02151 - 76 70 00 9

Konkludenter Haftungsausschluss bei einem Reitunfall

Konkludenter Haftungsausschluss bei einem Reitunfall

Allein der Umstand, dass der Reiter bei einer Reitbeteiligung regelmäßig das Pferd nutzt und sich so als ‚Tierhalter auf Zeit‘ fühlt, rechtfertigt nicht die Annahme eines Haftungsausschlusses. Dies gilt insbesondere, wenn eine Tierhalterhaftpflichtversicherung abgeschlossen wurde.“

Landgericht Hamburg, Teilurteil vom 09. Juli 2015, Az. 328 O 373/14 

Der Sachverhalt

Der Kläger ist ein Krankenversicherungsverein. Nach einem Reitunfall der damals 19-jährigen Frau L. erstattete der Kläger einige Kosten, die mit der Klage geltend gemacht werden.

Die Beklagte ist Halterin eines Pferdes. Im Rahmen einer Reitbeteiligung benutzte Frau L. das Pferd der Beklagten, unter anderem zum Reitunterricht. Dieser Unterricht fand einmal die Woche statt. Die Beklagte erhielt im Monat € 80,00 von Frau L. Das Pferd wurde auch durch andere Personen genutzt.

Im Rahmen des Reitunterrichts am 14. März 2012 kam es zu einem Unfall. Frau L. führte gerade eine Parade zum Halten durch als das Pferd hochstieg und zusammen mit Frau L. das Gleichgewicht verlor und stürzte. Frau L. wurde durch das auf sie stürzende Pferd schwer verletzt und zunächst im Wesentlichen im Klinikum St.- G. stationär behandelt.

Der Kläger verlangt aus übergegangenem Recht Erstattung von Kosten im Zusammenhang mit dem Reitunfall von der Beklagten als Tierhalterin.

Das Urteil

Dem Kläger stehe dem Grunde nach aus übergegangenem Recht, § 86 VVG, ein Anspruch gegen die Beklagte gemäß § 833 BGB auf Schadensersatz wegen des Reitunfalls der Frau L. am 14. März 2012 zu. Eine Haftung sei weder ausgeschlossen gewesen noch sei der Anspruch wegen eines Mitverschuldens zu kürzen.

Die Vereinbarung einer Reitbeteiligung führe vorliegend nicht zu der Annahme eines konkludenten Haftungsausschlusses. Allein der Umstand, dass der Reiter bei einer Reitbeteiligung regelmäßig das Pferd nutze und sich so als „Tierhalter auf Zeit“ fühle, rechtfertige nicht die Annahme eines Haftungsausschlusses. Bei dieser Argumentation würde die Frage der Haltereigenschaft, die bereits Tatbestandsvoraussetzung sei, mit den Fragen von Erklärungsinhalten bei Vertragsschluss zum Ausschluss der gesetzliche normierten Haftung vermischt.

Frau L. sei im Zeitpunkt des Unfalls nicht Halter des Pferdes im Sinne des § 833 BGB gewesen. Es sei hinlänglich anerkannt, dass der regelmäßige, kurzzeitige Nutzer eines Pferdes nicht selbst zum Halter würde, sodass allein deshalb eine Haftung gemäß § 833 BGB nicht ausgeschlossen sei.

In Anwendung der vom Bundesgerichtshof zum konkludenten Haftungsausschluss aufgestellten Grundsätze seien vorliegend die „besonderen Umstände“, die unter Umgehung des ausgedrückten Willens der Vertragsparteien allein aufgrund einer Willensfiktion die Annahme eines Verzichtes rechtfertigen könnten, nicht erkennbar. Allein der Umstand, dass eine Tierhalterhaftpflichtversicherung abgeschlossen worden sei, spreche dafür, dass gerade kein Haftungsverzicht eine Rolle spielen solle, da der Verzicht nicht den Halter, sondern allein den Versicherer entlasten würde.

Daneben habe der Bundesgerichtshof sowohl für die Fälle einer freundschaftlichen bzw. kameradschaftlichen Überlassung des Pferdes als auch für die Fälle einer professionell vertraglichen Überlassung des Tieres (Tierpension) entschieden, dass die Haftung gemäß § 833 BGB nicht ausgeschlossen sei. Unter Berücksichtigung verschiedener, denkbarer Begründungsansätze (Handeln auf eigene Gefahr, Gefälligkeit analog § 599 BGB, §§ 8, 8a StVG analog, Schutzzweck der Norm, Treu und Glauben) lehne die Rechtsprechung den Haftungsausschluss ab (BGH, a.a.O., Rn. 14ff.; 25. März 2014, VI ZR 372/13, Rn. 9, juris). Der vorliegende Fall einer Reitbeteiligung liege dem Sachverhalt und den Wertungen nach zwischen der rein freundschaftlichen und der beruflich/professionellen Überlassung eines Tieres. Das Gericht könne auf Basis der vorliegenden Sachverhaltskonstellation keinen besonderen Umstand feststellen, der die Annahme eines Haftungsausschlusses rechtfertigen könnte.

Auch treffe Frau L. kein Mitverschulden an dem Unfall, § 254 BGB.

Die Behauptung der Beklagten, dass sich Frau L. beim Aufsteigen des Pferdes nach hinten gelehnt habe, habe sich durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt.

Für ein die Haftung minderndes Mitverschulden des Geschädigten ist egelmäßig der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig, im Anwendungsbereich des § 833 BGB also der Tierhalter. Dass dieser zu den Handlungen des Geschädigten beim Umgang mit dem Tier möglicherweise mangels Kenntnis nicht ausreichend vortragen kann, rechtfertigt keine Umkehr der Beweislast. Der Geschädigte hat insoweit im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast konkret zu seinem Handeln vorzutragen, der Schädiger hat sodann zu beweisen, inwieweit der Vortrag des Geschädigten unrichtig ist.

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

 

Kaufinteressent haftet für unsachgemäßes Anbinden eines Pferdes

Kaufinteressent haftet für unsachgemäßes Anbinden eines Pferdes

Bindet ein Kaufinteressent während der Besichtigung eines Pferdes ein anderes Pferd ohne Veranlassung und eigenmächtig los, um es an anderer Stelle wieder anzubinden, so haftet er dem Eigentümer des Pferdes für Schäden, die am Pferd durch das Umsetzen entstehen (hier: Todeseintritt nach Genickbruch wegen fehlerhafter Befestigung des Pferdes).“

Landgericht Münster, Urteil vom 2. August 2016, Az. 16 O 214/15 

Der Sachverhalt

Der Kläger ist Landwirtschaftsmeister, züchtet Pferde und bildet diese auf seinem Hof aus, um sie sodann zu verkaufen. Er war Eigentümer der Stute „T“.

Am 04.03.2014 besuchte der Beklagte gemeinsam mit seiner Ehefrau den Hof des Klägers, um dort ggfls. ein Pony für den Sohn zu erwerben. Bei Ankunft putzte der Kläger die Stute „T“ in der Stallgasse. Zu diesem Zweck war die Stute fachgerecht links- und rechtsseitig am Halfter über einen Strick angebunden. Die Ehefrau verließ sodann mit dem Kläger die Stallgasse, um die in Betracht kommenden Ponys zu besichtigen. Da der Beklagte davon ausging, dass die Stute in der Stallgasse ggf. hinderlich sein könnte, löste er die Halterung der Stute, führte sie einige Meter nach vorne und band sie erneut – jedoch nur einseitig am langen Strick – an.

Die Stute bewegte den den Kopf nach unten um Grashalme zu fressen. Der Strick legte sich hinter ihre Ohren über den Hals. Als die Stute dann erschrak, zog sie den Kopf nach oben und brach sich sodann wegen des Stricks das Genick. Sie war unverzüglich tot.

Der Kläger begehrt wegen des Todes seiner verstorbenen Stute Schadensersatz vom Beklagten.

Das Urteil

Das Landgericht gab dem Kläger Recht.

Dem Kläger stünde ein Schadenersatzanspruch wegen des Todes der Stute „T“ aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Höhe von 8.500 EUR zu.

22

Nach § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB komme ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB bereits im Vorfeld eines Vertragsabschlusses, nämlich bei der Anbahnung eines Vertrages zustande. Dadurch, dass der Beklagte gemeinsam mit seiner Ehefrau den Hof des Klägers aufgesucht habe, um dort ggfls. ein Pony für den Sohn zu erwerben sei ein solches vorvertragliches Schuldverhältnis nach §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 3 Nr. 1 BGB entstanden.

Hierdurch sei der Beklagte verpflichtet, auf die Rechtsgüter des Klägers entsprechend Rücksicht zu nehmen und bei dem Umgang mit dem Eigentum des Klägers entsprechende Sorgfalt walten zu lassen.

Diese Pflicht habe der Beklagte verletzt, indem er die Stute „T“ eigenmächtig und ohne Notwendigkeit losgebunden und einige Meter weiter nicht fachgerecht einseitig mit einem Strick von mindestens 1,20 m Länge so angebunden habe, dass die Stute am Boden noch Halme fressen und sich der Strick über das Genick der Stute legen konnte und gelegt habe.

Bezüglich der Todesursache des Genickbruchs folge das Gericht insbesondere den überzeugenden und nachvollziehbaren Darstellungen des Sachverständigen. Die Ausführungen zu der fehlerhaften Anbindung und der Ursache für den Tod der Stute „T“ seien detailliert und in sich schlüssig.

Der Sachverständige habe nachvollziehbar erläutert, dass die richtige Anbindelänge eines Strickes ca. 60 cm betrage, wobei bei einer durchschnittlichen Größe eines Pferdes, wie der Stute „T“, Toleranzen von 20 cm akzeptabel seien.

Durch die Pflichtverletzung des Beklagten in Form des fehlerhaften Anbindens der Stute habe sich im Ergebnis realisiert, was durch eine korrekte Anbindeart verhindert werden solle.

Das Verschulden des Beklagten werde nach § 280 Abs. 1, Abs. 2 BGB vermutet, und stehe darüber hinaus vorliegend positiv fest. Der Beklagte habe selbst ausgeführt, keine vertieften Kenntnisse zu der richtigen Anbindetechnik von Pferden zu haben und vorliegend unter Außerachtlassung der nötigen Sorgfalt die Stute – ohne Zwang und Not – losgelöst und sodann unkorrekt einseitig und zu lang angebunden zu haben.

Dem Kläger sei bezüglich des von ihm behaupteten Schadens der ihm nach allgemeinen Grundsätzen obliegende Beweis nur insoweit gelungen, dass nach Überzeugung des Gerichts durch den Tod der Stute ein Schaden in Höhe von 8.500,00 EUR entstanden ist. Nur bezüglich dieses Wertes konnte das Gericht die nötige Überzeugung nach § 286 ZPO gewinnen.

Das Gericht sei überzeugt davon, dass der Kläger vorliegend einen Verkaufswert von 8.500,00 EUR mit der Stute hätte erzielen können, somit den Mittelwert des von dem Sachverständigen angegebenen Marktwertes.

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Gesamtschuldnerische Haftung weiterer Tierhalter

Gesamtschuldnerische Haftung weiterer Tierhalter bei bloßer Anwesenheit eines verletzten Tieres auf gemeinsamem Gelände

Lässt sich ein gefährdendes Verhalten der Tiere anderer Halter nicht feststellen, scheitert deren Haftung auch nach den Kriterien des Handelns auf eigene Gefahr. Wer ein Tier mit Tieren anderer Halter gemeinsam unterbringt, nimmt nämlich das Risiko einer Unaufklärbarkeit der Ursache von Verletzungen freiwillig in Kauf.“

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16. Dezember 2016, Az. 17 U 52/16

Vorinstanz: Landgericht Kiel, Urteil vom 13. Mai 2016, Az. 11 O 271/15

Der Sachverhalt

Die Parteien sind Pferdehalterinnen, deren Pferde in demselben Stall eingestellt waren. Der Stallbetreiber brachte wie an anderen Tagen am 13. April 2013 insgesamt 14 Pferde, darunter auch die Pferde der Parteien, auf das unbeobachtete Paddock, einen eingezäunten Sand- und Grasplatz, auf dem sich die Pferde üblicherweise bis gegen 17.00 Uhr aufhielten.

Als die Pferde am Abend wie gewöhnlich in den Stall geholt wurden, lahmte die Stute der Klägerin; die später hinzukommende Klägerin stellte eine etwa 3 cm lange, leicht blutende Wunde fest, die sie versorgte, ohne sich jedoch zunächst weitere Gedanken zu machen. Über Nacht traten starke Schwellungen auf. Eine tierärztliche Untersuchung am 14. April 2013 ergab erhebliche Verletzungen am rechten hinteren Bein der Stute.

Die Untersuchung in der Tierklinik ergab, dass die Stute vermutlich aufgrund einer Schlagverletzung an der Innenseite des rechten Hinterbeines eine Griffelbeinfraktur des medialen Griffelbeins erlitten hatte.

Die Klägerin hat behauptet, ihre Stute sei am Unfalltag zwischen 16:00 und 18:00 Uhr von einem der 13 anderen Pferde auf der Weide getreten worden. Die Herde sei kurz vor dem Reinholen gegen 17:00 Uhr in Unruhe geraten. Um diese Uhrzeit sei die Fütterung regelmäßig erfolgt, während es in der Außenanlage keine Futtermöglichkeiten gab. Dementsprechend hätten sich die Tiere in einem festen Herdenverband bewegt, so dass theoretisch die Tiergefahr, die von jedem Tier ausging, den Schaden des klägerischen Pferdes hätte verursachen können.

Die Klägerin macht als Schadensersatz im wesentlichen Kosten in Höhe von 4.118,23 € sowie eine Wertminderung in Höhe von 7.000,00 € geltend.

Das Urteil

Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht wiesen die Klage ab.

Es sei schon nicht gesichert, dass die Verletzungen der klägerischen Stute tatsächlich durch einen Pferdetritt verursacht worden seien. Der Unfallhergang sei nicht mehr nachvollziehbar, insbesondere nicht, dass gerade das Pferd der Beklagten an einer Auseinandersetzung mit anderen Pferden oder bloß einem unfallträchtigen Geschehen beteiligt gewesen sei.

Bleibe mithin als tatsächlicher Anknüpfungspunkt einer Haftung der Beklagten nur die Anwesenheit ihres Pferdes in einer Menge von insgesamt 14 Pferden bei im Übrigen unklarem Handlungsablauf, reiche dies zur Begründung einer gesamtschuldnerischen Tierhalterhaftung gegen einen der übrigen Tierhalter nach §§ 833, 830 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht aus.

Der Pferdehalter, ebenso wie der Kraftfahrzeughalter, könne Beteiligter im Sinne des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB sein. Ausdrücklich gelte dies auch für die Gefährdungshaftung des Tierhalters gemäß § 833 Satz 1 BGB.

Die Vorschrift diene der Überwindung der Beweisschwierigkeiten des Geschädigten, dessen Ersatzanspruch nicht daran scheitern solle, dass nicht mit voller Sicherheit festgestellt werden könne, wer von mehreren Beteiligten („Täter“), deren Handlung jede für sich geeignet wäre, den Schaden zu verursachen, der eigentliche Schädiger gewesen sei.

Auch wenn es sich der Sache nach um eine unerlaubte Handlung handeln müsse, sei Anknüpfungspunkt nicht unbedingt menschliches Verhalten als solches; vielmehr könne auch das Halten eines Tieres die den Schaden verursachende Handlung sein.

Zu beachten sei aber, dass das „Beteiligtsein“ im Sinne von § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB Mitwirkung bei der Tätigkeit bedeute, welche zunächst nur eine Gefährdung hervorrufe, aber in ihrer weiteren Entwicklung zu der den Schaden unmittelbar bewirkenden Handlung geführt habe. Es müsse eine objektiv gemeinsame Gefährdung vorliegen. In welcher Weise das Pferd der Beklagten – und wenn auch nur im Sinne einer natürlichen, artgemäßen Handlung – mitgewirkt haben solle, bleibe unklar. Auch bleibe offen, in welcher über die bloße Anwesenheit hinausgehenden Weise alle anderen Tiere das Pferd der Klägerin gefährdet haben könnten.

Die bloße Anwesenheit von mehreren Tieren am Ort eines Verletzungsgeschehens allein vermöge auch nach dem Sinn und Zweck der Haftungsnormen noch keine Haftung zu begründen:

Die Zurechnungsnorm des § 830 Abs. S 2 BGB, über die allein hier eine Haftung der Beklagten zu begründen wäre, wolle nämlich die Beweislage desjenigen erleichtern, der als Dritter einen Schaden erlitten habe, für den mehrere, im Einzelnen aber nicht feststellbare Schädiger verantwortlich sein können. Hier hingegen stellt sich die Frage der Haftung mehrerer potenzieller Schädiger untereinander, das Pferd der Klägerin war gerade nicht unbeteiligter Dritter.

Selbstverständlich sei nach dem Wortlaut der Normen die Haftung eines Tierhalters für die Verletzung eines anderen Tieres nicht ausgeschlossen, sondern komme vielmehr in der Praxis der Gerichte vielfach zur Anwendung. Voraussetzung sei jedoch immer ein feststellbares tierisches Verhalten im Sinne einer Handlung gegen das geschützte Rechtsgut oder zumindest ein mit dem Schadenseintritt tatsächlich in Zusammenhang stehender Vorgang, an dessen Feststellung es hier fehle.

Über diese Erwägungen hinaus scheitere eine Haftung der Beklagten aber auch nach den Grundsätzen des „Handelns auf eigene Gefahr“ zu Lasten der Klägerin.

Denn wenn sich aus tatsächlichen Gründen kein schädigendes Verhalten des in Anspruch genommenen Pferdes bzw. seines Halters oder eines anderen Pferdes feststellen lasse, habe sich gerade eines derjenigen Risiken verwirklicht, welches die Klägerin durch die gemeinsame unbeaufsichtigte Unterbringung mit 13 anderen Pferden und die daraus folgende erschwerte Beweislage eingegangen sei.

Zwar liege ein die Haftung ausschließendes Handeln auf eigene Gefahr nicht schon immer dann vor, wenn der Geschädigte seine Rechtsgüter bewusst und freiwillig der gewöhnlichen Tiergefahr ausgesetzt habe. Jedoch scheide eine Haftung aus, wenn das Verhalten des Geschädigten selbst widersprüchlich erscheine, weil er dasjenige Risiko übernommen habe, das sich im Schaden verwirklicht habe.

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Haftungsausschluss bei unentgeltlicher Überlassung eines Reitpferdes für einen Ausritt

Tierhalterhaftung: Haftungsausschluss bei unentgeltlicher Überlassung eines Reitpferdes für einen Ausritt

Wird vor der unentgeltlichen Überlassung eines Reitpferdes für einen Ausritt zwischen Ver- und Entleiher individuell ein Haftungsausschluss mündlich vereinbart, da der Eigentümer mangels einer Versicherung für Schäden aus Reitunfällen eine Haftung ablehnt, wenn sich der Reiter des Pferdes beim Ausritt verletzen sollte, so ist dies grundsätzlich zulässig und stellt im Verletzungsfall insbesondere keinen Vertrag zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung des beim Ausreiten verunfallten Reiters dar.“

Oberlandesgericht München, Urteil vom 23. März 2016 – 8 U 4804/15

Vorinstanz: Landgericht Passau, Urteil vom 23. November 2015, Az. 1 O 518/15

Der Sachverhalt

Die Klägerin verlangt als gesetzliche Krankenkasse der Zeugin „S“ vom Beklagten als Halter des Reitpferdes „G.“ die Erstattung der Heil- und Pflegekosten, die durch den Reitunfall vom 24.03.2012 entstanden sind.

Die Zeugin „S“ unternahm mit dem ihr vom Beklagten unentgeltlich überlassenen Reitpferd „G. “ am 23.04.2012 einen Ausritt ins Gelände. Als „G.“ scheute, stürzte sie vom Pferd, wobei sie sich eine Sprunggelenksfraktur zuzog, die operativ versorgt werden musste.

Der Beklagte lehnte eine Haftung mit der Begründung ab, dass er mit der Zeugin „S“ mündlich vereinbart habe, dass der Ausritt auf eigene Gefahr erfolge und dass er nicht hafte, wenn sie vom Pferd falle.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass kein wirksamer Haftungsausschluss vereinbart worden sei, weil die Vereinbarung zu vage formuliert gewesen sei und außerdem einen Vertrag zu Lasten Dritter darstelle. Ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter liege vor, wenn durch ihn unmittelbar eine Rechtspflicht eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten entstehen solle.

Das Urteil

Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht wiesen die Klage ab.

Ein Haftungsausschluss sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Überlassung eines Reitpferdes für einen Ausritt grundsätzlich zulässig.

Der Bundesgerichtshof lasse die Annahme eines konkludent vereinbarten Haftungsausschlusses dann zu, wenn die Überlassung des Reitpferdes unentgeltlich aus reiner Gefälligkeit erfolgte.

Im vorliegenden Fall sei das Pferd „G.“ der Zeugin „S“ unstreitig aus reiner Gefälligkeit unentgeltlich für einen Ausritt überlassen worden, so dass allein deshalb schon ein Haftungsausschluss anzunehmen wäre.

Der Beklagte habe hier jedoch mit der volljährigen und damit vollgeschäftsfähigen Zeugin „S“ individuell einen Haftungsausschluss mündlich vereinbart. Eine solche Vereinbarung habe die Zeugin „S“ bestätigt. Sie habe bekundet, dass sie vereinbarungsgemäß den Ausritt auf „eigene Gefahr“ unternommen habe sowie dass zwischen ihr und dem Beklagten klar gewesen sei, dass er mangels einer Versicherung für Schäden aus Reitunfällen eine Haftung ablehne, wenn sie sich beim Ausritt verletze.

Weitere Zeugen hätten übereinstimmend angegeben, dass der Beklagte mit jeder Person, der er unentgeltlich ein Pferd für einen Ausritt überlasse, mündlich einen Haftungsausschluss vereinbare.

Diese individuell getroffene mündliche Vereinbarung über einen sei ausreichend bestimmt gewesen. Der Zeugin „S“, die gegen den Beklagten keine Ansprüche geltend gemacht habe, sei nach ihrer Aussage klar gewesen, dass sie die Folgen eines Sturzes vom Pferd alleine zu tragen habe und dass der Beklagte mangels einer Versicherung für Schäden aus Reitunfällen eine Haftung bei einem Sturz vom Pferd ablehne.

Der zwischen dem Beklagten und der Zeugin Stefanie H. individuell vereinbarte Haftungsausschluss stelle auch keinen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter dar.

Ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter sei dadurch gekennzeichnet, dass die Vertragspartner einen Dritten unmittelbar durch den von ihnen abgeschlossenen Vertrag belasten, ohne dass der Dritte in die Vertragsgestaltung eingeschaltet gewesen sei. In der Regel gehe es bei den Verträgen zu Lasten Dritter um Leistungspflichten, die dem Dritten ohne seine Zustimmung unmittelbar durch den Vertrag aufgezwungen werden sollen.

Kein solcher Vertrag zu Lasten Dritter liege somit vor, wenn sich die Leistungspflicht des Dritten nicht unmittelbar aus dem von den anderen Personen geschlossenen Vertrag, sondern aus dem Gesetz oder aus einem anderen Vertrag ergebe, den der leistungspflichtige Dritte mit dem Anspruchsteller abgeschlossen habe.

Im vorliegenden Fall sei die Leistungspflicht der Klägerin nicht durch den zwischen dem Beklagten und der Zeugin „S“ individuell mündlich vereinbarten Haftungsausschluss, sondern dadurch begründet worden, dass die Zeugin „S“ bei der Klägerin gesetzlich krankenversichert gewesen sei. Die Pflicht der Klägerin für die durch den Reitunfall verursachten Heil- und Pflegekosten aufzukommen hätten sich also aus dem mit der Zeugin „S“ eingegangenen Versicherungsverhältnis bzw. aus dem Sozialgesetzbuch V ergeben.

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Das überholende Pferd auf dem Abreiteplatz

Tierhalterhaftung – Das überholende Pferd auf dem Abreiteplatz

Überholt ein Pferd im Galopp auf einem Abreiteplatz ein im Schritt sich fortbewegendes Pferd, schlägt dieses aus und verletzt hierdurch die vorbeireitende Reiterin, so muss sich die Geschädigte die Tiergefahr ihres eigenen Pferdes zurechnen lassen. Im Regelfall wird es zu einer Haftungsteilung kommen.“

Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 7. Januar 2016, Az. 1 U 422/15

Vorinstanz:  Landgericht Koblenz, Urteil vom 2. März 2015, Az. 15 O 466/13

Der Sachverhalt

Die Parteien nahmen an einem Turnier teil. Die Klägerin ritt mit ihrem Pferd zum Aufwärmen und damit zur Vorbereitung der für sie anstehenden Springprüfung auf dem Abreiteplatz. Sie ritt im Galopp auf dem dritten Hufschlag. Als die Klägerin an dem Pferd des Beklagten vorbeireiten wollte, erschrak dieses und trat aus. Dabei wurde die Klägerin erheblich verletzt, in dessen Folge sie auch operiert wurde.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten Schadensersatz.

Das Urteil

Das Oberlandesgericht gab der Klage nur zu 50 % statt.

Die Tiergefahr des Pferdes des Beklagten mit der Haftungsfolge aus § 833 BGB habe sich in dem Erschrecken und Auskeilen seines Pferdes verwirklicht. Dieses tierische Verhalten sei auch durch die (schnelle) Annäherung des Pferdes der Klägerin im Galopp verursacht worden. Damit habe sich auch die Tiergefahr des von der Klägerin gerittenen Pferdes verwirklicht, was zu einer Schadensteilung führen würde. Insoweit gelte, dass die Tiergefahr, die von dem eigenen Tier ausgehe und den Schaden mitverursache, sich der Geschädigte entsprechend § 254 BGB anrechnen lassen müsse. Es gebe im vorliegenden Fall auch keine Veranlassung hinsichtlich der Art, des Umfangs der Tiergefahr zwischen den beiden Pferden zu differenzieren. Selbst wenn das Pferd des Beklagten zum Austreten neige, so sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin sich diesem Pferd im Galopp von hinten näherte und hierdurch auch eine nicht unwesentliche Gefährdungsursache gesetzt habe. Dieser Mitverursachungsanteil würde sich noch (deutlich) erhöhen, wenn das Pferd des Beklagten tatsächlich mit der roten Schleife sichtbar gekennzeichnet gewesen wäre. Gleichfalls sei für die Abwägung der Gefährdungsanteile nicht entscheidend, dass sich wohl beide Pferde unstreitig jeweils auf den falschen Wegstrecken bewegt haben. Auch diese erkennbaren Abweichungen von den allgemeinen Gepflogenheiten im Reitsport habe die Klägerin zu besonderer Vorsicht und einem unfallverhindernden Abstand beim Vorbeigaloppieren anhalten können und wohl auch müssen.

Unter Berücksichtigung all dieser tatsächlichen Gegebenheiten seien die Verursachungsanteile beider Pferde für den Unfall der Klägerin als gleichgewichtig anzusehen und die Ersatzansprüche der Klägerin seien daher zu halbieren.

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp