Kaufinteressent haftet für unsachgemäßes Anbinden eines Pferdes

Kaufinteressent haftet für unsachgemäßes Anbinden eines Pferdes

Bindet ein Kaufinteressent während der Besichtigung eines Pferdes ein anderes Pferd ohne Veranlassung und eigenmächtig los, um es an anderer Stelle wieder anzubinden, so haftet er dem Eigentümer des Pferdes für Schäden, die am Pferd durch das Umsetzen entstehen (hier: Todeseintritt nach Genickbruch wegen fehlerhafter Befestigung des Pferdes).“

Landgericht Münster, Urteil vom 2. August 2016, Az. 16 O 214/15 

Der Sachverhalt

Der Kläger ist Landwirtschaftsmeister, züchtet Pferde und bildet diese auf seinem Hof aus, um sie sodann zu verkaufen. Er war Eigentümer der Stute „T“.

Am 04.03.2014 besuchte der Beklagte gemeinsam mit seiner Ehefrau den Hof des Klägers, um dort ggfls. ein Pony für den Sohn zu erwerben. Bei Ankunft putzte der Kläger die Stute „T“ in der Stallgasse. Zu diesem Zweck war die Stute fachgerecht links- und rechtsseitig am Halfter über einen Strick angebunden. Die Ehefrau verließ sodann mit dem Kläger die Stallgasse, um die in Betracht kommenden Ponys zu besichtigen. Da der Beklagte davon ausging, dass die Stute in der Stallgasse ggf. hinderlich sein könnte, löste er die Halterung der Stute, führte sie einige Meter nach vorne und band sie erneut – jedoch nur einseitig am langen Strick – an.

Die Stute bewegte den den Kopf nach unten um Grashalme zu fressen. Der Strick legte sich hinter ihre Ohren über den Hals. Als die Stute dann erschrak, zog sie den Kopf nach oben und brach sich sodann wegen des Stricks das Genick. Sie war unverzüglich tot.

Der Kläger begehrt wegen des Todes seiner verstorbenen Stute Schadensersatz vom Beklagten.

Das Urteil

Das Landgericht gab dem Kläger Recht.

Dem Kläger stünde ein Schadenersatzanspruch wegen des Todes der Stute „T“ aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Höhe von 8.500 EUR zu.

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Nach § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB komme ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB bereits im Vorfeld eines Vertragsabschlusses, nämlich bei der Anbahnung eines Vertrages zustande. Dadurch, dass der Beklagte gemeinsam mit seiner Ehefrau den Hof des Klägers aufgesucht habe, um dort ggfls. ein Pony für den Sohn zu erwerben sei ein solches vorvertragliches Schuldverhältnis nach §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 3 Nr. 1 BGB entstanden.

Hierdurch sei der Beklagte verpflichtet, auf die Rechtsgüter des Klägers entsprechend Rücksicht zu nehmen und bei dem Umgang mit dem Eigentum des Klägers entsprechende Sorgfalt walten zu lassen.

Diese Pflicht habe der Beklagte verletzt, indem er die Stute „T“ eigenmächtig und ohne Notwendigkeit losgebunden und einige Meter weiter nicht fachgerecht einseitig mit einem Strick von mindestens 1,20 m Länge so angebunden habe, dass die Stute am Boden noch Halme fressen und sich der Strick über das Genick der Stute legen konnte und gelegt habe.

Bezüglich der Todesursache des Genickbruchs folge das Gericht insbesondere den überzeugenden und nachvollziehbaren Darstellungen des Sachverständigen. Die Ausführungen zu der fehlerhaften Anbindung und der Ursache für den Tod der Stute „T“ seien detailliert und in sich schlüssig.

Der Sachverständige habe nachvollziehbar erläutert, dass die richtige Anbindelänge eines Strickes ca. 60 cm betrage, wobei bei einer durchschnittlichen Größe eines Pferdes, wie der Stute „T“, Toleranzen von 20 cm akzeptabel seien.

Durch die Pflichtverletzung des Beklagten in Form des fehlerhaften Anbindens der Stute habe sich im Ergebnis realisiert, was durch eine korrekte Anbindeart verhindert werden solle.

Das Verschulden des Beklagten werde nach § 280 Abs. 1, Abs. 2 BGB vermutet, und stehe darüber hinaus vorliegend positiv fest. Der Beklagte habe selbst ausgeführt, keine vertieften Kenntnisse zu der richtigen Anbindetechnik von Pferden zu haben und vorliegend unter Außerachtlassung der nötigen Sorgfalt die Stute – ohne Zwang und Not – losgelöst und sodann unkorrekt einseitig und zu lang angebunden zu haben.

Dem Kläger sei bezüglich des von ihm behaupteten Schadens der ihm nach allgemeinen Grundsätzen obliegende Beweis nur insoweit gelungen, dass nach Überzeugung des Gerichts durch den Tod der Stute ein Schaden in Höhe von 8.500,00 EUR entstanden ist. Nur bezüglich dieses Wertes konnte das Gericht die nötige Überzeugung nach § 286 ZPO gewinnen.

Das Gericht sei überzeugt davon, dass der Kläger vorliegend einen Verkaufswert von 8.500,00 EUR mit der Stute hätte erzielen können, somit den Mittelwert des von dem Sachverständigen angegebenen Marktwertes.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Gesamtschuldnerische Haftung weiterer Tierhalter

Gesamtschuldnerische Haftung weiterer Tierhalter bei bloßer Anwesenheit eines verletzten Tieres auf gemeinsamem Gelände

Lässt sich ein gefährdendes Verhalten der Tiere anderer Halter nicht feststellen, scheitert deren Haftung auch nach den Kriterien des Handelns auf eigene Gefahr. Wer ein Tier mit Tieren anderer Halter gemeinsam unterbringt, nimmt nämlich das Risiko einer Unaufklärbarkeit der Ursache von Verletzungen freiwillig in Kauf.“

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16. Dezember 2016, Az. 17 U 52/16

Vorinstanz: Landgericht Kiel, Urteil vom 13. Mai 2016, Az. 11 O 271/15

Der Sachverhalt

Die Parteien sind Pferdehalterinnen, deren Pferde in demselben Stall eingestellt waren. Der Stallbetreiber brachte wie an anderen Tagen am 13. April 2013 insgesamt 14 Pferde, darunter auch die Pferde der Parteien, auf das unbeobachtete Paddock, einen eingezäunten Sand- und Grasplatz, auf dem sich die Pferde üblicherweise bis gegen 17.00 Uhr aufhielten.

Als die Pferde am Abend wie gewöhnlich in den Stall geholt wurden, lahmte die Stute der Klägerin; die später hinzukommende Klägerin stellte eine etwa 3 cm lange, leicht blutende Wunde fest, die sie versorgte, ohne sich jedoch zunächst weitere Gedanken zu machen. Über Nacht traten starke Schwellungen auf. Eine tierärztliche Untersuchung am 14. April 2013 ergab erhebliche Verletzungen am rechten hinteren Bein der Stute.

Die Untersuchung in der Tierklinik ergab, dass die Stute vermutlich aufgrund einer Schlagverletzung an der Innenseite des rechten Hinterbeines eine Griffelbeinfraktur des medialen Griffelbeins erlitten hatte.

Die Klägerin hat behauptet, ihre Stute sei am Unfalltag zwischen 16:00 und 18:00 Uhr von einem der 13 anderen Pferde auf der Weide getreten worden. Die Herde sei kurz vor dem Reinholen gegen 17:00 Uhr in Unruhe geraten. Um diese Uhrzeit sei die Fütterung regelmäßig erfolgt, während es in der Außenanlage keine Futtermöglichkeiten gab. Dementsprechend hätten sich die Tiere in einem festen Herdenverband bewegt, so dass theoretisch die Tiergefahr, die von jedem Tier ausging, den Schaden des klägerischen Pferdes hätte verursachen können.

Die Klägerin macht als Schadensersatz im wesentlichen Kosten in Höhe von 4.118,23 € sowie eine Wertminderung in Höhe von 7.000,00 € geltend.

Das Urteil

Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht wiesen die Klage ab.

Es sei schon nicht gesichert, dass die Verletzungen der klägerischen Stute tatsächlich durch einen Pferdetritt verursacht worden seien. Der Unfallhergang sei nicht mehr nachvollziehbar, insbesondere nicht, dass gerade das Pferd der Beklagten an einer Auseinandersetzung mit anderen Pferden oder bloß einem unfallträchtigen Geschehen beteiligt gewesen sei.

Bleibe mithin als tatsächlicher Anknüpfungspunkt einer Haftung der Beklagten nur die Anwesenheit ihres Pferdes in einer Menge von insgesamt 14 Pferden bei im Übrigen unklarem Handlungsablauf, reiche dies zur Begründung einer gesamtschuldnerischen Tierhalterhaftung gegen einen der übrigen Tierhalter nach §§ 833, 830 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht aus.

Der Pferdehalter, ebenso wie der Kraftfahrzeughalter, könne Beteiligter im Sinne des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB sein. Ausdrücklich gelte dies auch für die Gefährdungshaftung des Tierhalters gemäß § 833 Satz 1 BGB.

Die Vorschrift diene der Überwindung der Beweisschwierigkeiten des Geschädigten, dessen Ersatzanspruch nicht daran scheitern solle, dass nicht mit voller Sicherheit festgestellt werden könne, wer von mehreren Beteiligten („Täter“), deren Handlung jede für sich geeignet wäre, den Schaden zu verursachen, der eigentliche Schädiger gewesen sei.

Auch wenn es sich der Sache nach um eine unerlaubte Handlung handeln müsse, sei Anknüpfungspunkt nicht unbedingt menschliches Verhalten als solches; vielmehr könne auch das Halten eines Tieres die den Schaden verursachende Handlung sein.

Zu beachten sei aber, dass das „Beteiligtsein“ im Sinne von § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB Mitwirkung bei der Tätigkeit bedeute, welche zunächst nur eine Gefährdung hervorrufe, aber in ihrer weiteren Entwicklung zu der den Schaden unmittelbar bewirkenden Handlung geführt habe. Es müsse eine objektiv gemeinsame Gefährdung vorliegen. In welcher Weise das Pferd der Beklagten – und wenn auch nur im Sinne einer natürlichen, artgemäßen Handlung – mitgewirkt haben solle, bleibe unklar. Auch bleibe offen, in welcher über die bloße Anwesenheit hinausgehenden Weise alle anderen Tiere das Pferd der Klägerin gefährdet haben könnten.

Die bloße Anwesenheit von mehreren Tieren am Ort eines Verletzungsgeschehens allein vermöge auch nach dem Sinn und Zweck der Haftungsnormen noch keine Haftung zu begründen:

Die Zurechnungsnorm des § 830 Abs. S 2 BGB, über die allein hier eine Haftung der Beklagten zu begründen wäre, wolle nämlich die Beweislage desjenigen erleichtern, der als Dritter einen Schaden erlitten habe, für den mehrere, im Einzelnen aber nicht feststellbare Schädiger verantwortlich sein können. Hier hingegen stellt sich die Frage der Haftung mehrerer potenzieller Schädiger untereinander, das Pferd der Klägerin war gerade nicht unbeteiligter Dritter.

Selbstverständlich sei nach dem Wortlaut der Normen die Haftung eines Tierhalters für die Verletzung eines anderen Tieres nicht ausgeschlossen, sondern komme vielmehr in der Praxis der Gerichte vielfach zur Anwendung. Voraussetzung sei jedoch immer ein feststellbares tierisches Verhalten im Sinne einer Handlung gegen das geschützte Rechtsgut oder zumindest ein mit dem Schadenseintritt tatsächlich in Zusammenhang stehender Vorgang, an dessen Feststellung es hier fehle.

Über diese Erwägungen hinaus scheitere eine Haftung der Beklagten aber auch nach den Grundsätzen des „Handelns auf eigene Gefahr“ zu Lasten der Klägerin.

Denn wenn sich aus tatsächlichen Gründen kein schädigendes Verhalten des in Anspruch genommenen Pferdes bzw. seines Halters oder eines anderen Pferdes feststellen lasse, habe sich gerade eines derjenigen Risiken verwirklicht, welches die Klägerin durch die gemeinsame unbeaufsichtigte Unterbringung mit 13 anderen Pferden und die daraus folgende erschwerte Beweislage eingegangen sei.

Zwar liege ein die Haftung ausschließendes Handeln auf eigene Gefahr nicht schon immer dann vor, wenn der Geschädigte seine Rechtsgüter bewusst und freiwillig der gewöhnlichen Tiergefahr ausgesetzt habe. Jedoch scheide eine Haftung aus, wenn das Verhalten des Geschädigten selbst widersprüchlich erscheine, weil er dasjenige Risiko übernommen habe, das sich im Schaden verwirklicht habe.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Haftungsausschluss bei unentgeltlicher Überlassung eines Reitpferdes für einen Ausritt

Tierhalterhaftung: Haftungsausschluss bei unentgeltlicher Überlassung eines Reitpferdes für einen Ausritt

Wird vor der unentgeltlichen Überlassung eines Reitpferdes für einen Ausritt zwischen Ver- und Entleiher individuell ein Haftungsausschluss mündlich vereinbart, da der Eigentümer mangels einer Versicherung für Schäden aus Reitunfällen eine Haftung ablehnt, wenn sich der Reiter des Pferdes beim Ausritt verletzen sollte, so ist dies grundsätzlich zulässig und stellt im Verletzungsfall insbesondere keinen Vertrag zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung des beim Ausreiten verunfallten Reiters dar.“

Oberlandesgericht München, Urteil vom 23. März 2016 – 8 U 4804/15

Vorinstanz: Landgericht Passau, Urteil vom 23. November 2015, Az. 1 O 518/15

Der Sachverhalt

Die Klägerin verlangt als gesetzliche Krankenkasse der Zeugin „S“ vom Beklagten als Halter des Reitpferdes „G.“ die Erstattung der Heil- und Pflegekosten, die durch den Reitunfall vom 24.03.2012 entstanden sind.

Die Zeugin „S“ unternahm mit dem ihr vom Beklagten unentgeltlich überlassenen Reitpferd „G. “ am 23.04.2012 einen Ausritt ins Gelände. Als „G.“ scheute, stürzte sie vom Pferd, wobei sie sich eine Sprunggelenksfraktur zuzog, die operativ versorgt werden musste.

Der Beklagte lehnte eine Haftung mit der Begründung ab, dass er mit der Zeugin „S“ mündlich vereinbart habe, dass der Ausritt auf eigene Gefahr erfolge und dass er nicht hafte, wenn sie vom Pferd falle.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass kein wirksamer Haftungsausschluss vereinbart worden sei, weil die Vereinbarung zu vage formuliert gewesen sei und außerdem einen Vertrag zu Lasten Dritter darstelle. Ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter liege vor, wenn durch ihn unmittelbar eine Rechtspflicht eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten entstehen solle.

Das Urteil

Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht wiesen die Klage ab.

Ein Haftungsausschluss sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Überlassung eines Reitpferdes für einen Ausritt grundsätzlich zulässig.

Der Bundesgerichtshof lasse die Annahme eines konkludent vereinbarten Haftungsausschlusses dann zu, wenn die Überlassung des Reitpferdes unentgeltlich aus reiner Gefälligkeit erfolgte.

Im vorliegenden Fall sei das Pferd „G.“ der Zeugin „S“ unstreitig aus reiner Gefälligkeit unentgeltlich für einen Ausritt überlassen worden, so dass allein deshalb schon ein Haftungsausschluss anzunehmen wäre.

Der Beklagte habe hier jedoch mit der volljährigen und damit vollgeschäftsfähigen Zeugin „S“ individuell einen Haftungsausschluss mündlich vereinbart. Eine solche Vereinbarung habe die Zeugin „S“ bestätigt. Sie habe bekundet, dass sie vereinbarungsgemäß den Ausritt auf „eigene Gefahr“ unternommen habe sowie dass zwischen ihr und dem Beklagten klar gewesen sei, dass er mangels einer Versicherung für Schäden aus Reitunfällen eine Haftung ablehne, wenn sie sich beim Ausritt verletze.

Weitere Zeugen hätten übereinstimmend angegeben, dass der Beklagte mit jeder Person, der er unentgeltlich ein Pferd für einen Ausritt überlasse, mündlich einen Haftungsausschluss vereinbare.

Diese individuell getroffene mündliche Vereinbarung über einen sei ausreichend bestimmt gewesen. Der Zeugin „S“, die gegen den Beklagten keine Ansprüche geltend gemacht habe, sei nach ihrer Aussage klar gewesen, dass sie die Folgen eines Sturzes vom Pferd alleine zu tragen habe und dass der Beklagte mangels einer Versicherung für Schäden aus Reitunfällen eine Haftung bei einem Sturz vom Pferd ablehne.

Der zwischen dem Beklagten und der Zeugin Stefanie H. individuell vereinbarte Haftungsausschluss stelle auch keinen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter dar.

Ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter sei dadurch gekennzeichnet, dass die Vertragspartner einen Dritten unmittelbar durch den von ihnen abgeschlossenen Vertrag belasten, ohne dass der Dritte in die Vertragsgestaltung eingeschaltet gewesen sei. In der Regel gehe es bei den Verträgen zu Lasten Dritter um Leistungspflichten, die dem Dritten ohne seine Zustimmung unmittelbar durch den Vertrag aufgezwungen werden sollen.

Kein solcher Vertrag zu Lasten Dritter liege somit vor, wenn sich die Leistungspflicht des Dritten nicht unmittelbar aus dem von den anderen Personen geschlossenen Vertrag, sondern aus dem Gesetz oder aus einem anderen Vertrag ergebe, den der leistungspflichtige Dritte mit dem Anspruchsteller abgeschlossen habe.

Im vorliegenden Fall sei die Leistungspflicht der Klägerin nicht durch den zwischen dem Beklagten und der Zeugin „S“ individuell mündlich vereinbarten Haftungsausschluss, sondern dadurch begründet worden, dass die Zeugin „S“ bei der Klägerin gesetzlich krankenversichert gewesen sei. Die Pflicht der Klägerin für die durch den Reitunfall verursachten Heil- und Pflegekosten aufzukommen hätten sich also aus dem mit der Zeugin „S“ eingegangenen Versicherungsverhältnis bzw. aus dem Sozialgesetzbuch V ergeben.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Das überholende Pferd auf dem Abreiteplatz

Tierhalterhaftung – Das überholende Pferd auf dem Abreiteplatz

Überholt ein Pferd im Galopp auf einem Abreiteplatz ein im Schritt sich fortbewegendes Pferd, schlägt dieses aus und verletzt hierdurch die vorbeireitende Reiterin, so muss sich die Geschädigte die Tiergefahr ihres eigenen Pferdes zurechnen lassen. Im Regelfall wird es zu einer Haftungsteilung kommen.“

Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 7. Januar 2016, Az. 1 U 422/15

Vorinstanz:  Landgericht Koblenz, Urteil vom 2. März 2015, Az. 15 O 466/13

Der Sachverhalt

Die Parteien nahmen an einem Turnier teil. Die Klägerin ritt mit ihrem Pferd zum Aufwärmen und damit zur Vorbereitung der für sie anstehenden Springprüfung auf dem Abreiteplatz. Sie ritt im Galopp auf dem dritten Hufschlag. Als die Klägerin an dem Pferd des Beklagten vorbeireiten wollte, erschrak dieses und trat aus. Dabei wurde die Klägerin erheblich verletzt, in dessen Folge sie auch operiert wurde.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten Schadensersatz.

Das Urteil

Das Oberlandesgericht gab der Klage nur zu 50 % statt.

Die Tiergefahr des Pferdes des Beklagten mit der Haftungsfolge aus § 833 BGB habe sich in dem Erschrecken und Auskeilen seines Pferdes verwirklicht. Dieses tierische Verhalten sei auch durch die (schnelle) Annäherung des Pferdes der Klägerin im Galopp verursacht worden. Damit habe sich auch die Tiergefahr des von der Klägerin gerittenen Pferdes verwirklicht, was zu einer Schadensteilung führen würde. Insoweit gelte, dass die Tiergefahr, die von dem eigenen Tier ausgehe und den Schaden mitverursache, sich der Geschädigte entsprechend § 254 BGB anrechnen lassen müsse. Es gebe im vorliegenden Fall auch keine Veranlassung hinsichtlich der Art, des Umfangs der Tiergefahr zwischen den beiden Pferden zu differenzieren. Selbst wenn das Pferd des Beklagten zum Austreten neige, so sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin sich diesem Pferd im Galopp von hinten näherte und hierdurch auch eine nicht unwesentliche Gefährdungsursache gesetzt habe. Dieser Mitverursachungsanteil würde sich noch (deutlich) erhöhen, wenn das Pferd des Beklagten tatsächlich mit der roten Schleife sichtbar gekennzeichnet gewesen wäre. Gleichfalls sei für die Abwägung der Gefährdungsanteile nicht entscheidend, dass sich wohl beide Pferde unstreitig jeweils auf den falschen Wegstrecken bewegt haben. Auch diese erkennbaren Abweichungen von den allgemeinen Gepflogenheiten im Reitsport habe die Klägerin zu besonderer Vorsicht und einem unfallverhindernden Abstand beim Vorbeigaloppieren anhalten können und wohl auch müssen.

Unter Berücksichtigung all dieser tatsächlichen Gegebenheiten seien die Verursachungsanteile beider Pferde für den Unfall der Klägerin als gleichgewichtig anzusehen und die Ersatzansprüche der Klägerin seien daher zu halbieren.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Haftung der Pferdehalterin für die Beschädigung des Endoskops

Keine Haftung der Pferdehalterin für die Beschädigung des Endoskops durch ihr sediertes Pferd

Gehen der Tierarzt und seine Helfer bei einer endoskopischen Untersuchung eines Pferdes unsachgemäß vor, so bestehen keine Schadensersatzsprüche gegen den Tierhalter, wenn hierbei das Endoskop beschädigt wird.“

Oberlandesgericht Jena, Urteil vom 8. Juni 2016, Az. 7 U 573/15

Vorinstanz: Landgericht Erfurt, 3. Juli 2015, Az. 10 O 897/13

Das Sachverhalt

Die Beklagte war mit ihrem Pferd in der Klinik des klägerischen Tierarztes. Dort wurde das Pferd sediert und mittels eines Endoskops untersucht. Das Endoskop rutschte aus dem Nasengang des Pferdes heraus, fiel auf den Boden und wurde dort von den Hufen des Pferdes beschädigt. Der Tierarzt begehrt mit seiner Klage Schadensersatz von der Pferdehalterin.

Das Urteil

Das Landgericht Erfurt gab der Klage statt, das Oberlandesgericht Jena hob die Entscheidung jedoch auf.

Zwar regele § 833 Satz 1 BGB eine Gefährdungshaftung für ein sog. Luxustier, es werde allerdings in der Rechtsprechung und Rechtsliteratur unterschiedlich beurteilt, wie Fälle zu behandeln seien, in denen ein behandelnder Tierarzt durch ein Tierverhalten geschädigt würde. Zum Teil werde ein Haftungsausschluss angenommen, zum Teil werde der Schutzbereich der Norm verneint, zum Teil werde eine Lösung über ein Mitverschulden vorgeschlagen. Der BGH vertrete im Grundsatz letztere Ansicht, hielte es aber auch für möglich, dass in ganz besonders gelagerten Fällen eine Tierhalterhaftung aus grundsätzlichen Erwägungen ausgeschlossen sein könne.

Gemessen an diesen Grundsätzen komme dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass im vorliegenden Fall während der Untersuchung des Pferdes mittels Endoskop ein zweiter Tierarzthelfer, der das Endoskop hätte festhalten müssen, gefehlt habe oder – wenn er anwesend gewesen sein sollte – das Endoskop nicht richtig festgehalten habe.

Es liege daher ein Schadensfall vor, der nicht mehr vom Schutzzweck des § 833 S. 1 BGB umfasst sei und daher nicht der Beklagten zugerechnet werden könne. Es lägen die dafür erforderlichen drei maßgeblichen Kriterien vor, die den Schadensfall aus dem Schutzbereich herausfallen ließen. Zum einen sei dies der Gesichtspunkt, dass sich das Pferd außerhalb der Obhut seiner Halterin in der Obhut der Geschädigten befunden habe. Zum Zweiten, dass der ortsabwesenden Tierhalterin infolge Verbringung des Pferdes in die Tierklinik und – zur Unfallzeit – in eine Behandlungsbox jegliche Einwirkungsmöglichkeit auf das Tier entzogen gewesen sei. Zum Dritten, dass hier eine Schädigung eines Dritten (der Klägerin) entstanden sei, die bei Anwendung aller Sorgfalt hätte vermieden werden können. Eine Haftung aus § 833 S. 1 BGB sei daher unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der Norm zu verneinen.

Darüber hinaus sei hier in dem Herunterfallenlassen des Endoskops ein nach § 254 BGB derart schwerwiegendes Mitverschulden zu sehen, dass eine Gefährdungshaftung der Beklagten zurücktrete. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Sachverständige ausgeführt habe, dass die kurz nach dem Einführen des Endoskops in den Nasenkanal bei dem genannten Pferd plötzlich aufgetretene, hochgradig gesteigerte, exzitatorische Verhaltensstörung der plötzlichen Arzneimittelwirkung entspreche und bekannt sei. Dies hätte den Tierarzthelfer, dessen Verschulden sich die Klägerin nach §§ 254, 278 BGB zurechnen lassen müsse, zu einer besonderen Aufmerksamkeit beim Festhalten des Endoskops veranlassen müssen. Denn auf Seiten der Klägerin hätte die Wirkung des Sedativums und die zu erwartende Reaktion des Pferdes bekannt sein müssen. Auch könne allenfalls das Herausrutschen des Endoskops aus der Nasenhöhle als typische Folge der Pferdegefahr angesehen werden, das Herunterfallen desselben aber nicht, denn nach den Ausführungen des Sachverständigen hätte ein Tierarzthelfer das Endoskop festhalten müssen.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp