Konkludenter Haftungsausschluss bei einem Reitunfall
„Allein der Umstand, dass der Reiter bei einer Reitbeteiligung regelmäßig das Pferd nutzt und sich so als ‚Tierhalter auf Zeit‘ fühlt, rechtfertigt nicht die Annahme eines Haftungsausschlusses. Dies gilt insbesondere, wenn eine Tierhalterhaftpflichtversicherung abgeschlossen wurde.“
Landgericht Hamburg, Teilurteil vom 09. Juli 2015, Az. 328 O 373/14
Der Sachverhalt
Der Kläger ist ein Krankenversicherungsverein. Nach einem Reitunfall der damals 19-jährigen Frau L. erstattete der Kläger einige Kosten, die mit der Klage geltend gemacht werden.
Die Beklagte ist Halterin eines Pferdes. Im Rahmen einer Reitbeteiligung benutzte Frau L. das Pferd der Beklagten, unter anderem zum Reitunterricht. Dieser Unterricht fand einmal die Woche statt. Die Beklagte erhielt im Monat € 80,00 von Frau L. Das Pferd wurde auch durch andere Personen genutzt.
Im Rahmen des Reitunterrichts am 14. März 2012 kam es zu einem Unfall. Frau L. führte gerade eine Parade zum Halten durch als das Pferd hochstieg und zusammen mit Frau L. das Gleichgewicht verlor und stürzte. Frau L. wurde durch das auf sie stürzende Pferd schwer verletzt und zunächst im Wesentlichen im Klinikum St.- G. stationär behandelt.
Der Kläger verlangt aus übergegangenem Recht Erstattung von Kosten im Zusammenhang mit dem Reitunfall von der Beklagten als Tierhalterin.
Das Urteil
Dem Kläger stehe dem Grunde nach aus übergegangenem Recht, § 86 VVG, ein Anspruch gegen die Beklagte gemäß § 833 BGB auf Schadensersatz wegen des Reitunfalls der Frau L. am 14. März 2012 zu. Eine Haftung sei weder ausgeschlossen gewesen noch sei der Anspruch wegen eines Mitverschuldens zu kürzen.
Die Vereinbarung einer Reitbeteiligung führe vorliegend nicht zu der Annahme eines konkludenten Haftungsausschlusses. Allein der Umstand, dass der Reiter bei einer Reitbeteiligung regelmäßig das Pferd nutze und sich so als „Tierhalter auf Zeit“ fühle, rechtfertige nicht die Annahme eines Haftungsausschlusses. Bei dieser Argumentation würde die Frage der Haltereigenschaft, die bereits Tatbestandsvoraussetzung sei, mit den Fragen von Erklärungsinhalten bei Vertragsschluss zum Ausschluss der gesetzliche normierten Haftung vermischt.
Frau L. sei im Zeitpunkt des Unfalls nicht Halter des Pferdes im Sinne des § 833 BGB gewesen. Es sei hinlänglich anerkannt, dass der regelmäßige, kurzzeitige Nutzer eines Pferdes nicht selbst zum Halter würde, sodass allein deshalb eine Haftung gemäß § 833 BGB nicht ausgeschlossen sei.
In Anwendung der vom Bundesgerichtshof zum konkludenten Haftungsausschluss aufgestellten Grundsätze seien vorliegend die „besonderen Umstände“, die unter Umgehung des ausgedrückten Willens der Vertragsparteien allein aufgrund einer Willensfiktion die Annahme eines Verzichtes rechtfertigen könnten, nicht erkennbar. Allein der Umstand, dass eine Tierhalterhaftpflichtversicherung abgeschlossen worden sei, spreche dafür, dass gerade kein Haftungsverzicht eine Rolle spielen solle, da der Verzicht nicht den Halter, sondern allein den Versicherer entlasten würde.
Daneben habe der Bundesgerichtshof sowohl für die Fälle einer freundschaftlichen bzw. kameradschaftlichen Überlassung des Pferdes als auch für die Fälle einer professionell vertraglichen Überlassung des Tieres (Tierpension) entschieden, dass die Haftung gemäß § 833 BGB nicht ausgeschlossen sei. Unter Berücksichtigung verschiedener, denkbarer Begründungsansätze (Handeln auf eigene Gefahr, Gefälligkeit analog § 599 BGB, §§ 8, 8a StVG analog, Schutzzweck der Norm, Treu und Glauben) lehne die Rechtsprechung den Haftungsausschluss ab (BGH, a.a.O., Rn. 14ff.; 25. März 2014, VI ZR 372/13, Rn. 9, juris). Der vorliegende Fall einer Reitbeteiligung liege dem Sachverhalt und den Wertungen nach zwischen der rein freundschaftlichen und der beruflich/professionellen Überlassung eines Tieres. Das Gericht könne auf Basis der vorliegenden Sachverhaltskonstellation keinen besonderen Umstand feststellen, der die Annahme eines Haftungsausschlusses rechtfertigen könnte.
Auch treffe Frau L. kein Mitverschulden an dem Unfall, § 254 BGB.
Die Behauptung der Beklagten, dass sich Frau L. beim Aufsteigen des Pferdes nach hinten gelehnt habe, habe sich durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt.
Für ein die Haftung minderndes Mitverschulden des Geschädigten ist egelmäßig der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig, im Anwendungsbereich des § 833 BGB also der Tierhalter. Dass dieser zu den Handlungen des Geschädigten beim Umgang mit dem Tier möglicherweise mangels Kenntnis nicht ausreichend vortragen kann, rechtfertigt keine Umkehr der Beweislast. Der Geschädigte hat insoweit im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast konkret zu seinem Handeln vorzutragen, der Schädiger hat sodann zu beweisen, inwieweit der Vortrag des Geschädigten unrichtig ist.
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Rechtsanwältin Susan Beaucamp