach links gerutscht, da er nicht richtig festgegurtet gewesen sei.

Das Urteil

Das Landgericht Arnsberg gab der Klage statt. Nach Auffassung des Gerichts habe die Klägerin einen Anspruch auf Schadensersatz gegenüber dem Betreiber des Reiterhofes. Das Gericht führte dazu aus, dass der Beklagte (die Angestellten eingeschlossen) dafür Sorge zu tragen habe, dass das Pferd ordnungsgemäß gesattelt ist. Gegebenenfalls müsse er darauf hinweisen, dass der Kunde den Sitz des Sattels unterwegs erneut prüfen sollte. Werde den Instruktions – und Sorgfaltspflichten nicht nachgegangen und der Kunde verletzt sich deshalb, so sei der Betreiber aufgrund der schuldhaft unerlaubten Handlung des Angestellten grundsätzlich ersatzpflichtig.

Copyright

Susan Beaucamp

Rechtsanwältin

Keine Haftung des Verkäufers für fehlerhafte Ankaufsuntersuchung

Keine Haftung des Verkäufers für fehlerhafte Ankaufsuntersuchung

Die Verkäuferin eines Pferdes haftet nicht für eine fehlerhafte Ankaufuntersuchung des Pferdes, wenn der Kaufvertrag das Risiko der fehlerhaften Ankaufuntersuchung eindeutig dem Käufer zuweist.

Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 04. März 2015, Az. 5 U 159/14

Der Sachverhalt

Die Käuferin erwarb das Pferd bereits im Jahr 2011 für 8.000 Euro von der Verkäuferin. Im Kaufvertrag wurde die Mängelhaftung der Verkäuferin ausgeschlossen und vereinbarten, dass vor Abschluss des Kaufvertrages eine Ankaufuntersuchung durchgeführt werden sollte.

§ 3

1. Sportliche Beschaffenheit: […]

2. gesundheitliche Beschaffenheit (x) mit tierärztlicher Kaufuntersuchung

Vereinbart wird die gesundheitliche Beschaffenheit des Pferdes durch eine tierärztliche Kaufuntersuchung feststellen zu lassen.

[…]

Der schriftliche Bericht der durchgeführten Kaufuntersuchung ist Gegenstand dieses Kaufvertrages und gleichzeitig einvernehmliche Feststellung der gesundheitlichen Beschaffenheit des Pferdes, soweit dieser bei Abschluss der Käuferseite vorliegt und vom Tierarzt mangelfrei erstellt wurde. Vom Tierarzt auftragsgemäß nicht durchgeführte Untersuchungen sind nicht Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung über die Beschaffenheit des Pferdes.

§ 4

Das Pferd wird verkauft unter Ausschluss jedweder Mängelhaftung des Verkäufers. Von diesem Ausschluss mit umfasst sind auch alle versteckten Mängel des Pferdes zum Zeitpunkt des Verkaufs, es sei denn der Verkäufer habe bestimmte Eigenschaften vertraglich zugesagt oder Mängel arglistig verschwiegen.“

Die untersuchende Tierärztin stellte daraufhin bei dem Pferd lediglich zwei für die Kaufentscheidung unbedeutende Engstände der Dornfortsätze BWS/LWS mit Berührung in der Sattellage (sog. „kissing spines“) fest, die nach ihren Feststellungen die klinische Gesundheit des Pferdes zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht beeinträchtigten würden.

Die Käuferin behauptet, bereits innerhalb der ersten 14 Tage nach der Übergabe des Pferdes hätten sich zahlreiche Auffälligkeiten gezeigt. So habe das Pferd beim Longieren mit ordnungsgemäß eingestellten Ausbindern regelmäßig abgestoppt und sei mit den Vorderbeinen in die Luft gestiegen. Auch unter dem Reiter habe es diese Verhaltensweisen gezeigt. Darüber hinaus habe das Pferd von Anfang an Auffälligkeiten beim Satteln und Putzen, insbesondere in der Sattellage gezeigt. Es habe versucht auszuweichen, zu bocken und zu beißen. Im April 2012 erklärte die Käuferin deshalb den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte von der Verkäuferin, das Tier zurückzunehmen.

Das Urteil

Das Oberlandesgericht gab der Verkäuferin Recht. Es könne dahinstehen, ob die Tierärztin im Rahmen der Ankaufuntersuchung tatsächlich zu falschen Ergebnissen gekommen war. Eine Haftung der Verkäuferin könne auch dann nicht festgestellt werden, wenn dies der Fall gewesen wäre. Die Käuferin müsse sich an die Tierärztin und nicht an die Verkäuferin halten. Der Kaufvertrag weise unmissverständlich das Risiko der fehlerhaften Ankaufsuntersuchung dem Käufer zu. Ausdrücklich werde geregelt, dass die Kaufuntersuchung Gegenstand des Kaufvertrages und einvernehmliche Feststellung der gesundheitlichen Beschaffenheit des Pferdes sei, wenn die Untersuchung vom Tierarzt mangelfrei erstellt worden wäre. Das Ergebnis einer mangelhaften Untersuchung sei danach nicht Gegenstand des Vertrages geworden. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Klausel definiert der Befund des Tierarztes anlässlich der Ankaufsuntersuchung die Beschaffenheit ausschließlich, soweit die Ankaufsuntersuchung vom Tierarzt mangelfrei durchgeführt worden ist. Diese Klausel weist unmissverständlich das Risiko, dass der Tierarzt Mängel fälschlich nicht erkennt und sie demgemäß im Protokoll der Ankaufsuntersuchung keinen Niederschlag finden, dem Käufer zu.

Copyright

Susan Beaucamp

Rechtsanwältin

 

 

Grobe Fahrlässigkeit bei Pferdekauf

Keine grobe Fahrlässigkeit eines „Pferdeliebhabers“, wenn beim Kauf die Mangelhaftigkeit des Pferdes nicht erkennt

Keine grobe Fahrlässigkeit eines Reiters mit Turnierambitionen bei Kenntnis von einer Galle und einem entfernten Chip an einem Sprunggelenk, wenn spätes eine Arthritis an diesem Gelenk festgestellt wird, welche zur Mangelhaftigkeit führt.“

Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Februar 2013, Az. VIII ZR 40/12

Vorinstanzen:

LG Koblenz, Entscheidung vom 28.10.2010, Az. 16 O 400/08

OLG Koblenz, Entscheidung vom 26.01.2012, Az. 1 U 1374/10

Der Sachverhalt

Der Kläger kaufte von der Beklagten am 14. September 2007 den Wallach „S. “ für 9.250 €. Im schriftlichen Kaufvertrag heißt es unter anderem:

„Beschreibung laut Verkaufsanzeige, Galle am Sprunggelenk links, sonst ohne gesundheitlichen Befund.

Die Verkäuferin legt Wert darauf, dass das Pferd in gute fördernde Hände kommt. Es soll mindestens bis zur Klasse M auf Turnieren vorgestellt werden. Aktuell hatte das Pferd bereits A gesiegt.“

Im Frühjahr 2008 wurde bei dem Tier eine Schädigung des linken hinteren Sprunggelenks (Arthritis) festgestellt, die seine weitere Verwendung als Dressurpferd in Frage stellte. Nach vergeblicher Fristsetzung zur Nacherfüllung erklärte der Kläger mit Schreiben vom 11. August 2008 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit Schreiben vom 8. März 2010 stützte er den Rücktritt zusätzlich darauf, dass bei dem Tier bereits im Zeitpunkt der Übergabe eine Osteochondrose vorgelegen habe, die seine Verwendung als Dressurpferd der Klasse M ebenfalls ausschließe.

Der Kläger verlangt Zug um Zug gegen Rückgabe des Wallachs Rückzahlung des Kaufpreises sowie Erstattung der ihm entstandenen Unterhaltungskosten des Tieres, insgesamt 16.736,81 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten, ferner Feststellung des Annahmeverzugs und der Pflicht der Beklagten, ihm die bis zur Rücknahme des Pferdes entstehenden weiteren Unterhaltungskosten zu erstatten. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Das Urteil

Die Revision hatte Erfolg.

Das Pferd „S. “ sei bei Gefahrübergang mit einem Sachmangel behaftet gewesen, da es wegen einer schon bei Übergabe bestehenden Osteochondrose nicht als Dressurpferd geeignet sei. Soweit es sich dabei um eine systemische Erkrankung handele, läge der Sachmangel darin, dass „S. “ nicht die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit („ohne gesundheitlichen Befund“) aufwies (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB); anderenfalls fehle dem Tier zumindest die Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) als Dressurpferd bis Klasse M.

Die Annahme des Berufungsgerichts, die Haftung der Beklagten für den Sachmangel sei jedenfalls deshalb gemäß § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil er dem Kläger infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sei, sei von Rechtsfehlern beeinflusst.

Grobe Fahrlässigkeit setze einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus (BGH, Urteil vom 22. September 2011 – III ZR 186/10, aaO). Insoweit habe das Berufungsgericht verkannt, dass es dem Käufer im Allgemeinen nicht als Sorgfaltsverstoß angelastet werden könne, wenn er sich auf die Angaben des Verkäufers zum Kaufgegenstand verlasse und deshalb keine eigenen Nachforschungen anstelle. Zudem habe sich die Beklagte nicht auf den allgemeinen Hinweis, dass das Pferd „in Ordnung“ sei, beschränkt; vielmehr sei im Kaufvertrag ausdrücklich festgehalten, dass das Pferd – abgesehen von der „Galle“ – ohne gesundheitlichen Befund sei und für mittelschwere Dressurprüfungen eingesetzt werden solle. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts könne auch nicht ohne weiteres eine Sachkunde des Klägers unterstellt werden, die ihn hätte veranlassen müssen, zumindest bezüglich der Operation („Chipentfernung“) näher nachzufragen. Der vom Berufungsgericht herangezogene Umstand, dass der Kläger ein Sportpferd für Turniere habe kaufen wollen und sich selbst als „Pferdeliebhaber“ bezeichnet habe, erlaubt keinen tragfähigen Rückschluss auf eine nähere Sachkenntnis des Klägers im Hinblick auf Erkrankungen des Bewegungsapparats bei Pferden.

Copyright

Susan Beaucamp

Rechtsanwältin