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Pferdetierarzt bei Untersuchung – Schadensersatz oder Berufsrisiko –

Pferdehalterhaftung

BGH, Urteil vom 17.03.2009 – VI ZR 166/08

Sachverhalt:

Der Beklagte hatte seinen 700 kg schweren Araber auf dem Hof des Zeugen B untergebracht. Am 23.10.2006 sollte der klagende Tierarzt eine Untersuchung des Pferdes durchführen. Als er bei dem Pferd eine rektale Fiebermessung versuchte, wurde er von dem Pferd getreten und zog sich einen Trümmerbruch zu.

Mit seiner Klage vor dem Landgericht begehrte er vor allem den Ersatz seines Verdienstausfalls.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Eine Tierhalterhaftung nach § 833 BGB sei ausgeschlossen, wenn es vertragliche Absprachen mit dem Tierhalter gab, Verrichtungen an dem Pferd vorzunehmen. Die Berufung des Klägers hatte ebenfalls keinen Erfolg. Er ging in Revision.

 

Entscheidung:

Die Revision hatte Erfolg. Der BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Vorliegend träfen die Tierhalterhaftung (Pferdehalterhaftung) (Gefährdungshaftung) und die Berufsrisiken eines Tierarztes aufeinander, wodurch eine Lösung gefunden werden müsse, die beiden Parteien gerecht werde. Das Berufungsgericht schloss sich nicht der Auffassung des Berufungsgerichtes an, wonach in den Fällen, in denen ein Tierarzt gegen ein Entgelt Verrichtungen an einem Pferd durchführt, die Vorschrift des § 833 BGB nicht greife. Dies würde die Tierhalterhaftung zu sehr aufweichen; vor allem weil es gerade hier die vom § 833 BGB erfasste typische Tiergefahr sei, die sich in dem Tritt des Pferdes realisiert habe. Die Vorschrift des § 833 BGB sei mithin anwendbar.

Ebenfalls könne der, der Verrichtung zugrunde liegende Behandlungsvertrag, nicht automatisch zu einem Haftungsausschluss führen. Ein solcher Haftungsausschluss müsse ausdrücklich vereinbart worden sein oder sich aus ergänzender Vertragsauslegung ergeben, was vorliegend nicht der Fall sei.

Ber BGH kritisierte auch die Annahme einer Haftungsfreistellung der Beklagten durch das Berufungsgericht mit der Begründung, gerade die Tätigkeit des Tierarztes sei es gewesen, die die besondere Gefahr des Tieres provoziert habe. Damit habe er das mit der Ausübung seines Berufes typische Risiko übernommen. Es wäre seine Aufgabe gewesen, Vorkehrungen bezüglich einer entsprechenden Versicherung zu treffen.

Dieser Ansicht war laut BGH ebenfalls nicht zu folgen, da eine vollständige Haftungsfreistellung des Pferdehalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Frage komme. „Von einem Handeln auf eigene Gefahr im Rechtssinne kann nur dann die Rede sein, wenn sich jemand in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen, ohne dass dafür ein triftiger – rechtlicher, beruflicher oder sittlicher – Grund vorliegt“ (Senatsurteil BGHZ 34, BGHZ Band 34 Seite 355, BGHZ Band 34 358; BGB-RGRK/ Steffen, 12. Aufl., § 833 Rn. 64). Ein solcher Ausnahmefall liege nicht vor, wenn sich ein Tierarzt in Ausübung seiner Tätigkeit einer Tiergefahr ausgesetzt habe. Inwieweit das Handeln des Klägers mitverantwortlich für den Schaden sei, müsse im Rahmen des Mitverschuldens gemäß § 254 BGB auf Schadensebene geklärt werden.

Mithin sei das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dort müsse nunmehr ein Mitverursachungsbeitrag des Klägers untersucht werden und falls eine Haftung der Beklagten verbleibe, die Schadenshöhe bestimmt werden.

 

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Susan Beaucamp

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Öffnung des Hufes ohne Einwilligung der Pferdebesitzers Schadensersatzansprüche gegenüber Huforthopäde

OLG Koblenz, Urteil vom 18.1.2017 – 5 U 1021/16

Sachverhalt:

Am 27.03.2013 begutachtete der beklagte Huforthopäde A den rechten Vorderhuf des der Klägerin gehörenden Pferdes X und entfernte absprachegemäß die Eisen von den vorderen Pferdehufen. Dabei entdeckte er am rechten Vorderhuf ein Hufgeschwür. Der Beklagte zog für die Behandlung des Pferdes einen weiteren Huforthopäden H hinzu. Zusammen mit ihm säuberten sie am nächsten Tag den Fäulnisherd am Huf des Pferdes. Am 29.03.2013 behandelte der Beklagte das Pferd ohne Rücksprache mit der Klägerin. Er öffnete den Huf, sodass ein Kirschkern großes Loch entstand. Er klärte die Klägerin über die weitere Versorgung des Hufes auf. Ein Druckverband wurde nicht angelegt. Danach reiste der Huforthopäde ab.

Am 10.04.2013 und am 15.05.2013 behandelte Huforthopäde H das Pferd. Kurze Zeit später kontaktierte die Klägerin einen Tierarzt, der am nächsten Tag die Behandlung des Pferdes übernahm. Dabei hat er der Klägerin mitgeteilt, dass der Eingriff nicht fachgerecht durchgeführt worden sei und ein Huforthopäde einen solchen Eingriff gar nicht erst habe durchführen dürfen.

Die Klägerin verlangte daraufhin Schadensersatz für die angefallenen Kosten in Höhe von rund 14.000 Euro, die ihr aufgrund der fehlerhaften Behandlung entstanden sind.

Das LG Trier hatte der Klage teilweise stattgegeben und der Klägerin einen Schadensersatz in Höhe von 11.457,52 Euro zugesprochen.

Beide Parteien legten gegen die Entscheidung vor dem OLG Koblenz Berufung ein.

 

Entscheidung:

Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg. Das OLG entschied, dass ihr gemäß § 823 I BGB ein weiterer Betrag von 7638,35 Euro zusteht.

Das OLG führte – wie zuvor das Landgericht – an, dass der Beklagte die Öffnung des Hufes am 29.03.2013 ohne Einwilligung der Klägerin vorgenommen habe und damit rechtswidrig das Eigentum der Klägerin verletzt. Die vorherige Einwilligung zu der Behandlung am 27.03.2013, bei der die Klägerin anwesend war, erstrecke sich nicht auf sämtliche, weitergehende Behandlungen. Vor allem nicht auf den invasiven Eingriff am 29.03.2013, der laut Sachverständigem einen neuen Eingriff darstelle. Es bedürfe demnach entgegen der Auffassung des Beklagten keines Widerrufs der Einwilligung vom 27.03.2013, sondern einer gesonderten Einwilligung für das Öffnen des Hufes.

Zudem ginge aus einem Sachverständigengutachten des LG zweifelsfrei hervor, dass es dem Beklagten als Huforthopäde untersagt gewesen sei einen solchen Eingriff durchzuführen, da es sich dabei um eine veterinärmedizinische Behandlung gehandelt habe. Weiterhin sei der Eingriff nicht vorschriftsmäßig vorgenommen worden, da die Öffnung zu groß und der Beklagte auf einen Druckverband verzichtet habe. Damit liege ein weiterer Haftungsgrund neben der fehlenden Einwilligung vor.

Nach Ansicht des Landgerichts hätte die Klägerin zügiger einen Tierarzt kontaktieren müssen. Ihr sei deswegen ein erhebliches Mitverschulden zuzurechnen. Diese Auffassung teilte das OLG nicht. Die Klägerin habe zwar vorgetragen, dass sie das Öffnen des Hufes in ihrer Anwesenheit nicht ohne Tierarzt erlaubt hätte. Darauf lasse sich aber kein Mitverschuldensvorwurf stützen, weil sie sich sie sich trotz ihrer Pferdekenntnisse auf die Einschätzung des ausgebildeten Huforthopäden zur weiteren Behandlung habe verlassen dürfen. Da ihr dieser nur zur weiteren Behandlung mit einem Huforthopäden riet, könne kein Mitverschulden der Klägerin in Hinsicht auf die unterbliebene Hinzuziehung eines Tierarztes begründet werden.

 

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Susan Beaucamp

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Verkehrssicherungspflicht des Pferdehalters – Zur Haftung des Pferdehalters

Pferdehalter muss auch dann für Schäden durch sein entlaufenes Pferd haften, wenn Unbefugte das Pferd befreien

 

Sachverhalt:

Der Beklagte hielt zu gewerblichen Zwecken Pferde in einem Stall, der von Unbefugten geöffnet wurde. Die Pferde büxten daraufhin aus. Eines der Pferde stieß auf einer nahegelegenen Straße mit einem PKW zusammen, wobei für die Klägerin ein Schaden in Höhe von 13.543€ entstand. Sie verlangte Schadensersatz vom Pferdehalter.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen legte die Klägerin Berufung ein.

 

Entscheidung:

Die Sicherung des Gebäudes gegen Manipulation durch Unbefugte gehört zur Verkehrssicherungspflicht des Pferdehalters

Die Berufung der Geschädigten hatte Erfolg. Das Oberlandesgericht Nürnberg verurteilte den Pferdehalter zur Zahlung des verursachten Schadens.

Gemäß § 833 S.2 BGB kann sich der gewerbliche Tierhalter entlasten, wenn er bei der Beaufsichtigung seiner Tiere die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat. Zu den Verkehrssicherungspflichten eines Tierhalters gehöre unter anderem die Sicherung des Gebäudes, in dem seine Tiere untergebracht sind. Zwar konnten die Pferde von alleine nicht aus dem Stall “ausbüxen”, weil sie durch ein Schiebetor und ein Elektrozauntor gesichert waren. Es wäre aber die Pflicht des Beklagten gewesen, das Gelände gegen die Manipulation Dritter abzusichern, zumal das Anbringen eines vorhandenen Zylinderschlosses an der Stalltür ohne hohen Aufwand möglich gewesen sei. Man müsse nicht gegen jede abstrakte Gefahr vorbeugende Abwehrmaßnahmen treffen, aber zumindest gegen solche Gefahren, die in einen schweren Schaden münden könnten und deren Vorbeugung unschwer möglich sei. Zu diesen Gefahren gehöre die Sicherung gegen Manipulationen durch Dritte, auch wenn in der Gegend um G. bis dato noch kein derartiger Fall aufgetreten ist.

Der Beklagte hat von seinem Entlastungsbeweis nach § 833 S.2 BGB keinen Gebrauch gemacht und musste für die Unfallfolgen als Pferdehalter gemäß § 833 S.1 BGB haften. Das Gericht war der Auffassung, der Beklagte hätte dafür sorgen müssen, dass die Stalltür des Hofs abgeschlossen und das Elektrozauntor am Ausgang abgesichert war, etwa durch eine Kette mit Vorhängeschloss. Diese Maßnahmen seien ohne weiteres zumutbar und überspannten die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht nicht.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Stute verletzt Hengst nach Deckakt – Schadensersatzforderung gegen Halterin der Stute?

„Wenn (…) die Eigentümerin des Hengstes in Kauf nimmt, die Paarung durch Führen der Pferde am langen Zügel ohne jede Sicherungsmaßnahmen durchzuführen, handelt sie auf eigene Gefahr, muss das Risiko selbst verantworten und kann es nicht auf die Halterin der Stute abwälzen.“ (Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 10.06.2013 – 3 U 1486/12 – )

Sachverhalt:

Der Araberhengst  der Klägerin aus einem Gestüt im Rheingau sollte im Mai 2011 die Stute der Beklagten aus Rheinhessen decken. Die Belegung der Stute sollte nicht durch künstliche Besamung, sondern auf natürliche Weise (Natursprung) erfolgen, wobei die beiden Pferde am langen Zügel geführt wurden. Auf eine Sicherung der Pferde wurde von den Parteien einvernehmlich verzichtet. Nachdem sich die Pferde auf einer Wiese beschnuppert hatten, zeigte die Stute ihre Paarungsbereitschaft und der Hengst sprang von hinten auf sie auf. Als er nach dem Deckakt von der Stute herunter stieg, trat die Stute nach hinten aus. Der Tritt traf den Hengst am rechten Vorderbein, wodurch er einen schweren Trümmerbruch erlitt und noch am selben Tag vom Tierarzt erlöst werden musste.

Die Halterin und Eigentümerin des eingeschläferten Hengstes verlangte nach dem Vorfall Schadensersatz in Höhe von 25.000 Euro (Wert des Hengstes nach ihren Angaben) von der Halterin der Stute. Die Beklagte erwiderte, dass die Klägerin selbst auf Vorkehrungen zum Schutz ihres Pferdes verzichtet habe und damit selbst die Schuld für den Schaden trage.

 

Entscheidung:

Kein Schadensersatz für eingeschläfertes Pferd wegen überwiegendem Mitverschulden der Klägerin

Verletzt eine Stute den Hengst beim Deckakt, realisiere sich die in jedem Tier innewohnende  typische Tiergefahr. Für Schäden die durch diese Tiergefahr entstehen, haftet grundsätzlich der Tierhalter, § 833 I BGB. Anders sehe es jedoch aus, wenn wie hier die Halterin und Eigentümerin des Hengstes selbst keine Sicherungsmaßnahmen für den Deckakt getroffen habe. Dann habe sie ein Mitverschulden, was die Haftung für die Halterin der Stute ausschließe, so das Landgericht.

Die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil blieb vor dem Oberlandesgericht Koblenz ohne Erfolg. Zwar habe sich in dem Verhalten der Stute eine typische Tiergefahr realisiert, womit die Eigentümerin des Hengstes grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte habe. Dieser erübrige sich aber, da die Klägerin ihr Pferd während der Paarung nicht geschützt und damit auf eigene Gefahr gehandelt habe. Das Austreten der Stute während dem Decken sei ein Verhalten, mit dem man rechnen müsse. Durch das Zuführen des Hengstes im vorliegenden Fall ohne Sicherheitsmaßnahmen sei die Hengstbesitzerin bewusst ein Risiko eingegangen, sodass die Haftung der Halterin der Stute komplett entfalle.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Pferderecht Reitunfall Haftung des Pferdebesitzer „ Kein Nutztierprivileg“ bei Einsatz eines Pferdes zum heilpädagogischen Reiten”

„Ein von einer gemeinnützigen GmbH in einer Jugendhilfeeinrichtung zum heilpädagogischen Reiten eingesetztes Pferd unterliegt nicht dem Nutztierprivileg des § 833 Satz 2 BGB.“

Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 31. Januar 2018, Az. 2 U 30/15

vorgehend LG Saarbrücken, 28. April 2015, 4 O 130/14

 

Der Sachverhalt

Die Klägerin, eine Berufsgenossenschaft, nimmt die Beklagte, bei der es sich um eine als gemeinnützig anerkannte Trägergesellschaft der Caritas handelt, auf Schadensersatz wegen eines Reitunfalls der bei ihr gesetzlich unfallversicherten Zeugin K. in Anspruch. Die Zeugin K. war aufgrund eines Honorarvertrags zweimal wöchentlich mit dem Beritt von vier Therapiepferden betraut, welche die Beklagte in der von ihr betriebenen Jugendhilfeeinrichtung hält. Die Pferde werden dort im Rahmen des Therapieangebots der Einrichtung eingesetzt, zu dem auch heilpädagogisches Reiten gehört. Bei einem Geländeausritt stürzte die Zeugin K. von dem Pferd „Hexe“, wobei sie sich eine Lendenwirbelfraktur zuzog.

Die Klägerin behauptet, das Pferd habe sich plötzlich aus nicht näher bekannten Gründen, möglicherweise aufgrund eines Geräuschs in einer Hecke, erschrocken und daraufhin gebockt. Der Zeugin K. sei es trotz jahrelanger Erfahrung im Umgang mit Pferden nicht möglich gewesen, das Pferd zu beruhigen und den Sturz zu verhindern.

Die Beklagte hat den Unfallhergang, die unfallbedingten Verletzungsfolgen sowie die Aufwendungen der Klägerin bestritten und geltend gemacht, die Zeugin K. hätte als gute und erfahrene Reiterin ein einfaches Bocken des als gutmütig und ruhig beschriebenen Pferdes beherrschen müssen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Nach seiner Auffassung ist die Tierhalterhaftung der Beklagten gemäß § 833 Satz 2 BGB ausgeschlossen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klageziel weiter. Sie macht im Wesentlichen geltend, das Pferd „Hexe“ sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein Nutztier, weil die Beklagte als gemeinnützige Einrichtung nicht erwerbswirtschaftlich tätig sei, sondern nur ideelle Zwecke verfolge.

 

Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht gab der Klägerin Recht. Der Klägerin stünde ein Schadensersatzanspruch gemäß § 833 Satz 1 BGB gegen die Beklagte als Halterin des Pferdes „Hexe“ zu.

Nach § 833 Satz 1 BGB ist, sofern der Körper oder die Gesundheit eines Menschen durch ein Tier verletzt wird, derjenige, welcher das Tier hält, zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Die Tierhalterhaftung erfordert die Verwirklichung einer typischen Tiergefahr, die sich in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbstständigen Verhalten des Tieres äußert. Diese Voraussetzung sei erfüllt. Es sei zu dem Sturz gekommen als „Hexe“ aus dem Schritt heraus plötzlich einen (einzigen) „riesengroßen Satz“ machte und die Reiterin über die rechte Schulter abwarf. Es komme nicht darauf an, ob die Zeugin K., das Pferd möglicherweise hätte beruhigen und dadurch den Sturz hätte verhindern können. Dies könne allenfalls ein Mitverschulden der Reiterin begründen, nicht aber dazu führen, dass sich eine spezifische Tiergefahr nicht verwirklicht habe.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei die Haftung der Beklagten nicht gemäß § 833 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Danach tritt die Ersatzpflicht des Tierhalters nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist (Nutztier), und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

Für die Einordnung als so genanntes „Nutztier“ i.S. des § 833 Satz 2 BGB sei auf die allgemeine Zweckbestimmung abzustellen, die dem Tier von seinem Halter gegeben worden ist. Dieser Zweck müsse allerdings stets ein wirtschaftlicher sein. Tiere, die aus Liebhaberei oder zu sonstigen ideellen Zwecken wie zum Beispiel zur Ausübung des Reitsports gehalten werden, ohne dass der Halter aus ihrer Nutzung  seinen Erwerb bezieht, seien von der Vorschrift nicht erfasst. Unter Erwerbstätigkeit i.S. des § 833 Satz 2 BGB ist dabei jede Tätigkeit zu verstehen, die auf Gewinnerzielung gerichtet ist.

Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass die von einem nicht wirtschaftlichen Verein (§ 21 BGB) zur Erfüllung seiner satzungsgemäßen Aufgaben zur Reittherapie von Behinderten gehaltenen Pferde – ebenso wie die eines nicht wirtschaftlichen allgemeinen Reitsportvereins – nicht unter das Nutztierprivileg des § 833 Satz 2 BGB fallen. Einem Reitverein, der sich der Reittherapie von Behinderten widmet, steht daher die Entlastungsmöglichkeit nach dieser Vorschrift nur dann zu, wenn er seine Reitpferde überwiegend oder jedenfalls in einem so erheblichen Umfang wie ein wirtschaftliches Unternehmen zu Erwerbszwecken nutzt, was allerdings wiederum mit der satzungsmäßig ideellen Zweckbestimmung des Vereins nicht mehr im Einklang stünde (BGH, aaO).

Diese Grundsätze seien auf den hier gegebenen Fall, in dem die Pferde von einer als gemeinnützig anerkannten GmbH im Rahmen des Angebots einer von dieser betriebenen Jugendhilfeeinrichtung zum heilpädagogischen Reiten eingesetzt werden, übertragbar mit der Folge, dass die Beklagte sich nicht auf § 833 Satz 2 BGB berufen könne. Eine Gesellschaft erlangt durch die Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft steuerrechtlichen Sonderstatus. Die Steuervergünstigung ist daran geknüpft, dass die Körperschaft ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgt. Kennzeichnend für alle drei steuerbegünstigten Zwecke ist das Merkmal der Selbstlosigkeit. Es setzt gemäß unter anderem voraus, dass nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke – zum Beispiel gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke – verfolgt werden.

Die in der Jugendhilfeeinrichtung gehaltenen Therapiepferde dienen auch nicht dem Beruf der Beklagten. Ein von einer juristischen Person – wie der Beklagten – gehaltenes Tier könne grundsätzlich unter die Bestimmung des § 833 Satz 2 BGB fallen, wenn es dazu bestimmt ist, dem Aufgabenbereich der juristischen Person und damit deren „Beruf“ zu dienen. Eine Abhängigkeit der Beklagten von Haltung von Therapiepferden lasse sich jedoch nicht feststellen. Wie aus der Angebotsbeschreibung hervorginge, handele es sich bei dem therapeutischen Reiten um ein (freiwilliges) gruppenergänzendes Angebot, das neben andere Therapieangebote trete.

Der Tierhalterhaftung der Beklagten stünden auch keine sonstigen Gründe entgegen.

Die Zeugin K. hat den Ausritt nicht auf eigene Gefahr unternommen. Eine vollständige Freistellung des Tierhalters von der Haftung nach § 833 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr komme allenfalls in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. Ein genereller Ausschluss der Tierhalterhaftung sowohl unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr als auch unter Schutzzweckerwägungen ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung jedenfalls für Fallgestaltungen abgelehnt worden, in denen sich Personen der Tiergefahr aus beruflichen Gründen vorübergehend aussetzen, ohne dabei die vollständige Herrschaft über das Tier zu übernehmen. Davon sei auch hier auszugehen, da die Zeugin K. zum Zeitpunkt des Sturzes die von der Beklagten gehaltenen Therapiepferde lediglich zweimal wöchentlich im Rahmen einer auf Honorarbasis ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit beritt.

Im Übrigen könne von einem Handeln auf eigene Gefahr im Rechtssinn nur dann die Rede sein, wenn sich jemand in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen, ohne dass dafür ein triftiger – rechtlicher, beruflicher oder sittlicher – Grund vorliegt. Daran fehle es hier. Bei dem Pferd „Hexe“ handele es sich um ein ruhiges und gutmütiges Tier. Allein der Umstand, dass die Zeugin es bei ihren Ausritten im freien Gelände bewegte, sei für sich genommen nicht ausreichend für die Annahme, bei ihrem Umgang mit dem Pferd habe ein gesteigertes Gefährdungspotenzial bestanden. Auch ein vertraglicher Haftungsausschluss liege nicht vor. Er bedürfe im Allgemeinen einer eindeutigen Abrede und sei in dem zwischen der Beklagten und der Zeugin K. geschlossenen Honorarvertrag nicht enthalten.

Für ein die Haftung minderndes Mitverschulden gäbe es keine Anhaltspunkte.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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