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Das Warmblood Fragile Foal Syndrome – eine rechtliche Betrachtung

Was ist das Warmblood Fragile Foal Syndrom, oder auch kurz WFFS?

WFFS oder auch nur FFS, da es nicht nur bei Warmblütern nachgewiesen wurde, sondern auch zum Beispiel bei Vollblütern, Knabstruppern und Trakehnern, ist ein Gendefekt welcher rezessiv vererbt wird. Das bedeutet, dass es krankes Fohlen nur entstehen kann, wenn beide Elterntiere Träger des Gens sind. In diesem Falle entsteht zu 25% ein an FFS erkranktes Fohlen, zu 50% ein Träger und zu 25% ein Fohlen, welches das Gen gar nicht in sich trägt. Ein Pferd, bei dem das Gen nur einfach vorliegt, ist zwar Träger für den Gendefekt, erkrankt selbst jedoch nie und ist somit vollkommen gesund. In den 25% der Fälle, in denen bei Verpaarung zweier Träger das Gen von beiden Seiten vererbt wird, erkrankt das Fohlen an FFS. Dies bedeutet, dass die Kollagenfasern im Körper nicht richtig ausgebildet werden. Das Fohlen hat eine deutlich dünnere Haut und Gelenke die stark überdehnbar sind. In den meisten Fällen werden die Fohlen schon während der Trächtigkeit resorbiert oder abortiert. Kommt ein betroffenes Fohlen lebendig auf die Welt, so reißt die Haut schon bei normalen Bewegungen auf, im Rahmen der Geburtshilfe kommt es zu schweren Verletzungen des Fohlens, so dass es entweder innerhalb weniger Stunden verstirbt oder eingeschläfert werden muss.

Paart man hingegen einen Nichtträger mit einem Träger an, so liegt die Wahrscheinlichkeit, dass das Fohlen wiederum Träger wird bei 50%, zu 50% trägt das Fohlen das Gen nicht in sich. Jedenfalls aber kann es niemals zu einem kranken Fohlen kommen.

Mittlerweile geht man davon aus, dass bei den deutschen Warmblutzuchtverbänden ca. 10 – 15% der Pferde Träger des Gens sind. Den Gendefekt muss es schon seit etwa 170 Jahren geben, erstmals nachgewiesen werden konnte er jedoch erst 2012, in der breiten Öffentlichkeit wurde er erst ab 2018 thematisiert.

Seit 2019 müssen die im HB I eingetragenen Deckhengste auf das Gen getestet werden. Beabsichtigt man einen positiven Hengst einzusetzen, so muss auch die Stute auf das Gen getestet werden, andernfalls begibt man sich in einen Konflikt zum Tierschutzgesetz. §11b I TierSchG verbietet es, Wirbeltiere zu züchten, soweit im Falle der Züchtung züchterische Erkenntnisse erwarten lassen, dass als Folge der Zucht, bei der Nachzucht erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten. Nach Abs. 2 kann die zuständige Behörde das Unfruchtbarmachen von Wirbeltieren anordnen, soweit züchterische Erkenntnisse erwarten lassen, dass deren Nachkommen Störungen oder Veränderungen im Sinne des Absatzes 1 zeigen werden.

Seit dem Bekanntwerden des Gendefekts ist es demnach verboten, zwei Trägertiere miteinander anzupaaren. Jetzt, da die Deckhengste verpflichtend getestet werden müssen, ist es daher erforderlich auch seine Stute auf das Gen testen zu lassen, beabsichtigt man einen positiven Hengst einzusetzen. Der Test ist dabei einfach über eine Haar- oder Blutprobe, derzeit für ca. 40 – 60 €, durchzuführen.

Ein Verstoß gegen § 11 b Abs. 1 TierSchG stellt gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 22 TierSchG eine Ordnungswidrigkeit dar, welche mit einer Geldbuße bis zu 25.000 € geahndet werden kann. Dabei kann die Ordnungswidrigkeit sowohl vorsätzlich, als auch fahrlässig begangen werden!

Die Unfruchtbarmachung von Trägertieren i.S.d. Abs. 2 dürfte jedoch erstmal nicht drohen, da das Gen rezessiv vererbt wird und man so erkrankte Fohlen leicht vermeiden kann, indem man die Elterntiere testet. Zudem hätte es wohl auch negative Auswirkungen auf die Population. Es scheint derzeit gesichert, dass Donnerhall FFS-Träger gewesen sein muss, weitere Träger sind z.B. auch Don Schufro (u.a.Vater von Weihegold, Isabell Wert) oder Balou du Rouet. Man male sich aus, wo die heutige Sportpferdezucht wäre, wenn sie hätten unfruchtbar gemacht werden müssen nur aufgrund dieses Gens.

Ähnliche, ebenfalls rezessiv vererbbare Gendefekte sind auch bei Quaterhorses bekannt, wie zum Beispiel HERDA oder GBED. Auch hier dürfen Träger weiterhin zur Zucht eingesetzt werden. Gentests werden für Zuchttiere verlangt.Eine andere Frage ist, ob der Trägerstatus einen Sachmangel im Rahmen des Gewährleistungsrechts darstellt und somit Gewährleistungsansprüche auslösen kann. Diese Frage dürfte wohl nicht so einfach zu beantworten sein, zumal es noch keinerlei Rechtsprechung zu dem Thema gibt.

Voraussetzung für Gewährleistungsansprüche ist, dass ein Mangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag. Da das Gen schon von Geburt an in dem Pferd angelegt ist, liegt dieser immer bereits bei Gefahrübergang vor. Fraglich ist jedoch, ob der Genstatus überhaupt einen Mangel i.S.d. § 434 BGB darstellt.

Wurde im Vertrag eine bestimmte Beschaffenheit des Pferdes vereinbart, so liegt ein Mangel immer vor, wenn die Ist- von der Sollbeschaffenheit abweicht. Da ein Träger grundsätzlich nicht an dem Gendefekt erkrankt und sich der Genstatus allein bei Zuchtpferden auswirkt, dürfte WFFS bei einem Wallach niemals einen Mangel begründen können, ebenso bei Pferden, die als reine Reitpferde gekauft wurden.

Soweit es im Vertrag heißt, dass die Befunde der Ankaufsuntersuchung die gesundheitliche Beschaffenheit des Pferdes bestimmen sollen, so kann dies nur für gesundheitsrelevante Aspekte gelten, die Gegenstand dieser Untersuchung waren. Umstände, die von der Untersuchung gar nicht erfasst wurden, können regelmäßig auch nicht Gegenstand der den Gesundheitszustand des Pferdes betreffenden Beschaffenheitsvereinbarung sein (Vgl. OLG Düsseldorf, 13 U 116/13). Das heißt, nur weil im Protokoll der AKU nicht vermerkt ist, dass das Pferd Träger ist, liegt keine Abweichung von der Beschaffenheitsvereinbarung vor, wenn das Pferd diesbezüglich gar nicht getestet wurde.

Schwieriger wird es, wenn das Pferd mit der BeschaffenheitsvereinbarungZuchtpferd“ gekauft wurde. Grundsätzlich hindert das Vorliegen des Gens nicht daran, dass das Pferd fruchtbar ist und in der Lage, gesunde Nachkommen zu zeugen. Jedoch ist man in der Auswahl des Partners eingeschränkt, man kann etwa 10 bis 15% der Hengste nicht einsetzen. Die Nachkommen aus einer Verpaarung mit einem Nichtträger können jedoch auch ihrerseits wieder zur Zucht eingesetzt werden. Zudem wurden auf den letzten Körungen zum Beispiel in München, Münster und Vechta auch mehrere Träger gekört und auch prämiert. In München wurde gerade erst sogar ein Träger zum Siegerhengst gekürt. Die Träger sind auch grundsätzlich vermarktbar, so wurde in Münster ein Träger mit einem Zuschlagspreis von 400.000 € zweitteuerster Hengst des Hengstmarktes. Man wird hier in beide Richtungen argumentieren können.

Wurde keine Beschaffenheit vereinbart, so liegt ein Mangel vor, wenn sich das Pferd nicht für die im Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Hierzu sei auf die obigen Ausführungen verwiesen.

 

Deutlicher

Liegt auch eine solche vertraglich vorausgesetzte Verwendung nicht vor, so liegt ein Mangel vor, wenn das Pferd sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet. Dies ist dann der Fall, wenn das Pferd keine Beschaffenheit aufweist, die bei Pferden der gleichen Art üblich ist, und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann. Da das Gen nur bei etwa 10 -15% der Warmblutpferde vorkommt, kann man wohl nicht behaupten, dass dieser Genstatus für Pferde üblich wäre. Allerdings kann man nie jede Stute mit jedem Hengst anpaaren, allein aus Inzuchtgründen sind immer einige Verpaarungen ausgeschlossen. Der Käufer kann also nicht erwarten, dass ein Zuchtpferd grundsätzlich mit jedem anderen verpaart werden kann. Auch hier lässt sich wohl beides vertreten.

Würde man annehmen, dass ein Mangel vorliegt, so wäre für einen Rücktritt vom Kaufvertrag eine weitere Voraussetzung, dass der Mangel nicht unerheblich ist, § 326 Abs. 5 BGB. Die Erheblichkeit des Mangels wird grundsätzlich vermutet. Ein Fall der Unerheblichkeit muss vom Verkäufer bewiesen werden. Merkliche Wertminderungen können zumindest im Rahmen der letzten Hengstauktionen mit veröffentlichtem Genstatus nicht sicher festgestellt werden. Es wurden jedenfalls alle zum Verkauf angebotenen positiven Hengste auch offiziell zugeschlagen und das zu teilweise weit überdurchschnittlichen Preisen. Auch können etwa 90% aller im HB I eingetragenen Hengste unbedenklich genutzt werden. Auch hier dürfte es eine Wertungsfrage sein, ob man einen Mangel als erheblich oder unerheblich ansieht. Aber auch bei einem unerheblichen Mangel würde jedenfalls ein Recht auf Minderung bestehen.

Für einen Schadensersatzanspruch ist grundsätzlich ein Verschulden des Käufers notwendig. Da erst seit 2019 alle Hengste getestet werden müssen, kann wohl selbst bei der Verpaarung von zwei Trägern, und damit einhergehend einem toten Fohlen, bei einer Bedeckung vor 2019 kein fahrlässiges Handeln unterstellt werden, denn zuvor bestand schlichtweg keine Kenntnis über den Genstatus der meisten Zuchttiere und die Erkrankung war auch noch weitgehend unbekannt. Schadensersatzansprüche dürften wohl erst zu begründen sein, wenn auch jetzt noch zwei Träger miteinander verpaart werden würden, trotz Kenntnis von dem Gendefekt.

Es ist für zukünftige Pferdekaufverträge bezogen auf Zuchtpferde daher anzuraten, entweder vor dem Verkauf oder im Rahmen der Ankaufsuntersuchung den Gentest durchzuführen, der wie gesagt sehr einfach und günstig durchgeführt werden kann, und das Testergebnis in die Beschaffenheitsvereinbarung mit aufzunehmen oder aber im Kaufvertrag ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass der Genstatus nicht getestet wurde und diesbezüglich die Gewährleistung auszuschließen. Ob und wie in Zukunft Gerichte dieses Thema bewerten, bleibt abzuwarten.

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Susan Beaucamp

(Rechtsanwältin)

Foto: Fotalia

Pferdetierarzt bei Untersuchung – Schadensersatz oder Berufsrisiko –

Pferdehalterhaftung

BGH, Urteil vom 17.03.2009 – VI ZR 166/08

Sachverhalt:

Der Beklagte hatte seinen 700 kg schweren Araber auf dem Hof des Zeugen B untergebracht. Am 23.10.2006 sollte der klagende Tierarzt eine Untersuchung des Pferdes durchführen. Als er bei dem Pferd eine rektale Fiebermessung versuchte, wurde er von dem Pferd getreten und zog sich einen Trümmerbruch zu.

Mit seiner Klage vor dem Landgericht begehrte er vor allem den Ersatz seines Verdienstausfalls.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Eine Tierhalterhaftung nach § 833 BGB sei ausgeschlossen, wenn es vertragliche Absprachen mit dem Tierhalter gab, Verrichtungen an dem Pferd vorzunehmen. Die Berufung des Klägers hatte ebenfalls keinen Erfolg. Er ging in Revision.

 

Entscheidung:

Die Revision hatte Erfolg. Der BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Vorliegend träfen die Tierhalterhaftung (Pferdehalterhaftung) (Gefährdungshaftung) und die Berufsrisiken eines Tierarztes aufeinander, wodurch eine Lösung gefunden werden müsse, die beiden Parteien gerecht werde. Das Berufungsgericht schloss sich nicht der Auffassung des Berufungsgerichtes an, wonach in den Fällen, in denen ein Tierarzt gegen ein Entgelt Verrichtungen an einem Pferd durchführt, die Vorschrift des § 833 BGB nicht greife. Dies würde die Tierhalterhaftung zu sehr aufweichen; vor allem weil es gerade hier die vom § 833 BGB erfasste typische Tiergefahr sei, die sich in dem Tritt des Pferdes realisiert habe. Die Vorschrift des § 833 BGB sei mithin anwendbar.

Ebenfalls könne der, der Verrichtung zugrunde liegende Behandlungsvertrag, nicht automatisch zu einem Haftungsausschluss führen. Ein solcher Haftungsausschluss müsse ausdrücklich vereinbart worden sein oder sich aus ergänzender Vertragsauslegung ergeben, was vorliegend nicht der Fall sei.

Ber BGH kritisierte auch die Annahme einer Haftungsfreistellung der Beklagten durch das Berufungsgericht mit der Begründung, gerade die Tätigkeit des Tierarztes sei es gewesen, die die besondere Gefahr des Tieres provoziert habe. Damit habe er das mit der Ausübung seines Berufes typische Risiko übernommen. Es wäre seine Aufgabe gewesen, Vorkehrungen bezüglich einer entsprechenden Versicherung zu treffen.

Dieser Ansicht war laut BGH ebenfalls nicht zu folgen, da eine vollständige Haftungsfreistellung des Pferdehalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Frage komme. „Von einem Handeln auf eigene Gefahr im Rechtssinne kann nur dann die Rede sein, wenn sich jemand in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen, ohne dass dafür ein triftiger – rechtlicher, beruflicher oder sittlicher – Grund vorliegt“ (Senatsurteil BGHZ 34, BGHZ Band 34 Seite 355, BGHZ Band 34 358; BGB-RGRK/ Steffen, 12. Aufl., § 833 Rn. 64). Ein solcher Ausnahmefall liege nicht vor, wenn sich ein Tierarzt in Ausübung seiner Tätigkeit einer Tiergefahr ausgesetzt habe. Inwieweit das Handeln des Klägers mitverantwortlich für den Schaden sei, müsse im Rahmen des Mitverschuldens gemäß § 254 BGB auf Schadensebene geklärt werden.

Mithin sei das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dort müsse nunmehr ein Mitverursachungsbeitrag des Klägers untersucht werden und falls eine Haftung der Beklagten verbleibe, die Schadenshöhe bestimmt werden.

 

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Susan Beaucamp

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Öffnung des Hufes ohne Einwilligung der Pferdebesitzers Schadensersatzansprüche gegenüber Huforthopäde

OLG Koblenz, Urteil vom 18.1.2017 – 5 U 1021/16

Sachverhalt:

Am 27.03.2013 begutachtete der beklagte Huforthopäde A den rechten Vorderhuf des der Klägerin gehörenden Pferdes X und entfernte absprachegemäß die Eisen von den vorderen Pferdehufen. Dabei entdeckte er am rechten Vorderhuf ein Hufgeschwür. Der Beklagte zog für die Behandlung des Pferdes einen weiteren Huforthopäden H hinzu. Zusammen mit ihm säuberten sie am nächsten Tag den Fäulnisherd am Huf des Pferdes. Am 29.03.2013 behandelte der Beklagte das Pferd ohne Rücksprache mit der Klägerin. Er öffnete den Huf, sodass ein Kirschkern großes Loch entstand. Er klärte die Klägerin über die weitere Versorgung des Hufes auf. Ein Druckverband wurde nicht angelegt. Danach reiste der Huforthopäde ab.

Am 10.04.2013 und am 15.05.2013 behandelte Huforthopäde H das Pferd. Kurze Zeit später kontaktierte die Klägerin einen Tierarzt, der am nächsten Tag die Behandlung des Pferdes übernahm. Dabei hat er der Klägerin mitgeteilt, dass der Eingriff nicht fachgerecht durchgeführt worden sei und ein Huforthopäde einen solchen Eingriff gar nicht erst habe durchführen dürfen.

Die Klägerin verlangte daraufhin Schadensersatz für die angefallenen Kosten in Höhe von rund 14.000 Euro, die ihr aufgrund der fehlerhaften Behandlung entstanden sind.

Das LG Trier hatte der Klage teilweise stattgegeben und der Klägerin einen Schadensersatz in Höhe von 11.457,52 Euro zugesprochen.

Beide Parteien legten gegen die Entscheidung vor dem OLG Koblenz Berufung ein.

 

Entscheidung:

Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg. Das OLG entschied, dass ihr gemäß § 823 I BGB ein weiterer Betrag von 7638,35 Euro zusteht.

Das OLG führte – wie zuvor das Landgericht – an, dass der Beklagte die Öffnung des Hufes am 29.03.2013 ohne Einwilligung der Klägerin vorgenommen habe und damit rechtswidrig das Eigentum der Klägerin verletzt. Die vorherige Einwilligung zu der Behandlung am 27.03.2013, bei der die Klägerin anwesend war, erstrecke sich nicht auf sämtliche, weitergehende Behandlungen. Vor allem nicht auf den invasiven Eingriff am 29.03.2013, der laut Sachverständigem einen neuen Eingriff darstelle. Es bedürfe demnach entgegen der Auffassung des Beklagten keines Widerrufs der Einwilligung vom 27.03.2013, sondern einer gesonderten Einwilligung für das Öffnen des Hufes.

Zudem ginge aus einem Sachverständigengutachten des LG zweifelsfrei hervor, dass es dem Beklagten als Huforthopäde untersagt gewesen sei einen solchen Eingriff durchzuführen, da es sich dabei um eine veterinärmedizinische Behandlung gehandelt habe. Weiterhin sei der Eingriff nicht vorschriftsmäßig vorgenommen worden, da die Öffnung zu groß und der Beklagte auf einen Druckverband verzichtet habe. Damit liege ein weiterer Haftungsgrund neben der fehlenden Einwilligung vor.

Nach Ansicht des Landgerichts hätte die Klägerin zügiger einen Tierarzt kontaktieren müssen. Ihr sei deswegen ein erhebliches Mitverschulden zuzurechnen. Diese Auffassung teilte das OLG nicht. Die Klägerin habe zwar vorgetragen, dass sie das Öffnen des Hufes in ihrer Anwesenheit nicht ohne Tierarzt erlaubt hätte. Darauf lasse sich aber kein Mitverschuldensvorwurf stützen, weil sie sich sie sich trotz ihrer Pferdekenntnisse auf die Einschätzung des ausgebildeten Huforthopäden zur weiteren Behandlung habe verlassen dürfen. Da ihr dieser nur zur weiteren Behandlung mit einem Huforthopäden riet, könne kein Mitverschulden der Klägerin in Hinsicht auf die unterbliebene Hinzuziehung eines Tierarztes begründet werden.

 

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Susan Beaucamp

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Schadensersatzanspruch gegen Tierarzt wegen fehlerhafter Ankaufsuntersuchung(Verkaufsuntersuchung), die der Verkäufer in Auftrag gegeben hat

Fehlerhaftes Alter des Pferdes als Mangel?

OLG Hamm, Urteil vom 5. 9. 2013 – 21 U 143/12

Sachverhalt:

Die Klägerin erwarb am 10.07.2010 eine Schimmel-Stute bei einem Pferdehändler, deren Alter in § 2 Ziff. 1. des Vertrages mit vier Jahren angegeben war. Nach § 5 des Kaufvertrages stand dieser unter der aufschiebenden Bedingung der erfolgreichen Durchführung einer Ankaufsuntersuchung durch den Gesellschafter der Beklagten Dr. M. . Der Verkäufer beauftragte den Tierarzt Dr. MIn seinen dem Untersuchungsprotokoll vorangestellten Allgemeinen Vertragsbedingungen hieß es unter anderem: “ Ist der Auftraggeber Verkäufer eines Pferdes, ist dieser berechtigt, das Untersuchungsprotokoll dem Kaufinteressenten vorzulegen. Der Käufer des Pferdes kann aus dieser Vorgehensweise keine Ansprüche gegen den Tierarzt herleiten.“

Im Untersuchungsprotokoll selbst wurde das Pferd vom beklagten Arzt als „4-jähriges“, „gerittenes“, „Reitpferd“ angegeben. Das Alter wurde dabei dem Pferdepass entnommen. Bei einer Adspektion von Maul und Gebiss wurden zwei Wolfszähne festgestellt.

Die Klägerin billigte das Untersuchungsprotokoll;  der Pferdekaufvertrag wurde wirksam.Die Klägerin beauftragte ihrerseits einen Tierarzt Dr. T. mit der Entfernung der beiden Wolfszähne. Dabei stellte sich – wie die Klägerin behauptete – heraus, dass das gekaufte Pferd entgegen den Angaben im Pferdekaufvertrag noch keine vier, sondern erst etwa zweieinhalb Jahre alt war.

Es folgte ein Rechtsstreit zwischen der Klägerin und dem Verkäufer F, bei dem der Verkäufer auf Schadensersatz in Anspruch genommen wurde. Die Parteien schlossen letztlich einen Vergleich, wonach der Verkäufer an die Klägerin 5000 € zu zahlen hatte. Zu dieser Zahlung kam es jedoch nie, weil der Verkäufer Insolvenz anmeldete.

Die Klägerin verklagte daraufhin den  Tierarzt Dr. M unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Pflichten aus dem Vertrag über die Durchführung der Ankaufsuntersuchung auf Schadensersatz. Sie verlangte ca 4.700 Euro für die Zeit ab Kauf der Stute bis zum 31.08.2011 für die Unterbringung, Verpflegung, Versicherung und tiermedizinische Versorgung des Tieres. Zusätzlich verlangte die Klägerin weitere 2.000 Euro für die im Rechtsstreit gegen den Verkäufer F angefallenen Kosten.

Das Landgericht Bielefeld hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin legte Berufung ein.

 

Entscheidung:

Hängt die Kaufentscheidung eines Pferdes von einer tierärztlichen Ankaufsuntersuchung(Verkaufsuntersuchung) ab, die der Verkäufer in Auftrag gibt, so kann der Tierarzt bei einem Fehler auch vom Käufer haftbar gemacht werden.

Die Berufung der Klägerin hatte teilweise Erfolg. Sie hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 634 Abs. 1 Nr.4, 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen über den Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte (§ 328 BGB analog). Sie kann aus dem zwischen dem Verkäufer F und dem Tierarzt Dr. M geschlossenen Vertrag über die Durchführung einer klinischen Ankaufsuntersuchung unmittelbar Schadensersatzansprüche gegen den Tierarzt geltend machen.

Dies ergebe sich daraus, dass ein zwischen Verkäufer und Tierarzt im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Pferdekaufvertrages geschlossener Vertrag über die Durchführung einer Ankaufsuntersuchung Schutzwirkung für den Kaufinteressenten entfaltet, weil die Untersuchung die Grundlage für den Kaufentschluss bildet. Dem könne auch nicht die haftungsausschließende Klausel der Allgemeinen Vertragsbedingungen des Tierarztes entgegenstehen, weil diese darauf abzielt, bewusst Ansprüche von Kaufinteressenten auszuschließen. Damit verstoße die Klausel zum einen gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB und zum anderen – was der Senat jedoch letztlich offen lassen könne – gegen die AGB Vorschriften nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB.

Bei der Ankaufsuntersuchung habe der Tierarzt eine ihm obliegende Pflicht verletzt. Der Umstand, dass Dr. M die im Protokoll vermerkten zwei Wolfszähne aufgefallen sind, zeige, dass nähere Untersuchungen durchgeführt worden seien, so der sachverständige Gutachter des Berufungsgerichts. Dabei hätte ihm auffallen müssen, dass das Tier noch keine vier Jahre alt sein konnte und es wäre die Aufgabe des Arztes gewesen, auf diesen Umstand hinzuweisen. Darin liege laut Auffassung des Gerichts die haftungsbegründende Verletzung einer Nebenpflicht.

Da durch eine Nachbesserung des Gutachtens der für die Klägerin entstandene Schaden nicht mehr verhindert oder vermindert werden könne, sei eine Fristsetzung der Klägerin auf Mängelbeseitigung entbehrlich gewesen. Es stehe nach Vernehmung der Klägerin fest, dass sie das Pferd nicht gekauft  hätte, wenn sie gewusst hätte, dass es seinerzeit erst gut zwei Jahre alt war.

Der Klägerin sei aufgrund der Pflichtverletzung des Beklagten ein Schaden in der zuerkannten Höhe entstanden. Der Tierarzt hafte gemäß §§ 634 Abs. 1 Nr. 4, 280 Abs.1 BGB auf Ersatz desjenigen Schadens, der der Klägerin dadurch entstanden sei, dass sie das Pferd aufgrund des fehlerhaften Befundes erworben habe. Dabei müsse der Beklagte Die Klägerin so stellen, als hätte diese den nachteiligen Vertrag nicht geschlossen. Ebenso könne Die Klägerin sich aussuchen, ob sie am Vertrag festhalten möchte – hier das Pferd behalten – und darüber hinaus zusätzliche Vermögenseinbußen ersetzt verlangen, oder ob sie den so genannten „großen Schadensersatz“ unter Übereignung der Kaufsache geltend macht; also Ersatz des gezahlten Kaufpreises und etwaiger Folgeschäden Zug um Zug gegen Rückübereignung des erworbenen Pferdes.

Da die Klägerin grundsätzlich das Pferd habe behalten wollen, belaufe sich der Schaden auf die Unterbringungs- Verpflegungs- und Behandlungskosten der erworbenen Stute für den Zeitraum, in der das Pferd alters- und entwicklungsbedingt noch nicht geritten werden dürfe. Danach habe der Beklagte der Klägerin die angefallenen Vermögenseinbußen zu ersetzen, die sie nicht gehabt hätte, wenn sie den Pferdekaufvertrag mit dem Verkäufer F nicht bereits im Juli 2010 abgeschlossen hätte, sondern erst zu einem Zeitpunkt, als das Pferd tatsächlich – wie vertraglich vereinbart – vier Jahre alt war.

Ein Anspruch auf die im Rechtsstreit mit Verkäufer F angefallen Kosten in Höhe von 2.000 Euro bestehe nicht.

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Susan Beaucamp

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Kein Rücktritt vom Pferdekaufvertrag wegen eines röntgenologischen Befundes beim Reitpferd

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 4. 9. 2006 – 16 U 66/06

Sachverhalt:

Der Kläger, ein Reitanfänger, erwarb einen Wallach vom Beklagten für 8.950€, den er zu Freizeitzwecken reiten wollte. Im Pferdekaufvertrag vom 29.07.2003 vereinbarten die Parteien eine tierärztliche Ankaufsuntersuchung. Weiterhin wurde unter Nr. 7 des schriftlichen Pferdekaufvertrags festgehalten:

„Eine bestimmte Beschaffenheit i.S. von § BGB § 434 BGB § 434 Absatz I BGB ist nicht vereinbart. Die Haftung des Verkäufers wird beschränkt auf gesundheitliche Mängel, die geeignet sind, die Einsatzfähigkeit des Pferdes erheblich zu beeinträchtigen”.

Bei der Ankaufsuntersuchung wurde von Tierärzten eine positive Beugeprobe vorne links diagnostiziert. Es wurden Röntgenaufnahmen aufgenommen; die sich aus den Bildern ergebenden Verschattungen wurden von den Ärzten in die Röntgenklasse Stufe 1 eingestuft.

(Die Einstufung in 7 schulnotenähnlichen Röntgenklassen wurde zwischenzeitlich richtigerweise abgeschafft siehe RöLF 2018. Vielmehr werden in diesem Röntgenleitfaden ausschließlich Röntgenbefunde aufgezählt, die von der „normalen Röntgenanatomie“ abweichen. Nach  RöLF (2018) werden die Aufnahmen folgendermaßen beurteilt: Röntgenbilder, die die normale Röntgenanatomie zeigen oder anatomische Varianten, die keine funktionelle Bedeutung haben, werden o.b.B. (ohne besonderen Befund) bezeichnet. Alle Befunde, die von dieser „normalen“ Röntgen­anatomie abweichen, werden im Protokoll notiert. Das sind entweder Befunde bei denen das Risiko, eine Lahmheit hervortreten zu lassen, nicht zuverlässig eingeschätzt werden kann oder es sind solche Befunde, die bereits mit einem Lahmheitsrisiko behaftet sind. Diese “Risiko­befunde” werden besonders gekennzeichnet. Als Grundlage für diese Einschätzung dienten der Röntgenkommission aktuelle, internationale Lehrbücher und wissenschaftliche Studien.)https://www.st-georg.de/wissen/roentgen-leitfaden-2018-radikale-aenderung-bei-der-kaufuntersuchung-von-pferden/

Einige Monate später wollte der Kläger das Pferd weiterverkaufen. Bei einer erneuten Ankaufsuntersuchung durch einen anderen Tierarzt wurde das Tier in die Röntgenklasse 3 eingestuft, wobei laut Arzt ein erhebliches Risiko beim Kauf des Pferdes bestehe.

Daraufhin erklärte der Kl. der Bekl. gegenüber mit Schreiben vom 12. 8. 2004 den Rücktritt vom Vertrag.

Er machte geltend, dass die erste Ankaufsuntersuchung fehlerhaft gewesen sei. Das Pferd habe schon damals in die Röntgenklasse 3 eingestuft werden müssen. Zudem sei der neue röntgenologische Befund Beweis dafür, dass das Pferd Schmerzen im fraglichen Gelenkbereich verspüren müsse, woraus sich ergebe, dass das Pferd nicht belastbar und damit ungeeignet als Reitpferd sei, weil es insbesondere nach mehrstündigem Reiten lahm gehen werde.

Er hat schließlich gemeint, dass es sich bei der röntgenologischen Beurteilung und Einstufung in Röntgenklasse 1 um eine zwischen den Parteien vereinbarte Beschaffenheit des Pferdes gehandelt habe.

Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Es war der Auffassung, dass es sich bei dem röntgenologischen Befund der Ankaufsuntersuchung nicht um eine Beschaffenheitsvereinbarung gehandelt habe, aber das Pferd mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht als Reitpferd belastbar sei, sodass ein Sachmangel im Sinne von § 434 I Nr. 2 BGB vorliege. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. C, welches darlege, dass angesichts der Befunde und der insoweit festgestellten Abweichungen von der Norm ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von klinischen Erscheinungen (Lahmheit) gegeben sei. Die Beklagte legte gegen dieses Urteil Berufung ein.

 

Entscheidung:

Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg. Entgegen der Auffassung des LG stehen dem Kläger keine Ansprüche wegen einer Mangelhaftigkeit des Pferdes zu.

„Ein Mangel an einem Reitpferd liegt dann vor, wenn zwingend vorhersehbar ist, dass das Pferd eine bestimmte Krankheit bekommen wird und lediglich der Zeitpunkt ungewiss ist.“

Es sei zutreffend, dass die röntgenologischen Befunde der Ankaufsuntersuchung keine Beschaffenheitsvereinbarung ausmachten. Sie dienten lediglich zur Absicherung des Käufers im Hinblick auf die fehlende Gewährleistung des Verkäufers und begründeten keine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 BGB.

Bezüglich der Beschaffenheitsvereinbarung sei lediglich der Inhalt des Vertrags zu berücksichtigen, der sich auf solche Mängel beschränke, die „die Einsatzfähigkeit des Pferdes erheblich zu beeinträchtigen geeignet sind.“ Eine sich im Nachhinein als falsch herausgestellte Tatsache der Ankaufsuntersuchung begründe keine Haftung des Beklagten.

Ebenso begründe das Gutachten des erstinstanzlich hinzugezogenen Sachverständigen keinen Mangel. Es sei zwar unstreitig, dass gewisse röntgenologische Veränderungen vorlägen. Dass daraus aber tatsächlich ein Mangel im landläufigen Sinne resultieren werde, sei derzeit unsicher.

Weist ein Tier eine Disposition auf, eine bestimmte Krankheit zu bekommen, könne dies nicht schon einen Mangel darstellen. Es müsse feststehen, dass die Krankheit zwingend zu einem zukünftigen Zeitpunkt ausbreche. Davon sei vorliegend nicht sicher auszugehen; selbst bei einer Einstufung einer Auffälligkeit in Röntgenklasse 3.

Durch Schilderungen des Klägers könne nicht entnommen werden, dass es bereits tatsächlich zu einer akuten krankhaften Veränderung im Sinne eines Lahmens des Pferdes gekommen sei.

Siehe zu diesem Thema auch der BGH: In seinem aktuellen Urteil vom 18.10.2017 (VIII ZR 32/16) betont der BGH noch einmal, die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd werde nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund von Abweichungen von der physiologischen Norm eine lediglich geringe Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln könne, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstünden. Ebenso wenig würde es zur üblichen Beschaffenheit eines Tieres (Pferdes) gehören, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen „Idealnorm“ entspreche. Ein Käufer könne nicht erwarten, ein Tier mit „idealen“ Anlagen zu erhalten, sondern müsse vielmehr im Regelfall damit rechnen, dass das von ihm erworbene Tier in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufwiese, wie sie für Lebewesen nicht ungewöhnlich seien. siehe auch https://pferderecht-sbeaucamp.de/ruecktritt-vom-pferdekaufvertrag-vorhandensein-eines-roentgenbefunds-als-sachmangel/

 

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Susan Beaucamp

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