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Pferdetierarzt bei Untersuchung – Schadensersatz oder Berufsrisiko –

Pferdehalterhaftung

BGH, Urteil vom 17.03.2009 – VI ZR 166/08

Sachverhalt:

Der Beklagte hatte seinen 700 kg schweren Araber auf dem Hof des Zeugen B untergebracht. Am 23.10.2006 sollte der klagende Tierarzt eine Untersuchung des Pferdes durchführen. Als er bei dem Pferd eine rektale Fiebermessung versuchte, wurde er von dem Pferd getreten und zog sich einen Trümmerbruch zu.

Mit seiner Klage vor dem Landgericht begehrte er vor allem den Ersatz seines Verdienstausfalls.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Eine Tierhalterhaftung nach § 833 BGB sei ausgeschlossen, wenn es vertragliche Absprachen mit dem Tierhalter gab, Verrichtungen an dem Pferd vorzunehmen. Die Berufung des Klägers hatte ebenfalls keinen Erfolg. Er ging in Revision.

 

Entscheidung:

Die Revision hatte Erfolg. Der BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Vorliegend träfen die Tierhalterhaftung (Pferdehalterhaftung) (Gefährdungshaftung) und die Berufsrisiken eines Tierarztes aufeinander, wodurch eine Lösung gefunden werden müsse, die beiden Parteien gerecht werde. Das Berufungsgericht schloss sich nicht der Auffassung des Berufungsgerichtes an, wonach in den Fällen, in denen ein Tierarzt gegen ein Entgelt Verrichtungen an einem Pferd durchführt, die Vorschrift des § 833 BGB nicht greife. Dies würde die Tierhalterhaftung zu sehr aufweichen; vor allem weil es gerade hier die vom § 833 BGB erfasste typische Tiergefahr sei, die sich in dem Tritt des Pferdes realisiert habe. Die Vorschrift des § 833 BGB sei mithin anwendbar.

Ebenfalls könne der, der Verrichtung zugrunde liegende Behandlungsvertrag, nicht automatisch zu einem Haftungsausschluss führen. Ein solcher Haftungsausschluss müsse ausdrücklich vereinbart worden sein oder sich aus ergänzender Vertragsauslegung ergeben, was vorliegend nicht der Fall sei.

Ber BGH kritisierte auch die Annahme einer Haftungsfreistellung der Beklagten durch das Berufungsgericht mit der Begründung, gerade die Tätigkeit des Tierarztes sei es gewesen, die die besondere Gefahr des Tieres provoziert habe. Damit habe er das mit der Ausübung seines Berufes typische Risiko übernommen. Es wäre seine Aufgabe gewesen, Vorkehrungen bezüglich einer entsprechenden Versicherung zu treffen.

Dieser Ansicht war laut BGH ebenfalls nicht zu folgen, da eine vollständige Haftungsfreistellung des Pferdehalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Frage komme. „Von einem Handeln auf eigene Gefahr im Rechtssinne kann nur dann die Rede sein, wenn sich jemand in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen, ohne dass dafür ein triftiger – rechtlicher, beruflicher oder sittlicher – Grund vorliegt“ (Senatsurteil BGHZ 34, BGHZ Band 34 Seite 355, BGHZ Band 34 358; BGB-RGRK/ Steffen, 12. Aufl., § 833 Rn. 64). Ein solcher Ausnahmefall liege nicht vor, wenn sich ein Tierarzt in Ausübung seiner Tätigkeit einer Tiergefahr ausgesetzt habe. Inwieweit das Handeln des Klägers mitverantwortlich für den Schaden sei, müsse im Rahmen des Mitverschuldens gemäß § 254 BGB auf Schadensebene geklärt werden.

Mithin sei das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dort müsse nunmehr ein Mitverursachungsbeitrag des Klägers untersucht werden und falls eine Haftung der Beklagten verbleibe, die Schadenshöhe bestimmt werden.

 

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Susan Beaucamp

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Öffnung des Hufes ohne Einwilligung der Pferdebesitzers Schadensersatzansprüche gegenüber Huforthopäde

OLG Koblenz, Urteil vom 18.1.2017 – 5 U 1021/16

Sachverhalt:

Am 27.03.2013 begutachtete der beklagte Huforthopäde A den rechten Vorderhuf des der Klägerin gehörenden Pferdes X und entfernte absprachegemäß die Eisen von den vorderen Pferdehufen. Dabei entdeckte er am rechten Vorderhuf ein Hufgeschwür. Der Beklagte zog für die Behandlung des Pferdes einen weiteren Huforthopäden H hinzu. Zusammen mit ihm säuberten sie am nächsten Tag den Fäulnisherd am Huf des Pferdes. Am 29.03.2013 behandelte der Beklagte das Pferd ohne Rücksprache mit der Klägerin. Er öffnete den Huf, sodass ein Kirschkern großes Loch entstand. Er klärte die Klägerin über die weitere Versorgung des Hufes auf. Ein Druckverband wurde nicht angelegt. Danach reiste der Huforthopäde ab.

Am 10.04.2013 und am 15.05.2013 behandelte Huforthopäde H das Pferd. Kurze Zeit später kontaktierte die Klägerin einen Tierarzt, der am nächsten Tag die Behandlung des Pferdes übernahm. Dabei hat er der Klägerin mitgeteilt, dass der Eingriff nicht fachgerecht durchgeführt worden sei und ein Huforthopäde einen solchen Eingriff gar nicht erst habe durchführen dürfen.

Die Klägerin verlangte daraufhin Schadensersatz für die angefallenen Kosten in Höhe von rund 14.000 Euro, die ihr aufgrund der fehlerhaften Behandlung entstanden sind.

Das LG Trier hatte der Klage teilweise stattgegeben und der Klägerin einen Schadensersatz in Höhe von 11.457,52 Euro zugesprochen.

Beide Parteien legten gegen die Entscheidung vor dem OLG Koblenz Berufung ein.

 

Entscheidung:

Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg. Das OLG entschied, dass ihr gemäß § 823 I BGB ein weiterer Betrag von 7638,35 Euro zusteht.

Das OLG führte – wie zuvor das Landgericht – an, dass der Beklagte die Öffnung des Hufes am 29.03.2013 ohne Einwilligung der Klägerin vorgenommen habe und damit rechtswidrig das Eigentum der Klägerin verletzt. Die vorherige Einwilligung zu der Behandlung am 27.03.2013, bei der die Klägerin anwesend war, erstrecke sich nicht auf sämtliche, weitergehende Behandlungen. Vor allem nicht auf den invasiven Eingriff am 29.03.2013, der laut Sachverständigem einen neuen Eingriff darstelle. Es bedürfe demnach entgegen der Auffassung des Beklagten keines Widerrufs der Einwilligung vom 27.03.2013, sondern einer gesonderten Einwilligung für das Öffnen des Hufes.

Zudem ginge aus einem Sachverständigengutachten des LG zweifelsfrei hervor, dass es dem Beklagten als Huforthopäde untersagt gewesen sei einen solchen Eingriff durchzuführen, da es sich dabei um eine veterinärmedizinische Behandlung gehandelt habe. Weiterhin sei der Eingriff nicht vorschriftsmäßig vorgenommen worden, da die Öffnung zu groß und der Beklagte auf einen Druckverband verzichtet habe. Damit liege ein weiterer Haftungsgrund neben der fehlenden Einwilligung vor.

Nach Ansicht des Landgerichts hätte die Klägerin zügiger einen Tierarzt kontaktieren müssen. Ihr sei deswegen ein erhebliches Mitverschulden zuzurechnen. Diese Auffassung teilte das OLG nicht. Die Klägerin habe zwar vorgetragen, dass sie das Öffnen des Hufes in ihrer Anwesenheit nicht ohne Tierarzt erlaubt hätte. Darauf lasse sich aber kein Mitverschuldensvorwurf stützen, weil sie sich sie sich trotz ihrer Pferdekenntnisse auf die Einschätzung des ausgebildeten Huforthopäden zur weiteren Behandlung habe verlassen dürfen. Da ihr dieser nur zur weiteren Behandlung mit einem Huforthopäden riet, könne kein Mitverschulden der Klägerin in Hinsicht auf die unterbliebene Hinzuziehung eines Tierarztes begründet werden.

 

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Susan Beaucamp

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Kein Rücktritt vom Pferdekaufvertrag wegen eines röntgenologischen Befundes beim Reitpferd

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 4. 9. 2006 – 16 U 66/06

Sachverhalt:

Der Kläger, ein Reitanfänger, erwarb einen Wallach vom Beklagten für 8.950€, den er zu Freizeitzwecken reiten wollte. Im Pferdekaufvertrag vom 29.07.2003 vereinbarten die Parteien eine tierärztliche Ankaufsuntersuchung. Weiterhin wurde unter Nr. 7 des schriftlichen Pferdekaufvertrags festgehalten:

„Eine bestimmte Beschaffenheit i.S. von § BGB § 434 BGB § 434 Absatz I BGB ist nicht vereinbart. Die Haftung des Verkäufers wird beschränkt auf gesundheitliche Mängel, die geeignet sind, die Einsatzfähigkeit des Pferdes erheblich zu beeinträchtigen”.

Bei der Ankaufsuntersuchung wurde von Tierärzten eine positive Beugeprobe vorne links diagnostiziert. Es wurden Röntgenaufnahmen aufgenommen; die sich aus den Bildern ergebenden Verschattungen wurden von den Ärzten in die Röntgenklasse Stufe 1 eingestuft.

(Die Einstufung in 7 schulnotenähnlichen Röntgenklassen wurde zwischenzeitlich richtigerweise abgeschafft siehe RöLF 2018. Vielmehr werden in diesem Röntgenleitfaden ausschließlich Röntgenbefunde aufgezählt, die von der „normalen Röntgenanatomie“ abweichen. Nach  RöLF (2018) werden die Aufnahmen folgendermaßen beurteilt: Röntgenbilder, die die normale Röntgenanatomie zeigen oder anatomische Varianten, die keine funktionelle Bedeutung haben, werden o.b.B. (ohne besonderen Befund) bezeichnet. Alle Befunde, die von dieser „normalen“ Röntgen­anatomie abweichen, werden im Protokoll notiert. Das sind entweder Befunde bei denen das Risiko, eine Lahmheit hervortreten zu lassen, nicht zuverlässig eingeschätzt werden kann oder es sind solche Befunde, die bereits mit einem Lahmheitsrisiko behaftet sind. Diese “Risiko­befunde” werden besonders gekennzeichnet. Als Grundlage für diese Einschätzung dienten der Röntgenkommission aktuelle, internationale Lehrbücher und wissenschaftliche Studien.)https://www.st-georg.de/wissen/roentgen-leitfaden-2018-radikale-aenderung-bei-der-kaufuntersuchung-von-pferden/

Einige Monate später wollte der Kläger das Pferd weiterverkaufen. Bei einer erneuten Ankaufsuntersuchung durch einen anderen Tierarzt wurde das Tier in die Röntgenklasse 3 eingestuft, wobei laut Arzt ein erhebliches Risiko beim Kauf des Pferdes bestehe.

Daraufhin erklärte der Kl. der Bekl. gegenüber mit Schreiben vom 12. 8. 2004 den Rücktritt vom Vertrag.

Er machte geltend, dass die erste Ankaufsuntersuchung fehlerhaft gewesen sei. Das Pferd habe schon damals in die Röntgenklasse 3 eingestuft werden müssen. Zudem sei der neue röntgenologische Befund Beweis dafür, dass das Pferd Schmerzen im fraglichen Gelenkbereich verspüren müsse, woraus sich ergebe, dass das Pferd nicht belastbar und damit ungeeignet als Reitpferd sei, weil es insbesondere nach mehrstündigem Reiten lahm gehen werde.

Er hat schließlich gemeint, dass es sich bei der röntgenologischen Beurteilung und Einstufung in Röntgenklasse 1 um eine zwischen den Parteien vereinbarte Beschaffenheit des Pferdes gehandelt habe.

Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Es war der Auffassung, dass es sich bei dem röntgenologischen Befund der Ankaufsuntersuchung nicht um eine Beschaffenheitsvereinbarung gehandelt habe, aber das Pferd mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht als Reitpferd belastbar sei, sodass ein Sachmangel im Sinne von § 434 I Nr. 2 BGB vorliege. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. C, welches darlege, dass angesichts der Befunde und der insoweit festgestellten Abweichungen von der Norm ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von klinischen Erscheinungen (Lahmheit) gegeben sei. Die Beklagte legte gegen dieses Urteil Berufung ein.

 

Entscheidung:

Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg. Entgegen der Auffassung des LG stehen dem Kläger keine Ansprüche wegen einer Mangelhaftigkeit des Pferdes zu.

„Ein Mangel an einem Reitpferd liegt dann vor, wenn zwingend vorhersehbar ist, dass das Pferd eine bestimmte Krankheit bekommen wird und lediglich der Zeitpunkt ungewiss ist.“

Es sei zutreffend, dass die röntgenologischen Befunde der Ankaufsuntersuchung keine Beschaffenheitsvereinbarung ausmachten. Sie dienten lediglich zur Absicherung des Käufers im Hinblick auf die fehlende Gewährleistung des Verkäufers und begründeten keine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 BGB.

Bezüglich der Beschaffenheitsvereinbarung sei lediglich der Inhalt des Vertrags zu berücksichtigen, der sich auf solche Mängel beschränke, die „die Einsatzfähigkeit des Pferdes erheblich zu beeinträchtigen geeignet sind.“ Eine sich im Nachhinein als falsch herausgestellte Tatsache der Ankaufsuntersuchung begründe keine Haftung des Beklagten.

Ebenso begründe das Gutachten des erstinstanzlich hinzugezogenen Sachverständigen keinen Mangel. Es sei zwar unstreitig, dass gewisse röntgenologische Veränderungen vorlägen. Dass daraus aber tatsächlich ein Mangel im landläufigen Sinne resultieren werde, sei derzeit unsicher.

Weist ein Tier eine Disposition auf, eine bestimmte Krankheit zu bekommen, könne dies nicht schon einen Mangel darstellen. Es müsse feststehen, dass die Krankheit zwingend zu einem zukünftigen Zeitpunkt ausbreche. Davon sei vorliegend nicht sicher auszugehen; selbst bei einer Einstufung einer Auffälligkeit in Röntgenklasse 3.

Durch Schilderungen des Klägers könne nicht entnommen werden, dass es bereits tatsächlich zu einer akuten krankhaften Veränderung im Sinne eines Lahmens des Pferdes gekommen sei.

Siehe zu diesem Thema auch der BGH: In seinem aktuellen Urteil vom 18.10.2017 (VIII ZR 32/16) betont der BGH noch einmal, die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd werde nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund von Abweichungen von der physiologischen Norm eine lediglich geringe Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln könne, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstünden. Ebenso wenig würde es zur üblichen Beschaffenheit eines Tieres (Pferdes) gehören, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen „Idealnorm“ entspreche. Ein Käufer könne nicht erwarten, ein Tier mit „idealen“ Anlagen zu erhalten, sondern müsse vielmehr im Regelfall damit rechnen, dass das von ihm erworbene Tier in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufwiese, wie sie für Lebewesen nicht ungewöhnlich seien. siehe auch https://pferderecht-sbeaucamp.de/ruecktritt-vom-pferdekaufvertrag-vorhandensein-eines-roentgenbefunds-als-sachmangel/

 

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Susan Beaucamp

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Rücktritt vom Kaufvertrag wegen Lahmheit des Pferdes

Rücktritt vom Pferdekaufvertrag arglistige Täuschung/Mangel vom Kaufvertrag nicht schlüssig dargelegt

LG Bielefeld (25. Zivilkammer), Urteil vom 08.11.2007 – 25 O 30/07

Sachverhalt:

Die Klägerin erwarb eine Fuchsstute bei der Beklagten für 11.500 Euro, nachdem sie das Pferd zweimal Probe geritten hatte. Im Pferdekaufvertrag wurde u.a. vereinbart, dass das Pferdwie geritten und gesehen“ verkauft wird. Nachdem das Pferd am 26. Mai 2006 übergeben wurde, erfolgte eine durch die von der Klägerin beauftragte Tierklinik T. durchgeführte Ankaufsuntersuchung. Dabei konnten keine Mängel festgestellt werden.

Am 02.11.2006 hat die Klägerin den Beklagten wegen einer Lahmheit an den hinteren Gliedmaßen unter Fristsetzung zur Nachbesserung aufgefordert. Nachdem der Beklagte eine Nachbesserung ablehnte, ist die Klägerin am 08.01.2007 vom Pferdekaufvertrag zurückgetreten. Sie behauptete, dass sich kurz nach der Übergabe eine Taktunreinheit an den Hintergliedmaßen eingestellt habe. Ein hinzugezogener Tierarzt habe eine Hangbeinlahmheit hinten links diagnostiziert, was unvereinbar mit dem gedachten Verwendungszweck sei, da sie das Pferd als Turnierpferd einsetzen wolle. Ebenso widerspreche die Krankheit den Angaben des Beklagten, der das Pferd als „immer gesund gewesen“ angepriesen habe.

Ebenso hat die Klägerin den Pferdekaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten, weil sie  in Erfahrung gebracht habe, dass ihr gekauftes Pferd bei einer früheren Auktion gerade wegen einer Hangbeinlahmheit in abgeschwächter Form aus dem Auktionslot herausgenommen worden sei und ihr dies nicht von dem Beklagten mitgeteilt worden sei.

In ihrer Klage begehrt sie nunmehr die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes sowie Erstattung der Aufwendungen in Höhe von 2.090,14 Euro, die ihr während ihrer Besitzzeit entstanden sind.

 

Entscheidung:

Das Gericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises.

Die Klägerin habe nicht schlüssig dargelegt, dass das erworbene Pferd im Zeitpunkt der Übergabe einen Sachmangel aufgewiesen habe. Die Taktunreinheiten hätten sich erst eine gewisse Zeit nach Übergabe des Pferdes gezeigt, so wie die Untersuchung des von ihr beauftragten Tierarztes Dr. M. zeige. Sie selbst habe vorgetragen, dass es keine Auffälligkeiten gegeben habe, als sie das Pferd geritten sei. Ebenso habe die Ankaufsuntersuchung am 26.05.2006 keine klinischen Befunde ergeben, so dass das Pferd bei der Übergabe keine Mängel im Sinne des § 434 BGB aufgewiesen habe.

Die Tatsache, dass das Pferd bei einer früheren Auktion eine leichte Hangbeinlahmheit aufgewiesen habe, sei bedeutungslos, so das Gericht. Es beweise nicht, dass die Lahmheit auch bei Gefahrübergang vorgelegen habe, zumal die Ankaufsuntersuchung keine Hangbeinlahmheit festgestellt habe.

Ebenso könne das Verschweigen der Lahmheit bei der besagten Auktion nicht als arglistige Täuschung angesehen werden. Arglistiges Verschweigen liege nur vor, wenn eine Aufklärungspflicht über besonders wichtige Umstände bestehe, die für die Willensbildung der anderen Partei offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung seien, so dass diese ungefragt offenbart werden müssten (BGH NJW 1971, NJW Jahr 1971 Seite 1799).

Solche besonders wichtigen Umstände lägen nicht vor, da der Beklagte Röntgenbilder vorlegte, die am Tag der Auktion gemacht wurden. Diese zeigten, dass keine krankhaften Befunde festgestellt worden und demnach keine offenbarungspflichtigen Mängel verschwiegen worden seien.

Ein nichtiger Pferdekaufvertrag wegen arglistiger Täuschung liege mithin nicht vor. Der Klägerin stehe deshalb auch kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes wegen ungerechtfertigter Bereicherung aus § 812 Abs. 1 BGB zu.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Tierartzhaftung Pferderecht

 

Grober Behandlungsfehler – gilt Beweislastumkehr auch für Tierärzte?

BGH, Urteil vom 10.05.2016 – VI ZR 247/15

Sachverhalt:

Die Klägerin war am 08.07.2010 mit ihrem Pferd beim beklagten Tierarzt vorstellig, nachdem sie an der Innenseite des rechten hinteren Beins eine Wunde entdeckt hatte. Der Beklagte versorgte die Verletzung und gab die Anweisung, das Pferd müsse zwei Tage geschont werden, könne aber dann wieder geritten werden, soweit keine Schwellung im Wundbereich eintrete. Am 11.07.2010 wurde das Pferd dann geritten, wobei der Klägerin Taktunreinheiten im Bereich des verletzten Beines auffielen. Das Reiten wurde daraufhin eingestellt. Am 14.07.2010 brach das Pferd sich beim Aufstehen das Bein. Eine Operation gelang nicht und das Pferd musste eingeschläfert werden.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 114.146,41 Euro Schadensersatz sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Sie begründete ihre Klage damit, dass die am 08.07.2010 behandelte Verletzung durch den Schlag einer Stute verursacht worden sei und dieser zu einer Fissur des darunterliegenden Knochens geführt habe. Innerhalb der nächsten Tage habe sich die Fissur zu der am 14.07.2010 diagnostizierten Fraktur entwickelt. Der Beklagte habe behandlungsfehlerhaft auf eine Lahmheits- und Röntgenuntersuchung des Pferdes verzichtet. Dabei hätte die Fissur erkannt werden können.

Das LG Osnabrück und das OLG Oldenburg erklärten den auf Schadensersatz und darüber hinausgehende Rechtsanwaltskosten gerichteten Klageantrag für gerechtfertigt. Der Beklagte legte Revision ein.

 

Entscheidung:

Unterläuft einem Tierarzt a ein grober Behandlungsfehler, darf die Beweislastumkehr, die bereits auch in der Humanmedizin gilt zugunsten des geschädigten Tierhalters angewendet werden.

Das angefochtene Urteil hat im Ergebnis der revisionsrechtlichen Überprüfung standgehalten. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz zu.

Da nicht geklärt werden konnte, ob es an dem Behandlungsfehler lag, dass sich das Pferd beim Aufstehen das Bein brach, war die zentrale Frage, wer den Beweis hinsichtlich der Kausalität erbringen muss. Normalerweise trägt die Klägerin die Beweislast. Folgte man vorliegend dieser Regel, hätte die Klägerin keinen Anspruch auf Schadensersatz, da der Kausalzusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Fraktur nicht festgestellt werden konnte.

Die Vorinstanz habe jedoch zurecht eine Beweislastumkehr zu Gunsten der Klägerin wegen eines groben Verstoßes gegen die Pflichten aus dem tierärztlichen Behandlungsvertrag festgestellt. Der Grundsatz über die Beweislastumkehr aus der Humanmedizin findet entsprechende Anwendung.

Im humanmedizinischen Bereich führe ein grober Behandlungsfehler, der geeignet sei, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, regelmäßig zur Umkehr der objektiven Beweislast. Dies ergebe sich daraus, dass die nachträgliche Aufklärbarkeit des tatsächlichen Geschehens wegen des besonderen Gewichts des Behandlungsfehlers und seiner Bedeutung für die Behandlung in einer Weise erschwert sei, dass es dem Patienten nicht zugemutet werden könne, den vollen Kausalitätsnachweis zu erbringen.

Die gleiche Problematik der Aufklärungserschwernisse finde sich auch bei grob fehlerhaften tiermedizinischen Behandlungen. Mithin sei die Anwendbarkeit der Beweislastumkehr unter diesem Gesichtspunkt zu bejahen. Ebenso sei die Tätigkeit eines Tierarztes mit der medizinischen Behandlung durch einen Humanmediziner vergleichbar, soweit es um die Heilung und Erhaltung eines lebenden Organismus gehe.

Über die tatsächliche Höhe des Schadensersatzanspruchs muss nun das Landgericht Osnabrück entscheiden.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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