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Pferdetierarzt bei Untersuchung – Schadensersatz oder Berufsrisiko –

Pferdehalterhaftung

BGH, Urteil vom 17.03.2009 – VI ZR 166/08

Sachverhalt:

Der Beklagte hatte seinen 700 kg schweren Araber auf dem Hof des Zeugen B untergebracht. Am 23.10.2006 sollte der klagende Tierarzt eine Untersuchung des Pferdes durchführen. Als er bei dem Pferd eine rektale Fiebermessung versuchte, wurde er von dem Pferd getreten und zog sich einen Trümmerbruch zu.

Mit seiner Klage vor dem Landgericht begehrte er vor allem den Ersatz seines Verdienstausfalls.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Eine Tierhalterhaftung nach § 833 BGB sei ausgeschlossen, wenn es vertragliche Absprachen mit dem Tierhalter gab, Verrichtungen an dem Pferd vorzunehmen. Die Berufung des Klägers hatte ebenfalls keinen Erfolg. Er ging in Revision.

 

Entscheidung:

Die Revision hatte Erfolg. Der BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Vorliegend träfen die Tierhalterhaftung (Pferdehalterhaftung) (Gefährdungshaftung) und die Berufsrisiken eines Tierarztes aufeinander, wodurch eine Lösung gefunden werden müsse, die beiden Parteien gerecht werde. Das Berufungsgericht schloss sich nicht der Auffassung des Berufungsgerichtes an, wonach in den Fällen, in denen ein Tierarzt gegen ein Entgelt Verrichtungen an einem Pferd durchführt, die Vorschrift des § 833 BGB nicht greife. Dies würde die Tierhalterhaftung zu sehr aufweichen; vor allem weil es gerade hier die vom § 833 BGB erfasste typische Tiergefahr sei, die sich in dem Tritt des Pferdes realisiert habe. Die Vorschrift des § 833 BGB sei mithin anwendbar.

Ebenfalls könne der, der Verrichtung zugrunde liegende Behandlungsvertrag, nicht automatisch zu einem Haftungsausschluss führen. Ein solcher Haftungsausschluss müsse ausdrücklich vereinbart worden sein oder sich aus ergänzender Vertragsauslegung ergeben, was vorliegend nicht der Fall sei.

Ber BGH kritisierte auch die Annahme einer Haftungsfreistellung der Beklagten durch das Berufungsgericht mit der Begründung, gerade die Tätigkeit des Tierarztes sei es gewesen, die die besondere Gefahr des Tieres provoziert habe. Damit habe er das mit der Ausübung seines Berufes typische Risiko übernommen. Es wäre seine Aufgabe gewesen, Vorkehrungen bezüglich einer entsprechenden Versicherung zu treffen.

Dieser Ansicht war laut BGH ebenfalls nicht zu folgen, da eine vollständige Haftungsfreistellung des Pferdehalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Frage komme. „Von einem Handeln auf eigene Gefahr im Rechtssinne kann nur dann die Rede sein, wenn sich jemand in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen, ohne dass dafür ein triftiger – rechtlicher, beruflicher oder sittlicher – Grund vorliegt“ (Senatsurteil BGHZ 34, BGHZ Band 34 Seite 355, BGHZ Band 34 358; BGB-RGRK/ Steffen, 12. Aufl., § 833 Rn. 64). Ein solcher Ausnahmefall liege nicht vor, wenn sich ein Tierarzt in Ausübung seiner Tätigkeit einer Tiergefahr ausgesetzt habe. Inwieweit das Handeln des Klägers mitverantwortlich für den Schaden sei, müsse im Rahmen des Mitverschuldens gemäß § 254 BGB auf Schadensebene geklärt werden.

Mithin sei das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dort müsse nunmehr ein Mitverursachungsbeitrag des Klägers untersucht werden und falls eine Haftung der Beklagten verbleibe, die Schadenshöhe bestimmt werden.

 

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Susan Beaucamp

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Wenn das Pferd beim Verladen austritt – zur Haftung des Pferdehalters?

Sachverhalt:

Die Beklagte erlaubte der Klägerin das gelegentliche Ausreiten ihres Pferdes. Da die Klägerin auch in größerer Entfernung vom Stall reiten gehen wollte, musste sie das Pferd für den Pferdetransport zum gewünschten Ort in einen Pferdeanhänger verladen. Dieser Prozess gestaltete sich beim ersten Mal ziemlich schwer, weil das Pferd nicht so richtig mitspielte. Es gelang dann doch nach langen Bemühungen. Um den Pferdetransport zu erleichtern, beschloss die Klägerin das Verladen des Pferdes einige Zeit später zu üben, als sie wieder mit dem Gedanken spielte, weiter weg vom Stall zu reiten. Dabei trat das Pferd die Klägerin, die sich nah an den Hinterbeinen befand, und verletzte diese im Bauch- und Brustbereich.

Die Klägerin verlangte von der Halterin des Pferdes Schadensersatz für ihre Verletzungen.  Nach § 833 S. 1 BGB haftet grundsätzlich der Halter für Schäden, die dadurch entstehen, dass das Tier den Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt. Vorliegend war die Beklagte Halterin des besagten Pferdes, sodass die Voraussetzungen für einen Schadenersatz grundsätzlich vorlagen.

Die Beklagte konnte sich auch nicht nach § 833 S. 2 BGB entlasten, da das Pferd der Beklagten weder ihrem Beruf, ihrer Erwerbstätigkeit oder ihrem Unterhalt gedient hat. Dann würden andere Haftungsbeschränkungen gelten. Es besteht dann die Möglichkeit, sich zu exkulpieren, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt eingehalten wurde, man also nicht fährlässig handelte.

Da das Pferd lediglich der Freizeit diente, bestand die Möglichkeit für die Beklagte nicht, sodass sie eigentlich als Halterin des Pferdes haften muss.

 

Entscheidung:

Das OLG Düsseldorf wies die Berufung der Klägerin zurück.

Die Klägerin habe im vorliegenden Fall nach § 254 BGB ein so erhebliches Mitverschulden an dem Schaden gehabt, dass die Haftung der Pferdehalterin komplett zurücktrete.

Bezüglich der Tierhalterhaftung liege ein erheblicher Schadensbeitrag des Geschädigten vor, wenn dieser selbst ein erhöhtes Risiko für Verletzungen geschaffen habe, obwohl er dieses Risiko hätte erkennen und vermeiden können. Wie die Gefahrenverantwortung des Tierhalters und der Schadensbeitrag des Geschädigten abzuwägen seien, bestimme sich nach Zutun des Geschädigten und der Schwere des Sorgfaltsverstoßes gegen die eigene Sicherheit.  

Die Klägerin im vorliegenden Fall sei eine langjährige Reiterin, wie sie von sich selbst behauptete. Ihre Reiterfahrung bemesse sich nach eigenen Angaben auf acht Jahre. Deshalb argumentierte das Gericht, dass die Klägerin sich der Gefahr, die von einem gestressten Pferd ausgehe, hätte bewusst sein müssen. Vor allem dann, wenn man sich hinter dem Pferd befinde und leicht von dessen Hinterhufen erfasst werden könne. Bereits die Erfahrung des ersten Verladens hätte die Klägerin für ein sorgfältiges Verhalten sensibilisieren müssen, da das Pferd erst nach langen und intensiven Bemühungen in den Pferdeanhänger gestiegen sei. Indem sich also die Klägerin trotz dieser Warnsignale beim erneuten Verladeversuch im Gefahrenbereich direkt hinter das Pferd stellte,  habe sie in erheblicher Weise ihre eigene Sicherheit vernachlässigt.

Auch ein Urteil, was die Klägerin anführte, um ihr Mitverschulden auszuschließen, sei mit dem vorliegenden nicht vergleichbar gewesen. In diesem Urteil wurde eine Reitschülerin beim Durchqueren einer engen Gasse von einem angebundenen Pferd getreten. Hierbei wurde ein Mitverschulden der Verletzten verneint und die Beklagte musste haften.

Auch, wenn die Gefahrenlage grundsätzlich  dieselbe gewesen sei, läge hier laut dem Gericht eine völlig andere Situation vor. Zum einen müsse eine erfahrene Reiterin das Verhalten eines Pferdes besser einschätzen können als eine unerfahrene Reitschülerin und zum anderen habe hier die Klägerin das Pferd und sich selbst willentlich in die stressige Situation gebracht.

Weiterhin hatte die Klägerin behauptet, dass sie bei beim Verladen allein im Interesse der Beklagten gehandelt habe. Da aber aus den Sachverhaltsschilderungen der Klägerin hervorgeht, dass sie selbst Ausritte in weiterer Entfernung vom Stall machen wollte, ist das Gericht davon ausgegangen, dass die Klägerin wenigstens auch eigene Interessen verfolgt habe.

Das OLG Düsseldorf entschied unter Betrachtung der genannten Punkte, dass die Haftung der Pferdehalterin zurücktritt und die Klägerin keinen Anspruch auf Schadensersatz nach § 833 S.1 BGB hat.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

Entlaufene Ponys – Wer übernimmt die Kosten des Polizeieinsatzes?

Kostenerstattung für Polizeieinsatz bei entlaufenen Ponys

VG Trier, Urteil vom 26.06.2012 – 1 K 387/12.TR

 

Der Kläger wendet mit seiner Klage gegen einen Kostenbescheid für einen Polizeieinsatz.

Er ist Eigentümer und Halter von mehreren Ponys, die eines Morgens von ihrer Weide ausgebrochen waren und unmittelbar neben einer stark befahrenen Bundesstraße herumliefen. Ein Autofahrer bemerkte die Ponys und verständigte die Polizei, die  zwei Beamte los schickte, die Ponys zu suchen und einzufangen, sowie gegebenenfalls die Straße zu sichern. Die Beamten verständigten sogleich den Kläger, den sie als Tierhalter vermuteten. Auch der Kläger machte sich  auf den Weg zu den Ponys. Mit dem Streifenwagen wurden diese auf eine Weide getrieben, wo sie von dem Kläger eingefangen und verladen wurden. Mit Bescheid forderte die Beklagte von dem Kläger Gebühren und Auslagen für den Einsatz in Höhe von rund 200€. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er ist der Ansicht, er sei nicht für das Ausbrechen der Ponys verantwortlich gewesen, er habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt eingehalten. Ursächlich für den Ausbruch sei ein abgebrochener Ast gewesen, der von einem Baum des Nachbargrundstückes auf den Zaun gefallen sei und ihn zerstört habe. Erst kurz zuvor habe er den an sich ausbruchsicheren Breitbandelektrodraht auf seine Funktionsfähigkeit hin überprüft.

Der Widerspruch wurde zurückgewiesen. Der Einsatz sei zur Gewährleistung der Sicherheit des Straßenverkehrs erforderlich und unaufschiebbar gewesen. Die Bundesstraße sei stark befahren und gefährlich. Der Kläger sei als Tierhalter verschuldensunabhängig verantwortlich, zudem seien die Ponys bereits mehrfach ausgebrochen und hätten Polizeieinsätze ausgelöst.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Klage ist unbegründet. Der Kostenbescheid war rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage für die Gebührenfestsetzung ist §§ 1 I Nr.1, 2 I, 10 i.V.m. § 24 I, II LGebG RLP. Voraussetzung für die Begründung von Gebührenpflichten ist, dass zwischen der kostenverursachenden Leistung der Verwaltung und dem Gebührenschuldner eine besondere Beziehung besteht, die es gestattet, die Amtshandlung dem Gebührenschuldner individuell zuzurechnen. In dieser Zurechenbarkeit liegt die Rechtfertigung dafür, dass die Verwaltungshandlung nicht aus allgemeinen Steuermitteln, sondern ganz oder teilweise zu Lasten des Schuldners über Sonderlasten finanziert wird. Der Gebührentatbestand knüpft an die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme durch die Polizei an, die jedenfalls dem Pflichtenkreis des Gebührenschuldners zuzuordnen ist.

Es bestehen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einsatzes. Trotz Benachrichtigung des Klägers war er im Sinne der Gewährleistung der effektiven Gefahrenabwehr im Bereich der Bundesstraße erforderlich.

Der Kläger ist Verantwortlicher im Sinne des § 5 I und II POG RLP. Die Maßnahme erging auch in seinem Interesse. Nach § 5 POG können bei einer von einem Tier ausgehenden Gefahr Maßnahmen gegen den Eigentümer oder einen anderen Berechtigten gerichtet werden. Vorliegend war der Kläger sowohl Eigentümer als auch Tierhalter der entflohenen Ponys. Die hier maßgeblichen Vorschriften des Polizeirechts sind zudem verschuldensunabhängig. Die Rechtsgedanken der zivilrechtlichen Bestimmungen der §§ 833 und 834 BGB sind hier nicht übertragbar. Im öffentlichen Recht ist allein die effektive Gefahrenabwehr und eine angemessene und vertretbare Zurechnung der entstandenen Kosten maßgeblich. Es ist daher im polizeirechtlichen Sinne unerheblich, dass der Zaun durch einen herabgefallenen Ast eines Baumes vom Nachbargrundstück beschädigt wurde. Von der Kostenauferlegung kann allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit abgesehen werden, wenn die sogenannte Opfergrenze überschritten wird. Ein solcher Fall der übermäßigen und nicht hinnehmbaren Inanspruchnahme liegt hier jedoch nicht vor, bei Kosten von nur etwas über zweihundert Euro. Bei der Störerauswahl durfte die Beklagte zudem berücksichtigen, dass der Kläger der Polizei als Verantwortlicher bekannt war und es im Hinblick auf die Ponys des Klägers schon mehrfach zu Polizeieinsätzen gekommen war.

Die Klage war daher abzuweisen.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

 

Durchgehende Pferde – Haftungsansprüche gegen den Hundehalter?

Pferd erschrickt durch Hundepfeife

OLG Karlsruhe, Urteil vom 03.08.2017 – 7 U 200/16

 

Sachverhalt:

Der Kläger befand sich gemeinsam mit einem weiteren Reiter auf einem Ausritt. Dabei begegneten sie der Beklagten, die mit ihrem Hund, der unangeleint war, spazieren ging. Als der Hund die Pferde erblickte, näherte er sich ihnen und entfernte sich von der Beklagten. Um den Hund zu sich zurück zu holen und ihn von den Pferden abzurufen, pfiff die Beklagte zunächst einmal mit der Hundepfeife, danach noch mindestens ein weiteres Mal. Der Hund kam daraufhin zu ihr zurück,  die Pferde erschraken jedoch und gingen durch, wobei der Kläger stürzte und sich verletzte. Der Kläger begehrte materiellen und immateriellen Schadensersatz von der Beklagten aufgrund seiner erlittenen Verletzungen.

 

Entscheidung:

In der ersten Instanz hatte das Landgericht dem Kläger dem Grunde nach einen Anspruch zugestanden, diesen jedoch im Rahmen des Mitverschuldens auf eine Haftungsquote von 30% gekürzt. Gegen diese Entscheidung hatten beide Parteien Berufung eingelegt.

Das OLG lehnte einen Anspruch des Klägers aus unerlaubter Handlung sowie der Tierhalterhaftung vollständig ab.

Das Gericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass ein Anspruch aus Tierhalterhaftung nach § 833 BGB bereits deswegen ausscheide, weil der Kläger selbst mehrfach dargelegt hatte, dass sich die Pferde nicht vor dem Hund erschreckt hätten, sondern vor den Pfiffen der Beklagten mit der Hundepfeife. Insofern hat sich nicht die maßgebliche Tiergefahr verwirklicht, sondern ein auf den Willensentschluss der Beklagten zurückzuführendes Verhalten. Die Pferde haben nicht auf ein tierisches Verhalten reagiert, sondern auf ein menschliches, weswegen eine Haftung aus § 833 BGB nicht in Frage kommt.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus unerlaubter Handlung der Beklagten gemäß §§ 823 Abs.1, 2 BGB, denn das Ausführen des Hundes und das Pfeifen mit der Hundepfeife stellten an dieser Örtlichkeit ein erlaubtes, sozialadäquates Verhalten dar. Es ist der Beklagten nicht als fahrlässige Verletzungshandlung vorzuwerfen, dass sie durch das Pfeifen ihren Hund davon abhalten wollte, den Pferden weiter zu folgen. Die Pfiffe mit der Hundepfeife waren eine angemessene und naheliegende Reaktion auf das Verhalten des Hundes. Daran ändert sich auch nichts, weil die Beklagte mehrfach gepfiffen hat, denn es steht nicht fest, dass die Beklagte nach dem ersten Pfiff wahrgenommen habe, dass sich die Pferde aufgrund der Geräusche erschreckten. Sie hat angegeben, dass sie keine Reaktion der Pferde auf die Pfiffe wahrgenommen habe. Hinzu kommt, dass sich vorliegend das allgemeine Lebensrisiko der Reiter verwirklicht hat, dass die Pferde auf ein unerwartetes lautes Geräusch reagieren. Dieses hätte sich auch bei jedem anderen unerwarteten lauten Geräusch ergeben.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Haftungsausschluss bei unentgeltlicher Überlassung eines Reitpferdes für einen Ausritt

Tierhalterhaftung: Haftungsausschluss bei unentgeltlicher Überlassung eines Reitpferdes für einen Ausritt

Wird vor der unentgeltlichen Überlassung eines Reitpferdes für einen Ausritt zwischen Ver- und Entleiher individuell ein Haftungsausschluss mündlich vereinbart, da der Eigentümer mangels einer Versicherung für Schäden aus Reitunfällen eine Haftung ablehnt, wenn sich der Reiter des Pferdes beim Ausritt verletzen sollte, so ist dies grundsätzlich zulässig und stellt im Verletzungsfall insbesondere keinen Vertrag zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung des beim Ausreiten verunfallten Reiters dar.“

Oberlandesgericht München, Urteil vom 23. März 2016 – 8 U 4804/15

Vorinstanz: Landgericht Passau, Urteil vom 23. November 2015, Az. 1 O 518/15

Der Sachverhalt

Die Klägerin verlangt als gesetzliche Krankenkasse der Zeugin „S“ vom Beklagten als Halter des Reitpferdes „G.“ die Erstattung der Heil- und Pflegekosten, die durch den Reitunfall vom 24.03.2012 entstanden sind.

Die Zeugin „S“ unternahm mit dem ihr vom Beklagten unentgeltlich überlassenen Reitpferd „G. “ am 23.04.2012 einen Ausritt ins Gelände. Als „G.“ scheute, stürzte sie vom Pferd, wobei sie sich eine Sprunggelenksfraktur zuzog, die operativ versorgt werden musste.

Der Beklagte lehnte eine Haftung mit der Begründung ab, dass er mit der Zeugin „S“ mündlich vereinbart habe, dass der Ausritt auf eigene Gefahr erfolge und dass er nicht hafte, wenn sie vom Pferd falle.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass kein wirksamer Haftungsausschluss vereinbart worden sei, weil die Vereinbarung zu vage formuliert gewesen sei und außerdem einen Vertrag zu Lasten Dritter darstelle. Ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter liege vor, wenn durch ihn unmittelbar eine Rechtspflicht eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten entstehen solle.

Das Urteil

Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht wiesen die Klage ab.

Ein Haftungsausschluss sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Überlassung eines Reitpferdes für einen Ausritt grundsätzlich zulässig.

Der Bundesgerichtshof lasse die Annahme eines konkludent vereinbarten Haftungsausschlusses dann zu, wenn die Überlassung des Reitpferdes unentgeltlich aus reiner Gefälligkeit erfolgte.

Im vorliegenden Fall sei das Pferd „G.“ der Zeugin „S“ unstreitig aus reiner Gefälligkeit unentgeltlich für einen Ausritt überlassen worden, so dass allein deshalb schon ein Haftungsausschluss anzunehmen wäre.

Der Beklagte habe hier jedoch mit der volljährigen und damit vollgeschäftsfähigen Zeugin „S“ individuell einen Haftungsausschluss mündlich vereinbart. Eine solche Vereinbarung habe die Zeugin „S“ bestätigt. Sie habe bekundet, dass sie vereinbarungsgemäß den Ausritt auf „eigene Gefahr“ unternommen habe sowie dass zwischen ihr und dem Beklagten klar gewesen sei, dass er mangels einer Versicherung für Schäden aus Reitunfällen eine Haftung ablehne, wenn sie sich beim Ausritt verletze.

Weitere Zeugen hätten übereinstimmend angegeben, dass der Beklagte mit jeder Person, der er unentgeltlich ein Pferd für einen Ausritt überlasse, mündlich einen Haftungsausschluss vereinbare.

Diese individuell getroffene mündliche Vereinbarung über einen sei ausreichend bestimmt gewesen. Der Zeugin „S“, die gegen den Beklagten keine Ansprüche geltend gemacht habe, sei nach ihrer Aussage klar gewesen, dass sie die Folgen eines Sturzes vom Pferd alleine zu tragen habe und dass der Beklagte mangels einer Versicherung für Schäden aus Reitunfällen eine Haftung bei einem Sturz vom Pferd ablehne.

Der zwischen dem Beklagten und der Zeugin Stefanie H. individuell vereinbarte Haftungsausschluss stelle auch keinen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter dar.

Ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter sei dadurch gekennzeichnet, dass die Vertragspartner einen Dritten unmittelbar durch den von ihnen abgeschlossenen Vertrag belasten, ohne dass der Dritte in die Vertragsgestaltung eingeschaltet gewesen sei. In der Regel gehe es bei den Verträgen zu Lasten Dritter um Leistungspflichten, die dem Dritten ohne seine Zustimmung unmittelbar durch den Vertrag aufgezwungen werden sollen.

Kein solcher Vertrag zu Lasten Dritter liege somit vor, wenn sich die Leistungspflicht des Dritten nicht unmittelbar aus dem von den anderen Personen geschlossenen Vertrag, sondern aus dem Gesetz oder aus einem anderen Vertrag ergebe, den der leistungspflichtige Dritte mit dem Anspruchsteller abgeschlossen habe.

Im vorliegenden Fall sei die Leistungspflicht der Klägerin nicht durch den zwischen dem Beklagten und der Zeugin „S“ individuell mündlich vereinbarten Haftungsausschluss, sondern dadurch begründet worden, dass die Zeugin „S“ bei der Klägerin gesetzlich krankenversichert gewesen sei. Die Pflicht der Klägerin für die durch den Reitunfall verursachten Heil- und Pflegekosten aufzukommen hätten sich also aus dem mit der Zeugin „S“ eingegangenen Versicherungsverhältnis bzw. aus dem Sozialgesetzbuch V ergeben.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp