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Unfall bei Proberitt – Kein konkludenter (stillschweigender) Haftungsausschluss bei einem Proberitt auf Veranlassung des Pferdehalters

OLG Schleswig, Urteil vom 29.02.2012 – 7 U 115/11

In der Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck ging es um die Frage, ob zwischen ihr und der Geschädigten ein konkludenter Haftungsausschluss vereinbart worden war. Dieser hätte zur Folge, dass die Beklagte keine Schadensersatzpflicht trifft.

Sachverhalt:

Der Sohn der Beklagten veranlasste einen Proberitt, bei dem es darum ging, der Klägerin eine kostenpflichtige Reitbeteiligung an dem Pferd schmackhaft zu machen. Als die Klägerin das Pferd der Beklagten ritt, kam es zu einem Sturz, bei dem sie verletzt wurde. Im Zuge ihrer Klage verlangte die Klägerin Schmerzensgeld von der Halterin des Pferdes. Das Landgericht Lübeck gab ihr Recht und verurteilte die Halterin zu einer Schadensersatzzahlung. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein.

 

Entscheidung:

Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten als unbegründet zurückgewiesen. An einen stillschweigenden Haftungsausschluss knüpft das Gericht besondere Umstände. Insbesondere müsse eine Situation vorliegen, bei der, wenn man einen Haftungsausschluss  offen kommuniziert hätte, der Geschädigte eine solche Abmachung billigerweise nicht hätte versagen dürfen. Daran fehle es jedoch, weil die Beklagte haftpflichtversichert war. Eine Haftungsbeschränkung hätte demnach nur den Haftpflichtversicherer entlastet und entspreche in der Regel nicht dem Willen der Beteiligten. Vor allem, weil die Beklagte selbst vom Vorliegen oder Nichtvorliegen einer solchen nicht betroffen wäre. Ebenso könne ein konkludenter Haftungsausschluss nicht damit begründet werden, dass es – wie von der Beklagten vorgetragen – in Reiterkreisen üblich sei, beim Ritt auf einem fremden Pferd den Halter im Falle eines Unfalls nicht zu verklagen. Der Bundesgerichtshof hat selbst in Fällen, in denen das Reiten auf einem fremden Pferd überwiegend im Interesse des Reiters lag, eine konkludente Haftungsbeschränkung zugunsten des Tierhalters abgelehnt.(BGH Aktenzeichen VI ZR 49/91)

 

Ebenfalls keine Haftung der Geschädigten durch Obhutübernahme des Pferdes

Die Beklagte hat im Zuge der Verhandlung angemerkt, die Geschädigte sei erheblich oder gar weit überwiegend mitverantwortlich für den Sturz gewesen. Die Geschädigte müsse gemäß § 834 BGB dafür einstehen. Aus § 834 BGB geht hervor, dass derjenige, der die Obhut über ein Tier übernommen hat, die Vermutung gegen sich gelten lassen muss, dass ihn im Schadensfalle ein Verschulden trifft. Eine Obhutübernahme hat das Gericht aber abgelehnt, weil die Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Es fehle schon allein an der Übernahme der Aufsicht, weil der Sohn der Beklagten für das Tier zuständig und die ganze Zeit anwesend war, als die Geschädigte das Pferd ritt. Es käme mithin nur ein Mitverschulden nach § 254 BGB in Betracht, bei dem der Halter des Tieres beweisen muss, dass vorwerfbare Fehler auf Seiten der Geschädigten vorlagen. Solche seien weder dargelegt noch bewiesen. Die aufgeworfene Einschätzung der Beklagten, die Geschädigte habe nach zwanzigjähriger Reitpause ihre Fähigkeiten überschätzt, begründe kein vorwerfbares Verschulden. Es habe keinerlei Anzeichen dafür gegeben, wieso sie ein – wie von allen Beteiligten unstreitig als gutwillig und leicht zu führendes – Pferd nicht hätte kontrollieren und führen können.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Vorsicht bei Muster-Pferdekaufverträgen

OLG Hamm (2. Zivilsenat, I-2 U 17/18)

Der Verkäufer eines Pferdes hat grundsätzlich die Möglichkeit seine gesetzliche Haftung in Verträgen zu begrenzen. Oft werden bei Verkauf eines Pferdes aus Zeit und Kostengründen vorformulierte Verträge aus dem Internet verwendet. Dies kann “nach hinten losgehen”, da manche der eingefügten Klauseln der gesetzlichen AGB-Kontrolle nicht standhalten und damit unwirksam sind.

 

Sachverhalt:

Die Klägerin kaufte ein Pony für ihre Tochter. Anschließend begehrte die Klägerin die Rückgängigmachung des Kaufvertrages, da das Pony ständig mit dem Kopf schlug und deswegen für die 8 jährige Tochter nicht geeignet war. Zudem sei das Pony ständig gestiegen, als die Tochter es führte. Es wurde nachstehender Haftungsausschluss vereinbart.

„Das Pferd wird verkauft wie besichtigt und zur Probe geritten. Hinsichtlich der reiterlichen bzw. sportlichen Beschaffenheit wird der Zustand als vertraglich vereinbart zugrunde gelegt, der sich nach Besichtigung des Pferdes und/oder nach Proberitt durch den Käufer darstellt. Insoweit erfolgt der Verkauf unter vollständigem Ausschluss jeglicher Haftung.

Von den vorstehenden Rechtsbeschränkungen ausgenommen ist eine Haftung bei Vorsatz oder Arglist. Hinsichtlich von Schadensersatzansprüchen gelten die vorstehenden Rechtsbeschränkungen auch nicht für eine Haftung bei grob fahrlässig verursachten Schäden und nicht für Personenschäden (Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit), die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verkäufers oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen beruhen, es sei denn, der Käufer ist Unternehmer.“

Hier war unter anderem zu prüfen, ob trotz des Haftungsausschlusses der Rücktritt erklärt werden konnte.

Das Landgericht Paderborn hatte die Klage zuvor abgewiesen, ohne zu überprüfen, ob die eingefügte Klausel bezüglich des Haftungsausschlusses wirksam war.

Die Richter in Hamm mussten nun feststellen, ob die Vertragspartner einen wirksamen Teilhaftungsausschluss hinsichtlich etwaiger Mängel vereinbart hatten.

 

Entscheidung:

In der mündlichen Verhandlung am 13.08.2018 kam das Oberlandesgericht zu folgendem Ergebnis: Der Pferdekaufvertrag ist teilweise unwirksam, da die Klausel der gesetzlichen AGB Kontrolle nicht standhält. Sie widerspreche dem gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, nach dem die Rechte und Pflichten des Käufers klar und durchschaubar dargestellt werden müssen. Es sei nicht klar, ob die Haftung nur erkennbare Mängel oder auch versteckte Mängel hinsichtlich der reiterlichen Beschaffenheit erfasse. Unerwünschte Verhaltensweisen eines Pferdes würden nicht unbedingt beim Probereiten sichtbar werden. Der Verkäufer könne sich damit nicht auf den eingefügten Haftungsausschluss berufen.

Der Rechtsstreit wurde durch Vergleich beendet.

Dieses Urteil zeigt, dass es sinnvoll ist, Kaufverträge anwaltlich erstellen oder zumindest mit Blick auf einen Haftungsausschluss zu überprüfen zu lassen.

Wenn Sie Fragen zu Ihrem Pferdekaufvertrag haben, sprechen Sie uns an, wir helfen Ihnen gerne weiter.

 

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Reitunfall nicht aufklärbar – wer haftet?

Reagiert ein Pferd unberechenbar, ist darin die Verwirklichung der spezifischen Tiergefahr zu sehen. Für Unfälle, die durch die sog. Tiergefahr verursacht worden sind, haftet grundsätzlich der Halter, § 833 1 BGB. Kann jedoch das Unfallopfer nicht beweisen, dass der Unfall durch das unberechenbare Verhalten des Tieres verursacht worden ist, besteht kein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Tierhalter!                        

 

Sachverhalt:

Die Klägerin ritt das Pferd der Beklagten am 28.12.2007 allein in den Wald aus. Es kam zu einem Unfall bei dem sich die Klägerin schwer verletzte. Da sie für ungefähr 15 Minuten bewusstlos war, konnte sie sich nicht genau an den Sturz erinnern. Sie beharrte aber darauf, dass das Pferd plötzlich durchgegangen und ins Unterholz gelaufen sei. Dabei sei sie gegen einen Ast geprallt und heruntergefallen. Ihre Verletzungen seien somit durch das Pferd verursacht worden und die spezifische Tiergefahr habe sich in dem Verhalten des Pferdes verwirklicht. Sie verlangte von der Halterin des Pferdes Schadensersatz für ihre Körperverletzung, Ausgleich für ihre monatlichen Erwerbseinbußen sowie Ersatz sämtlicher weiterer materieller und derzeit nicht vorhersehbarer immaterieller Schäden.

 

Entscheidung:

Die Klage blieb ohne Erfolg.

Die Klägerin hätte beweisen müssen, dass der Grund für den Unfall in der spezifischen Tiergefahr des Pferdes liege. Dies sei ihr nicht gelungen.  Sie stütze ihre Angaben zum Unfallgeschehen auf bloße Vermutungen, da sie keine konkreten Erinnerungen an den Unfall habe. Mit einem Sachverständigengutachten könne der Ablauf des Unfallgeschehens auch nicht rekonstruiert werden, da es zu wenige Anhaltspunkte dafür gebe. Das Durchgehen des Pferdes als möglicher Geschehensablauf reiche zum Beweis nicht aus und auch das Verletzungsbild, welches darauf hindeute, dass die Geschädigte mit einem Gegenstand kollidierte, erkläre nicht wie es zu dem Unfall gekommen ist. Nicht jeder Unfall mit einem Pferd könne auf die spezifische Tiergefahr zurückgeführt werden. Auch der Reiter allein oder Kreislaufprobleme könnten einen Sturz verursachen. Hier könne nicht  ausreichend bewiesen werden, ob die Klägerin wegen eines unberechenbaren Verhalten des Pferdes stürzte. Es wäre auch möglich, dass die Klägerin von einem herabfallenden Ast getroffen worden sei. Damit bestehe kein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte im Sinne von § 833 1 BGB.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Aufklärungspflichten des Tierarztes über Risiken der Aufwachphase

OLG Dresden, Urt. v. 15.01.2019 – 4 U 1028/18

Sachverhalt:

Der Kläger, ein erfahrener Pferdehalter und Reiter, brachte seinen jungen Hengst in die Tierklinik des Beklagten um ihn dort kastrieren zu lassen. Dem Kläger wurde im Vorfeld der Operation ein standardmäßiges Informationsblatt über Narkose- und Operationsrisiken übergeben, worauf nur allgemein auf die bei dem Eingriff bestehenden Narkose- und Operationsrisiken bzw. auf das Risiko eines Zwischenfalls hingewiesen wurde. Der Kläger unterzeichnete das Vertragsformular und bestätigte hiermit auch die Kenntnisnahme von dem Informationsblatt. Der Hengst wurde sodann in der Klinik zunächst untersucht, wobei keinerlei Auffälligkeiten festgestellt werden konnten, und dann in Narkose gelegt und operiert. Zum Aufwachen wurde der Hengst in eine sogenannte Aufwachbox verbracht und in regelmäßigen Abständen überwacht. Bei einem der Aufstehversuche verletzte sich der Wallach und zog sich eine Fraktur am Sprunggelenk zu, die zu seinem Tod führte. Der Kläger begehrte nun Schadensersatz wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Vorfeld und Behandlungsfehlern während der Operation. Die Tierklinik verlangte ihrerseits die Zahlung der Operationskosten von dem Kläger.

 

Entscheidung:

Nachdem das LG Dresden in der ersten Instanz der Klage stattgegeben hatte, legte der Beklagte dagegen Berufung ein. Die Berufung hatte Erfolg, so dass das OLG Dresden das erstinstanzliche Urteil abänderte und die Klage insgesamt abwies und auf die Widerklage hin den Kläger verurteilte, die noch ausstehenden Operationskosten zu zahlen. Der Beklagte hat keine vertraglichen Aufklärungs- und Beratungspflichten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen tierärztlichen Behandlungsvertrag gem. §§ 611, 280 I, 249 BGB verletzt, weswegen dem Kläger kein Schadensersatzanspruch zusteht.

Der Tierarzt schuldet seinem Auftraggeber orientiert an dessen wirtschaftlichen Interessen, dem ideellen Wert des Wallachs und den Geboten des Tierschutzes vertraglich eine Beratung, zu der die Art und Weise des geplanten Eingriffs in groben Zügen, dessen Erfolgsaussichten und Risiken sowie vorhandene Alternativen gehören. Der Auftraggeber kann dann abwägen, in welche Eingriffe er demgemäß einwilligen will. Die Grundsätze über Art und Umfang der humanärztlichen Aufklärungspflicht können dabei nicht ohne weiteres auf den tiermedizinischen Bereich übertragen werden. Die Paragraphen 630a ff. BGB gelten nicht für die Behandlung von Tieren. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten spielt hier zudem keine Rolle. Jedoch kann der ideelle Wert eines Tieres den Umfang der Aufklärung beeinflussen, wenn ein besonderes ideelles Interesse des Auftraggebers für den Tierarzt erkenntlich wird. Ein solches gesteigertes ideelles Interesse bestand im vorliegenden Fall jedoch nicht. Haftungsgrundlage ist eine Eigentumsverletzung, bei der das Integritätsinteresse geschützt wird. Das Handeln gemäß des erteilten Auftrages genügt daher regelmäßig unabhängig von einer Risikoaufklärung zur Rechtfertigung des tierärztlichen Eingriffs. Die Beweislast für eine Vertragspflichtverletzung trägt hierbei der Kläger. Eine Pflichtverletzung konnte dieser vorliegend jedoch nicht beweisen. Der Kläger wurde durch das ausgeteilte Informationsblatt ausreichend über die Risiken der Operation und der Narkose aufgeklärt. Die Aufwachphase und die damit einhergehenden Risiken bei Aufstehversuchen sind dem Narkoserisiko zuzurechnen. Eine gesonderte Aufklärung über die Risiken des Aufwachens waren nicht geschuldet. Vorliegend handelte es sich um eine Routineoperation eines gesunden Pferdes. Die Operation wies daher keine besonderen Risiken auf und es bestanden auch keine besonderen wirtschaftlichen oder ideellen Interessen an dem Pferd, die eine gesteigerte Aufklärungspflicht hätten begründen können. Zudem müsse man davon ausgehen, dass gerade erfahrenen Pferdehaltern, wie dem Kläger, bekannt ist, dass Sturz- und Verletzungsrisiken während der Aufwachphase bestehen. Von einem Tierarzt kann daher nicht erwartet werden, dass er ohne konkreten Anlass über alle möglichen peri- und postoperativen Risiken aufklärt und ungefragt Angaben über den Ablauf und die Überwachung der Aufwachphase zu machen hat. Eine besondere Aufklärung über das Frakturrisiko in der Aufwachphase war zudem nicht geschuldet, da das Risiko laut des Sachverständigen mit lediglich 0,2% nur sehr gering war. Auch über die fehlende Verwendung von Aufstehhilfen musste der Kläger nicht aufgeklärt werden, denn die verschiedenen Arten von Aufstehhilfen bergen ihrerseits Gefahren und dienen keinesfalls als Garantie für ein gefahrloses Aufstehen. Der Einsatz eines Kopfschutzes hätte außerdem die Verletzung des Hinterbeines nicht verhindern können. Es erscheine zudem abwegig, dass der Kläger sich angesichts der geringen Wahrscheinlichkeit bei einer Aufklärung gegen die Operation entschieden hätte, denn die Alternative dazu wäre gewesen, den Hengst nicht zu kastrieren und ihn dauerhaft alleine und nicht in Gesellschaft mit anderen Pferden zu halten. Jeder „vernünftige“ Pferdebesitzer hätte sich, angesichts der geringen Risikowahrscheinlichkeit in Abwägung zu den Nachteilen für eine solche Operation entschieden.

Eine schuldhafte Pflichtverletzung im Rahmen der Durchführung der Operation konnte ebenfalls nicht festgestellt werden. Die Operation wurde nach den Ausführungen des Sachverständigen  ordnungsgemäß durchgeführt. Er hat ausgeführt, dass es nicht zum tiermedizinischen Standard gehört, Pferde nach einer Anästhesie mit Aufstehhilfen zu unterstützen, so dass das Aufstehen lassen des Pferdes ohne Aufstehhilfe nach einer Operation keine Pflichtverletzung darstellt. Auch eine ununterbrochene Beaufsichtigung in der Aufwachphase ist nicht geschuldet. Zum einen ist dies unüblich, zum anderen hätte auch eine ständige Überwachung die Verletzung nicht verhindert.

Der widerklagend geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Operationskosten ergibt sich aus § 611 BGB. Der tierärztliche Behandlungsvertrag stellt einen Dienstvertrag dar, weswegen der Zahlungsanspruch unabhängig von einem bestimmten Behandlungserfolg entsteht.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Rückabwicklung eines Pferdekaufvertrages über ein Western-Reitpferd wegen PSSM (Polysaccharid-Speicher-Myopathie)?

OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.05.2014 – 13 U 116/13

Sachverhalt:

Der Kläger kaufte mit schriftlichem Kaufvertrag von dem Beklagten ein Western-Reitpferd für seine Tochter. Weil das Western-Reitpferd sich wenige Wochen nach der Übergabe auffällig beim Reiten verhielt, wurde eine umfassende Blutuntersuchung durchgeführt. Hierbei wurde festgestellt, dass das Western-Reitpferd den Gendefekt PSSM Typ 1 hat. Hierbei handelt es sich um eine unheilbare Erbkrankheit bei Pferden, die Muskelstoffwechselstörungen hervorrufen kann und sich im Fall des Typs 1 rezessiv, also mit 50%-iger Wahrscheinlichkeit an die Nachkommen vererbt. Der Pferdekäufer erklärte sodann den Rücktritt vom Pferdekaufvertrag und verlangte von dem Pferdeverkäufer das Western-Reitpferd zurück zu nehmen, Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises und der getätigten Aufwendungen. Der Pferdeverkäufer lehnte dies ab, so dass der Kläger sein Begehren nun gerichtlich weiter verfolgte.

 

Entscheidung:

Die Klage wurde sowohl in erster, als auch in zweiter Instanz als unbegründet abgewiesen. Der Kläger konnte nicht erfolgreich vom Pferdekaufvertrag zurücktreten, denn er konnte nicht beweisen, dass sich das Western-Reitpferd aufgrund des Gendefekts nicht als Western-Reitpferd eigne. Für die Eignung als Zuchtpferd wurde hingegen ein vertraglicher Gewährleistungsausschluss vereinbart.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH genügt es für die Annahme eines Mangels im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB nicht, dass das Pferd einen genetischen Defekt aufweist, denn eine Haftung ergibt sich lediglich dann, wenn das Pferd bei Gefahrübergang krank ist oder sich in einem Zustand befindet, aufgrund dessen sicher ist oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass es alsbald erkranken wird. Nach dem Sachverständigengutachten sei dies hier jedoch nicht der Fall, denn es sei lediglich festgestellt worden, dass das Gen in dem Western-Reitpferd angelegt sei, der Ausbruch einer PSSM Erkrankung habe jedoch nicht festgestellt werden können. Es bestehe vorliegend auch keine hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Western-Reitpferd in Zukunft klinisch auffällig werde. Die Auffälligkeiten in der Rittigkeit seien nicht mit einer etwaigen PSSM Erkrankung in Verbindung zu bringen. Eine Einschränkung der Eignung des Pferdes als Western-Reitpferd konnte gutachterlich nicht festgestellt werden.

Die Frage, ob sich das Western-Reitpferd noch als Zuchtstute eigne, konnte indes offen bleiben, denn bezüglich einer Eignung als Zuchtpferd musste der Pferdeverkäufer keine Gewährleistung übernehmen. Die Beschaffenheitsvereinbarung lautete ausdrücklich auf Reitpferd. Dass sich das Western-Reitpferd auch zur Zucht eignen solle, wurde zwischen den Parteien nie besprochen und wurde auch vertraglich nicht festgehalten.

Hiergegen argumentierte der Kläger im Rahmen der Berufung, dass bereits der Gendefekt als solcher einen Mangel darstelle, denn um den Ausbruch der Krankheit dauerhaft zu verhindern, seien besondere Anforderungen an Training und Fütterung zu stellen, aber selbst dann sei ein Ausbrechen der Symptome nicht vollständig auszuschließen. Die sich aus dem Gendefekt ergebende Zuchtuntauglichkeit stelle außerdem eine Abweichung von der üblichen Beschaffenheit dar, weswegen der Gewährleistungsausschluss nicht greife. Zuletzt sei in der Ankaufsuntersuchung kein PSSM diagnostiziert worden, dementsprechend auch nicht im Untersuchungsprotokoll aufgenommen worden, so dass nach der Beschaffenheitsvereinbarung ein genetisch gesundes Western-Reitpferd gekauft worden sei.

Das Berufungsgericht folgte diesen Ansichten ebenfalls nicht. Ein Mangel liege nicht vor, da das Western-Reitpferd zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs der vereinbarten Beschaffenheit als Western-Reitpferd entsprach. Das Western-Reitpferd eignete sich auch im Zeitpunkt des Berufungsverfahrens, knapp 2,5 Jahre nach Übergabe, unstreitig als Western-Reitpferd und wurde auch als solches genutzt. Die bloße Möglichkeit, dass irgendwann in der Zukunft die PSSM-Erkrankung ausbricht und dadurch möglicherweise die Reitbarkeit gemindert wird oder gänzlich verloren geht, genügt nicht, um einen Mangel des Western-Reitpferdes bei Gefahrübergang bejahen zu können. Der Verkäufer eines Tieres haftet nicht für den Fortbestand des bei Gefahrübergang gegebenen Gesundheitszustandes. Vorliegend wurde bei dem Western-Reitpferd lediglich die genetische Veranlagung zum PSSM Typ 1 festgestellt. Hieraus ergibt sich zwar eine Prädisposition für auftretende Muskelschäden, das Western-Reitpferd ist jedoch zum Zeitpunkt der Übergabe nicht krank gewesen. Wann und ob überhaupt diese Erkrankung bei dem Western-Reitpferd ausbrechen wird, ist nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht vorhersagbar. Ein „alsbaldiger“ Krankheitsausbruch konnte daher nicht festgestellt werden.

Bezüglich des Vorbringens des Klägers, dass sich aus dem Ankaufsuntersuchungsprotokoll nicht ergibt, dass das Western-Reitpferd PSSM habe, hat das Gericht ausgeführt, dass dies unerheblich sei, denn soweit es im Vertrag heißt, dass die getroffenen tierärztlichen Feststellungen die gesundheitliche Beschaffenheit des Pferdes bestimmen, kann dies naturgemäß nur für gesundheitsrelevante Aspekte gelten, die auch Gegenstand der Ankaufuntersuchungen waren. Umstände, die von den Ankaufuntersuchungen gar nicht erfasst wurden, können daher regelmäßig auch nicht Gegenstand der den Gesundheitszustand des Pferdes betreffenden Beschaffenheitsvereinbarung sein. Die Vertragsklausel kann nicht zur Folge haben, dass alle außerhalb des Untersuchungsbereichs liegenden gesundheitlichen Defekte des Pferdes als vertraglich vereinbart gelten.

Auch der Einwand des Klägers, dass die besondere Fütterung und das Training nicht zumutbar seien greift nicht, denn der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Einhaltung dieser Vorgaben keine zwingende Voraussetzung dafür ist, dass die Erkrankung bei dem Western-Reitpferd nicht ausbricht. Diese Empfehlungen bezögen sich darauf, bereits erkrankte Pferde reitbar zu erhalten. Das Western-Reitpferd war jedoch vorliegend gar nicht erkrankt. Zwar wird es empfohlen, das Risiko einer Erkrankung durch eine angepasste Fütterung und Bewegung des Western-Reitpferdes zu verringern, dies bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass bei einem Unterlassen eines solchen Regimes eine hohe Wahrscheinlichkeit eines Krankheitsausbruchs besteht. Betroffene Pferde regelmäßig zu bewegen und kohlehydratarm zu ernähren, entspricht der normalen Versorgung eines Pferdes und ist nicht unzumutbar.

Zuletzt geht auch der Einwand des Klägers ins Leere, die Zuchtuntauglichkeit stelle eine Abweichung von der gewöhnlichen Verwendung dar. Das Berufungsgericht hat grundsätzlich angezweifelt, ob die Eignung als Zuchtstute beim Kauf eines Hobbyreitpferdes im vorliegenden Preissegment von 13.000 € überhaupt noch zur gewöhnlichen Verwendung im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 BGB gehört. Hierauf kam es aber vorliegend nicht an, da die Parteien ausdrücklich einen anderen Verwendungszweck, nämlich die Eignung als Western-Reitpferd vertraglich vereinbart hatten. Der Maßstab der Eignung zur gewöhnlichen Verwendung kommt hierbei immer erst dann zur Anwendung, wenn eine Beschaffenheitsvereinbarung fehlt. Es handelt sich insoweit lediglich um einen Auffangtatbestand, wenn keine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen wurde.

 

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