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Kein anfängertaugliches Pferd – Rücktritt vom Pferdekaufvertrag

OLG Oldenburg, Urt. v. 01.02.2018 – 1 U 51/16

 

Sachverhalt:

Die Klägerin, eine in New York wohnhafte Reiterin, wollte für sich ein anfängertaugliches Pferd kaufen. Da sie erst im gehobeneren Alter überhaupt mit dem Reiten angefangen hatte und dementsprechend noch wenig Erfahrung hatte, suchte sie nach einem braven, leichtrittigen, lektionssicheren und anfängertauglichen Pferd. Der Beklagte bot ihr dazu das Pferd „C“ an, welches nach seiner Aussage all diese Attribute erfülle. Nachdem die Klägerin das Pferd drei Mal zur Probe ritt, kaufte sie es zum Preis von 55.000€. Kurze Zeit später stellte sich jedoch heraus, dass das Pferd sich nicht so einfach im Umgang darstellte. Dies äußerte sich darin, dass es sich kaum longieren ließ und beim Aufsteigen festgehalten werden musste. Die Käuferin erklärte daraufhin den Rücktritt wegen eines Sachmangels, da das Pferd nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweise. Der Beklagte blieb bei seiner Ansicht, dass es sich bei „C“ um ein braves und leicht zu handhabendes Pferd handele, so dass es zum Rechtsstreit kam.

 

Entscheidungsgründe:

Das OLG Oldenburg gab der Klägerin Recht, denn das Pferd entspreche nicht der Beschaffenheitsvereinbarung. Nach dieser Vereinbarung sollte das Pferd brav und leicht zu handhaben sein. Nach Aussage mehrerer Zeugen und des Sachverständigen stellte es sich jedoch so dar, dass das Pferd sehr nervös sei, sich in der Box nicht anfassen lasse und unberechenbar sei. Bei „C“ handele es sich um ein sehr sensibles Pferd, für dessen Handhabung besondere Erfahrungen im Umgang mit Pferden notwendig seien, weswegen es für Anfänger, wie die Klägerin, gerade nicht geeignet sei. Nach Ansicht des Gerichts sei das Rücktrittsrecht auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom Mangel hatte, denn es könne nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Umstand der Klägerin bei den Proberitten hätte auffallen müssen. Die Aufforderung zur Nacherfüllung unter Setzung einer Frist war vorliegend entbehrlich, da die Nachlieferung eines anderen Pferdes ausscheide. Die Parteien haben sich nämlich auf den Kauf dieses bestimmten Pferdes geeignet und nicht auf die Lieferung eines austauschbaren Pferdes.  

Interessant sind hierzu die Ausführungen des OLG Hamm – 19 U 132/11 in Bezug auf ein zum Steigen neigendes Pferd. Das Gericht hat hier ausgeführt, dass bei Verhaltensauffälligkeiten nicht automatisch die Nacherfüllung in Form der Nachbesserung ausgeschlossen sein muss, denn es könnte möglich sein, dass diese therapierbar sind. Mit diesem Aspekt scheint sich das OLG Oldenburg jedoch gar nicht befasst zu haben.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

 

Mangelhaftigkeit eines Pferdes

Mangelhaftigkeit eines Pferdes

„Nacherfüllung kommt vor Rücktritt“

 

Stellt sich nach dem Kauf eines Pferdes heraus, dass dieses unter einem Mangel leidet, so liegt der Wunsch, den Kauf schnellst möglich rückabzuwickeln, nahe. Doch hierbei gibt es einiges zu beachten, denn wer vorschnell dem Verkäufer den Rücktritt vom Vertrag erklärt, läuft Gefahr seine Gewährleistungsrechte zu verlieren.

 

Voraussetzung für den Rücktritt vom Kaufvertrag ist selbstverständlich zunächst das Vorliegen eines Mangels im Sinne des § 434 BGB. Sodann ist der Käufer gemäß § 439 BGB zunächst dazu verpflichtet, dem Käufer die Möglichkeit zur Nachlieferung beziehungsweise zur Nachbesserung einzuräumen. Grundsätzlich hat der Verkäufer zwischen diesen beiden Varianten ein Wahlrecht. Die Nacherfüllung hat grundsätzlich Vorrang vor allen anderen Rechtsbehelfen des § 437 BGB. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass der Verkäufer eine Chance zur ordnungsgemäßen Erfüllung erhält, bevor sich der Käufer samt aller wirtschaftlicher Folgen vom Vertrag lösen kann.

Eine Ausnahme vom Vorrang der Nacherfüllung besteht jedoch, wenn der Mangel des Pferdes nicht behoben werden kann, z.B. durch eine tierärztliche Behandlung, oder der Verkäufer kein gleichwertiges mangelfreies Pferd beschaffen kann. In diesem Fall wäre die Nacherfüllung unmöglich.

 

Die Beschaffung eines gleichwertigen Pferdes ist grundsätzlich zulässig, solange dies die nach dem Vertrag vorausgesetzten Eigenschaften aufweist. Das Recht des Verkäufers auf Nachlieferung beim Stückkauf ist dabei um so schwächer, je individueller die Kriterien sind, die dem Kauf des Pferdes zu Grunde liegen. War das Kriterium beim Kauf lediglich ein „braves Freizeitpferd“, so ist die Ersatzbeschaffung eines solchen recht unproblematisch (vgl. LG Hildesheim – 7 S 21/07), geht es jedoch um ein Zuchttier mit spezieller Abstammung, so wird dies um so schwieriger.

Ob ein Mangel durch Nachbesserung beseitigt werden kann, lässt sich häufig nur durch eine tierärztliche Untersuchung feststellen. Bei einer Lahmheit zum Beispiel, welche durch einen Chip hervorgerufen wird, ist eine Nacherfüllung möglich, wenn der Chip durch eine Operation folgenlos beseitigt werden kann und die Operation keine weiteren gesundheitlichen Risiken für das Pferd mit sich bringt (vgl. Staudinger, § 439 Rn. 32).

Dem Käufer eines Pferdes ist daher beim Auftreten eines Mangels dazu geraten, den Verkäufer davon zunächst in Kenntnis zu setzen und ihn unter Setzung einer angemessenen Frist zur Nachlieferung oder Nachbesserung aufzufordern und nicht gleich den Rücktritt vom zu erklären, denn ansonsten läuft er Gefahr seine Gewährleistungsrechte zu verlieren.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp