Keine Haftung der Pferdehalterin für die Beschädigung des Endoskops durch ihr sediertes Pferd
„Gehen der Tierarzt und seine Helfer bei einer endoskopischen Untersuchung eines Pferdes unsachgemäß vor, so bestehen keine Schadensersatzsprüche gegen den Tierhalter, wenn hierbei das Endoskop beschädigt wird.“
Oberlandesgericht Jena, Urteil vom 8. Juni 2016, Az. 7 U 573/15
Vorinstanz: Landgericht Erfurt, 3. Juli 2015, Az. 10 O 897/13
Das Sachverhalt
Die Beklagte war mit ihrem Pferd in der Klinik des klägerischen Tierarztes. Dort wurde das Pferd sediert und mittels eines Endoskops untersucht. Das Endoskop rutschte aus dem Nasengang des Pferdes heraus, fiel auf den Boden und wurde dort von den Hufen des Pferdes beschädigt. Der Tierarzt begehrt mit seiner Klage Schadensersatz von der Pferdehalterin.
Das Urteil
Das Landgericht Erfurt gab der Klage statt, das Oberlandesgericht Jena hob die Entscheidung jedoch auf.
Zwar regele § 833 Satz 1 BGB eine Gefährdungshaftung für ein sog. Luxustier, es werde allerdings in der Rechtsprechung und Rechtsliteratur unterschiedlich beurteilt, wie Fälle zu behandeln seien, in denen ein behandelnder Tierarzt durch ein Tierverhalten geschädigt würde. Zum Teil werde ein Haftungsausschluss angenommen, zum Teil werde der Schutzbereich der Norm verneint, zum Teil werde eine Lösung über ein Mitverschulden vorgeschlagen. Der BGH vertrete im Grundsatz letztere Ansicht, hielte es aber auch für möglich, dass in ganz besonders gelagerten Fällen eine Tierhalterhaftung aus grundsätzlichen Erwägungen ausgeschlossen sein könne.
Gemessen an diesen Grundsätzen komme dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass im vorliegenden Fall während der Untersuchung des Pferdes mittels Endoskop ein zweiter Tierarzthelfer, der das Endoskop hätte festhalten müssen, gefehlt habe oder – wenn er anwesend gewesen sein sollte – das Endoskop nicht richtig festgehalten habe.
Es liege daher ein Schadensfall vor, der nicht mehr vom Schutzzweck des § 833 S. 1 BGB umfasst sei und daher nicht der Beklagten zugerechnet werden könne. Es lägen die dafür erforderlichen drei maßgeblichen Kriterien vor, die den Schadensfall aus dem Schutzbereich herausfallen ließen. Zum einen sei dies der Gesichtspunkt, dass sich das Pferd außerhalb der Obhut seiner Halterin in der Obhut der Geschädigten befunden habe. Zum Zweiten, dass der ortsabwesenden Tierhalterin infolge Verbringung des Pferdes in die Tierklinik und – zur Unfallzeit – in eine Behandlungsbox jegliche Einwirkungsmöglichkeit auf das Tier entzogen gewesen sei. Zum Dritten, dass hier eine Schädigung eines Dritten (der Klägerin) entstanden sei, die bei Anwendung aller Sorgfalt hätte vermieden werden können. Eine Haftung aus § 833 S. 1 BGB sei daher unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der Norm zu verneinen.
Darüber hinaus sei hier in dem Herunterfallenlassen des Endoskops ein nach § 254 BGB derart schwerwiegendes Mitverschulden zu sehen, dass eine Gefährdungshaftung der Beklagten zurücktrete. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Sachverständige ausgeführt habe, dass die kurz nach dem Einführen des Endoskops in den Nasenkanal bei dem genannten Pferd plötzlich aufgetretene, hochgradig gesteigerte, exzitatorische Verhaltensstörung der plötzlichen Arzneimittelwirkung entspreche und bekannt sei. Dies hätte den Tierarzthelfer, dessen Verschulden sich die Klägerin nach §§ 254, 278 BGB zurechnen lassen müsse, zu einer besonderen Aufmerksamkeit beim Festhalten des Endoskops veranlassen müssen. Denn auf Seiten der Klägerin hätte die Wirkung des Sedativums und die zu erwartende Reaktion des Pferdes bekannt sein müssen. Auch könne allenfalls das Herausrutschen des Endoskops aus der Nasenhöhle als typische Folge der Pferdegefahr angesehen werden, das Herunterfallen desselben aber nicht, denn nach den Ausführungen des Sachverständigen hätte ein Tierarzthelfer das Endoskop festhalten müssen.
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Rechtsanwältin Susan Beaucamp