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Verladen eines Pferdes – Mitverschulden

Pferderecht/Pferdehalterhaftung: Verladen eines Pferdes – Mitverschulden

LG Münster, Urteil vom 31.07.2019 (Az. 4 O 534/16)

Der Sachverhalt:
Das klagende Land ist Dienstherrin der Geschädigten, die beim Versuch, das Pferd des Beklagten zu 1) zu verladen, von dem austretenden Pferd verletzt wurde. Beklagte zu 2) ist die Halterin des Pferdeanhängers, in den das Tier verladen werden sollte, Beklagte zu 3) die Haftpflichtversicherung des beabsichtigen Zugfahrzeugs des Pferdeanhängers.
Die Geschädigte ist eine verladeerfahrene Reiterin, die das Pferd auch schon geritten hatte. Sie wollte am 21.09.2013, während es noch dunkel war, das Pferd mithilfe der Tochter des Beklagten zu 1) in den Pferdeanhänger verladen. Dabei war ihr bekannt, dass das Pferd Verladeschwierigkeiten hatte, zudem war am Unfalltag bereits ein Verladeversuch aufgrund des Verhaltens des Pferdes misslungen. Während eines erneuten Verladeversuchs hielt sie sich im Gefahrenbereich der Hinterhufe des Pferdes auf und wurde sodann durch ein Austreten des Pferdes am Kopf unterhalb der Augenbraue verletzt.

Die Entscheidung:
Das Gericht wies die Klage als unbegründet ab.
Der Beklagte zu 1) hafte als Halter des Pferdes zwar grundsätzlich für den durch dieses herbeigeführten Schaden nach § 833 S. 1 BGB.

Allerdings sieht das Gericht das Mitverschulden der Geschädigten als derart hoch an, dass es deren Anspruch gemäß § 254 BGB um 100 Prozent kürzt.

Wisse eine erfahrene Reiterin, dass es bei dem erstmaligen Versuch, ein Pferd auf einen Anhänger zu verladen, zu erheblichen Problemen gekommen ist, und halte sie sich trotz dieser Warnsignale bei dem zweiten Verladeversuch in dem Gefahrenbereich einen Meter hinter oder seitlich hinter dem Pferd auf, rechtfertige dies nach dem LG Münster wie hier die Annahme, dass die Haftung für die Tiergefahr vollkommen zurücktrete. Die Gefahr einer solchen Reaktion hätte sich für die Geschädigte als erfahrene Reiterin aufdrängen müssen. Daher hätte sie äußerste Vorsicht walten lassen müssen, zumal, wenn nach ihrer eigenen Aussage die Beleuchtung des Anhängers nicht funktionsfähig gewesen sei. Zudem schließt sich das Gericht den Feststellungen des Sachverständigen an, nach denen das Verladen von Pferden auf Pferdeanhänger einen besonders gefahrträchtigen Vorgang darstelle, weswegen bei jedem Verladevorgang darauf geachtet werden müsse, dass sich Personen nicht in den Gefahrenbereich der Hinterhufe begäben. Das Verhalten der Geschädigten beim Verladen stelle einen elementaren Verstoß gegen die Sicherheitsgrundsätze beim Verladen von Pferden dar.

Das Gericht hielt schon die vorliegenden Umstände für ausreichend, um einen Anspruch der Geschädigten wegen ihres weit überwiegenden Mitverschuldens vollständig zu verneinen, weswegen es die zwischen den Parteien strittige Frage, ob die Geschädigte dem Pferd beim Verladen mit einer Reitgerte auf die Hinterbeine geschlagen habe, offenließ.
Aufgrund des Mitverschuldens hat auch die Klage gegen die Beklagten zu 2) und 3) keinen Erfolg.

Das Gericht verneint einen Anspruch aus der Kraftfahrzeughalterhaftung nach § 7 StVG darüber hinaus wegen § 8 Nr. 2 StVG, nach dem § 7 StVG nicht gilt, wenn der Verletzte bei dem Betrieb des Fahrzeugs tätig war. Durch ihre Mitwirkung beim Verladen des Pferdes auf den Anhänger habe die Geschädigte sich freiwillig in eine so nahe und unmittelbare Beziehung zu den sich daraus ergebenden Gefahren begeben, dass sie nach Art ihrer Tätigkeit den besonderen Gefahren des Betriebs des Gespanns mehr ausgesetzt gewesen sei als die Allgemeinheit.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Pferdehalterhaftung für Behandlungskosten nach Abwurf

Pferdehalterhaftung für Behandlungskosten nach Abwurf

LG Koblenz, Urteil vom 25.05.2022 (Az. 3 O 134/19)

Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist Halterin einer Stute, die in dem gleichen Stall untergebracht ist wie das Pferd der Geschädigten. Klägerin ist die Krankenversicherung der Geschädigten.
Die Beklagte, die aufgrund ihrer Schwangerschaft ihr Pferd zu dem Zeitpunkt nicht reiten konnte, bat die Tochter der Geschädigten, dieses gelegentlich zu reiten. Allerdings wusste sie, dass sich auch die Geschädigte und nicht nur deren Tochter um das Pferd kümmern werde.

Als die Geschädigte daraufhin am 04.12.2017 mit dem Pferd ausritt, buckelte dieses plötzlich und warf die Geschädigte ab. Infolgedessen brach sie sich ihren Arm. Die Behandlungskosten, die die Klägerin übernahm, beliefen sich auf 5.175,29 €.

Die Entscheidung:
Das LG Koblenz verurteilte die Beklagte, der Klägerin die Behandlungskosten zu erstatten.
Die Beklagte hafte als Tierhalterin nach § 833 BGB für die Schäden, die ihr Pferd durch den Abwurf verursacht habe, denn darin habe sich die tierspezifische Gefahr verwirklicht. Diese tierspezifische Gefahr sei nur dann zu verneinen, wenn es zu einem Sturz komme, obwohl das Pferd dem Willen des Reiters gefolgt sei – was dann zur Folge hätte, dass der Pferdehalter nicht haften würde.
Dieser Haftung stehe auch keine eigenverantwortliche Selbstgefährdung der Geschädigten entgegen, denn das Gericht zeigt sich davon überzeugt, dass die Beklagte wusste, dass auch die Geschädigte sich um ihr Pferd kümmern werde.
Ein Verzicht der Geschädigten auf Schadensersatzansprüche sei nicht anzunehmen, weil dieser im Ergebnis nur der Versicherung der Beklagten zugutekäme.

Eine Kürzung des Schadensersatzanspruches wegen eines Mitverschuldens der Geschädigten lehnte das Gericht ab, weil diese sich als Reiterin mit 40 Jahren Reiterfahrung keinen Risiken ausgesetzt hätte, die über die gewöhnlich zu erwartenden Gefahren hinausgingen; vielmehr habe sie sich nur der „normalen Tiergefahr“ ausgesetzt, was aber keinen Mitverschuldensvorwurf begründen könne.

Pferderecht Pferdekauf – Sachmangel – Rückabwicklung Pferdekauf wegen „Rittigkeitsproblemen“(Widersetzlichkeiten“, „Kissing Spines“)

Pferderecht Pferdekauf – Sachmangel – Rückabwicklung Pferdekauf wegen „Rittigkeitsproblemen“(Widersetzlichkeiten“, „Kissing Spines“)

Im Mai 2020 hatte der BGH sich erneut mit dem Thema „Sachmangel beim „Tierkauf“ zu befassen. (vgl. vom 27. Mai 2020 – VIII ZR 315/18). Der BGH hat im Wesentlichen seine bisherige Rechtsprechung bestätigt und ergänzt.

Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung des BGH zugrunde:

Es ging um die Frage, ob die fehlende Rittigkeit eines Pferdes ein Mangel ist. Die Klägerin erwarb in einer Auktion ein Pferd als Sportpferd. Als nach einiger Zeit Rittigkeitsprobleme mit dem Pferd auftraten, focht die Klägerin den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an. Die Rittigkeitsprobleme würden auf Mängel im Skelett, entstehende Dornenfortsätze der Wirbelsäule (sog. „Kissing Spines“), beruhen und sie verlangte vom Verkäufer Zug um Zug Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Pferdes.

In der Revision führte der BGH aus, dass zwischen den Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung in dem geschlossenen Kaufvertrag. zur gesundheitlichen Verfassung oder Rittigkeit, nicht getroffen worden war. Demnach kommt es auf die Möglichkeit der vertraglich vorausgesetzten Verwendung des Pferdes als Reitpferd an. Die Anforderungen, die bei Fehlen einer Beschaffenheitsvereinbarung an die gesundheitliche Verfassung eines Reitpferds zu stellen sind, sind herabzusetzen, denn es handele sich um ein Lebewesen.

Der Verkäufer eines Tiers hat, sofern eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen wird, (lediglich) dafür einzustehen, dass es bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem (ebenfalls vertragswidrigen) Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird (Senatsurteile vom 29. März 2006 – VIII ZR 173/05BGHZ 167, 40 Rn. 37; vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16NJW 2018, 150 Rn. 26; vom 30. Oktober 2019 – VIII ZR 69/18, aaO Rn. 25) und infolgedessen für die vertraglich vorausgesetzte (oder die gewöhnliche) Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre.

Vor diesem Hintergrund hat der Senat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferds für die vertraglich vorausgesetzte oder die gewöhnliche Verwendung als Reitpferd nicht schon dadurch beeinträchtigt wird, dass aufgrund von Abweichungen von der „physiologischen Norm“ eine (lediglich) geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln wird, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen (Senatsurteile vom 7. Februar 2007 – VIII ZR 266/06NJW 2007, 1351 Rn. 14; vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, aaO Rn. 24; vom 30. Oktober 2019 – VIII ZR 69/18, aaO Rn. 26). Ebenso wenig gehört es zur üblichen Beschaffenheit eines Tiers, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen „Idealnorm“ entspricht (Senatsurteile vom 7. Februar 2007 – VIII ZR 266/06, aaO Rn. 19; vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, aaO; vom 30. Oktober 2019 – VIII ZR 69/18, aaO).

Der Verkäufer haftet daher nur für den Gesundheitszustand bei Gefahrübergang, und nicht für die Entwicklung. Dies gilt auch für Rittigkeitsprobleme, die als Risiko bei Lebewesen keinen Mangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder 2 BGB darstellen. Auch ist ein „Kissing Spines-Befund“ nicht vom Grundsatz her vertragswidrig, sofern nicht bereits klar, oder sehr wahrscheinlich ist, dass das Pferd deswegen erkranken wird und somit für die vertraglich vorausgesetzte oder die gewöhnliche Verwendung nicht mehr einsetzbar ist.

Den Feststellungen des Berufungsgerichts war nicht zu entnehmen, dass das Pferd krank überhaupt krank war. Ein Kissing Spines-Befund, wie er hier gegeben ist, ist – wie oben ausgeführt – kein krankhafter Zustand. „Rittigkeitsprobleme“ ändern daran nichts. Eine veterinärmedizinische Definition des Begriffs der „Rittigkeitsprobleme“ existiert nicht (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag – VIII ZR 315/18, unter II 1 b bb (2) (b), zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt); etwas anderes hat auch das Berufungsgericht nicht festgestellt. Zwar hat es vereinzelt den Begriff der „Erkrankung“ genutzt. Dies beruhte jedoch darauf, dass es Widersetzlichkeiten als „klinische“ Erscheinungen angesehen hat und deshalb von einem Kissing Spines-Syndrom“ ausgegangen ist. Diese Annahme war laut BGH allerdings falsch

Das Berufungsgericht hatte fehlerhaft angenommen, das Pferd habe „klinische“ Erscheinungen beziehungsweise „klinische“ Symptome gezeigt, hier in Gestalt von Buckeln und Durchgehen. Klinische Erscheinungen eines Kissing Spines-Befunds können etwa Lahmheit, krankhafte Störungen des Bewegungsapparats oder offensichtliche Schmerzen sein. Zwar können „Rittigkeitsdefizite“ eines Pferds unter Umständen – mittelbar – auf einem Engstand der Dornfortsätze beruhen, weil Veränderungen der Dornfortsätze – wie der Sachverständige ausgeführt hat – eine mögliche Ursache von Rückenschmerzen sein können. Ein Schmerzgeschehen war vorliegend jedoch nicht in Erscheinung getreten, denn eine krankhafte (Rücken-)Symptomatik, wie etwa (Druck-)Schmerzempfindlichkeit, hatte das Berufungsgericht gerade nicht festgestellt. Daher stehen im gegebenen Fall bloße Widersetzlichkeiten beim Reiten in Rede, bei denen es sich – wie ausgeführt – nicht um klinische Erscheinungen von „Kissing Spines“ handelt. Soweit einzelne Passagen in den

Bloße Widersetzlichkeiten („Rittigkeitsmängel“) stellen aber – ohne besondere Beschaffenheitsvereinbarung oder besondere Vertragszwecke, wie etwa ein Verkauf als „Anfängerpferd“ – regelmäßig keine gewährleistungspflichtige Abweichung von der Sollbeschaffenheit eines Reitpferds dar. Gelegentliches unkontrollierbares Durchgehen eines Pferds ist zwar reiterlich unerwünscht und für Pferd und Reiter auch nicht ungefährlich, so dass es den Umgang mit dem Pferd und dessen Nutzung erschwert. Es ist jedoch für sich gesehen keine Verhaltensstörung, sondern gehört noch zum natürlichen Verhaltensmuster eines Pferds als Fluchttier (vgl. Zeitler-Feicht, Tierärztliche Praxis/Ausgabe G, 2005, 266; Voschepoth, § 476 BGB beim Pferdekauf, 2014, S. 268, 270).

Der Käufer eines lebenden Tiers kann nicht erwarten, dass er – auch ohne besondere (Beschaffenheits-)Vereinbarung – ein Tier mit „idealen“ Anlagen erhält, mit dem er gänzlich unproblematischen Umgang pflegen kann, zumal auch eine „Disharmonie“ beziehungsweise eine unzureichende Verständigung zwischen Pferd und Reiter selbst bei qualifizierten Reitern kein untypisches, sondern ein natürliches Risiko im Umgang mit dem Pferd ist (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag – VIII ZR 315/18, aaO unter II 1 b bb (3) (b)). Dies wird – aus tiermedizinischer Sicht – auch anhand des Röntgen-Leitfadens 2018 deutlich, in dem es unter anderem heißt: „Der Kauf des Lebewesens Pferd wird jedoch weiterhin […] ein nicht mit anderen ‚Handelsgütern‘ vergleichbares Risiko beinhalten […]“ (GPM-Fachinformation, aaO S. 14; siehe auch Stadler/Bemmann/Schüle, aaO S. 120).

Auch ist ein „Kissing Spines-Befund“ nicht vom Grundsatz her vertragswidrig, sofern nicht bereits klar, oder sehr wahrscheinlich ist, dass das Pferd deswegen erkranken wird und somit für die vertraglich vorausgesetzte oder die gewöhnliche Verwendung nicht mehr einsetzbar ist.

Für die Praxis bedeutet dies in Fortführung der Rechtsprechung des BGH, dass es darauf ankommt, ob die Sache für den beabsichtigten Zweck, den die Parteien dem Vertrag zugrunde gelegt haben, geeignet ist. Dabei sind der Vertragsinhalt und auch die Gesamtumstände des Vertrags zu berücksichtigen.

Nur wenn die Parteien eine bestimmte Beschaffenheit vertraglich vereinbaren, so übernimmt der Verkäufer die Gewähr für das Vorhandensein dieser Beschaffenheit. Wurde diese Beschaffenheit nicht vereinbart, so hat der Verkäufer nur dafür einzustehen, dass das Pferd bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem Zustand befindet, bei dem mit baldiger Erkrankung zu rechnen ist und es folglich für die gewöhnliche oder die vertraglich vorausgesetzte Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Konkretisierung des Mangelbegriffs beim Pferdekauf

Pferderecht

Konkretisierung des Mangelbegriffs beim Pferdekauf

Rücktritt, Nachbesserung Pferdekaufvertrag

(BGH-Urteil vom 30. Oktober 2019 – VIII ZR 69/18).

Im Oktober 2019 hatte der BGH über die Frage zu entscheiden, ob sich eine folgenlos ausgeheilte Vorerkrankungen negativ auf die Beschaffenheit des Pferdes beim Verkauf auswirken und somit einen Sachmangel begründen

Der BGH hat dies verneint.

Folgender Sachverhalt lag dem zum entscheidenden Fall zugrunde:

Die Klägerin hatte einen 8-jährigen Wallach erworben. Nach Übergabe wurde im Rahmen einer Routineuntersuchung festgestellt, dass das Pferd vor Übergabe eine Fraktur der 6., 7. und 8. Rippe erlitten hatte, die jedoch vollständig und folgenlos ausgeheilt war. Die klagende Partei (Käuferin) machte gegenüber dem Beklagten (Verkäufer) geltend, das Pferd sei aufgrund der Verletzung mangelhaft. Sie verlange Nachbesserung und erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag. Das Landgericht Karlsruhe und das Oberlandesgericht Karlsruhe gaben der Klage statt, da beide Gerichte einen Mangel für gegeben sahen.

Der BGH sah dies anders und führte aus:

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist in einer nicht vorhandenen „Freiheit von Vorverletzungen“ kein Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB zu sehen. Das Pferd wäre nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB dann mangelhaft, wenn es sich mit Rücksicht auf die Vorverletzungen für die gewöhnliche Verwendung, die unter den hier gegebenen Umständen mit der im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB vertraglich vorausgesetzten Verwendung als Reitpferd übereinstimmt (vgl. Senatsurteile vom 20. März 2019 – VIII ZR 213/18NJW 2019, 1937 Rn. 25 ff.; vom 6. Dezember 2017 – VIII ZR 219/16NJW-RR 2018, 822 Rn. 33 ff.; vom 26. April 2017 – VIII ZR 80/16NJW 2017, 2817 Rn. 16), nicht eignen oder eine Beschaffenheit nicht aufweisen würde, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB

Der Verkäufer eines Tieres hat, sofern eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen wird, (lediglich) dafür einzustehen, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem (ebenfalls vertragswidrigen) Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird (Senatsurteil vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16NJW 2018, 150 Rn. 26; siehe bereits Senatsurteil vom 29. März 2006 – VIII ZR 173/05BGHZ 167, 40 Rn. 37) und infolgedessen für die gewöhnliche (oder die vertraglich vorausgesetzte) Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre.

Vor diesem Hintergrund hat der Senat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die gewöhnliche oder die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd nicht schon dadurch beeinträchtigt wird, dass aufgrund von Abweichungen von der „physiologischen Norm“ eine (lediglich) geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln wird, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen (Senatsurteile vom 7. Februar 2007 – VIII ZR 266/06NJW 2007, 1351 Rn. 14; vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, aaO Rn. 24). Ebenso wenig gehört es zur üblichen Beschaffenheit eines Tieres, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen „Idealnorm“ entspricht (Senatsurteile vom 7. Februar 2007 – VIII ZR 266/06, aaO Rn. 19; vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, aaO). Diese Wertung trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich bei Tieren um Lebewesen handelt, die einer ständigen Entwicklung unterliegen und die – anders als Sachen – mit individuellen Anlagen ausgestattet und dementsprechend mit sich daraus ergebenden unterschiedlichen Risiken behaftet sind (Senatsurteil vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, aaO). Denn der Käufer eines lebenden Tieres kann, wie der Senat ebenfalls ausgesprochen hat, redlicherweise nicht erwarten, dass er auch ohne besondere (Beschaffenheits-)Vereinbarung ein Tier mit „idealen“ Anlagen erhält, sondern muss im Regelfall damit rechnen, dass das von ihm erworbene Tier in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufweist, wie sie für Lebewesen nicht ungewöhnlich sind (vgl. Senatsurteile vom 7. Februar 2007 – VIII ZR 266/06, aaO; vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, aaO Rn. 25). Auch die damit verbundenen Risiken für die spätere Entwicklung des Tieres sind für Lebewesen typisch und stellen für sich genommen noch keinen vertragswidrigen Zustand dar, denn der Verkäufer eines Tieres haftet nicht für den Fortbestand des bei Gefahrübergang gegebenen Gesundheitszustands (vgl. Senatsurteile vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, aaO; vom 29. März 2006 – VIII ZR 173/05, aaO).

(Das Berufungsgericht hatte im Ergebnis ein Tier mit einer ausgeheilten Fraktur letztlich wie ein als unfallfrei verkauftes Kraftfahrzeug mit einem vollständig und fachgerecht reparierten Unfallschaden (vgl. dazu Senatsurteile vom 7. Juni 2006 – VIII ZR 209/05BGHZ 168, 64 Rn. 17; vom 12. März 2008 – VIII ZR 253/05NJW 2008, 1517 Rn. 21) behandelt. Für eine Übertragung dieser Rechtsprechung ist aber nach Auffassung des BGH kein Raum.

Der BGH macht deutlich, dass die allgemeinen gesetzlichen Regelungen und Grundsätze des Kaufrechts ohne Weiteres nicht auf Lebewesen anzuwenden sind. Sie bedürfen fortwährend einer obergerichtlichen Auslegung und Anpassung. Die Entscheidung konkretisiert den Mangelbegriff beim Pferdekauf, ferner generell bei Lebewesen.

Vom Standpunkt des Verkäufers ausgesehen, ist diese Entscheidung zu begrüßen, da nochmals klar wurde, dass folgenlos ausgeheilte Verletzungen ohne Weiteres keinen Sachmangel begründen und keine Ansprüche des Käufers hervorrufen.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Kein weiteres Schmerzensgeld für Reiterin nach Schädel-Hirn-Trauma

Pressemitteilung des OLG Oldenburg vom 25.10.2021

Kein weiteres Schmerzensgeld für Reiterin nach Schädel-Hirn-Trauma

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hat mit Urteil vom 19. Oktober 2021 die Schmerzensgeldklage einer Frau aus Nordhorn gegen den Eigentümer eines Reitpferdes zurückgewiesen.

Die Reiterin hatte am Unfalltag erstmals das Pferd „Ronald“ des Beklagten geritten. Das Pferd war an diesem Tag nervös. Die nicht sehr reiterfahrene Klägerin war kurz vor dem Unfall bereits einmal mit dem Fuß aus dem Steigbügel gerutscht und hatte deswegen absteigen müssen. Sie stieg dann wieder auf. Das Pferd wechselte vom Trab in den Galopp; die Klägerin kam zu Fall und prallte mit dem Kopf gegen einen Holzpfosten. Sie war zunächst bewusstlos und erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma.

Die Klägerin hat behauptet, „Ronald“ sei auf einmal durchgegangen. Der Beklagte hafte als Eigentümer des Pferdes für die sogenannte „Tiergefahr“. Der Beklagte gab an, die Klägerin habe dem Tier durch Anpressen der Beine den Befehl zum Galopp gegeben. Das Tier habe nur gehorcht. Der Unfall beruhe daher nicht auf der Tiergefahr, sondern auf einem Reitfehler. Eine Zeugin berichtete, die Klägerin habe unsicher gewirkt, die Chemie zwischen ihr und dem Pferd habe nicht gestimmt. Das Tier sei normal und sanft in den Galopp übergegangen.

Der Senat konnte nicht feststellen, dass sich eine Tiergefahr verwirklicht habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei es auch möglich, dass die Klägerin aus Unsicherheit die Beine angepresst und damit dem Pferd den Befehl zum Galopp gegeben habe, ohne dies eigentlich zu wollen.

Die Klägerin erhält daher kein weiteres Schmerzensgeld. Die Tierhalterhaftpflichtversicherung des Beklagten hatte ihr bereits freiwillig ein Schmerzensgeld von 2.000 Euro gezahlt.

Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 19.10.2021, Az. 2 U 106/21.

Oberlandesgericht Oldenburg
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Quelle: EUDequi-Newsletter „Wissenswertes und Aktuelles aus dem Pferderecht“ | https://eudequi.de/