Schadensersatz/ Schmerzensgeldanspruch /Infektion von Pferden mit dem EIA-Virus

Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch wegen der Infektion von Pferden mit dem EIA-Virus

Dass das Blut eines Spendertieres im Mai 2012 nicht auf EIA-Viren getestet wurde, stellte keine Verletzung des Standards guter Tiermedizin dar.“

Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 23. September 2015, Az. I-5 U 189/14

vorgehend Landesgericht Bonn, Urteil vom 12. November 2014, Az. 9 O 8/13

Der Sachverhalt

Die Kläger sind Pferdezüchter. Der Beklagte betreibt eine tierärztliche Pferdeklinik. Er war seit 2002 Eigentümer des Pferdes „B“. Dieses Pferd wurde auch für Blut- und Plasmaspenden eingesetzt.

Am 17. Mai 2011 verkaufte der Beklagte einer der Klägern eine solche Plasmaspende.

Der Beklagte führte bei vier der klägerischen Pferde jeweils eine Plasmatransfusion mit Plasma des Pferdes „B“ durch.

Die Kläger behaupten, dass B2s Blut mit einem Virus („Equine Infektiöse Anämie“ = EIA) verseucht gewesen sei.

Durch die vier klägerischen Pferde, die eine Plasmainfusion erhalten haben, seien zwei weitere klägerische Pferde angesteckt worden.

Nach Entdeckung der Infektion seien die infizierten Pferde auf Anordnung des Veterinäramtes getötet worden.

Die Kläger begehren Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Die Entscheidung

Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht weist die Parteien darauf hin, dass es beabsichtigt, die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Es kämen keine vertraglichen Ansprüche (§§ 280, 611 BGB) in Betracht.

Bezüglich der angesteckten Pferde schon deshalb nicht, weil hier keine vertragliche Verbindung zu dem Beklagten bestünde. Einen Behandlungs- oder sonstigen Vertrag, der auf die Behandlung ihrer Pferde gerichtet wäre, und in dessen Folge verseuchtes Blutplasma übertragen worden wäre, hätten die Kläger mit dem Beklagten nicht geschlossen. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der wohl am ehesten als Kaufvertrag zu qualifizierende Vertrag über das Blutplasma die Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erfülle.

Hinsichtlich der tierärztlichen Behandlung der Pferde, die eine Plasmatransfusion erhielten, sei zwar ohne weiteres vom Vorliegen eines Behandlungsvertrages auszugehen. Allerdings fehle es am Erfordernis einer schuldhaften Pflichtverletzung des Beklagten. Der Tierarzt verstoße nur dann in vorwerfbarer Weise gegen seine vertraglichen Pflichten, wenn er das nicht beachte, was zum Zeitpunkt der schädigenden Handlung oder Unterlassung tierärztlicher Standard bedeute. Standard bedeute dabei den Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und ärztlichen (bzw. tierärztlichen) Erfahrung, der sich in der praktischen Erprobung bewährt habe und dessen Einsatz zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich sei.

Unter diesen Voraussetzungen könne aber eine Verletzung des Standards guter Tiermedizin auch für den hier interessierenden Zeitraum, in dem die Pferde durch den Beklagten eine Plasmaspende erhielten, nicht festgestellt werden. Bei dieser Bewertung stütze sich der Senat ebenso wie die Kammer auf das überzeugende Gutachten des Sachverständigen, der sich sehr eingehend unter Auswertung der entsprechenden Literatur und unter Einholung eigener Auskünfte mit der Frage auseinandergesetzt habe, ab wann davon auszugehen gewesen sei, dass die Testung von Plasma auf EIA-Viren vor der Verabreichung an ein Tier sich im Bewusstsein der entsprechenden Tiermediziner-Kreise als gutes standardgemäßes Vorgehen durchgesetzt hätte. Er sei zu dem Ergebnis gelangt, dass es letztlich die Infektionsfälle gewesen seien, die im Spätsommer/Herbst des Jahres 2012 aufgetreten oder bekannt geworden seien, die ein Bewusstsein für die Notwendigkeit der Testung auf EIA-Viren geschaffen hätten. Dieser Umstand spreche dafür, einen tierärztlichen Standard erst ab diesem Zeitpunkt, d.h. ein Jahr nach den hier erfolgen Plasmaspenden, anzunehmen.

Auch Ansprüche der Kläger aus § 1 Abs.1 Satz 1 ProdHaftG bestünden nicht.

Das Produkthaftungsgesetz sei zwar anwendbar, das streitgegenständliche Blutplasma sei aber nicht fehlerhaft im Sinne des ProdHaftG gewesen. Nach § 3 ProdHaftG habe ein Produkt einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit biete, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere seiner Darbietung, des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden könne, sowie des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde, berechtigterweise erwartet werden könne.

Nach diesen Grundsätzen könnte von dem Beklagten zum Zeitpunkt des Verkaufs des Blutplasmas bzw. zum Zeitpunkt der Verabreichung des Blutplasmas nicht berechtigterweise erwartet werden, dass er das zu einem früheren Zeitpunkt gewonnene Blutplasma bzw. das Spenderpferd auf eine infektiöse Anämie untersuche. Entscheidend sei hierfür, dass dies zu diesen Zeitpunkten nicht als tierärztlicher Standard zu fordern gewesen sei.

Schließlich würden auch Ansprüche auf rein deliktischer Grundlage (§ 823 Abs.1 BGB) nicht in Betracht kommen.

Der übliche deliktsrechtliche Ansatz der Garantenstellung des Arztes bzw. Tierarztes durch faktische Übernahme der Behandlung scheide für die angesteckten Pferde aus. Hier könnte eine Haftung nur denkbar sein unter dem Gesichtspunkt des vorangegangenen Tuns, nämlich der Eröffnung einer Gefahrenquelle durch ein „Inverkehrbringen“ verseuchten Plasmas. Vorwerfbar im Sinne einer Fahrlässigkeit sei dies indes nicht. Fahrlässigkeit setze das Außerachtlassen einer verkehrsüblichen Sorgfaltspflicht voraus. Verkehrsübliche Sorgfalt wiederum sei gleichzusetzen mit der Pflicht eines ordentlichen Tierarztes, was wiederum auf den tierärztlichen Standard verweise, der nach dem oben Gesagten nicht verletzt sei.

Im Hinblick auf die Pferde, die eine Plasmatransfusion erhalten hätten, bei dem eine auf vertraglicher Grundlage beruhende tierärztliche Behandlungsübernahme durch den Beklagten vorliege, richte sich der Haftungsmaßstab unmittelbar nach dem tierärztlichen Standard, der auch in seinem Fall nicht verletzt sei.

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Susan Beaucamp

(Rechtsanwältin)

Verstoß gegen das Tierschutzgesetz

Nachträgliche Anordnung der Fortnahme eines Tieres

Weder nach § 16a Abs 1 S 2 Nr 2 TierSchG noch nach sonstigen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften des niedersächsischen Landesrechts ist die zuständige Behörde befugt, eine Vollstreckungsmaßnahme durch Verwaltungsakt nachträglich zu bestätigen.“

Verwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 12. Dezember 2016, Az. 6 A 268/16

Der Sachverhalt

Der Kläger wendet sich gegen die mit Bescheid vom 13.06.2016 erfolgte nachträgliche Bestätigung einer bereits am 10.05.2016 erfolgten Fortnahme seines Hengstes, sowie gegen die Feststellung der Kostentragungspflicht für die anderweitige Unterbringung.

Der Kläger ist Halter mehrerer Pferde, darunter eines Hengstes Namens „C.“.

Zwischen den Beteiligten herrscht Streit darüber, ob der Kläger in der Vergangenheit seinem Hengst regelmäßig Auslauf gewährte.

Mit Bescheid vom 09.03.2016 untersagte der Beklagte dem Kläger die weitere Haltung und Betreuung des von ihm gehaltenen Hengstes „C.“. Er räumte dem Kläger acht Wochen Zeit ein, den Hengst in eine andere tierschutz-und verhaltensgerechte Haltung zu verbringen. Für den Fall, dass der Kläger acht Wochen nach Zugang der Verfügung weiterhin seinen Hengst halten oder betreuen sollte, drohte der Beklagte zugleich an, das Pferd auf seine Kosten fortzunehmen und anderweitig pfleglich unterzubringen.

In der Folgezeit vermittelte der Kläger den Hengst nicht in eine andere Unterbringung. Mit Schreiben vom 09.05.2016 kündigte der Beklagte dem Kläger daraufhin an, am darauf folgenden Tag, dem 10.05.2016, die Fortnahme des Hengstes durchzuführen. Dieses Schreiben enthielt keine Rechtsmittelbelehrung.

Am 10.05.2016 nahm der Beklagte im Beisein der Amtstierärztin sowie für den Fall einer notwendigen ärztlichen Behandlung eines weiteren Tierarztes den Hengst fort und verbrachte ihn in eine andere Unterbringung. Laut einem Erinnerungsvermerk der Amtstierärztin heißt es, dass dem Kläger die Fortnahme zuvor angekündigt worden sei. Der Kläger habe widerstrebend bei der Verladung des Pferdes mitgewirkt.

Die Entscheidung

Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten, soweit der Beklagte mit dem Bescheid nachträglich die Fortnahme des Hengstes legitimieren möchte, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Insbesondere könne der Beklagte dem Bescheid diesbezüglich nicht auf § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG stützen. Gemäß dieser Vorschrift könne die zuständige Behörde ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung durch den Halter sichergestellt ist.

Der Beklagte sehe zu Unrecht in dieser gesetzlichen Vorschrift eine Ermächtigungsgrundlage dafür, eine bereits erfolgte Fortnahme des Tieres nachträglich durch einen Verwaltungsakt zu legitimieren oder zu bestätigen.

Ebenso sei es mit dieser Norm nicht vereinbar, dass die zuständige Behörde eine bereits erfolgte Verwaltungsvollstreckung im Wege eines feststellenden Bescheids nachträglich selbst legitimiert. In diesem Fall würde nicht nachträglich der (bereits vollstreckte) Grundverwaltungsakt erlassen, sondern durch einen der Bestandskraft fähigen Bescheid über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung entschieden.

Der angefochtene Bescheid könne auch nicht als schriftliche Bestätigung eines bereits mündlich erlassenen Verwaltungsaktes verstanden werden. Vielmehr ergebe sich aus den Verwaltungsvorgängen, dass ein solcher Verwaltungsakt am 10.05.2016 gar nicht erlassen wurde.

Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG (im Folgenden nur: VwVfG) könne ein Verwaltungsakt auch mündlich erlassen werden. Gemäß Satz zwei der gleichen Vorschrift sei ein solcher Verwaltungsakt schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse bestehe und der Betroffene dies unverzüglich verlange.

Aus dem Vermerk der Amtstierärztin ergeben sich aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass bei der Fortnahme des Hengstes ein mündlicher Verwaltungsakt mit dem Inhalt erlassen worden sei, dass nunmehr die Fortnahme angeordnet werde. Die Amtstierärztin führe vielmehr aus, dass der Kläger nach dem Klingeln der Amtstierärztin ihr und den weiteren Mitarbeitern des Beklagten bzw. der Polizei widerstrebend die Tür geöffnet und bei der Verladung des Pferdes mitgewirkt habe. Zwar habe der Kläger gegenüber ihr angemerkt, das Pferd befindet sich gar nicht auf dem Grundstück, dass in dem früheren Bescheid vom 09.03.2016 bezeichnet worden sei. Daraufhin habe ihn aber der teilnehmende Polizeibeamte lediglich aufgefordert, sich nunmehr kooperativ zu verhalten. Es gebe einen Bescheid, der die Rechtsgrundlage für das Handeln des Landkreises bilde. Einwände hiergegen müssten gerichtlich geltend gemacht werden. Dies spreche entscheidend dafür, dass vor Ort nicht ein weiterer Bescheid mündlich ausgesprochen wurde. Vielmehr sollte nach dem Verständnis aller die Rechtsgrundlage für das Handeln des Beklagten der frühere Bescheid vom 09.03.2016 sein.

Dafür spreche auch das nach der Fortnahme vorangegangene Schreiben. Mit Schreiben vom 09.05.2016 habe der Beklagte die Fortnahme lediglich angekündigt. Ein Verwaltungsakt sei hierin nicht zu sehen. Insbesondere enthalte dieses Schreiben auch keine Rechtsbehelfsbelehrung, wie es ansonsten zu erwarten gewesen wäre. Das Gericht gehe daher davon aus, dass der Beklagte selbst zu diesem Zeitpunkt – zutreffend – annahm, die Fortnahme des Hengstes erfolge als Vollstreckung des Haltungs- und Betreuungsverbots.

Aus den genannten Gründen ergebe sich in gleicher Weise, dass die nachträgliche Anordnung der Unterbringung für die Zeit vor Erlass des angefochtenen Bescheids rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletze, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Etwas anderes gelte aber, soweit der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid auch die fortdauernde Unterbringung für die Zukunft anordne. Diesbezüglich sei der Bescheid rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für den Bescheid sei § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Hs. 1 TierSchG. Dem stehe nicht entgegen, dass der Hengst zum Zeitpunkt der Anordnung dieser Unterbringung tatsächlich bereits durch den … untergebracht war.

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Susan Beaucamp

Rechtsanwältin

Pferdehalterhaftung – Mitverschulden des Bereiters

Pferdehalterhaftung – Mitverschulden des Bereiters

OLG Schleswig Urt. v. 12.06.2015 17 U 103/14

Leitsätze:

Der Bereiter handelt nicht auf eigene Gefahr, sondern nach wie vor in einem Vertragsverhältnis zum Pferdehalter, auch wenn ihm dieser den weiteren Beritt eines Problempferdes anheimgestellt hat. Der Bereiter wird dadurch nicht aus dem Vertrag entlassen.

Reitet der Bereiter in einer solchen Situation trotzdem weiter und wird abgeworfen, so kann ein Schadensersatzanspruch wegen Mitverschuldens zu kürzen sein.

Sachverhalt:

Der Kläger ist selbständiger Bereiter und Reitlehrer. Er vereinbarte vertraglich, das Pferd der Beklagten auszubilden und ihm vorhandene Unarten wie steigen und buckeln abzugewöhnen. Nach bereits einigen Monaten im Beritt buckelte das Pferd während eines Termins schon beim Ablongieren so stark, dass der Pferdehalter dem Bereiter anbot, das Pferd an einem anderen Tag zu reiten und es an diesem Tag beim Longieren zu belassen. Um den Ausbildungserfolg nicht zu gefährden, entschied sich der Kläger jedoch dazu, das Pferd zu reiten. Nachdem er aufgestiegen war, buckelte das Pferd über zehn Minuten hinweg, bis es ihn letztendlich abwarf. Der Kläger wurde dabei erheblich an der Halswirbelsäule verletzt, so dass ihm in der Folge Heilbehandlungskosten in Höhe von über 75.000€ entstanden.

Der Bereiter begehrte nun von dem Pferdehalter Ersatz der Heilbehandlungskosten, sowie ein angemessenes Schmerzensgeld.

Entscheidung des OLG Schleswig:

Ein Anspruch des Klägers gegen den beklagten Pferdehalter aus § 833 BGB bestand grundsätzlich, da sich in dem Buckeln und Steigen des Pferdes die spezifische Tiergefahr verwirklicht hatte und der Bereiter dadurch gestürzt war und sich die schweren Verletzungen zugezogen hatte. Bei der Tierhalterhaftung handelt es sich um eine verschuldensunabhängige Haftung, so dass es auf ein Verschulden des Pferdehalters nicht ankommt.

Fraglich war jedoch, ob die Haftung der Beklagten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls, wegen eines etwaigen Mitverschuldens des Bereiters zu kürzen oder sogar nach Treu und Glauben wegen einer freiwilligen Selbstgefährdung auszuschließen war.

Der Bereiter könnte auf „eigene Gefahr“ gehandelt haben, indem er das Pferd bestieg, obwohl es an diesem Tag offensichtlich unwillig war und ihm von der Beklagten anheimgestellt wurde, das Pferd ein anderes Mal zu reiten.

Das Gericht entschied, dass der Bereiter nicht auf eigene Gefahr gehandelt hatte, sondern sich nach wie vor in einem vertraglichen Verhältnis zum Pferdehalter befand. Der Bereiter wird durch den ihm eingeräumten Ermessensspielraum nicht aus dem Vertragsverhältnis entlassen. Da bei Personen, die sich aus beruflichen Gründen der Tiergefahr aussetzen, ein vollständiger Haftungsausschluss wegen freiwilliger Selbstgefährdung grundsätzlich abzulehnen ist, ist die Haftung der Beklagten gegenüber dem Bereiter in diesem Fall nicht ausgeschlossen.

Allerdings kürzte das Gericht die Ansprüche des Klägers um 50%, da es in seinem Verhalten ein mitwirkendes Verschulden im Sinne des § 254 BGB sah.

Dabei führte das Gericht zur Begründung aus, dass der Kläger als berufsmäßiger Bereiter von ausgewiesenen Problempferden zwar regelmäßig ein erhöhtes Risiko in Kauf nehmen muss, im konkreten Fall hätte er sich dieses Risikos aber nicht aussetzen dürfen, da das Pferd auch nach zehn Minuten nicht aufhörte zu buckeln und zu steigen. Der Bereiter hätte den Beritt frühzeitiger abbrechen müssen, um sich nicht selbst in Gefahr zu bringen.

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Susan Beaucamp

Rechtsanwältin

Ansprüche des Halters einer Stute bei Samenverwechslung

Ansprüche des Halters einer Stute bei Samenverwechslung

Der Vertrag über die Lieferung und Übereignung von Frischsperma zum Zwecke der Besamung einer Stute durch einen vom Stutenhalter beauftragten Tierarzt in den Stallgebäuden des Hengsthalters ist als Gattungskauf einzuordnen.“

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 23. Februar 2010, Az. 19 U 133/09

Vorinstanz: Landgericht Arnsberg, Urteil vom 13. Oktober 2009, Az. 2 O 18/08

Der Sachverhalt

Die Klägerin ließ ihre Stute in der Deckstation der Beklagten mit Frischsperma des von ihr ausgewählten Hengstes durch den von ihr beauftragten Tierarzt besamen. Als das Stutfohlen geboren wurde, wurde der Klägerin eine Eigentumsurkunde ausgestellt, die als Vater des Stutfohlens den von ihr ausgewählten Hengst ausweist. In Folge einer Abstammungsuntersuchung durch ein Unternehmen bayrischer Zuchteinrichtungen stellte sich heraus, dass der Vater des geborenen Stutfohlens ein anderer Hengst sei. Die Klägerin behauptete, dass es bei der Besamung zu einer Verwechslung des Spermas gekommen sei und begehrte Schadensersatz, der ihr durch die Verwechslung entstanden ist.

Das Urteil

Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht wiesen die Klage ab.

Der Klägerin sei durch die Falschbesamung kein Schaden entstanden. Bereits das Landgericht habe dargelegt, dass der Klägerin kein Vermögensschaden entstanden sei. Der Behauptung der Klägerin, dass sie das Fohlen wegen der tatsächlichen väterlichen Abstammung zu einem niedrigeren Preis verkaufen müsse, könne nicht gefolgt werden. In Wahrheit habe die Klägerin sogar das Frischsperma eines Hengstes mit einer höheren Decktaxe erhalten. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass es der Klägerin allein auf die Vermarktung der Pferde angekommen sei. Nach Auffassung des Gerichtes sei das Pferd in diesem Fall als reines Wirtschaftsgut anzusehen.

Es handle sich bei einem Frischsamenkauf um einen Gattungskauf, wonach die Beklagte der Klägerin keine bestimmte konkretisierte Samenmenge des Hengstes schulde. Die Übereignung von Samen des anderen Hengstes stelle somit ein aluid (Ersatzlieferung) dar.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

 

Konkludenter Haftungsausschluss bei einem Reitunfall

Konkludenter Haftungsausschluss bei einem Reitunfall

Allein der Umstand, dass der Reiter bei einer Reitbeteiligung regelmäßig das Pferd nutzt und sich so als ‚Tierhalter auf Zeit‘ fühlt, rechtfertigt nicht die Annahme eines Haftungsausschlusses. Dies gilt insbesondere, wenn eine Tierhalterhaftpflichtversicherung abgeschlossen wurde.“

Landgericht Hamburg, Teilurteil vom 09. Juli 2015, Az. 328 O 373/14 

Der Sachverhalt

Der Kläger ist ein Krankenversicherungsverein. Nach einem Reitunfall der damals 19-jährigen Frau L. erstattete der Kläger einige Kosten, die mit der Klage geltend gemacht werden.

Die Beklagte ist Halterin eines Pferdes. Im Rahmen einer Reitbeteiligung benutzte Frau L. das Pferd der Beklagten, unter anderem zum Reitunterricht. Dieser Unterricht fand einmal die Woche statt. Die Beklagte erhielt im Monat € 80,00 von Frau L. Das Pferd wurde auch durch andere Personen genutzt.

Im Rahmen des Reitunterrichts am 14. März 2012 kam es zu einem Unfall. Frau L. führte gerade eine Parade zum Halten durch als das Pferd hochstieg und zusammen mit Frau L. das Gleichgewicht verlor und stürzte. Frau L. wurde durch das auf sie stürzende Pferd schwer verletzt und zunächst im Wesentlichen im Klinikum St.- G. stationär behandelt.

Der Kläger verlangt aus übergegangenem Recht Erstattung von Kosten im Zusammenhang mit dem Reitunfall von der Beklagten als Tierhalterin.

Das Urteil

Dem Kläger stehe dem Grunde nach aus übergegangenem Recht, § 86 VVG, ein Anspruch gegen die Beklagte gemäß § 833 BGB auf Schadensersatz wegen des Reitunfalls der Frau L. am 14. März 2012 zu. Eine Haftung sei weder ausgeschlossen gewesen noch sei der Anspruch wegen eines Mitverschuldens zu kürzen.

Die Vereinbarung einer Reitbeteiligung führe vorliegend nicht zu der Annahme eines konkludenten Haftungsausschlusses. Allein der Umstand, dass der Reiter bei einer Reitbeteiligung regelmäßig das Pferd nutze und sich so als „Tierhalter auf Zeit“ fühle, rechtfertige nicht die Annahme eines Haftungsausschlusses. Bei dieser Argumentation würde die Frage der Haltereigenschaft, die bereits Tatbestandsvoraussetzung sei, mit den Fragen von Erklärungsinhalten bei Vertragsschluss zum Ausschluss der gesetzliche normierten Haftung vermischt.

Frau L. sei im Zeitpunkt des Unfalls nicht Halter des Pferdes im Sinne des § 833 BGB gewesen. Es sei hinlänglich anerkannt, dass der regelmäßige, kurzzeitige Nutzer eines Pferdes nicht selbst zum Halter würde, sodass allein deshalb eine Haftung gemäß § 833 BGB nicht ausgeschlossen sei.

In Anwendung der vom Bundesgerichtshof zum konkludenten Haftungsausschluss aufgestellten Grundsätze seien vorliegend die „besonderen Umstände“, die unter Umgehung des ausgedrückten Willens der Vertragsparteien allein aufgrund einer Willensfiktion die Annahme eines Verzichtes rechtfertigen könnten, nicht erkennbar. Allein der Umstand, dass eine Tierhalterhaftpflichtversicherung abgeschlossen worden sei, spreche dafür, dass gerade kein Haftungsverzicht eine Rolle spielen solle, da der Verzicht nicht den Halter, sondern allein den Versicherer entlasten würde.

Daneben habe der Bundesgerichtshof sowohl für die Fälle einer freundschaftlichen bzw. kameradschaftlichen Überlassung des Pferdes als auch für die Fälle einer professionell vertraglichen Überlassung des Tieres (Tierpension) entschieden, dass die Haftung gemäß § 833 BGB nicht ausgeschlossen sei. Unter Berücksichtigung verschiedener, denkbarer Begründungsansätze (Handeln auf eigene Gefahr, Gefälligkeit analog § 599 BGB, §§ 8, 8a StVG analog, Schutzzweck der Norm, Treu und Glauben) lehne die Rechtsprechung den Haftungsausschluss ab (BGH, a.a.O., Rn. 14ff.; 25. März 2014, VI ZR 372/13, Rn. 9, juris). Der vorliegende Fall einer Reitbeteiligung liege dem Sachverhalt und den Wertungen nach zwischen der rein freundschaftlichen und der beruflich/professionellen Überlassung eines Tieres. Das Gericht könne auf Basis der vorliegenden Sachverhaltskonstellation keinen besonderen Umstand feststellen, der die Annahme eines Haftungsausschlusses rechtfertigen könnte.

Auch treffe Frau L. kein Mitverschulden an dem Unfall, § 254 BGB.

Die Behauptung der Beklagten, dass sich Frau L. beim Aufsteigen des Pferdes nach hinten gelehnt habe, habe sich durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt.

Für ein die Haftung minderndes Mitverschulden des Geschädigten ist egelmäßig der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig, im Anwendungsbereich des § 833 BGB also der Tierhalter. Dass dieser zu den Handlungen des Geschädigten beim Umgang mit dem Tier möglicherweise mangels Kenntnis nicht ausreichend vortragen kann, rechtfertigt keine Umkehr der Beweislast. Der Geschädigte hat insoweit im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast konkret zu seinem Handeln vorzutragen, der Schädiger hat sodann zu beweisen, inwieweit der Vortrag des Geschädigten unrichtig ist.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp