02151 - 76 70 00 9

Sechs Monate altes Fohlen ist „Neue Sache“

BGH, Urteil vom 15.11.2006 – VIII ZR 3/06

Sachverhalt:

Der Kläger kaufte auf einer Auktion ein sechs Monate altes Hengstfohlen. Veranstalter der Auktion war die beklagte GmbH, die als Kommissionär im eigenen Namen für Rechnung des Ausstellers das Fohlen verkaufte. Die dem Geschäft mit dem Kläger zugrunde liegenden Auktionsbedingungen der Beklagten bestimmen unter anderem, dass die versteigerten Pferde als gebrauchte Sachen im Rechtssinne verkauft werden. Zudem würden sämtliche Pferde vor der Anlieferung zur Pferdeauktion klinisch untersucht. Die Protokolle der Untersuchung stünden allen Kaufinteressenten zur Verfügung. Das Protokoll solle laut der Bedingungen die gesundheitliche Beschaffenheit des Pferdes zum Zeitpunkt der Übergabe darstellen. Im Übrigen würden die Pferde verkauft wie besichtigt unter Ausschluss jeglicher Haftung/Gewährleistung. Die GmbH übernehme keinerlei Gewähr oder Garantie für bestimmte Eigenschaften oder Verwendungszwecke. Sämtliche Ansprüche seien gegen sie als Kommissionär zu richten. Die Gewährleistungsrechte im Bezug auf die vereinbarte Beschaffenheit verjähren innerhalb von 12 Monaten nach Zuschlag. Laut des Untersuchungsprotokolls hatte das besagte Fohlen insbesondere keine Befunde am Herzen.

Fast zwei Jahre nach der Auktion erklärte der Käufer schriftlich den Rücktritt vom Kaufvertrag, da sich herausgestellt habe, dass das Pferd einen angeborenen Herzfehler habe. Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Rückabwicklung des Vertrages nebst Ersatz der von ihm aufgewandten Aufzuchtkosten.

 

Entscheidung:

Sowohl in erster als auch zweiter Instanz unterlag der Kläger mit seinem Begehren. Die Revision zum BGH verlief hingegen erfolgreich. Das OLG Schleswig hatte seine Berufungsabweisung im Wesentlichen damit begründet, dass unabhängig davon, ob das Pferd überhaupt einen Mangel aufweise, der Kläger sich nicht mehr auf seine Gewährleistungsrechte berufen könne, da diese jedenfalls gemäß § 218 BGB verjährt seien und die Beklagte sich auf die Verjährung berufen habe. Die Beklagte habe sich auch zu Recht gemäß § 475 Abs. 2 BGB auf die laut den Auktionsbedingungen auf ein Jahr verkürzte Verjährung berufen können, da es sich bei dem Fohlen um eine gebrauchte Sache gehandelt habe. Dies würde sich bereits aus den Auktionsbedingungen ergeben nach denen alle Pferde als „gebraucht im Rechtssinne“ anzusehen seien, was auch keinen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB darstelle. Dies sah der BGH jedoch anders und verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück um dort die Feststellungen über einen möglichen Sachmangel zu treffen. Entgegen der Ansicht des OLG sei der Gewährleistungsanspruch des Klägers noch nicht nach § 218 BGB verjährt, der Rücktritt daher nicht unwirksam gewesen. Es gelte vorliegend die zweijährige Verjährungsfrist nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB, da diese nicht durch die Auktionsbedingungen wirksam auf ein Jahr verkürzt wurden. Denn zum einen verstoße die Klausel, die die Ansprüche auf 12 Monate verkürzt gegen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 lit. a und b BGB und zum anderen steht der Abkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist § 475 Abs. 2 BGB entgegen, demzufolge bei einem Verbrauchsgüterkauf die Gewährleistungsansprüche des Käufers im Falle des Verkaufs neuer Sachen nicht auf weniger als zwei Jahre verkürzt werden können. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann die Verschuldenshaftung für Körper- und Gesundheitsschäden nicht, für sonstige Schäden nur für den Fall einfacher Fahrlässigkeit ausgeschlossen oder begrenzt werden. Dies umfasst auch die zeitliche Begrenzung der Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen durch Herabsetzung der gesetzlichen Verjährungsfrist. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, mit der die gesetzliche Verjährungsfrist für die Ansprüche des Käufers wegen eines Mangels der verkauften Sache abgekürzt wird, ist wegen Verstoßes gegen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 lit. a und b BGB daher insgesamt unwirksam, wenn nicht die dort bezeichneten Schadensersatzansprüche von der Abkürzung der Verjährungsfrist ausgenommen werden. Demnach war diese Klausel unwirksam, da sie pauschal alle Ansprüche des Klägers  verschuldensunabhängig verkürzte, was dazu führt, dass die gesetzlichen Regelungen eingreifen, also die gesetzliche Frist nach § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB von zwei Jahren gilt. Zudem handelt es sich bei einem sechs Monate alten Fohlen nach Ansicht des BGH auch nicht um eine gebrauchte Sache, weswegen § 475 Abs. 2 BGB der Verkürzung der Verjährung entgegensteht. Die Ausnahmeregelung des § 474 Abs. 1 Satz 2 BGB, nach der die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf dann nicht gelten, wenn gebrauchte Sachen in einer öffentlichen Versteigerung verkauft werden, an der der Verbraucher persönlich teilnehmen kann, greift daher nicht ein. Das Fohlen war zum Zeitpunkt des Verkaufs weder als Reit-, noch als Zuchtpferd „benutzt“ worden und daher objektiv als „neu“ anzusehen. Wegen § 90a BGB sind auf Tiere die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Eine generelle Annahme, dass Tiere als gebraucht anzusehen wären, ist daher schon nicht möglich, da dies bei Sachen nicht vorgesehen ist. Daher ist auch für den Tierkauf zwischen „neu“ und „gebraucht“ zu unterscheiden. Wann ein junges Tier als gebraucht anzusehen ist, hinge dabei von einer Einzelfallbetrachtung ab und ist nach objektiven Maßstäben zu bestimmen. Jedenfalls könne aber bei Verbrauchsgüterkäufen keine davon abweichende Parteivereinbarung getroffen werden. Eine objektiv neue Sache kann nicht mit der vereinbarten Beschaffenheit „gebraucht“ verkauft werden, um eine Abkürzung der Verjährung von Mängelansprüchen des Verbrauchers zu ermöglichen.

Da das Berufungsgericht keine Feststellungen bezüglich des behaupteten Herzfehlers getroffen hatte, wurde die Sache zurückverwiesen.

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

Pferde und Kinder

Landgericht Nürnberg-Fürth, Hinweisbeschluss vom 16.10.2017, Az. 16 S 5049/17

Vorinstanz: Amtsgericht Nürnberg, Urteil vom 13.07.2017, Az. 239 C 1390/17

Der Sachverhalt

Die Beklagte besuchte mit ihren drei und fünf Jahre alten Enkelkindern die Reithalle einer nahe gelegenen Reitanlage. Damit ihr dreijähriges Enkelkind die Reiter mit ihren Pferden besser sehen konnte, setzte die Beklagte es auf die Holzbande. Dort baumelten die Beine des Kindes, sodass seine Turnschuhe gegen die Holzwand stießen.

Zu diesem Zeitpunkt führte die Klägerin ihr Pferd am langen Zügel durch die Reithalle. Das Pferd der Klägerin erschrak durch das von dem Enkel der Beklagten verursachte Geräusch und ging rückwärts. Durch die plötzliche Rückwärtsbewegung des Pferdes rutschte die Hand der Klägerin in den Zügel und wurde nach hinten gerissen. Die Klägerin erlitt eine Schulterverletzung. Neben einem Schmerzensgeld von 3.000 Euro verlangte sie von der Beklagten auch den Ersatz des Haushaltsführungsschadens in Höhe von fast 2.000 Euro.

Die Entscheidungen

Das Amtsgericht wies die Klage ab. Der Beklagten sei der Schaden nicht zurechenbar. Sie habe sich sozialadäquat verhalten. Es sei nachvollziehbar, ihr Enkelkind auf den Rand der Bande zu setzen, um den Pferden und Reitern zusehen zu können. Ihr sei höchstens geringfügig vorzuwerfen, dass die Füße des Kindes in den Reitbereich hineinragten.

Im Übrigen sei allein das Verhalten des Pferdes, welches in den Zurechnungsbereich der Klägerin fällt, für die Verletzung der Klägerin ausschlaggebend. Für die Beklagte sei es weder vorhersehbar noch vermeidbar gewesen, dass das Pferd auf Poltergeräusche so schreckhaft reagieren werde.

Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung beim Landgericht Nürnberg-Fürth ein, nahm diese aber nach dem Hinweisbeschluss des Landgerichts zurück. Das Landgericht bestätigte nicht nur die Ansicht des Amtsgerichts, es ging sogar darüber hinaus.

An der Reithalle befand sich weder ein Hinweisschild, noch würden die Besucher anders vor dem Betreten der Reithalle darauf hingewiesen werden, dass man sich möglichst leise verhalten müsse. Vor allem hinsichtlich Alltagsgeräuschen – wie dem Poltern der Bande – hätte es eines ausdrücklichen Hinweises bedurft.

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

 

Haftung des Reitturnierveranstalters

Oberlandesgericht Freiburg, Urteil vom 20.04.2018, Az. 14 U 173/16

Vorinstanz:  Landgericht Freiburg im Breisgau, Urteil vom 14.10.2016, Az. 1 O 209/15

Der Sachverhalt

Auf dem Turnier des beklagten Vereins 2011 wurde ein fast dreijähriges Kind durch ein Pferd sehr schwer am Kopf verletzt, als es unbeaufsichtigt in einen Pferdeanhänger kletterte. Das Kind ist seitdem für den Rest seines Lebens auf permanente Betreuung angewiesen.

Die Eltern des Kindes klagten gegen die Pferdehalterin und den Reitverein auf die Erstattung bereits entstandener und noch unklarer Folgekosten.

 

Die Entscheidungen

Das Landgericht entschied, dass die Pferdehalterin zu einem Drittel für den Unfall und seine Folgekosten hafte: Sie habe bei dem Unfall ihr Pferd nicht in der gebotenen Weise beaufsichtigt und sei daher schadenersatzpflichtig. Die restlichen zwei Drittel müssten die Eltern des verletzten Kindes tragen, da diese ihre Pflicht, das Kind angesichts der am Turnier drohenden Gefahren ständig zu beaufsichtigen, ebenfalls verletzt hätten.

Hinsichtlich des Reitvereins wurde die Klage abgewiesen. Der Verein habe seine Verkehrssicherungspflichten nicht verletzt. Er habe vielmehr darauf vertrauen dürfen, dass gerade kleine Kinder ständig unter der Aufsicht ihrer Eltern oder anderer Verantwortlicher stehen werden und daher auch „Gefahrenstellen, die nur im Zusammenspiel mit der besonderen Unerfahrenheit von Kleinkindern wirksam werden“, nicht besonders gesichert werden müssten. Die Verkehrssicherungspflichten des Vereins seien außerdem durch die Aufsichtspflicht der Eltern „neutralisiert“ worden.

Gegen dieses Urteil legte die beklagte Pferdehalterin Berufung beim Oberlandesgericht ein.

Das Urteil des Oberlandesgerichts änderte jedoch an der Haftung der Pferdehalterin nichts. Sie haftet weiterhin für ein Drittel des Schadens. Sie habe den Pferdehänger nicht unbeaufsichtigt lassen dürfen. „[Die Pferdehalterin] hätte sich nur dann von ihrem geöffneten Anhänger entfernen können, wenn sie sich darauf hätte verlassen können, dass seitens des veranstaltenden Vereins durch eine Aufsicht oder eine sichere Absperrung dafür gesorgt worden wäre, dass sich Unbefugte den Hängern nicht näherten“.

Neben der Pferdehalterin und den Eltern, haftet nach Ansicht des Oberlandesgerichts aber auch der Reitverein. Es könne hinsichtlich der Verkehrssicherungspflichten eines Veranstalters nicht nur auf Erwachsene abgestellt werden. Der Veranstalter müsse ebenso wirksame Schutzmaßnahmen ergreifen, „um Kinder vor den Folgen ihrer Unerfahrenheit und Unbesonnenheit zu schützen“. Dies habe der Reitverein versäumt.  Weder habe es eine Absperrung zwischen dem öffentlich zugänglichen Ausstellungsbereich mit verschiedenen Landmaschinen und den abgestellten Pferdeanhängern gegeben, noch seien Helfer damit beauftragt worden, in diesem Bereich nach dem Rechten zu sehen und Besucher darauf hinzuweisen, dass dieser Bereich nicht betreten werden dürfe. Dies sei umso verwerflicher, da es am Unfalltag derart warm gewesen sei, dass fast alle Pferdehänger zur besseren Belüftung mit offener Ladeklappe abgestellt waren.

Dieser Gefahr habe der Reitverein „mit einem zumutbaren Aufwand, der die Anforderungen an ein ländliches Reitturnier nicht übersteigt, wirksam begegnen können“.  „Bei der am Tag des Unfalls bei dem Reitturnier konkret gegebenen Situation hätte der Beklagte aufgrund seiner Verkehrssicherungspflicht Maßnahmen ergreifen müssen, um sicher zu stellen, dass jedenfalls Kinder, die aufgrund ihres Alters die durch den Kontakt mit Pferden begründeten Gefahren nicht einschätzen können, sich diesen nicht unbeaufsichtigt nähern. Es hätte hierzu genügt, wenn der Beklagte eine Aufsichtsperson vorgesehen hätte, die im Bereich der abgestellten, offenen Pferdeanhänger ihren Standort öfters gewechselt hätte, so dass sie den fraglichen Bereich kontrollieren und bei der Annäherung von Kindern hätten eingreifen können. […] Der Beklagte musste zum einen aufgrund der Gesamtumstände die Möglichkeit einkalkulieren, dass sich kleinere Kinder der Aufsicht ihrer Eltern entziehen könnten, und zum anderen berücksichtigen, dass auch ältere Kinder anwesend waren, bei denen man sich nicht darauf verlassen konnte, dass sie lückenlos beaufsichtigt werde.“

Das Oberlandesgericht entschied, dass die Pferdehalterin, das Elternpaar und der Reitverein zu jeweils einem Drittel haften.

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

 

Haftung des Pensionsstallbetreibers für verletztes Pferd

OLG Frankfurt, Urt. v. 14.09.17 – 15 U 21/16, vorgehend LG Marburg, Urt. v. 09.12.15 – 2 O 64/14

Sachverhalt:

Der Kläger ist Halter und Eigentümer eines Pferdes, welches er in dem Pensionsbetrieb des Beklagten einstallte. Das Pferd sollte dort in einer Box untergebracht werden und morgens auf einen Paddock gebracht und abends von diesem wieder zurück in die Box geholt werden. Wenige Tage, nachdem das Pferd auf dem Betrieb eingestallt wurde, erhielt der Kläger morgens einen Anruf von einer Angestellten des Beklagten, die ihm mitteilte, dass das Pferd lahme. Es stellte sich heraus, dass das Pferd mehrere Schürfwunden am Kopf hatte und unter anderem eine Oberarmfissur und eine Ellenbogenfraktur aufwies. Wie genau es zu den Verletzungen kam ist umstritten, entweder durch einen Sturz beim Heraus- oder Hereinbringen vom Paddock oder durch ein Festlegen in der Box.

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe der von ihm aufgewendeten Behandlungskosten für das Pferd.

 

Entscheidung:

Das LG Marburg hatte in erster Instanz die Klage als unbegründet abgewiesen.

Das Gericht hat zunächst festgestellt, dass es sich bei einem Pferdeeinstallungsvertrag um einen gemischten Vertrag mit Elementen des Miet-, Kauf-, Dienst-, sowie Verwahrungsvertrages handelt. Den Schwerpunkt bildet hier der entgeltliche Verwahrungsvertrag, da nicht lediglich eine Box zur Verfügung gestellt werden, sondern es auch versorgt und gefüttert werden sollte. Daher kommt nach dem Schwerpunkt des Vertrages das Verwahrungsrecht nach § 688 BGB zur Anwendung, nach dem der Pensionsbetreiber neben der Überlassung einer Box insbesondere auch die Übernahme der Fürsorge und Obhut für das jeweilige Pferd schuldet.

Ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 I BGB kommt daher in Betracht, wenn der Stallbetreiber seine Obhutspflicht schuldhaft verletzt. Dazu habe jedoch der Kläger zunächst darzulegen, dass die Pflichtverletzung objektiv in den Verantwortungsbereich des Beklagten gefallen ist.

Das Landgericht ging jedoch davon aus, dass dem Kläger dieser Nachweis nicht gelungen sei, denn es konnte nicht aufgeklärt werden, ob sich das Pferd beim Herausbringen verletzt hatte oder sich in der Box festgelegt hatte. Letzteres stellt eine allein auf die dem Pferd innewohnende Tiergefahr zurückzuführende Verletzung dar, die nicht vom Beklagten zu vertreten wäre.

Anders sah dies jedoch das Berufungsgericht, welches dem Kläger einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen der aufgewendeten und erforderlichen Tierarztkosten zusprach.

Der Beklagte habe aufgrund des Vertrages mit dem Kläger die ihm obliegenden Obhuts- und Fürsorgepflichten sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass sich das Pferd nicht verletzt und im ordnungsgemäßen Zustand wieder an seinen Eigentümer herausgegeben werden kann.

Da sich das Pferd zu dem Zeitpunkt als es sich verletzte im alleinigen Verantwortungs- und Gefahrenbereich des Beklagten befand, trifft hier den Beklagten und nicht den Kläger die Beweislast. Der Beklagte hat den Entlastungsbeweis dafür zu führen, dass ihn bezüglich der Verletzungen des Pferdes kein Verschulden trifft. Dies ist ihm vorliegend nicht gelungen, da gerade nicht aufgeklärt werden konnte, ob die Verletzungen durch ein Festlegen oder einen Sturz auf dem Paddock entstanden sind.  

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

Zur Haftung des Reitlehrers beim Springtraining

KG Berlin, Beschl. v. 02.03.2017 – 11 U 5/16

Sachverhalt:

Der Kläger des vorliegenden Verfahrens buchte bei dem Beklagte eine Stunde Springtraining. Der Beklagte, der ein erfahrener Reitlehrer war, baute zu Beginn der Reitstunden einen In-Out-Sprung bestehende aus einem ca. 30 cm hohen Cavaletti und einem höheren Steilsprung auf. Der Abstand zwischen den beiden Sprüngen betrug ca. 2,40 m. Der Beklagte wies den Kläger an, das Hindernis zunächst im Trab anzureiten, wobei das Pferd des Klägers das Cavaletti zunächst umstieß. Anschließend sollte der Kläger das Hindernis im Galopp anreiten, was ihm auch zweimal hintereinander ohne weiteres gelang. Daher erhöhte der Beklagte den Steilsprung leicht auf ca. 80 cm. Bei dem darauffolgenden Versuch, das erhöhte Hindernis im Galopp zu überwinden, riss das Pferd des Klägers die obere Stange des Steilsprungs mit den Vorderbeineinen zu Boden und stürzte auf den Kläger. Der Kläger erlitt hierdurch erhebliche Verletzungen. Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld. Er behauptet, der Beklagte habe den Sturz dadurch verursacht, dass er die Abstände zwischen den Sprüngen falsch abgemessen habe.

 

Entscheidung:

Die Klage hatte weder in erster noch in zweiter Instanz Erfolg, da der Kläger dem Beklagten nicht die Verletzung einer für den Sturz ursächlichen Verkehrssicherungspflicht nachweisen konnte.

Da dem Springtraining zugrunde liegenden Vertragsverhältnis ist als Dienstvertrag gem. §§ 611 ff. BGB zu qualifizieren, da der Beklagte lediglich die Durchführung einer Unterrichtsstunde, nicht aber einen konkreten Ausbildungserfolg schuldete. Ein Schadensersatzanspruch aus dem Dienstvertrag kommt in Betracht, wenn dem Dienstleister die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht zur Last gelegt werden kann. Die Frage, wann bei einer Springstunde die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht angenommen werden kann, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Ausschlaggebenden Faktoren sind dabei das Alter und der Ausbildungsstand von Pferd und Reiter,  der Schwierigkeitsgrad der Übung und die Frage, ob das Hindernis ordnungsgemäß aufgebaut worden ist.

Da der Kläger des vorliegenden Verfahrens als durchaus erfahrenen Reiter mit seinem Pferd das Hindernis in der Reitstunden bereits zweimal problemlos überwunden hatte und das Pferd des Klägers in der Vergangenheit unstreitig bereits Sprünge bis zu einer Höhe von etwa 1,05 m erfolgreich gemeistert hatte, war nur noch fraglich, ob der Beklagte den Abstand zwischen dem Cavaletti und dem Steilsprung pflichtwidrig zu eng gewählt hatte. Denn die Richtlinien für Reiten und Fahren der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) sehen für ein In-Out „regelmäßig“ eine Distanz von 3 m oder mehr vor.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand fest, dass dies vorliegend nicht der Fall war. Denn bei den Richtlinien der FN handelt es sich lediglich um Empfehlungen und nicht um verbindliche Richtlinien im juristischen Sinne. Der Trainer einer Springreitstunde kann daher individuell an Fähigkeiten und Merkmale von Pferd und Reiter angepasst die Abstände zwischen den Hindernissen wählen, d.h. also vergrößern als auch verkleinern.  Einen „ordnungsgemäßen“ Abstand zwischen Cavaletti und dem nachfolgenden Hindernis existiert daher nicht.

Der Beklagte hätte den Kläger auch nicht darauf hinweisen müssen, dass er den Sprung erhöht hatte, denn die Erhöhung war so geringfügig, dass sie keinen Einfluss auf den Sprungablauf haben konnte.

Das im Rahmen der Springreitstunden aufgezeichnete Video ergab zudem, dass das Pferd nicht aufgrund des zu geringen Abstands gestürzt war, sondern weil sie unaufmerksam war. Eine Überforderung von Pferd und Reiter war zu keinem Zeitpunkt ersichtlich. Bei dem Sturz des Beklagten hatte sich vielmehr  das dem Springreitsport naturgemäß innewohnende allgemeine Risiko verwirklicht. Eine Haftung des Beklagten schied daher aus.

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia