Tierhalterhaftung – Wer haftet bei einer Verletzung nach einem Tag auf dem Paddock?
(Pferderecht Düsseldorf, Pferderecht Köln, Pferderecht Hannover, Pferderecht München, Pferderecht Niedersachsen, Pferderecht Berlin, Pferderecht Münster, Pferderecht Mönchengladbach, Pferderecht Krefeld)
BGH, Urteil vom 24.04.2018 – VI ZR 25/170
Laut § 833 BGB muss jemand, der ein Tier besitzt, für Schäden haften, die das Tier verursacht hat. Wenn das Tier etwas tut, was typisch für seine Art ist und dadurch jemand verletzt wird, haftet demnach der Halter und immer wieder stellt sich daher in verschiedenen Fällen die Haftungsfrage. Ein aktuelles Urteil des 17. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts bietet einen Einblick in einen Fall.
Die Klägerin, Halterin einer Stute, nimmt die Beklagte, Halterin eines anderen Pferdes, aus Tierhalterhaftung in Anspruch. Beide Pferde waren auf demselben Hof untergebracht. Im April 2013 wurden die Pferde wie üblich auf einen eingezäunten Sand- und Grasplatz (Paddock) gebracht. Als die Pferde am Abend in den Stall geholt wurden, war die Stute der Klägerin verletzt. Die Klägerin behauptet, dass ihr Pferd von einem anderen Pferd getreten wurde, während die Herde im Paddock in Unruhe geriet.
Das Landgericht wies die Klage zu Recht ab. Es stand bereits nicht fest, ob die Verletzung der klägerischen Stute durch einen Tritt oder eine sonstige Einwirkung eines anderen Pferdes verursacht wurde. Abschließend brauchte dies auch nicht beantwortet zu werden. Denn der (Berufungs-)Senat konnte sich nach dem wechselseitigen Parteivortrag keine Vorstellung vom Unfallhergang machen. Zwar war die klägerische Darstellung, es sei kurz vor dem Zurückbringen der Pferde in die Boxen und der damit verbundenen Fütterungen zu einer Unruhe innerhalb der Pferde gekommen, nicht unplausibel. Doch wie genau die Unruhe aussah und ob sich das Pferd der Beklagten in der Nähe befand oder abseits aufhielt, war weder erkennbar, noch konnten die Parteien hierzu Angaben machen. Damit blieb nicht nur die unmittelbare Beteiligung des Pferdes der Beklagten offen, sondern auch schon, wo es sich zum Zeitpunkt einer nicht näher zu beschreibenden Auseinandersetzung zwischen Pferden befunden haben könnte. Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Stute der Klägerin die Verletzung durch eine Auseinandersetzung zu einem früheren Zeitpunkt mit einem anderen der auf der Weide befindlichen Pferde oder sogar selbst zugefügt hatte. Somit blieb als tatsächlicher Anknüpfungspunkt für eine Haftung der Beklagten nur die Anwesenheit ihres Pferdes in einer Gruppe von insgesamt 14 Pferden bei unklarem Handlungsablauf. Dies reichte nicht aus, um eine gesamtschuldnerische Tierhalterhaftung nach §§ 833, 830 Abs. 1 Satz 2 BGB zu begründen.
Schließlich scheiterte auch eine Haftung der Beklagten nach den Grundsätzen des „Handelns auf eigene Gefahr“. Denn wer – wie die Klägerin – aus Gründen der artgerechten Haltung oder aus Kostengründen sein Pferd gemeinsam mit anderen Pferden unterbringt und dabei auf eine dauernde Beaufsichtigung verzichtet, nimmt auch das Risiko auf sich, eine konkrete Schadensverursachung und -zurechnung nicht nachweisen zu können.
Das Gericht stellte fest, dass nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte, dass das Pferd der Beklagten direkt an der Verletzung beteiligt war.
Auch die Anwendung von § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB, der die Beteiligung an der Haftung mehrerer Tierhalter regelt, scheiterte, da nicht nachgewiesen werden konnte, dass das Pferd der Beklagten an dem Vorfall beteiligt war.
Das Urteil verdeutlicht die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Ansprüchen aus Tierhalterhaftung. Es zeigt, dass eine genaue Bestimmung des Verantwortlichen oft schwierig ist und eine Haftung nur dann besteht, wenn eine spezifische Tiergefahr nachgewiesen werden kann.
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Susan Beaucamp
(Rechtsanwältin)