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Anlagebedingter Mangel beim Kauf und Rückkauf eines Pferdes

Ergänzende Vertragsauslegung zu einem anlagebedingten Mangel beim Kauf und Rückkauf eines Pferdes

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 9. September 2014, Az. 19 U 40/14

Vorinstanz: Landgericht Paderborn, 10. Februar 2014, Az. 4 O 162/13

Der Sachverhalt

Die Beklagte kaufte im Jahr 2007 eine Stute von der Klägerin. Im Jahr 2011 kaufte die Klägerin die Stute von der Beklagten zurück. Die Stute wies später eine hochgradige Parodontose mit schmerzhaften Entzündungsprozessen auf, sodass das Tier letztlich die Nahrung verweigerte und im Jahr 2012 eingeschläfert werden musste. Grund für das Krankheitsbild war eine genetisch bedingte Wachstumsstörung, die zu einer Fehlentwicklung des Kiefers und des Zahnwachstums führte.

Die Klägerin trat vom Kaufvertrag zurück und forderte den Kaufpreis zurück.

Das Urteil

Das Landgericht wies die Klage ab und das Oberlandesgericht bestätigte dieses Urteil.

Ein Mangel an sich habe bei der streitgegenständlichen Stute im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Z. 1 BGB zwar vorgelegen. Unstreitig habe sie an einer Veränderung ihres Kiefers gelitten, welche auf einer genetisch bedingten Wachstumsstörung beruht hätten. Als Folge dieser genetischen, von vornherein angelegten, Disposition seien die Abstände zwischen ihren Zähnen zu groß geworden. Das Futter habe sich in den Interdentalräumen festgesetzt, wodurch es zu einer hochgradigen Form der Parodontose gekommen sei. Es hätten sich Zahnfleischtaschen gebildet, welche zu schmerzhaften Entzündungsprozessen und in der Folge zur Verweigerung der Nahrungsaufnahme geführt hätten. Nach den Angaben von Dr. T sei diese Kieferveränderung – wenn auch noch nicht offensichtlich – bereits im Juli 2011 vorhanden gewesen.

Es sei auch nicht feststellbar, dass die Parteien bei Abschluss des Rückkaufvertrages im Jahre 2011 eine Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 S. 1 BGB getroffen hätten, wonach das Pferd exakt mit derjenigen Grundbeschaffenheit einschließlich seiner genetischen Disposition rückveräußert werden solle, welche bereits bei Erwerb des Tieres im Jahr 2007 vorgelegen habe.

Die Parteien hätten weder im Jahre 2007 und auch noch im Jahre 2011 Kenntnis von gesundheitlichen Beschwerden des Tieres gehabt und sich unstreitig auch keinerlei Gedanken über einen, also von Anfang an, genetisch angelegten Mangel gemacht, sondern seien von einem solchen gerade nicht ausgegangen. Infolgedessen hätten die Parteien bei Abschluss des streitgegenständlichen Rückkaufvertrages im Juli 2011 ihren Regelungsplan zur Sachmängelgewährleistung nur unvollständig vereinbart. Insoweit sei eine „planwidrige Unvollständigkeit“ im Sinne einer „Regelungslücke“ verblieben.

In der vorliegenden Konstellation, in der das Tier zunächst veräußert und einige Jahre später von denselben Parteien rückveräußert worden sei, erschiene es weder angemessen noch interessengerecht, wenn sich die Mängelgewährleistung des Rückverkäufers einschränkungslos nach den §§ 434 ff. BGB richten würde. Angesichts der fortschreitenden Auswirkungen der genetischen Disposition des Pferdes auf das Wachstum seines Kiefers hinge es mehr oder weniger vom Zufall ab, ob der Rückkauf im Jahr 2011 noch zu einem Zeitpunkt erfolgte, als die Folgen der Wachstumsstörung für die Zahnstellung im Kiefer des Pferdes noch nicht erkennbar waren. Unter Anwendung der gesetzlichen Mängelgewährleistungsregeln, die ihrem Sinn und Zweck nach für ein einmaliges Austauschverhältnis konzipiert seien, würde die Mängelhaftung hierdurch ausschließlich auf die Rückverkäufer verlagert, obwohl der Sachmangel ursprünglich aus der Sphäre Erstverkäufers stamme, so dass dieser dafür Gewähr zu leisten gehabt hätte. Für ein interessengerechtes Ergebnis bedürfe es hier mithin einer ergänzenden Vertragsauslegung.

Dazu sei vom mutmaßlichen Parteiwillen auszugehen. Hätten die Parteien bei Abschluss des Rückkaufvertrages im Jahre 2011 die Möglichkeit eines schon anlagebedingten Mangels bedacht, hätten sie bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben einen Ausschluss der Sachmängelgewährleistung des Rückverkäufers für solche Mängel vereinbart, mit denen die streitgegenständliche Stute bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs anlässlich ihrer ersten Veräußerung im Jahre 2007 behaftet gewesen sei. Durch einen teilweisen Ausschluss der Sachmängelgewährleistung im Wege der ergänzenden Auslegung des Rückkaufvertrages wären indes nicht etwaige Gewährleistungsansprüche aus dem Erstverkauf aus dem Jahr 2007 wieder aufgelebt, sondern es würde lediglich die Sachmängelhaftung anlässlich des Rückkaufvertrages aus dem Jahr 2011 zur Wahrung der Interessen in der besonderen Konstellation zwischen den Parteien eingeschränkt.

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Susan Beaucamp

Rechtsanwältin

Schadensersatz/ Schmerzensgeldanspruch /Infektion von Pferden mit dem EIA-Virus

Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch wegen der Infektion von Pferden mit dem EIA-Virus

Dass das Blut eines Spendertieres im Mai 2012 nicht auf EIA-Viren getestet wurde, stellte keine Verletzung des Standards guter Tiermedizin dar.“

Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 23. September 2015, Az. I-5 U 189/14

vorgehend Landesgericht Bonn, Urteil vom 12. November 2014, Az. 9 O 8/13

Der Sachverhalt

Die Kläger sind Pferdezüchter. Der Beklagte betreibt eine tierärztliche Pferdeklinik. Er war seit 2002 Eigentümer des Pferdes „B“. Dieses Pferd wurde auch für Blut- und Plasmaspenden eingesetzt.

Am 17. Mai 2011 verkaufte der Beklagte einer der Klägern eine solche Plasmaspende.

Der Beklagte führte bei vier der klägerischen Pferde jeweils eine Plasmatransfusion mit Plasma des Pferdes „B“ durch.

Die Kläger behaupten, dass B2s Blut mit einem Virus („Equine Infektiöse Anämie“ = EIA) verseucht gewesen sei.

Durch die vier klägerischen Pferde, die eine Plasmainfusion erhalten haben, seien zwei weitere klägerische Pferde angesteckt worden.

Nach Entdeckung der Infektion seien die infizierten Pferde auf Anordnung des Veterinäramtes getötet worden.

Die Kläger begehren Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Die Entscheidung

Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht weist die Parteien darauf hin, dass es beabsichtigt, die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Es kämen keine vertraglichen Ansprüche (§§ 280, 611 BGB) in Betracht.

Bezüglich der angesteckten Pferde schon deshalb nicht, weil hier keine vertragliche Verbindung zu dem Beklagten bestünde. Einen Behandlungs- oder sonstigen Vertrag, der auf die Behandlung ihrer Pferde gerichtet wäre, und in dessen Folge verseuchtes Blutplasma übertragen worden wäre, hätten die Kläger mit dem Beklagten nicht geschlossen. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der wohl am ehesten als Kaufvertrag zu qualifizierende Vertrag über das Blutplasma die Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erfülle.

Hinsichtlich der tierärztlichen Behandlung der Pferde, die eine Plasmatransfusion erhielten, sei zwar ohne weiteres vom Vorliegen eines Behandlungsvertrages auszugehen. Allerdings fehle es am Erfordernis einer schuldhaften Pflichtverletzung des Beklagten. Der Tierarzt verstoße nur dann in vorwerfbarer Weise gegen seine vertraglichen Pflichten, wenn er das nicht beachte, was zum Zeitpunkt der schädigenden Handlung oder Unterlassung tierärztlicher Standard bedeute. Standard bedeute dabei den Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und ärztlichen (bzw. tierärztlichen) Erfahrung, der sich in der praktischen Erprobung bewährt habe und dessen Einsatz zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich sei.

Unter diesen Voraussetzungen könne aber eine Verletzung des Standards guter Tiermedizin auch für den hier interessierenden Zeitraum, in dem die Pferde durch den Beklagten eine Plasmaspende erhielten, nicht festgestellt werden. Bei dieser Bewertung stütze sich der Senat ebenso wie die Kammer auf das überzeugende Gutachten des Sachverständigen, der sich sehr eingehend unter Auswertung der entsprechenden Literatur und unter Einholung eigener Auskünfte mit der Frage auseinandergesetzt habe, ab wann davon auszugehen gewesen sei, dass die Testung von Plasma auf EIA-Viren vor der Verabreichung an ein Tier sich im Bewusstsein der entsprechenden Tiermediziner-Kreise als gutes standardgemäßes Vorgehen durchgesetzt hätte. Er sei zu dem Ergebnis gelangt, dass es letztlich die Infektionsfälle gewesen seien, die im Spätsommer/Herbst des Jahres 2012 aufgetreten oder bekannt geworden seien, die ein Bewusstsein für die Notwendigkeit der Testung auf EIA-Viren geschaffen hätten. Dieser Umstand spreche dafür, einen tierärztlichen Standard erst ab diesem Zeitpunkt, d.h. ein Jahr nach den hier erfolgen Plasmaspenden, anzunehmen.

Auch Ansprüche der Kläger aus § 1 Abs.1 Satz 1 ProdHaftG bestünden nicht.

Das Produkthaftungsgesetz sei zwar anwendbar, das streitgegenständliche Blutplasma sei aber nicht fehlerhaft im Sinne des ProdHaftG gewesen. Nach § 3 ProdHaftG habe ein Produkt einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit biete, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere seiner Darbietung, des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden könne, sowie des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde, berechtigterweise erwartet werden könne.

Nach diesen Grundsätzen könnte von dem Beklagten zum Zeitpunkt des Verkaufs des Blutplasmas bzw. zum Zeitpunkt der Verabreichung des Blutplasmas nicht berechtigterweise erwartet werden, dass er das zu einem früheren Zeitpunkt gewonnene Blutplasma bzw. das Spenderpferd auf eine infektiöse Anämie untersuche. Entscheidend sei hierfür, dass dies zu diesen Zeitpunkten nicht als tierärztlicher Standard zu fordern gewesen sei.

Schließlich würden auch Ansprüche auf rein deliktischer Grundlage (§ 823 Abs.1 BGB) nicht in Betracht kommen.

Der übliche deliktsrechtliche Ansatz der Garantenstellung des Arztes bzw. Tierarztes durch faktische Übernahme der Behandlung scheide für die angesteckten Pferde aus. Hier könnte eine Haftung nur denkbar sein unter dem Gesichtspunkt des vorangegangenen Tuns, nämlich der Eröffnung einer Gefahrenquelle durch ein „Inverkehrbringen“ verseuchten Plasmas. Vorwerfbar im Sinne einer Fahrlässigkeit sei dies indes nicht. Fahrlässigkeit setze das Außerachtlassen einer verkehrsüblichen Sorgfaltspflicht voraus. Verkehrsübliche Sorgfalt wiederum sei gleichzusetzen mit der Pflicht eines ordentlichen Tierarztes, was wiederum auf den tierärztlichen Standard verweise, der nach dem oben Gesagten nicht verletzt sei.

Im Hinblick auf die Pferde, die eine Plasmatransfusion erhalten hätten, bei dem eine auf vertraglicher Grundlage beruhende tierärztliche Behandlungsübernahme durch den Beklagten vorliege, richte sich der Haftungsmaßstab unmittelbar nach dem tierärztlichen Standard, der auch in seinem Fall nicht verletzt sei.

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Susan Beaucamp

(Rechtsanwältin)

Verstoß gegen das Tierschutzgesetz

Nachträgliche Anordnung der Fortnahme eines Tieres

Weder nach § 16a Abs 1 S 2 Nr 2 TierSchG noch nach sonstigen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften des niedersächsischen Landesrechts ist die zuständige Behörde befugt, eine Vollstreckungsmaßnahme durch Verwaltungsakt nachträglich zu bestätigen.“

Verwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 12. Dezember 2016, Az. 6 A 268/16

Der Sachverhalt

Der Kläger wendet sich gegen die mit Bescheid vom 13.06.2016 erfolgte nachträgliche Bestätigung einer bereits am 10.05.2016 erfolgten Fortnahme seines Hengstes, sowie gegen die Feststellung der Kostentragungspflicht für die anderweitige Unterbringung.

Der Kläger ist Halter mehrerer Pferde, darunter eines Hengstes Namens „C.“.

Zwischen den Beteiligten herrscht Streit darüber, ob der Kläger in der Vergangenheit seinem Hengst regelmäßig Auslauf gewährte.

Mit Bescheid vom 09.03.2016 untersagte der Beklagte dem Kläger die weitere Haltung und Betreuung des von ihm gehaltenen Hengstes „C.“. Er räumte dem Kläger acht Wochen Zeit ein, den Hengst in eine andere tierschutz-und verhaltensgerechte Haltung zu verbringen. Für den Fall, dass der Kläger acht Wochen nach Zugang der Verfügung weiterhin seinen Hengst halten oder betreuen sollte, drohte der Beklagte zugleich an, das Pferd auf seine Kosten fortzunehmen und anderweitig pfleglich unterzubringen.

In der Folgezeit vermittelte der Kläger den Hengst nicht in eine andere Unterbringung. Mit Schreiben vom 09.05.2016 kündigte der Beklagte dem Kläger daraufhin an, am darauf folgenden Tag, dem 10.05.2016, die Fortnahme des Hengstes durchzuführen. Dieses Schreiben enthielt keine Rechtsmittelbelehrung.

Am 10.05.2016 nahm der Beklagte im Beisein der Amtstierärztin sowie für den Fall einer notwendigen ärztlichen Behandlung eines weiteren Tierarztes den Hengst fort und verbrachte ihn in eine andere Unterbringung. Laut einem Erinnerungsvermerk der Amtstierärztin heißt es, dass dem Kläger die Fortnahme zuvor angekündigt worden sei. Der Kläger habe widerstrebend bei der Verladung des Pferdes mitgewirkt.

Die Entscheidung

Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten, soweit der Beklagte mit dem Bescheid nachträglich die Fortnahme des Hengstes legitimieren möchte, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Insbesondere könne der Beklagte dem Bescheid diesbezüglich nicht auf § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG stützen. Gemäß dieser Vorschrift könne die zuständige Behörde ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung durch den Halter sichergestellt ist.

Der Beklagte sehe zu Unrecht in dieser gesetzlichen Vorschrift eine Ermächtigungsgrundlage dafür, eine bereits erfolgte Fortnahme des Tieres nachträglich durch einen Verwaltungsakt zu legitimieren oder zu bestätigen.

Ebenso sei es mit dieser Norm nicht vereinbar, dass die zuständige Behörde eine bereits erfolgte Verwaltungsvollstreckung im Wege eines feststellenden Bescheids nachträglich selbst legitimiert. In diesem Fall würde nicht nachträglich der (bereits vollstreckte) Grundverwaltungsakt erlassen, sondern durch einen der Bestandskraft fähigen Bescheid über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung entschieden.

Der angefochtene Bescheid könne auch nicht als schriftliche Bestätigung eines bereits mündlich erlassenen Verwaltungsaktes verstanden werden. Vielmehr ergebe sich aus den Verwaltungsvorgängen, dass ein solcher Verwaltungsakt am 10.05.2016 gar nicht erlassen wurde.

Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG (im Folgenden nur: VwVfG) könne ein Verwaltungsakt auch mündlich erlassen werden. Gemäß Satz zwei der gleichen Vorschrift sei ein solcher Verwaltungsakt schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse bestehe und der Betroffene dies unverzüglich verlange.

Aus dem Vermerk der Amtstierärztin ergeben sich aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass bei der Fortnahme des Hengstes ein mündlicher Verwaltungsakt mit dem Inhalt erlassen worden sei, dass nunmehr die Fortnahme angeordnet werde. Die Amtstierärztin führe vielmehr aus, dass der Kläger nach dem Klingeln der Amtstierärztin ihr und den weiteren Mitarbeitern des Beklagten bzw. der Polizei widerstrebend die Tür geöffnet und bei der Verladung des Pferdes mitgewirkt habe. Zwar habe der Kläger gegenüber ihr angemerkt, das Pferd befindet sich gar nicht auf dem Grundstück, dass in dem früheren Bescheid vom 09.03.2016 bezeichnet worden sei. Daraufhin habe ihn aber der teilnehmende Polizeibeamte lediglich aufgefordert, sich nunmehr kooperativ zu verhalten. Es gebe einen Bescheid, der die Rechtsgrundlage für das Handeln des Landkreises bilde. Einwände hiergegen müssten gerichtlich geltend gemacht werden. Dies spreche entscheidend dafür, dass vor Ort nicht ein weiterer Bescheid mündlich ausgesprochen wurde. Vielmehr sollte nach dem Verständnis aller die Rechtsgrundlage für das Handeln des Beklagten der frühere Bescheid vom 09.03.2016 sein.

Dafür spreche auch das nach der Fortnahme vorangegangene Schreiben. Mit Schreiben vom 09.05.2016 habe der Beklagte die Fortnahme lediglich angekündigt. Ein Verwaltungsakt sei hierin nicht zu sehen. Insbesondere enthalte dieses Schreiben auch keine Rechtsbehelfsbelehrung, wie es ansonsten zu erwarten gewesen wäre. Das Gericht gehe daher davon aus, dass der Beklagte selbst zu diesem Zeitpunkt – zutreffend – annahm, die Fortnahme des Hengstes erfolge als Vollstreckung des Haltungs- und Betreuungsverbots.

Aus den genannten Gründen ergebe sich in gleicher Weise, dass die nachträgliche Anordnung der Unterbringung für die Zeit vor Erlass des angefochtenen Bescheids rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletze, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Etwas anderes gelte aber, soweit der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid auch die fortdauernde Unterbringung für die Zukunft anordne. Diesbezüglich sei der Bescheid rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für den Bescheid sei § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Hs. 1 TierSchG. Dem stehe nicht entgegen, dass der Hengst zum Zeitpunkt der Anordnung dieser Unterbringung tatsächlich bereits durch den … untergebracht war.

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Susan Beaucamp

Rechtsanwältin

Pferdehalterhaftung – Mitverschulden des Bereiters

Pferdehalterhaftung – Mitverschulden des Bereiters

OLG Schleswig Urt. v. 12.06.2015 17 U 103/14

Leitsätze:

Der Bereiter handelt nicht auf eigene Gefahr, sondern nach wie vor in einem Vertragsverhältnis zum Pferdehalter, auch wenn ihm dieser den weiteren Beritt eines Problempferdes anheimgestellt hat. Der Bereiter wird dadurch nicht aus dem Vertrag entlassen.

Reitet der Bereiter in einer solchen Situation trotzdem weiter und wird abgeworfen, so kann ein Schadensersatzanspruch wegen Mitverschuldens zu kürzen sein.

Sachverhalt:

Der Kläger ist selbständiger Bereiter und Reitlehrer. Er vereinbarte vertraglich, das Pferd der Beklagten auszubilden und ihm vorhandene Unarten wie steigen und buckeln abzugewöhnen. Nach bereits einigen Monaten im Beritt buckelte das Pferd während eines Termins schon beim Ablongieren so stark, dass der Pferdehalter dem Bereiter anbot, das Pferd an einem anderen Tag zu reiten und es an diesem Tag beim Longieren zu belassen. Um den Ausbildungserfolg nicht zu gefährden, entschied sich der Kläger jedoch dazu, das Pferd zu reiten. Nachdem er aufgestiegen war, buckelte das Pferd über zehn Minuten hinweg, bis es ihn letztendlich abwarf. Der Kläger wurde dabei erheblich an der Halswirbelsäule verletzt, so dass ihm in der Folge Heilbehandlungskosten in Höhe von über 75.000€ entstanden.

Der Bereiter begehrte nun von dem Pferdehalter Ersatz der Heilbehandlungskosten, sowie ein angemessenes Schmerzensgeld.

Entscheidung des OLG Schleswig:

Ein Anspruch des Klägers gegen den beklagten Pferdehalter aus § 833 BGB bestand grundsätzlich, da sich in dem Buckeln und Steigen des Pferdes die spezifische Tiergefahr verwirklicht hatte und der Bereiter dadurch gestürzt war und sich die schweren Verletzungen zugezogen hatte. Bei der Tierhalterhaftung handelt es sich um eine verschuldensunabhängige Haftung, so dass es auf ein Verschulden des Pferdehalters nicht ankommt.

Fraglich war jedoch, ob die Haftung der Beklagten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls, wegen eines etwaigen Mitverschuldens des Bereiters zu kürzen oder sogar nach Treu und Glauben wegen einer freiwilligen Selbstgefährdung auszuschließen war.

Der Bereiter könnte auf „eigene Gefahr“ gehandelt haben, indem er das Pferd bestieg, obwohl es an diesem Tag offensichtlich unwillig war und ihm von der Beklagten anheimgestellt wurde, das Pferd ein anderes Mal zu reiten.

Das Gericht entschied, dass der Bereiter nicht auf eigene Gefahr gehandelt hatte, sondern sich nach wie vor in einem vertraglichen Verhältnis zum Pferdehalter befand. Der Bereiter wird durch den ihm eingeräumten Ermessensspielraum nicht aus dem Vertragsverhältnis entlassen. Da bei Personen, die sich aus beruflichen Gründen der Tiergefahr aussetzen, ein vollständiger Haftungsausschluss wegen freiwilliger Selbstgefährdung grundsätzlich abzulehnen ist, ist die Haftung der Beklagten gegenüber dem Bereiter in diesem Fall nicht ausgeschlossen.

Allerdings kürzte das Gericht die Ansprüche des Klägers um 50%, da es in seinem Verhalten ein mitwirkendes Verschulden im Sinne des § 254 BGB sah.

Dabei führte das Gericht zur Begründung aus, dass der Kläger als berufsmäßiger Bereiter von ausgewiesenen Problempferden zwar regelmäßig ein erhöhtes Risiko in Kauf nehmen muss, im konkreten Fall hätte er sich dieses Risikos aber nicht aussetzen dürfen, da das Pferd auch nach zehn Minuten nicht aufhörte zu buckeln und zu steigen. Der Bereiter hätte den Beritt frühzeitiger abbrechen müssen, um sich nicht selbst in Gefahr zu bringen.

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Susan Beaucamp

Rechtsanwältin

Ansprüche des Halters einer Stute bei Samenverwechslung

Ansprüche des Halters einer Stute bei Samenverwechslung

Der Vertrag über die Lieferung und Übereignung von Frischsperma zum Zwecke der Besamung einer Stute durch einen vom Stutenhalter beauftragten Tierarzt in den Stallgebäuden des Hengsthalters ist als Gattungskauf einzuordnen.“

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 23. Februar 2010, Az. 19 U 133/09

Vorinstanz: Landgericht Arnsberg, Urteil vom 13. Oktober 2009, Az. 2 O 18/08

Der Sachverhalt

Die Klägerin ließ ihre Stute in der Deckstation der Beklagten mit Frischsperma des von ihr ausgewählten Hengstes durch den von ihr beauftragten Tierarzt besamen. Als das Stutfohlen geboren wurde, wurde der Klägerin eine Eigentumsurkunde ausgestellt, die als Vater des Stutfohlens den von ihr ausgewählten Hengst ausweist. In Folge einer Abstammungsuntersuchung durch ein Unternehmen bayrischer Zuchteinrichtungen stellte sich heraus, dass der Vater des geborenen Stutfohlens ein anderer Hengst sei. Die Klägerin behauptete, dass es bei der Besamung zu einer Verwechslung des Spermas gekommen sei und begehrte Schadensersatz, der ihr durch die Verwechslung entstanden ist.

Das Urteil

Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht wiesen die Klage ab.

Der Klägerin sei durch die Falschbesamung kein Schaden entstanden. Bereits das Landgericht habe dargelegt, dass der Klägerin kein Vermögensschaden entstanden sei. Der Behauptung der Klägerin, dass sie das Fohlen wegen der tatsächlichen väterlichen Abstammung zu einem niedrigeren Preis verkaufen müsse, könne nicht gefolgt werden. In Wahrheit habe die Klägerin sogar das Frischsperma eines Hengstes mit einer höheren Decktaxe erhalten. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass es der Klägerin allein auf die Vermarktung der Pferde angekommen sei. Nach Auffassung des Gerichtes sei das Pferd in diesem Fall als reines Wirtschaftsgut anzusehen.

Es handle sich bei einem Frischsamenkauf um einen Gattungskauf, wonach die Beklagte der Klägerin keine bestimmte konkretisierte Samenmenge des Hengstes schulde. Die Übereignung von Samen des anderen Hengstes stelle somit ein aluid (Ersatzlieferung) dar.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp