Zurückbehaltungsrecht am Equidenpass

Kein Zurückbehaltungsrecht am Equidenpass

Für die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts an dem Equidenpass ist kein Raum, da diese Urkunde für den jeweiligen Halter bzw. Besitzer des betroffenen Pferdes wegen ihrer öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung von besonderer Bedeutung ist und ihm sofort und stets zur Verfügung zu stehen hat. Das gilt umso mehr als § 44b Viehverkehrsordnung vorschreibt, dass der Halter das Pferd nur mit Equidenpass übernehmen darf.“

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 8. April 2015, Az. 5 W 42/15

Vorinstanz: Landgericht Bielefeld, Beschluss vom 19. März 2015, Az. 8 O 106/15

Der Sachverhalt

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Wallachs „C“. Die Antragsgegner befinden sich im Besitz des Equidenpasses für dieses Pferd.

Die Antragstellerin stellte das Pferd der minderjährigen Reiterin F, gesetzlich vertreten durch die Antragsgegner als ihre Eltern, als Turnierpferd für die Springreiterei zur Verfügung. Am 15.3.2015 brachte der Antragsgegner gemeinsam mit seiner Tochter das Pferd zur Antragstellerin zurück. Den zum Pferd gehörenden Equidenpass gaben sie nicht heraus und begründeten dies damit, dass ihnen im Fall des Verkaufs des Pferdes ein „Wertausgleich“ zustehe. Auch auf erneute Aufforderung am 17.3.2015 gaben die Antragsgegner den Equidenpass nicht heraus.

Die Antragstellerin beabsichtigt, das Pferd zu verkaufen.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen und zur Begründung angeführt, ein Verfügungsgrund sei mangels schlüssiger Darlegung und Glaubhaftmachung eines Eilbedürfnisses nicht gegeben.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.

Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht gab der Beschwerde statt.

Die Antragstellerin hab Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Als Eigentümerin und Besitzerin des Pferdes stehe der Antragstellerin ein Anspruch auf Herausgabe des zu dem Pferd gehörigen Equidenpasses gegenüber den Antragsgegnern zu.

Diesem Anspruch stünde ein Zurückbehaltungsrecht der Antragsgegner nicht entgegen.

Aus der Eigenart des vom Antragsgegner zurückgehaltenen Gegenstandes (des Equidenpasses) ergebe sich i. V. m. § 242 BGB ein Ausschluss eines evtl. Zurückbehaltungsrechts der Antragsgegner wegen eventueller Zahlungs-/ Ausgleichs-/ Wertausgleichsansprüche.

Der zurückgehaltene Equidenpass diene nach der Verordnung (EG) Nr. 504/2008 der Kommission vom 6. Juni 2008 zur Umsetzung der Richtlinien 90/426/EWG und 90/427/EWG des Rates in Bezug auf Methoden zur Identifizierung von Equiden der Identifizierung des Pferdes insbesondere im öffentlich-rechtlichen Interesse.

Mithin sei diese Urkunde für den jeweiligen Halter bzw. Besitzer des betroffenen Pferdes wegen seiner öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung von besonderer Bedeutung und habe ihm sofort und stets zur Verfügung zu stehen, zumal § 44 b Vieverkehrsverordnung vorschreibe, dass der Halter das Pferd nur mit Equidenpass übernehmen dürfe. Verstieße der Halter gegen diese Vorschrift, handele er gem. § 46 Abs. 1 Ziff. 24 Viehverkehrsverordnung ordnungswidrig.

Für die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts an dem Equidenpass sei hiernach kein Raum.

Der Verfügungsgrund ergebe sich aus dem öffentlich-rechtlichen Zweck des Equidenpasses als Identifikationspapier des Pferdes und dem Umstand, dass die Haltung des Pferdes ohne Equidenpass eine Ordnungswidrigkeit darstelle.

Reitunfall der Reitbeteiligung

50.000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz nach Reitunfall der Reitbeteiligung

 

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.02.2009, Az. 4 U 210/08

Vorinstanz: Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 22.08.2008, Az. 2-05 O 327/07

Der Sachverhalt

Die Beklagte ist Eigentümerin des Pferdes „X“, die Klägerin ist die im Unfallzeitpunkt 12jährige Reitbeteiligung der Beklagten.

Die Klägerin ritt bereits seit ihrem 6. Lebensjahr regelmäßig und verfügte über hervorragende altersgemäße Reitkenntnisse. Die Beklagte ist Eigentümerin und Halterin zweier Reitpferde. Im Februar 2007 vereinbarte die Mutter der damals 12jährigen Klägerin mit der Beklagten eine „Reitbeteiligung“, wonach die Klägerin gegen Beteiligung an den Unterhaltskosten in Höhe von monatlich 70, € regelmäßig ein Pferd der Beklagten sollte reiten dürfen. Die Klägerin ritt das Pferd „X“ der Beklagten regelmäßig etwa 2 bis 3 mal wöchentlich und zwar auch im Gelände. Dabei hatte sie das Pferd bei allen drei Grundgangarten stets unter Kontrolle. Bei sämtlichen Ausritten ritt die Klägerin ausschließlich auf dem Pferd „X“ und in Begleitung der Beklagten; lediglich bei den Reitstunden der Klägerin war die Beklagte nicht anwesend.

Am 11.03.2007 ritten die Parteien, die Klägerin auf dem Pferd „X“, gemeinsam aus. Die Klägerin trug ordnungsgemäß Helm und Sicherheitsweste. Als sie sich gegen 13.40 Uhr gerade auf einem unbefestigten Feldweg in der Gemarkung … befanden, näherte sich in etwa 50 Meter Entfernung ein Traktor. Dies veranlasste beide Pferde nahezu gleichzeitig, zu scheuen und auf dem Feldweg los zu galoppieren. Während es der Beklagten gelang, ihr Pferd nach einigen Metern zum Stehen zu bringen, galoppierte das Pferd „X“ mit der Klägerin weiter, bis es nach etwa 70 Metern auf einen quer zum Feldweg verlaufenden asphaltierten Weg kam, dabei mit den Hinterbeinen wegrutschte und dort mit seinem gesamten Gewicht auf die Klägerin stürzte.

Durch den Reitunfall erlitt die Klägerin schwerste Verletzungen insbesondere des Schädels. Die Klägerin befindet sich im Wachkoma. Eine Kommunikation mit der Klägerin ist nicht möglich. Die Klägerin wird Zeit ihres Lebens pflegebedürftig bleiben.

Die Entscheidungen

Das Landgericht verurteilte die Beklagte an die Klägerin Schmerzensgeld in Höhe von 150.000,- Euro nebst Zinsen, sowie den Ersatz aller Schäden zahlen. Die Beklagte legte gegen das Urteil Berufung beim Oberlandesgericht ein; dieses wies die Berufung zurück.

Die Beklagte hafte der Klägerin gegenüber als Tierhalterin gemäß § 833 BGB für den Schadensfall vom 11.03.2007. Dem stehe nicht entgegen, dass die Klägerin das den Schaden verursachende Pferd selbst geritten und eine „Reitbeteiligung“ für dieses Pferd mit der Beklagten vereinbart habe. Hierdurch habe die Beklagte nicht ihre Stellung als Tierhalterin verloren; eine solche Stellung sei damit auch nicht für die Klägerin begründet worden (vgl. OLGR Schleswig 2007, 768).

Bei dem Unfall am 11.03.2007 habe sich die spezifische Tiergefahr, mithin eine aus der tierischen Natur im Sinne eines unberechenbaren und selbständigen Verhaltens des Tieres resultierende Gefahr, verwirklicht, für die die Beklagte als Tierhalterin einzustehen habe.

Ein Mitverschulden der Klägerin, das diese Haftung reduzieren würde, sei nicht zu erkennen.

Insoweit habe der Senat bereits ernsthafte Zweifel, ob von einem zwölfjährigen Mädchen gemäß § 254 I BGB überhaupt ein Verhalten erwartet werden könnte, das den Unfall wirksam hätte verhindern können, auch wenn die Klägerin bereits eine Reiterfahrung gehabt habe, die sie für eine „Reitbeteiligung“ in Frage kommen ließ. Für ein Kind in diesem Alter dürften nicht die allgemeinen Sorgfaltsanforderungen herangezogen werden wie für einen Erwachsenen. Vielmehr könnte für die Klägerin nur ein Sorgfaltsmaßstab angelegt werden, der von einem Kind in einem vergleichbaren Alter und mit vergleichbarer Reiterfahrung durchschnittlich erwartet werden könnte (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 276, Rn. 17 mwN.). Danach sei es zweifelhaft, ob von einem zwölfjährigen Mädchen bei dem Durchgehen des von ihm gerittenen Pferdes angesichts von Körpergröße, Körpermasse, Körperbeherrschung und Reiterfahrung der Klägerin erwartet werden könnte, das Pferd im Wege des Parierens rechtzeitig wieder unter Kontrolle zu bringen. Hierauf käme es jedoch letztlich nicht an.

Für den vorliegenden Fall sei der Senat der Ansicht, dass ein Mitverschulden der Klägerin entsprechend der allgemeinen Beweislastverteilung gemäß § 254 BGB von der Beklagten zu beweisen wäre und nicht die Klägerin eine dahingehende Vermutung zu widerlegen hätte.

Ein solches Mitverschulden der Klägerin sei auch nicht deshalb zu erkennen, weil ihre Eltern es zuließen, dass sie an diesem Tage überhaupt ausritt.

Ein insoweit unterstelltes schuldhaftes Handeln der Eltern der Klägerin sei dieser nicht zuzurechnen.

Ein Mitverschulden der Klägerin sei auch nicht darin zu erkennen, dass sie nach dem Durchgehen des Pferdes X dieses nicht veranlasst hätte, im Kreis zu reiten oder zu parieren. Insofern könne dahinstehen, ob von der Klägerin angesichts ihres Alters und ihrer Reiterfahrung ein solches Verhalten zu erwarten gewesen sei und ob die Beklagte ihr diesbezügliche Anweisungen gegeben habe, die die Klägerin trotz der Aufregung des Geschehens hätte wahrnehmen können. Die Beklagte habe jedenfalls nicht nachgewiesen, dass die Klägerin ein Einwirken auf das Pferd, im Kreis zu reiten oder zu parieren, unterließ.

Rückabwicklung des Pferdekaufvertrages

Keine Rückabwicklung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung im Rahmen der Ankaufsuntersuchung

Landgericht Hildesheim, Urteil vom 09.12.2016, Az. 4 O 12/15

Der Sachverhalt

Die Klägerin hatte vom Beklagten im Jahr 2011 ein Dressurpferd zum Preis von 60.000 Euro gekauft. Der Beklagte hatte das Pferd selbst kurz zuvor für einen Betrag von 40.000 Euro anderweitig erworben.

Später erklärte die Klägerin die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung. Das Pferd wies eine krankhafte Veränderung am Sprunggelenk auf. Streitig war zwischen den Parteien, inwieweit dem Verkäufer bereits bei Abschluss des Kaufvertrages ein Röntgenbefund über eine mögliche krankhafte Veränderung im Sprunggelenk sowie am sogenannten Griffelbein des Pferdes bekannt war: Vor Abschluss des Vertrages zwischen Klägerin und Beklagtem war eine Ankaufsuntersuchung durch eine Tierärztin durchgeführt worden, die auf der Grundlage von Röntgenbildern eine geringe Wahrscheinlichkeit für eine krankhafte Veränderung im Sprunggelenk sowie am sogenannten Griffelbein des Pferdes in der Zukunft erwarten ließ. Gleichzeitig waren Untersuchungsbefunde eines anderen Tierarztes aus dem Jahr 2008 vorhanden, aus denen sich ergab, dass ein Weiterverkauf aufgrund der Möglichkeit einer krankhaften Veränderung der Knochenstruktur schwierig werden könnte.

Die Entscheidung

Das Landgericht Hildesheim hat die Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrages abgewiesen. Das Pferd wies zwar die von der Klägerin beanstandeten krankhaften Veränderungen im Sprunggelenk sowie am sogenannten Griffelbein auf, für eine vorsätzliche Täuschung seitens des Verkäufers fehlte es dem Gericht jedoch an ausreichenden Anhaltspunkten.

Das Landgericht Hildesheim hat u.a. durch Einholung eines tiermedizinischen Sachverständigengutachtens Beweis erhoben. Hiernach lag eine krankhafte Veränderung im Sprunggelenk sowie am sogenannten Griffelbein des Pferdes vor, die den Weiterverkaufswert des Pferdes massiv minderte. Der Beklagte als Laie hätte dies jedoch – auch anhand der alten Untersuchungsbefunde des Tierarztes aus dem Jahr 2008 – nicht erkennen müssen. Für eine vorsätzliche Täuschung fehlte es damit an ausreichenden Anhaltspunkten. Allein der Umstand, dass der Beklagte das Pferd für einen niedrigeren Einkaufspreis erworben hat, genügt hierfür nicht.

Auch ein Rücktritt vom Kaufvertrag kam nicht in Betracht, weil ein Gewährleistungsausschluss vereinbart worden war.

Haftung bei unvorbereitetem Freilauf in Reithalle

Haftung bei unvorbereitetem Freilauf in Reithalle

Eine Reithalle mit einer Bande von 80 cm Höhe und einer Stangenumschließung von ca. 1 m Höhe bedeutet grundsätzlich keine Verletzungsgefahr für Reiter oder Pferde. Verletzt sich jedoch ein Pferd bei einem vom Pensionswirt durchgeführten, unvorbereitetem Freilauf an einem Element der Reithalle, haftet dieser für die erlittenen Verletzungen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.01.2017, Az. III ZR 4/16

Der Sachverhalt

Die Klägerin ist seit Juni 2010 Eigentümerin eines seinerzeit vierjährigen Wallachs. Im Juli 2010 gab sie das Pferd bei dem Reitstall des Beklagten in den Vollberitt. Dieser umfasste neben der Unterstellung, Fütterung und Pflege auch den Beritt, die Dressurausbildung und die Gewähr einer artgerechten Bewegung des Pferdes sowie die Ausbildung der Reiterin. In diesem Rahmen erhielt der Wallach regelmäßig und mehrmals wöchentlich in der Reithalle des Beklagten unter Aufsicht freien Auslauf.

Am 2. Dezember 2010 wurde das Pferd morgens durch die bei dem Beklagten tätige Praktikantin in der Reithalle frei laufen gelassen, ohne zuvor geritten oder longiert worden zu sein.

Die Reithalle, in welcher der Freilauf erfolgte, hat eine Größe von 15 x 35 m. Sie verfügt nicht über eine „klassisch“ hohe Reitbande, sondern über eine etwa 80 cm hohe umlaufende Barriere (Holzsockel). Diese verläuft vor den das Hallendach tragenden Stahlstützen, zwischen denen in einer Höhe von etwa 1 m verbindende Rundhölzer angebracht sind. In den durch die umlaufende Barriere abgetrennten Innenbereich der Halle, den sog. Bewegungsbereich, ragen keine Bauteile oder sonstige Gegenstände hinein.

Beim Freilauf stieß das Tier mit dem Kopf gegen eine der Stahlstützen des Hallendachs und zog sich hierdurch eine Verletzung zu, die tierärztlich – durch Nähen der Wunde – versorgt wurde.

Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen der Verletzung ihres Reitpferds auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Entscheidung

Bei den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag handele es sich um einen typengemischten Vertrag dessen Schwerpunkt in der Leistung von Diensten (§ 611 BGB) liegt.

Eine Haftung des Beklagten wegen einer von ihm zu vertretenden Vertragspflichtverletzung (§§ 611, 280 Abs. 1 BGB) sei nicht auszuschließen.

Die Verletzung des Wallachs der Klägerin habe sich in der Obhut und im alleinigen Verantwortungs- und Gefahrenbereich des Beklagten ereignet. Zudem habe der Beklagte die Betreuung des Pferdes vor und bei dem schadenbringenden Freilauf nicht geschultem Fachpersonal, sondern allein einer Praktikantin anvertraut, die am Unfalltag erst seit zwei Monaten in seinem Reitstall tätig gewesen sei. Vor diesem Hintergrund rechtfertige der Umstand, dass sich der Wallach beim Freilauf in der Reithalle in ungewöhnlicher Weise erhebliche Verletzungen zugezogen habe, den Schluss, dass der Beklagte die ihm obliegende Sorgfalt verletzt habe. Der Beklagte müsse sich daher vom Vorwurf der Vertragsverletzung entlasten und hierfür nachweisen, dass ihm kein Pflichtverstoß unterlaufen ist.

Diese Entlastung sei dem Beklagten bislang nicht gelungen.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei das Freilaufenlassen eines Pferdes in Anbetracht der baulichen Anordnung der Reithalle des Beklagten unbedenklich, wenn das Tier angemessen vorbereitet wird – also kein „Kaltstart“ geschieht – und die betreuende Person kompetent agiert. Ein Pferd, das zuvor in der Box gestanden habe, müsse erst ein paar Minuten geführt, dann behutsam angetrabt werden und solle erst nach einer in Ruhe absolvierten Trabphase auch zum Galoppieren kommen. Die Betreuung des Freilaufens erfordere gewisse Ausbilderkompetenzen.

In Anbetracht des ausgeglichenen Charakters des Wallachs habe es für die ordnungsgemäße Vorbereitung des Freilaufs genügt, wenn es zuvor (ausreichend und kompetent) in der Halle geführt worden wäre.

Den Beweis, dass die Praktikantin das Pferd ordnungsgemäß auf den Freilauf vorbereitet hat, habe der Beklagte nicht geführt, dies ginge zu seinen Lasten, da er hierfür beweispflichtig sei. Dass es zuvor nicht zu ähnlich schweren Vorfällen in der Reithalle des Beklagten gekommen sei, vermöge sein Vertretenmüssen nicht auszuräumen, wenn die Pflichtverletzung darin bestehe, dass ein Pferd in der betreffenden Reithalle (anders als sonst) ohne ordnungsgemäße Vorbereitung frei laufen gelassen wird.

Anmerkung:

Der BGH hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif sei (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO).

Das Berufungsgericht hatte auf die Vernehmung zweier Zeugen verzichtet, da es der Meinung war, dass es auf deren Aussagen nicht mehr ankäme. Der BGH sah dies anders und hielt die Sache daher für noch nicht endentscheidungsreif.

Rechte des Pferdepensionsbetreibers

Pferdepensionsbetreiber darf Turnierpferde ohne Auftrag der Eigentümer tierärztlich untersuchen lassen

Eine jährliche Untersuchung der Maulhöhle von Turnierpferden ist dringend geboten und in Reitställen, welche Turnierpferde dauerhaft beherbergen, Standard.“

Landgericht Lübeck, Urteil vom 02. Februar 2017, Az. 14 S 231/15

Vorinstanz: Amtsgerichts Schwarzenbek, Urteil vom 17.9.2015, Az. 2 C 7/14

Der Sachverhalt

Der Beklagte – ein Pferdepensionsbetreiber – ließ die Maulhöhle zweier bei ihm eingestallte Turnierpferde von einem Tierarzt kontrollweise untersuchen. Die Rechnung des Tierarztes übersandte der Beklagte dem Kläger – dem Eigentümer der Pferde.

Der Kläger zahlte die Rechnung des Tierarztes für die Kontrolluntersuchung und die Einschleifung eines scharfen Zahnes zunächst. Anschließend forderte er von dem Beklagten die Erstattung des Rechnungsbetrages, schließlich habe dieser den Tierarzt ohne das Wissen des Klägers bestellt.

Da der Beklagte die Kosten nicht erstattete, machte der Kläger die Kosten gerichtlich geltend.

Die Entscheidung

Das Amtsgericht wies die Klage ab, auch die daraufhin vom Kläger eingelegte Berufung wurde vom Landgericht Lübeck zurückgewiesen.

Dem Kläger stünde gegenüber dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Pferdeeinstellvertrag bezüglich seiner beiden Turnierpferde gegenüber dem Beklagten nicht zu.

Der zwischen den Parteien bestehende Pferdeeinstellvertrag beinhalte neben der miet- und verwahrungsrechtlichen Unterbringung der beiden Turnierpferde als dominierende Elemente zusätzlich Fütterung, Pflege, Beritt und Ausbildung, sodass der dienstvertragliche Charakter überwiege. Aus diesem Grund gelte das Geschäftsbesorgungsrecht.

Es komme folglich darauf an, ob der der Kläger dem Beklagten Weisung zur Beauftragung eines Tierarztes erteilt hat. Verhält sich der beauftragte Pensionswirt bei der Auftragsausführung infolge unberechtigter Weisungsabweichung vertragswidrig und begeht eine Pflichtverletzung, mache er sich gegenüber dem Auftraggeber bei einem Verschulden schadensersatzpflichtig.

Ob eine Weisungsabweichung vorliege, sei durch Weisungsauslegung unter Beachtung des ausdrücklichen oder stillschweigenden Inhalts der Weisung zu ermitteln. Im vorliegenden Fall stehe fest, dass durch die Beauftragung des Tierarztes zur Untersuchung der Maulhöhle und ggf. Beraspeln der Zähne der Turnierpferde des Klägers keine Weisungsabweichung vorliege.

Hierfür sprächen insbesondere Ausführungen des Sachverständigen – Fachtierarzt. Danach sei eine tierärztliche Untersuchung und Kontrolle der Maulhöhle gerade bei Turnierpferden einmal jährlich dringend geboten. Dies sei gerade bei Turnierpferden nicht nur aus biologischen Gründen, die mit der Nahrungsaufnahme zusammenhängen, notwendig, sondern würde auch dem Standard eines Reitstalles, in dem Turnierpferde eingestellt sind, entsprechen. Werden bei einer solchen tierärztlichen Untersuchung scharfe Kanten oder Haken vorgefunden, so seien diese aus tiermedizinischen Gründen zwingend zu beraspeln, dies schon wegen der erheblichen Verletzungsgefahr, die andernfalls für die Tiere im Maulbereich bestünde.

Ferner sei durch das Gericht berücksichtigt worden, dass das Risiko einer Sedation, wie sie bei einer tierärztlichen Maßnahme dieser Art vorgenommen wird, geringer als ein Impfrisiko sei.

Bei Beachtung dieser Umstände im Rahmen der Weisungsauslegung sei eine Weisungsabweichung hier bereits deshalb nicht erkennbar, weil der Kläger routinemäßige Impfungen sowie Hufbeschlag ohne vorherige Absprache mit ihm von dem Beklagten in Auftrag geben ließe. Die routinemäßige Maulhöhlenpflege von Turnierpferden sei dem gleichzusetzen.

Das Gericht habe weiter berücksichtigt, dass die kostenmäßige Abrechnung die Interessen des Tierhalters nicht verletze, weil diese sich im mittleren Drittel hielte, den Kläger damit wirtschaftlich nicht unangemessen belaste, sondern wirtschaftlich (eher) begünstige.

Umstände, die ein etwa betrügerisches Verhalten des Beklagten im Zusammenwirken mit dem Tierarzt belegen könnten, habe der Kläger nicht hinreichend dargetan und sie seien auch nicht ersichtlich. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers sei vielmehr – spekulativ – ins Blaue hinein erfolgt.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp