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Selbstvornahme beim Kauf eines kranken Pferdes

“periodische Augenentzündung” Mangel

Schadensersatz

BGH, Urteil vom 07.12.2005 – VIII ZR 126/05

Sachverhalt:

Am 08.02.2003 tauschten die Parteien einen Wallach der Klägerin gegen eine Stute des Beklagten. Die Klägerin stellte am 01.04.2003 bei der von ihr erworbenen Stute eine so genannte periodische Augenentzündung fest. Sie ließ das Pferd tierärztlich behandeln und am 07.09.2003 sowie am 21.11.2003 operieren. Im Zuge ihrer Klage verlangte sie Ersatz der Behandlungs- und Operationskosten in Höhe von 1933,47 Euro nebst Zinsen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die daraufhin eingelegte Berufung der Klägerin hatte Erfolg.

Der Beklagte habe der Klägerin die von ihr aufgewendeten Behandlungskosten als ersparte Aufwendungen wegen mangelhafter Erfüllung des Tauschvertrags gemäß §§ 480, 437, 439 Abs. 2, 275 Abs. 1, 326 Abs. 2 BGB (analog) zu erstatten, so das Berufungsgericht. Zwar seien Gewährleistungsansprüche grundsätzlich nur möglich, wenn der Käufer einer mangelbehafteten Sache dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung einräume. Allerdings ist die Fristsetzung nicht erforderlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die es dem Käufer nicht zumuten, mit der Beseitigung des Mangels zu warten, § 440 BGB. Solche Umstände hat das Berufungsgericht vorliegend aus Tierschutzgründen bejaht. Ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280, 281 BGB komme jedoch nicht in Betracht, weil der Beklagte die Augenentzündung des Pferdes nicht zu vertreten habe. Die Klägerin könne jedoch vom Beklagten in entsprechender Anwendung von § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB die Erstattung derjenigen Aufwendungen verlangen, die der Beklagte durch die zur Mangelbeseitigung erforderliche Behandlung erspart habe.

Gegen dieses Urteil legte der Beklagte Revision ein.

 

Entscheidung:

„Scheitert ein Anspruch des Käufers auf Schadensersatz statt der Leistung wegen eines Mangels daran, dass der Verkäufer den Mangel nicht zu vertreten hat, so kann der Käufer die Kosten, die ihm dadurch entstanden sind, dass er den Mangel selbst beseitigt hat, auch dann nicht nach § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB ersetzt verlangen, wenn es ihm aus besonderen Gründen nicht zuzumuten war, dem Verkäufer Gelegenheit zur Nacherfüllung zu geben.“

Die Revision hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten für die von ihr selbst veranlasste Behandlung und Operation des Pferdes nicht zustehe, weil sie es versäumt habe, dem Beklagten die Gelegenheit zu geben, das Pferd wegen der Augenentzündung tierärztlich behandeln zu lassen.

Einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 480, 437 Nr.3, 440, 280, 281 BGB habe das Berufungsgericht zutreffend verneint. Allerdings resultiere dies nicht daraus, dass der Beklagte weder die aufgetretene Erkrankung, noch die unterbliebene Mängelbeseitigung nicht zu vertreten habe. Vielmehr bleibe der Klägerin ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung verwehrt, weil sie den Beklagten nicht zur Mängelbeseitigung aufgefordert habe, obwohl ihr dies zumutbar gewesen wäre.

Beim Kauf von Tieren könnten ausnahmsweise Umstände vorliegen, die eine sofortige Geltendmachung auf Ersatz der Kosten bei einer Selbstvornahme rechtfertigen, so das Gericht. Das sei dann der Fall, wenn der Zustand des Tieres eine unverzügliche tierärztliche Behandlung als Notmaßnahme erforderlich erscheinen lasse, die vom Verkäufer nicht rechtzeitig veranlasst werden könne. Diese Voraussetzungen an eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung seien vorliegend vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden und ergäben sich im Übrigen auch nicht für das Revisionsgericht.

Das Revisionsgericht führte weiterhin aus, dass der vom Berufungsgericht geltend gemachte Anspruch aus § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht anwendbar sei. Ein Käufer, der einen Mangel selbst beseitigt, ohne dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt zu haben, verliere nicht nur den Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung, sondern auch den Anspruch aus § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB (analog) auf Ersatz der vom Verkäufer ersparten Aufwendungen für die Mängelbeseitigung (Senat, BGHZ 162, BGHZ Band 162 Seite 219 = NJW 2005, NJW Jahr 2005 Seite 1348 [unter II 2]; NJW 2005, NJW Jahr 2005 Seite 3211 [unter II 1]). Der Senat begründete seine Argumentation damit, dass die §§ 437 ff. BGB alle Konstellationen der Mängelbeseitigung und Nacherfüllungsansprüche regelten, sodass eine unmittelbare oder analoge Anwendung der § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB solche Fälle ausgeschlossen sei. Im Ergebnis stünde sonst dem Käufer ein Selbstvornahmerecht auf Kosten des Verkäufers zu, auf das der Gesetzgeber aber bewusst verzichtet habe.

Selbst dann, wenn ein Ausnahmefall vorgelegen hätte, bei dem eine Fristsetzung zur Nacherfüllung unzumutbar für die Beklagte gewesen wäre, stünde der Beklagten entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kein Anspruch gemäß §§ 326 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 BGB (analog) auf Ersatz der von ihr aufgewendeten Kosten zu, weil der Beklagte den Umstand für die Erkrankung des Pferdes nicht zu vertreten habe.  

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Rücktritt vom Pferdekaufvertrag

 

  • Beschaffenheitsvereinbarung beim Pferdekaufvertrag 
  • subjektive Einschätzungen

 

OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.09.2005 – 22 U 82/05

Sachverhalt:

Die Klägerin erwarb am 18.05.2002 von dem Beklagten das Pferd „P“ nebst Zubehör (Sattel/Trense für einen Kaufpreis von 4.000 Euro als Freizeitpferd. Nachdem das Pferd übergeben wurde, verhielt es sich nach Ansicht der Klägerin kopfscheu, nervös und unwillig. die Klägerin erklärte daraufhin den Rücktritt vom Pferdekaufvertrag, da das Pferd für den vereinbarten Verwendungszweck (Beschaffenheit) nicht geeignet und verlangte von dem Beklagten am 28.05.2002 die Rückzahlung all ihrer Kosten, bestehend aus Kaufpreis, Hufschmiedkosten, Tierarztkosten, Unterstellkosten sowie den Kosten für den Kauf eines neuen Sattels in Höhe von 9.903,99 Euro gegen Rückgabe des Pferdes. Der Beklagte wiederum verweigerte die Rückabwicklung des Pferdekaufvertrages mit der Begründung, dass das Pferd zu Freizeitzwecken verkauft wurde und hierfür auch geeignet sei.

Das Landgericht hat erstinstanzlich durch Vernehmung von Zeugen und die Einholung von Sachverständigengutachten die Klage abgewiesen, weil es der Auffassung war, das Pferd sei als Freizeitpferd geeignet. Eine Beschaffenheitsvereinbarung sei nur in dem Sinne zustande gekommen, dass das Pferd grundsätzlich das Potential habe, vielleicht einmal A-Dressur zu laufen. Ein Sachverständiger hat diese Einschätzung, die der Sohn des Beklagten bei der Kaufpreisverhandlung über das Pferd von sich gab, als „grundsätzlich möglich“ bewertet.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt mit der Begründung, dass das Pferd entgegen der Auffassung der Sachverständigen hinsichtlich der Dressureignung den getroffenen Absprachen nicht entspreche.  

 

Entscheidung:

Subjektive Einschätzungen werden nicht automatisch Teil der Beschaffenheitsvereinbarung eines Pferdes

Die Berufung der Klägerin gegen das am 18. 04. 2005 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des LG Wuppertal wurde zurückgewiesen. Es bestehe kein Rücktrittsrecht aus §§ 433, 434 Abs. 1, 437, 440 BGB, weil das Pferd keinen Sachmangel aufweise. Weiterhin komme kein Rücktrittsrecht wegen fehlender Eignung des Pferdes als Freizeitpferd und fehlender Dressureignung in Betracht.

Zwar sei das Pferd nach erneutem Einholen eines weiteren Sachverständigen nicht dressurgeeignet. Eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne der Turniereignung sei jedoch gemäß § 434 Abs.1 Satz 1 BGB zwischen den Parteien nicht erfolgt. Es seien zwar Gespräche hinsichtlich der Turniereignung des Pferdes geführt worden, es kam jedoch nicht zu einer Vereinbarung, dass das Pferd eine übliche Turniereignung haben muss. Der Sohn des Beklagten habe lediglich von einem Potential für eine Turnierteilnahme gesprochen. Er habe im Rahmen der Verhandlungen somit nur eine Einschätzung abgegeben, die nicht auf Erfahrungswerten beruhte. Hinzu komme, dass im Pferdekaufvertrag unter anderem ausdrücklich ausgeführt wurde, dass das Pferd nicht gesund ist. Diese Eigenschafts dürfte aber Voraussetzungen für ein turniergeeignetes Pferd sein. Dieser Haftungsausschluss zeige, so das Gericht, dass der Beklagte nur ein Pferd mit eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten verkaufen wollte. Das Gericht entschied, dass die Anforderungen an eine vertragliche Vereinbarung der Beschaffenheit des Pferdes als turniergeeignet unter Gesamtbetrachtung des Verkaufsgesprächs und des Pferdekaufvertrages nicht vorlägen.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Kissing Spines – Rücktritt vom Pferdekaufvertrag

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 06.07.2010 – 17 U 28/09

Sachverhalt:

Der Beklagte hat über das Internet ein Pferd zum Preis von 19.000€ angeboten. Die Klägerin zeigte Interesse und fuhr am 13.08.2006 zu dem Beklagten nach Norddeutschland, um das Pferd zu besichtigen und es Probe zu reiten. Am 25.08.2016 führte der Tierarzt Dr. A in Gegenwart beider Parteien eine Ankaufsuntersuchung durch. Im Protokoll wurden alle untersuchten Stellen als unauffällig und „ohne besonderen Befund“ vermerkt. Noch am selben Tag kaufte die Klägerin das Pferd für 14.000 €.

Am 11.12.2006 übernahm ein Fachtierarzt für Pferde Dr. B die Untersuchung des Pferdes und teilte der Klägerin mit, dass an der Longe sowohl auf der rechten als auch auf der linken Hand eine undeutliche, geringgradige gemischte Lahmheit hinten links sichtbar war. Ebenso wurde festgestellt, dass die Beweglichkeit des Halses sowohl nach rechts als auch nach links eingeschränkt war.

Die Klägerin ließ das Pferd daraufhin am 31.01./01.02.2007 von einem weiteren auf Pferde spezialisierten Arzt, Dr. C, untersuchen. Dr. C kam zur Diagnose, dass bei dem Pferd von schmerzhaften Prozessen im oberen Halswirbelsäulenbereich und in der distalen linken Hintergliedmaße ausgegangen werden müsse. Er beurteilte die Reitbarkeit des Pferdes als „eingeschränkt“.

Basierend auf den Diagnosen der Tierärzte verlangte die Klägerin am 14.03.2007 vom Beklagten Minderung des Kaufpreises. Bei einer Einigung würde sie keinen Gebrauch von ihrem Rücktrittsrecht machen und das Pferd behalten. Der Beklagte wiederrum war der Meinung, es hätten keine krankhaften Befunde zum Zeitpunkt der Übergabe des Pferdes vorgelegen und lehnte eine Minderung des Kaufpreises sowie eine Rückabwicklung des Pferdekaufvertrages ab.

Die Klägerin erhob sodann Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes. Sie behauptete, bereits bei Gefahrübergang habe der Wallach erhebliche gesundheitliche Mängel gehabt, insbesondere habe er unmittelbar danach gelahmt.

 

Landgericht weist Klage zurück

Das Landgericht Verden hat erstinstanzlich die Klage abgewiesen. Es führte dazu aus, dass die Klägerin keinen Rückgewähranspruch aus § 437 Nr. 2 BGB habe, weil kein Rücktrittgrund gegeben sei. Das Pferd sei bei Gefahrübergang laut einem Sachverständigen des Gerichts, Dr. SV1, nicht mangelhaft gewesen. Es habe eine geringe Lahmheit vorgelegen, die aber beim Galopp fast vollständig verschwunden sei. Die Lahmheit sei durch den Umstand, dass die Käuferin das Pferd längere Zeit nicht geritten habe und dadurch die Rückenmuskulatur wenig ausgeprägt war, bedingt worden.

Gemäß § 477 BGB muss bei einem Mangel, der sich innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe der Kaufsache zeigt, der Verkäufer beweisen, dass die Sache bei Gefahrübergang mangelfrei war,  sogenannte Beweislastumkehr, soweit es sich vorliegend um einen Verbrauchsgüterkauf handelt. Kann Der Verkäufer den Beweis nicht erbringen, so wird vermutet, dass die Sache mangelbehaftet übergeben wurde. Diese Vorschrift war nach Auffassung des Gerichts vorliegend nicht einschlägig, weil sich Pferde aufgrund ihrer Art und auch im Hinblick auf die schnellen Veränderungen ihres Allgemein- und Gesundheitszustandes kaum für die Anwendung der Beweislastumkehrregelung eignen.    

Die Klägerin legte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein.

 

Berufungsgericht revidiert das Urteil des Landgerichts

Die Berufung der Klägerin vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte Erfolg. Das Gericht verurteilte den Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pferdes.

Der Senat habe nach der erneuten Beweisaufnahme keine Zweifel mehr daran, dass das Pferd bei Gefahrübergang mangelhaft gewesen sei. Zu dieser Überzeugung sei das Gericht unter anderem durch die Begutachtung von Dr. B gelangt, die belegte, dass beim Pferd eine Lahmheit erkennbar war und diese auch beim Galopp nicht vollständig verschwand. Maßgeblich sei das Gericht aber durch ein Gutachten eines zweiten Sachverständigen, Tierarzt Dr. C, überzeugt worden. Im damals anstehenden Fall des Oberlandesgerichts Oldenburg (RdL 2005, 65) hatte Dr. C angeführt, „dass durch verschiedene Faktoren wie zunehmende Belastung, falsche Reitweise, schlecht sitzender Sattel, Muskelschmerzen, röntgenologische Veränderungen im Sinne eines Kissing-Spines-Syndroms relativ kurzzeitig klinisch auffällig würden“. Das würde erklären, warum die Erkrankung bei der Ankaufsuntersuchung und vom Sachverständigen Dr. A nicht bemerkt worden sei. Diese reaktiven Veränderungen am Knochen könnten auch binnen weniger Monate erfolgen, erklärte Dr. B. So könnte eine Erkrankung theoretisch auch nach Gefahrübergang erfolgt sein. Dass es aber erst nach der Übergabe des Pferdes dazu gekommen sei, schließt das Gericht aufgrund der vorgetragenen Beweise und Schilderungen aus.    

Ebenso führte der Senat entgegen der Ansicht des Landgerichts an, dass die Beweislastumkehr des § 477 BGB auf den vorliegenden Fall anwendbar sei. Dabei bezieht er sich auf eine Entscheidung des BGH vom 29.03.2006 (BGHZ 167, 40 ff. = NJW 2006, 2250= RdL 2006, 205 ff.), wonach die Anwendung der Beweislastumkehr wegen der Art des Mangels nur bei bestimmten Tierkrankheiten, wie einer saisonalen Allergie, ausgeschlossen werden könne. Eine solche Erkrankung sei hier aber nicht Gegenstand des Rechtsstreits, sondern der wesentlich schwerer wiegende Befund von Kissing-Spines.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Wann gilt ein Pferd als „gebraucht“?

„Nach Auffassung des Senates ist der zum Zeitpunkt des Verkaufs zweieinhalb Jahre alte Hengst nicht mehr als jung und infolgedessen als „gebraucht“ im Sinne des Gesetzes anzusehen.“

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 04.07.2018, Az. 12 U 87/17

Vorinstanz: Landgericht Itzehoe, Urteil vom 15. November 2017

Der Sachverhalt

Die Klägerin ersteigerte am 01.11.2014 auf einer von der Beklagten veranstalteten Auktion einen damals zweieinhalb Jahre alten Hengst. Nach Rücktritt vom Pferdekaufvertrag verlangt sie die Rückabwicklung des Pferdekaufvertrages (Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes). Der Hengst stand ab der Übergabe bis zum Sommer 2015 im Stall der Klägerin. Die Klägerin hat behauptet, sie habe versucht den Hengst zu longieren und an Sattel und Reitergewicht zu gewöhnen. Ab dem Sommer 2015 bis Oktober 2015 habe der Hengst auf einer Weide gestanden. Ab Mitte Oktober 2015 bis Frühjahr 2016 habe sie versucht, den Hengst anzureiten.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe den Hengst als zukünftiges Dressurpferd gekauft, das Tier sei nicht reitbar und auffällig widersetzlich und empfindlich. Es habe schon mindestens im Zeitpunkt der Auktion ein sogenanntes Kissing Spines im Bereich der Brust und der Lendenwirbelsäule und eine Verkalkung im Nackenbereich im Bereich des Hinterhauptes aufgewiesen. Der Beklagte hat die behaupteten Sachmängel bestritten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, der Rücktritt sei wegen Verjährung eines hypothetischen Nacherfüllungsanspruchs unwirksam (§§ 438 Abs. 4, 218 BGB). Die Klägerin habe zwar den Rücktritt mit Schreiben vom 11.10.2016 und damit vor Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist erklärt. Die Verjährungsfrist sei jedoch nach den Auktionsbedingungen der Beklagten auf drei Monate nach Gefahrübergang beschränkt worden. Die Auktionsbedingungen der Beklagten seien wirksam als allgemeine Geschäftsbedingungen in den Vertrag einbezogen worden.

Die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf gemäß § 474 Abs. 2 Satz 2 BGB seien nicht anwendbar, da die Klägerin den Hengst bei einer öffentlich zugänglichen Versteigerung gekauft und das Tier als gebrauchte Sache im Sinne des Gesetzes anzusehen sei.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt.

Die Entscheidung

Die von der Klägerin eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg. Das OLG wies die Berufung zurück, weil der Rücktritt vom Pferdekaufvertrag – unabhängig davon, ob das Pferd mangelhaft ist oder nicht – unwirksam gewesen sei. Die Gewährleistungsansprüche seien bereits verjährt, denn die vertraglich vereinbarte Verkürzung der Gewährleistungsfrist auf drei Monate sei wirksam. Eine derartige Verkürzung wäre nur dann nicht möglich, wenn die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf zur Anwendung kämen. Dies sei aber nicht der Fall, weil es sich bei dem Hengst um eine gebrauchte Sache im Sinne dieser Vorschrift handele und er in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung verkauft worden sei.

Für die Frage, ob ein Tier gebraucht ist, sei allein auf den Ablauf einer gewissen Zeitspanne nach der Geburt des Tieres und der damit verbundenen körperlichen Entwicklung des Tieres abzustellen. Es komme entscheidend darauf an, ob das Tier über einen längeren Zeitraum so vielen Umwelteinflüssen und äußeren Einwirkungen ausgesetzt war, dass das altersbedingte Sachmängelrisiko derart gestiegen ist, sodass das Tier nicht mehr als neu angesehen werden kann. Das sei hier der Fall, so die Richter. Ein Hengst im Alter von zweieinhalb Jahren ist schon längere Zeit von der Mutterstute getrennt, hat eine eigenständige Entwicklung vollzogen und ist bereits seit längerem geschlechtsreif. Durch die Geschlechtsreife verändert sich nicht nur das Verhalten eines Hengstes erheblich, sondern durch die eingetretenen biologischen Veränderungen erhöht sich auch das Mängelrisiko beträchtlich.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Käuferin steht der Gang zum Bundesgerichtshof (BGH) noch offen.

Über den Ausgang der Verhandlung werden wir berichten.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Rücktritt vom Pferdekaufvertrag – OCD als Sachmangel

Die Vermutung des § 477 BGB greift auch bei OCD

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 10. August 2006, Az. 2 U 19/05

Vorinstanz: LG Siegen, 07.09.2004, Az. 2 O 219/04
LG Siegen, 07.12.2004, 2 O 219/04

Der Sachverhalt

Der Kläger begehrt den Rücktritt eines zwischen den Parteien unter dem 09.01.2004 geschlossenen Pferdekaufvertrags. Der Kaufpreis betrug 10.000,- Euro. Der Beklagte ist ein Unternehmer, welcher unter dem Namen „Gestüt – Ferienpension – Reitschule H“ firmiert.

Nachdem das Pferd bereits im Eigentum des Klägers war, begann es zu lahmen. Der behandelnde Tierarzt stellte fest, dass das Pferd an einer hochgradigen Osteochondrosis dissecans (im Folgenden OCD) im rechten hinteren Kniescheibengelenk litt. In der vor dem Kauf erfolgten großen Ankaufsuntersuchung war dies nicht aufgefallen. Der Kläger behauptet, die OCD habe bereits bei Gefahrübergang am 25.01.2004 vorgelegen. Der Kläger erklärte daher gegenüber dem Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Beklagte vertritt die Meinung, dass sich das Pferd beim Kläger in der Box verletzt habe, nachdem es nach seiner Kastration neben einer Stute aufgestallt wurde.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 07.12.2004 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob das Pferd zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs mängelbehaftet gewesen sei. Jedenfalls stehe dem vom Kläger geltend gemachten Rücktritt entgegen, dass keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt worden sei.

Nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht forderte der Kläger mit an den Beklagten persönlich gerichtetem Schreiben vom 08.12.2004 diesen unter Fristsetzung bis zum 20.12.2004 zur Abholung des Pferdes zwecks Operation in einer Fachklinik für Pferde auf. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist erklärte er mit Schreiben vom 30.12.2004 erneut den Rücktritt vom dem am 09.01.2004 geschlossenen Pferdekaufvertrag und forderte den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 15.01.2005 zur Rückzahlung des Kaufpreise Zug um Zug gegen Abholung des Pferdes auf.

Gegen das Urteil des Landgerichts hat der Kläger sodann Berufung eingelegt. Mit dieser verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klageziel.

Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht gab dem Kläger Recht.

Dem Kläger stünde ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises sowie Ersatz der notwendigen Verwendungen (Stallkosten, Tierarztkosten) Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Pferdes gemäß §§ 437 Nr. 2, 440, 323 i.V.m. §§ 346, 347 Abs. 2 S. 1 BGB zu.

Es handele sich um einen Verbrauchsgüterkauf, § 477 BGB. Der Beklagte, sei Unternehmer i.S.d. § 14 BGB. Bei dem Kläger, der das Pferd offenbar für seine Tochter gekauft habe, handele es sich um einen Verbraucher i.S.d. § 13 BGB. Es sei davon auszugehen, dass das Pferd bei Gefahrübergang mit einem Sachmangel i.S.d. § 434 BGB in Gestalt einer OCD mit einer ca. 3,5 cm großen Läsion im rechten hinteren Kniescheibengelenk behaftet war.

Es könne dahinstehen, ob die Parteien den Gesundheitszustand des Pferdes, wie er in dem Bericht zur Ankaufsuntersuchung vom 05.01.2004 festgestellt wurde, zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB gemacht hätten. Jedenfalls stelle die vom Sachverständigen diagnostizierte OCD im rechten hinteren Kniescheibengelenk einen Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB dar. Denn sie beruhe nicht etwa auf einem altersentsprechenden üblichen Verschleiß, sondern sei entweder genetisch oder traumatisch bedingt. Eine solche Erkrankung entspreche nicht dem üblichen Zustand eines zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vier Jahre alten, noch nicht angerittenen Pferdes und musste vom Kläger auch nicht erwartet werden. Eine andere Wertung ergebe sich auch nicht daraus, dass das Pferd ausweislich des im Kaufvertrag in Bezug genommenen Ankaufsuntersuchungsberichts vom 05.01.2004 bereits OCDs jeweils an der Dorsalseite der Fesselgelenke vorne links und hinten rechts sowie am Sprunggelenk rechts aufwies. Aus diesem Befund ergebe sich kein Verdacht für das Vorliegen weiterer OCDs an anderen Gelenken.

Der gemäß § 477 BGB beweisbelastete Beklagte habe nicht den Beweis führen können, dass das Pferd bei Gefahrübergang im Januar 2004 noch nicht mit der vom Sachverständigen diagnostizierten krankhaften Veränderung in Gestalt einer OCD am rechten hinteren Kniescheibengelenk behaftet war. Die Vermutungswirkung des § 477 BGB sei auch nicht aufgrund einer Unvereinbarkeit mit der Art der Sache oder des Mangels ausgeschlossen. Eine solche Unvereinbarkeit sei nicht bereits dann gegeben, wenn der Mangel typischerweise jederzeit auftreten kann (vgl. BGH NJW 2005, 3490 für den Sachkauf). Ebensowenig rechtfertige auch beim Pferdekauf allein die Ungewissheit über den Entstehungszeitpunkt des Mangels den Ausschluss der Vermutungswirkung ( BGH Urteil vom 29.03.2006, VIII ZR 173/05). Maßgeblich sei vielmehr die spezifische Art der Tierkrankheit.

Ausgehend von diesen Grundsätzen sei auch nicht damit der Nachweis der Unvereinbarkeit der Vermutungswirkung geführt, dass vorliegend für die OCD mehrere Ursachen in Betracht kommen, die z.B. in Gestalt einer Traumatisierung, einer akuten entzündlichen Gelenkerkrankung (Arthritis) oder einer chronischen Gelenkerkrankung (Arthrose) auch nach Gefahrübergang eingetreten sein können. Ließe bereits die Möglichkeit verschiedener und nicht sämtlich im Verantwortungsbereich des Verkäufers liegender Ursachen für den vorhandenen Sachmangel die Vermutungswirkung entfallen, führte dies zu einer Aushöhlung des Verbraucherschutzes im Rahmen des § 477 BGB. Das gelte bei der hier in Rede stehenden Erkrankung insbesondere deshalb, weil nach Darlegung des Sachverständigen derzeit keine Möglichkeit bestehe, vorhandene Chips nach ihrer Genese (wachstums- oder traumatisch bedingte OCD) zu differenzieren. Anders als dem Verkäufer, der bei einer Röntgenuntersuchung des Kniegelenks vor Verkauf den Mangel hätte feststellen können, verbleibt dem Käufer nach Gefahrübergang angesichts der eingeschränkten diagnostischen Mittel bei mehreren, vom Verkäufer behaupteten Ursachen der OCD keine Nachweismöglichkeit zum Vorhandensein des Mangels bereits bei Gefahrübergang.

Darüber hinaus habe der Sachverständige es für unwahrscheinlich erachtet, dass Anfang März 2004 ein akutes Trauma bei einem bis dato nicht geschädigten rechten hinteren Kniescheibengelenk zu der diagnostizierten OCD geführt haben kann. Nach seiner Einschätzung könnte die von ihm festgestellte erhebliche Läsion mit einem Umfang von ca. 3,5 cm, wenn sie denn einen traumatischen Ursprung hätte, nur durch ein schweres Trauma verursacht worden sein. Dieses wiederum hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit spontan eine deutliche Hangbeinlahmheit und zwingend eine erhebliche Schwellung nach sich gezogen, so dass Anlass zur sofortigen Konsultation eines Tierarztes bestanden hätte. Diese habe nach den Akten allerdings weder Anfang noch Mitte März 2004 stattgefunden.

Die Behauptung des Beklagten, die OCD habe bei Gefahrübergang jedenfalls noch nicht in der auf den Röntgenbildern erkennbaren Ausprägung vorliegen können, da sie andernfalls unausweichlich bereits zu Lahmheitserscheinungen geführt hätte, habe der Sachverständige nicht bestätigt. Ein noch nicht angerittenes Pferd könne auch mit der Läsion, wie sie auf dem Röntgenbild erkennbar sei, ohne weiteres bei Gefahrübergang beschwerdefrei sein.

Zudem wird aus dem Schreiben, das auf den bei Nichteinhaltung der Fristen drohenden Rücktritt vom Pferdekaufvertrag hinweist, deutlich, dass die Aufforderung ernst gemeint ist.

Der Kläger hat eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt und nach deren fruchtlosen Ablauf den Rücktritt vom Pferdekaufvertrag erklärt.

Im Zuge des durch den wirksamen Rücktritt vom Pferdekaufvertrag entstandenen Rückabwicklungsverhältnisses seien neben dem Kaufpreis die notwendigen Verwendungen in Gestalt von Stallkosten für die sowie die Tierarztkosten zu erstatten.

Darüber hinaus stehe dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung nutzloser Aufwendungen für Kastration und Ankaufuntersuchung

 

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