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Springpferd – Rücktritt wegen Mangelhaftigkeit

LG Stade, Urt. v. 24.05.2006 – 2 O 212/04

Sachverhalt:

Ein 68 jähriger erfahrener Amateurspringreiter (der Kläger), wollte für sich ein Springpferd kaufen. Der Beklagte bot ihm eine Stute an. Diese ließ sich der Beklagte vorreiten und ritt anschließend selbst auch Probe. Der Beklagte teilte dem Kläger mit, dass die Stute bereits eine „Ton-OP“ hatte sowie einen Chip entfernt wurde und eine leichte Fehlstellung der Hufe vorliege. Dies bestätigte  auch die vor dem Kauf durchgeführte Ankaufsuntersuchung. Für einen Preis von 19.000 € erwarb der Kläger die Stute, wobei er im Wert von 1.500 € ein anderes Pferd in Zahlung gab. Etwa drei Monate nach der Übergabe erklärte der Käufer den Rücktritt vom Kaufvertrag, da das Pferd ernsthafte Rittigkeitsprobleme und auch gesundheitliche Mängel habe. Die Stute könne nur mit Hilfe von Ausbindern geritten werden, da sie ansonsten den Kopf hoch schlage. Weiter  galoppiere die Stute durch jede Wendung im Kontergalopp. Darüber hinaus leide  das Pferd an blutigen Nasenausfluss. Der Beklagte lehnte die Rücknahme des Pferdes Zug um Zug gegen Zahlung von 19.000€ und Rückgabe des in Zahlung genommenen Pferdes ab. Dagegen  reichte der Käufer Klage ein.

 

Entscheidung:

Da der Kläger kein Rücktrittsrecht nach §§ 437 Nr. 2, 326 Nr. 5, 346 BGB hatte, wurde die Klage abgewiesen.

Voraussetzung für die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen ist, dass zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs der Sache ein Sachmangel im Sinne des § 434 BGB anhafte. Ob ein Mangel vorliegt richtet sich zunächst nach der vereinbarten Beschaffenheit. Beide Parteien hatten sich bei dem Kauf unstreitig darauf geeinigt, dass das Pferd sich als Springpferd eignen solle. Darüber hinaus gehende  Vereinbarungen, ob das Pferd sich zum Turnierreiten oder für eine bestimmte Leistungsklasse eignen solle, wurden nicht getroffen.

Ferner stellte das Landgericht dazu fest, dass alleine aus dem höheren Alter des Käufers auch keine schlüssige Beschaffenheitsvereinbarung angenommen werden kann, dass es sich bei dem Pferd um ein besonders einfach zu reitendes „Lehrpferd“ handeln solle. Das Alter des Reiters allein reiche nicht aus, um auf reiterliche Fähigkeiten oder Schwächen schließen zu können. Der Beklagte hätte davon ausgehen müssen, dass es sich bei dem Käufer um einen erfahrenen Reiter handelt, der es versteht ein Pferd mit den richtigen Hilfen über die Sprünge zu lenken. Nach Ansicht des Gerichts war der Beklagte „ohne besondere Vereinbarung nicht gehalten, dem Kläger nur ein Pferd anzubieten, welches praktisch ohne Anleitung und unabhängig von dem Verhalten seines Reiters jeden Parcours springt.“ Daher war einzige vereinbarte Beschaffenheit, dass sich das Pferd zum Springreiten eigne, was nach der Beweisaufnahme durch den Sachverständigen zweifellos der Fall war. Ferner konnte der Sachverständige die vom Kläger behauptete Unrittigkeit nicht feststellen. Das Pferd sei unter ihm stets am Zügel gegangen und habe nicht den Kopf hochgerissen, auch ohne den Einsatz eines Gummichambons. Die Stute sei lediglich hin und wieder in den Kreuzgalopp umgesprungen, was jedoch keinen Mangel darstelle. Weil sich bei Pferden der Allgemeinzustand schnell ändern kann und deswegen mit hinreichender Sicherheit keine Rückschlüsse auf ein früheres Verhalten gezogen werden können, scheitert der Rücktrittsanspruch im Hinblick auf die Unrittigkeit im Übrigen auch an der Unmöglichkeit der Beweisführung durch den Käufer. Der Sachverständige könne lediglich das derzeitige Verhalten des Pferdes beurteilen, nicht aber das Verhalten zum Zeitpunkt der Übergabe.

Das Pferd eignete sich auch physisch zum Springreiten, denn nach der Aussage des Sachverständigen habe die Stute nur minimalen Nasenausfluss mit geringen Blutspuren, der nur unter extremer Belastung auftrete. Die Eignung des Pferdes zum Springen werde dadurch nicht eingeschränkt.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Sechs Monate altes Fohlen ist „Neue Sache“

BGH, Urteil vom 15.11.2006 – VIII ZR 3/06

Sachverhalt:

Der Kläger kaufte auf einer Auktion ein sechs Monate altes Hengstfohlen. Veranstalter der Auktion war die beklagte GmbH, die als Kommissionär im eigenen Namen für Rechnung des Ausstellers das Fohlen verkaufte. Die dem Geschäft mit dem Kläger zugrunde liegenden Auktionsbedingungen der Beklagten bestimmen unter anderem, dass die versteigerten Pferde als gebrauchte Sachen im Rechtssinne verkauft werden. Zudem würden sämtliche Pferde vor der Anlieferung zur Pferdeauktion klinisch untersucht. Die Protokolle der Untersuchung stünden allen Kaufinteressenten zur Verfügung. Das Protokoll solle laut der Bedingungen die gesundheitliche Beschaffenheit des Pferdes zum Zeitpunkt der Übergabe darstellen. Im Übrigen würden die Pferde verkauft wie besichtigt unter Ausschluss jeglicher Haftung/Gewährleistung. Die GmbH übernehme keinerlei Gewähr oder Garantie für bestimmte Eigenschaften oder Verwendungszwecke. Sämtliche Ansprüche seien gegen sie als Kommissionär zu richten. Die Gewährleistungsrechte im Bezug auf die vereinbarte Beschaffenheit verjähren innerhalb von 12 Monaten nach Zuschlag. Laut des Untersuchungsprotokolls hatte das besagte Fohlen insbesondere keine Befunde am Herzen.

Fast zwei Jahre nach der Auktion erklärte der Käufer schriftlich den Rücktritt vom Kaufvertrag, da sich herausgestellt habe, dass das Pferd einen angeborenen Herzfehler habe. Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Rückabwicklung des Vertrages nebst Ersatz der von ihm aufgewandten Aufzuchtkosten.

 

Entscheidung:

Sowohl in erster als auch zweiter Instanz unterlag der Kläger mit seinem Begehren. Die Revision zum BGH verlief hingegen erfolgreich. Das OLG Schleswig hatte seine Berufungsabweisung im Wesentlichen damit begründet, dass unabhängig davon, ob das Pferd überhaupt einen Mangel aufweise, der Kläger sich nicht mehr auf seine Gewährleistungsrechte berufen könne, da diese jedenfalls gemäß § 218 BGB verjährt seien und die Beklagte sich auf die Verjährung berufen habe. Die Beklagte habe sich auch zu Recht gemäß § 475 Abs. 2 BGB auf die laut den Auktionsbedingungen auf ein Jahr verkürzte Verjährung berufen können, da es sich bei dem Fohlen um eine gebrauchte Sache gehandelt habe. Dies würde sich bereits aus den Auktionsbedingungen ergeben nach denen alle Pferde als „gebraucht im Rechtssinne“ anzusehen seien, was auch keinen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB darstelle. Dies sah der BGH jedoch anders und verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück um dort die Feststellungen über einen möglichen Sachmangel zu treffen. Entgegen der Ansicht des OLG sei der Gewährleistungsanspruch des Klägers noch nicht nach § 218 BGB verjährt, der Rücktritt daher nicht unwirksam gewesen. Es gelte vorliegend die zweijährige Verjährungsfrist nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB, da diese nicht durch die Auktionsbedingungen wirksam auf ein Jahr verkürzt wurden. Denn zum einen verstoße die Klausel, die die Ansprüche auf 12 Monate verkürzt gegen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 lit. a und b BGB und zum anderen steht der Abkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist § 475 Abs. 2 BGB entgegen, demzufolge bei einem Verbrauchsgüterkauf die Gewährleistungsansprüche des Käufers im Falle des Verkaufs neuer Sachen nicht auf weniger als zwei Jahre verkürzt werden können. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann die Verschuldenshaftung für Körper- und Gesundheitsschäden nicht, für sonstige Schäden nur für den Fall einfacher Fahrlässigkeit ausgeschlossen oder begrenzt werden. Dies umfasst auch die zeitliche Begrenzung der Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen durch Herabsetzung der gesetzlichen Verjährungsfrist. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, mit der die gesetzliche Verjährungsfrist für die Ansprüche des Käufers wegen eines Mangels der verkauften Sache abgekürzt wird, ist wegen Verstoßes gegen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 lit. a und b BGB daher insgesamt unwirksam, wenn nicht die dort bezeichneten Schadensersatzansprüche von der Abkürzung der Verjährungsfrist ausgenommen werden. Demnach war diese Klausel unwirksam, da sie pauschal alle Ansprüche des Klägers  verschuldensunabhängig verkürzte, was dazu führt, dass die gesetzlichen Regelungen eingreifen, also die gesetzliche Frist nach § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB von zwei Jahren gilt. Zudem handelt es sich bei einem sechs Monate alten Fohlen nach Ansicht des BGH auch nicht um eine gebrauchte Sache, weswegen § 475 Abs. 2 BGB der Verkürzung der Verjährung entgegensteht. Die Ausnahmeregelung des § 474 Abs. 1 Satz 2 BGB, nach der die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf dann nicht gelten, wenn gebrauchte Sachen in einer öffentlichen Versteigerung verkauft werden, an der der Verbraucher persönlich teilnehmen kann, greift daher nicht ein. Das Fohlen war zum Zeitpunkt des Verkaufs weder als Reit-, noch als Zuchtpferd „benutzt“ worden und daher objektiv als „neu“ anzusehen. Wegen § 90a BGB sind auf Tiere die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Eine generelle Annahme, dass Tiere als gebraucht anzusehen wären, ist daher schon nicht möglich, da dies bei Sachen nicht vorgesehen ist. Daher ist auch für den Tierkauf zwischen „neu“ und „gebraucht“ zu unterscheiden. Wann ein junges Tier als gebraucht anzusehen ist, hinge dabei von einer Einzelfallbetrachtung ab und ist nach objektiven Maßstäben zu bestimmen. Jedenfalls könne aber bei Verbrauchsgüterkäufen keine davon abweichende Parteivereinbarung getroffen werden. Eine objektiv neue Sache kann nicht mit der vereinbarten Beschaffenheit „gebraucht“ verkauft werden, um eine Abkürzung der Verjährung von Mängelansprüchen des Verbrauchers zu ermöglichen.

Da das Berufungsgericht keine Feststellungen bezüglich des behaupteten Herzfehlers getroffen hatte, wurde die Sache zurückverwiesen.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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