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Tierhalterhaftung – Wer haftet bei einer Verletzung nach einem Tag auf dem Paddock?

Tierhalterhaftung – Wer haftet bei einer Verletzung nach einem Tag auf dem Paddock?

(Pferderecht Düsseldorf, Pferderecht Köln, Pferderecht Hannover, Pferderecht München, Pferderecht Niedersachsen, Pferderecht Berlin, Pferderecht Münster, Pferderecht Mönchengladbach, Pferderecht Krefeld)

BGH, Urteil vom 24.04.2018 – VI ZR 25/170

Laut § 833 BGB muss jemand, der ein Tier besitzt, für Schäden haften, die das Tier verursacht hat. Wenn das Tier etwas tut, was typisch für seine Art ist und dadurch jemand verletzt wird, haftet demnach der Halter und immer wieder stellt sich daher in verschiedenen Fällen die Haftungsfrage. Ein aktuelles Urteil des 17. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts bietet einen Einblick in einen Fall.

Die Klägerin, Halterin einer Stute, nimmt die Beklagte, Halterin eines anderen Pferdes, aus Tierhalterhaftung in Anspruch. Beide Pferde waren auf demselben Hof untergebracht. Im April 2013 wurden die Pferde wie üblich auf einen eingezäunten Sand- und Grasplatz (Paddock) gebracht. Als die Pferde am Abend in den Stall geholt wurden, war die Stute der Klägerin verletzt. Die Klägerin behauptet, dass ihr Pferd von einem anderen Pferd getreten wurde, während die Herde im Paddock in Unruhe geriet.

Das Landgericht wies die Klage zu Recht ab. Es stand bereits nicht fest, ob die Verletzung der klägerischen Stute durch einen Tritt oder eine sonstige Einwirkung eines anderen Pferdes verursacht wurde. Abschließend brauchte dies auch nicht beantwortet zu werden. Denn der (Berufungs-)Senat konnte sich nach dem wechselseitigen Parteivortrag keine Vorstellung vom Unfallhergang machen. Zwar war die klägerische Darstellung, es sei kurz vor dem Zurückbringen der Pferde in die Boxen und der damit verbundenen Fütterungen zu einer Unruhe innerhalb der Pferde gekommen, nicht unplausibel. Doch wie genau die Unruhe aussah und ob sich das Pferd der Beklagten in der Nähe befand oder abseits aufhielt, war weder erkennbar, noch konnten die Parteien hierzu Angaben machen. Damit blieb nicht nur die unmittelbare Beteiligung des Pferdes der Beklagten offen, sondern auch schon, wo es sich zum Zeitpunkt einer nicht näher zu beschreibenden Auseinandersetzung zwischen Pferden befunden haben könnte. Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Stute der Klägerin die Verletzung durch eine Auseinandersetzung zu einem früheren Zeitpunkt mit einem anderen der auf der Weide befindlichen Pferde oder sogar selbst zugefügt hatte. Somit blieb als tatsächlicher Anknüpfungspunkt für eine Haftung der Beklagten nur die Anwesenheit ihres Pferdes in einer Gruppe von insgesamt 14 Pferden bei unklarem Handlungsablauf. Dies reichte nicht aus, um eine gesamtschuldnerische Tierhalterhaftung nach §§ 833, 830 Abs. 1 Satz 2 BGB zu begründen.

Schließlich scheiterte auch eine Haftung der Beklagten nach den Grundsätzen des „Handelns auf eigene Gefahr“. Denn wer – wie die Klägerin – aus Gründen der artgerechten Haltung oder aus Kostengründen sein Pferd gemeinsam mit anderen Pferden unterbringt und dabei auf eine dauernde Beaufsichtigung verzichtet, nimmt auch das Risiko auf sich, eine konkrete Schadensverursachung und -zurechnung nicht nachweisen zu können.

Das Gericht stellte fest, dass nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte, dass das Pferd der Beklagten direkt an der Verletzung beteiligt war.

Auch die Anwendung von § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB, der die Beteiligung an der Haftung mehrerer Tierhalter regelt, scheiterte, da nicht nachgewiesen werden konnte, dass das Pferd der Beklagten an dem Vorfall beteiligt war.

Das Urteil verdeutlicht die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Ansprüchen aus Tierhalterhaftung. Es zeigt, dass eine genaue Bestimmung des Verantwortlichen oft schwierig ist und eine Haftung nur dann besteht, wenn eine spezifische Tiergefahr nachgewiesen werden kann.

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Susan Beaucamp
(Rechtsanwältin)

Vernarbungen im Maulbereich eines Pferdes

Vernarbungen im Maulbereich eines Pferdes

(Pferderecht Düsseldorf, Pferderecht Köln, Pferderecht Hannover, Pferderecht München, Pferderecht Niedersachsen, Pferderecht Berlin, Pferderecht Münster, Pferderecht Mönchengladbach, Pferderecht Krefeld)

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 14.09.2021 – 6 U 127/20

In dem Urteil vom 14.09.2021 hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main über die Rückabwicklung eines Kaufvertrages für ein Reitpferd entschieden. Die Klägerin erwarb von dem Beklagten ein Pferd zum Preis von 65.000 Euro. Nach der Übergabe des Pferdes traten Probleme beim Reiten auf, insbesondere Schwierigkeiten mit der Anlehnung des Pferdes.

Da die Klägerin fest davon überzeugt war, dass das Pferd bereits bei Abschluss des Kaufvertrages erkrankt war, erklärte Sie den Rücktritt vom Kaufvertrag. Sie behauptete unter anderem, das Pferd habe bereits bei Übergabe ein Überbein der Lade sowie Vernarbungen im Maulbereich gehabt, was zu den Reitproblemen geführt habe.

Der Verkäufer verweigerte jedoch die Rücknahme des Pferdes. Die Klägerin sah sich daher gezwungen, rechtliche Schritte einzuleiten und reichte Klage vor dem Landgericht Frankfurt am Main ein, um ihr Anliegen vor Gericht zu klären.

Das Landgericht wies die Klage ab und entschied, dass das Pferd zum Zeitpunkt der Übergabe keinen Sachmangel im Sinne des Kaufrechts aufwies. Das Berufungsgericht schloss sich der Entscheidung an. Die Vernarbungen im Maulbereich allein seien kein hinreichender Beweis für eine chronische Erkrankung des Pferdes. Solche Vernarbungen könnten auch durch reiterliche Einwirkung entstehen und seien kein sicherer Indikator für eine vorbestehende Krankheit.

Die Klägerin hatte argumentiert, dass das Pferd aufgrund dieser angeblichen Vorschädigungen nicht für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Dressurpferd geeignet sei. Das Gericht stellte jedoch fest, dass die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eines Pferdes nicht zwangsläufig eine vollständige Abwesenheit jeglicher Gesundheitsprobleme umfasst. Tiere unterliegen einer ständigen Entwicklung und können individuelle Anlagen haben, die zu unterschiedlichen Risiken führen.

Das Gericht verwies auch auf die Vermutung des § 476 BGB: Wenn sich innerhalb von sechs Monaten nach dem Kauf ein Problem zeigt, wird vermutet, dass dieses Problem bereits zum Zeitpunkt des Kaufs bestand. Es sei denn natürlich, es ist offensichtlich, dass dies nicht der Fall ist. Diese Regelung gilt auch für den Kauf von Tieren. Aber hier ist der Knackpunkt: Wenn man als Käufer/in innerhalb dieser sechs Monate ein Problem mit dem gekauften Pferd feststelle, liegt es am Käufer/in, zu beweisen, dass der Mangel bereits bei Kauf bestand. Aber auch der Verkäufer muss darlegen können, dass der Mangel erst nach dem Kauf entstanden ist und nicht ihm zuzurechnen ist. Es ist also ein komplexes Zusammenspiel von Rechten und Pflichten, das letztendlich darauf abzielt, einen fairen Ausgleich zwischen Käufer und Verkäufer zu schaffen.

Im vorliegenden Fall gelang es dem Beklagten, den Gegenbeweis zu erbringen und nachzuweisen, dass die behaupteten Mängel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch nicht vorhanden waren.

Das Gericht stellte außerdem fest, dass ein Verkaufsvideo aus dem Jahr 2012, das die Klägerin als Beweismittel vorbrachte, nicht ausreichte, um die Mangelhaftigkeit des Pferdes zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs zu belegen. Selbst wenn das Pferd auf dem Video Verhaltensweisen zeigte, die auf eine Erkrankung hindeuteten, könne daraus nicht geschlossen werden, dass diese Erkrankung zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs bereits bestand.

Aufgrund des fehlenden Sachmangels hat die Klägerin weder Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises noch auf Erstattung der Tierarzt- und Unterhaltungskosten. Ebenso besteht kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.

Die Entscheidung des Gerichts unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Beweisführung bei Streitigkeiten über Sachmängel bei Tieren. Alleinige Behauptungen über angebliche Vorschädigungen reichen nicht aus, um einen Sachmangel zu begründen. Vielmehr müssen konkrete Beweise vorgelegt werden, die den Mangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs belegen können.

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Susan Beaucamp
(Rechtsanwältin)

Genmutation PSSM Typ 1 bei einem Pferd – Stellt dies einen Mangel dar und rechtfertig somit den Rücktritt eines Kaufvertrages?

Genmutation PSSM Typ 1 bei einem Pferd – Stellt dies einen Mangel dar und rechtfertig somit den Rücktritt eines Kaufvertrages?

(Pferderecht Düsseldorf, Pferderecht Köln, Pferderecht Hannover, Pferderecht München, Pferderecht Niedersachsen, Pferderecht Berlin, Pferderecht Münster, Pferderecht Mönchengladbach, Pferderecht Krefeld)

OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.05.2014 – I-13 U 116/13

In einem Verfahren, welches vor dem Landgericht Mönchengladbach begann und schließlich vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf landete, geht es um die Rückabwicklung eines Pferdekaufvertrages und die Frage, ob eine Genmutation einen Mangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB darstellt.

Der vorliegende Rechtsstreit fing mit einem Kaufvertrag vom 09. November 2011 an, als ein Käufer für seine damals 13-jährige Tochter ein Western-Reitpferd erwarb. Der Kaufpreis betrug 13.000 €. Doch schon bald nach dem Kauf zeigte das Pferd auffälliges Verhalten beim Reiten, was den Kläger dazu veranlasste, eine labortechnische Blutanalyse durchführen zu lassen.

So getan, lag schon einige Zeit später das Ergebnis vor: Die Stute trug die Genmutation PSSM Typ 1 in sich, eine unheilbare Erbkrankheit, die Muskelstoffwechselstörungen verursacht und mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% an die Nachkommen weitergegeben wird. Der Käufer erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Verkäuferin außergerichtlich auf, den Kaufpreis zurückzuzahlen, sowie die Unterbringungs- und Verpflegungskosten des Pferdes zu erstatten.

Da diese Aufforderung erfolglos blieb, machte der Käufer und Kläger vor dem Landgericht Mönchengladbach geltend, dass die Beklagte zur Zahlung von 15.817,78 € nebst Zinsen verurteilt wird. Dies sollte gegen Rückgabe der Palomino-Quarter-Horse Stute „A.“ geschehen, die im Jahr 2005 geboren wurde. Weiter beantragte der Kläger die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten für die Rücknahme der Stute und forderte die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm die Unterhaltungskosten für die Stute zu zahlen. Diese Kosten umfassen unter anderem Boxenmiete, Bewegungskosten, Tierarztkosten und Futterkosten ab dem 1. Mai 2012 bis zur Rücknahme der Stute.
Schließlich verlangte er von der Beklagten die Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 430,66 € nebst Zinsen ab Klagezustellung.

Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen. Nach Ihrer Auffassung, wies die Stute bei Gefahrübergabe keinen Mangel auf und die Gewährleistungsansprüche seien nach dem geschlossenen Vertrag sowieso ausgeschlossen. Weiter vertrat Sie die Ansicht, dass, auch wenn eine Genetische Disposition vorliegen würde, dies keinen Mangel darstellen würde.

Das Gericht führte eine Beweisaufnahme durch und hörte eine Sachverständige an. Diese kam zu dem Schluss, dass die Stute den Gendefekt trägt, jedoch die PSSM-Erkrankung noch nicht ausgebrochen ist. Darüber hinaus stellte die Sachverständige fest, dass nach ihren Erkenntnissen auch keine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Pferd in Zukunft klinisch auffällig wird. Daher konnte bei der streitgegenständlichen Stute kein Mangel festgestellt werden.

Nach Abschluss der Beweisaufnahme wies das Gericht die Klage ab. Die Begründung hierfür lag im Wesentlichen darin, dass der Kläger, als Käufer, nicht nachweisen konnte, dass die Stute zum Zeitpunkt des Kaufs ungeeignet für den Reitsport war. Zudem wurde festgestellt, dass die Zuchteignung aufgrund eines vertraglichen Haftungsausschlusses nicht berücksichtigt werden konnte.

Nachdem der Kläger Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt hatte, forderte die Beklagte energisch die Zurückweisung der Berufung. In ihrer Verteidigung betonte sie erneut, dass der Gesundheitszustand der Stute gemäß den vertraglich vereinbarten Richtlinien ausschließlich durch die tierärztlichen Untersuchungen beim Ankauf festgelegt wurde. Dabei wies sie darauf hin, dass trotz eines Hinweises auf die Möglichkeit eines Gentests seitens der Beklagten der Kläger darauf verzichtet hatte.

Die Stute, so argumentierte die Beklagte, erfülle weiterhin die vereinbarte Beschaffenheit als Reitpferd, da der festgestellte Gendefekt den Einsatz als solches nicht behindere. Obwohl die Sachverständige bestimmte Empfehlungen bezüglich eines erhöhten Fütterungs- und Trainingsaufwands aussprach, wies die Beklagte darauf hin, dass auch die bundesministeriellen Leitlinien eine ausgewogene Bewegung und Ernährung für Pferde vorsehen. Zudem machte sie deutlich, dass die Zuchttauglichkeit der Stute nicht Bestandteil der vertraglichen Vereinbarung war und daher durch den festgestellten Gendefekt nicht beeinträchtigt wird.

Die zulässige Berufung des Klägers blieb in der Sache erfolglos. Gemäß § 437 BGB steht dem Kläger kein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags zu, da der Kaufgegenstand nicht mangelhaft ist. Die streitgegenständliche Stute erfüllt die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit eines gesunden Reitpferdes gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Die Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags sowie das Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme ergaben, dass der gesundheitliche Zustand der Stute zum maßgeblichen Zeitpunkt der Übergabe trotz des vorhandenen Gendefekts der vereinbarten Beschaffenheit des Tieres entsprach.

Entscheidend dafür, ob das verkaufte Objekt die vertraglich festgelegte Beschaffenheit erfüllt, ist der Zeitpunkt des Gefahrübergangs, das heißt, wenn das Objekt dem Käufer übergeben wird gemäß § 446 Abs. 1 BGB. Es wurde keine konkrete Vereinbarung über den genetischen Zustand der Stute getroffen. Die über den Gesundheitszustand getroffene Vereinbarung bezog sich ausschließlich auf die bei Vertragsschluss durchgeführten tierärztlichen Ankaufuntersuchungen. Die Untersuchung des Blutbildes auf genetische Defekte war nicht Gegenstand dieser Untersuchungen und hatte daher keine Relevanz für die vertragliche Vereinbarung.

Obwohl es möglich ist, dass eine negative Abweichung in der Beschaffenheit vorliegt, selbst wenn sich der Mangel erst später zeigt, war die Ursache für den festgestellten Gendefekt bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden. Dennoch spielt dieser Umstand keine entscheidende Rolle, da die Stute bis heute trotz des genetischen Defekts keine Beeinträchtigung als Reitpferd zeigt.

Auch die behauptete mangelnde Eignung der Stute als Zuchtpferd führt nicht zum Rücktrittsrecht des Klägers. Zwischen den Parteien wurde keine Vereinbarung über die Eignung der Stute als Zuchtpferd getroffen. Die Erwartung des Klägers, die Stute möglicherweise später als Zuchtpferd einzusetzen, fand keine vertragliche Grundlage. Die Eignung der Stute als Zuchtpferd wurde nicht als Sollbeschaffenheit vereinbart und ist daher nicht Gegenstand des Vertrags.

Insgesamt zeigt dieser Rechtsstreit die Komplexität von Kaufverträgen im Pferdehandel und die Bedeutung einer genauen vertraglichen Vereinbarung. Die Entscheidung der Gerichte verdeutlichte die Notwendigkeit einer gründlichen Prüfung vor Vertragsabschluss.

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Susan Beaucamp
(Rechtsanwältin)

Kein Widerrufsrecht bei individuell angefertigtem Dressursattel

Kein Widerrufsrecht bei individuell angefertigtem Dressursattel

(Pferderecht Düsseldorf, Pferderecht Köln, Pferderecht Hannover, Pferderecht München, Pferderecht Niedersachsen, Pferderecht Berlin, Pferderecht Münster, Pferderecht Mönchengladbach, Pferderecht Krefeld)

LG Saarbrücken, Urteil vom 29.09.2022 – 10 S 21/21

Im ergangenen Urteil des LG Saarbrücken vom 29.09.2022 wurde ein interessanter Fall im Zusammenhang mit dem Widerrufsrecht bei maßgefertigten Produkten verhandelt. Die Käuferin eines Maßsattels forderte die Rückabwicklung des Kaufvertrages, doch das Gericht entschied anders.

Die Käuferin hatte einen Vorführsattel nach individuellen Vorgaben bestellt und war mit der Passform des ausgelieferten Maßsattels nicht zufrieden. Nach einer Änderung erklärte sie den Widerruf des Kaufvertrages. Das Gericht sah jedoch keine Rückabwicklungsansprüche als gegeben an.

Gemäß § 312 b BGB hätte die Käuferin ein Widerrufsrecht gehabt, da es sich um einen außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Kaufvertrag handelte. Jedoch lag im vorliegenden Fall ein Liefervertrag über eine Ware nach Kundenspezifikation vor, der das Widerrufsrecht ausschloss (§ 312 g Abs. 2 Nr. 1 BGB). Die Beweislast dafür, dass es sich um eine solche Ware handelt, trug der Verkäufer und wurde vom Gericht als erbracht angesehen.

Das Gericht entschied weiterhin, dass es sich um einen Kaufvertrag handelte, da der Schwerpunkt auf der Übertragung von Eigentum und Besitz lag. Somit war § 312 g Abs. 2 Nr. 1 BGB anwendbar.

Auch konnte sich die Käuferin nicht auf § 477 Abs.1 BGB berufen, da sie den Mangel des Sattels bei Übergabe nicht nachweisen konnte. Die durchgeführte Beweisaufnahme ergab, dass die Änderungen am Sattel üblich waren und nicht zwangsläufig auf einen Mangel hinwiesen.

Insgesamt verdeutlicht dieses Urteil die Komplexität von Widerrufsrechten bei individuell angefertigten Produkten und unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Vertragsprüfung vor dem Kauf.

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Susan Beaucamp
(Rechtsanwältin)

Embryotransfer in der Pferdezucht – Wer ist Züchter des Fohlens?

Embryotransfer in der Pferdezucht – Wer ist Züchter des Fohlens?

(Pferderecht Düsseldorf, Pferderecht Köln, Pferderecht Hannover, Pferderecht München, Pferderecht Niedersachsen, Pferderecht Berlin, Pferderecht Münster, Pferderecht Mönchengladbach, Pferderecht Krefeld)

BGH-Urteil vom 20.02.2020 III ZR 55/19

In einem über vier Instanzen sich durchziehenden Verfahren, hat der BGH festgestellt, dass der Züchter eines aus einem Embryotransfers gewonnen Fohlens nicht zwingend der Eigentümer der Mutterstute sein muss. Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Fohlen des erfolgreichen Dressurpferdes „Weihegold“. Der BGH stellte fest, dass Züchter bei einem Embryonentransfer derjenige ist, der den Zuchtvorgang bestimmt, so auch wirtschaftlich, und nicht zwingend der Eigentümer der Mutterstute.
Daher sei derjenige, bei dem einer in fremdem Eigentum stehende Stute untergestellt ist und diese entsprechend einer Vereinbarung mit dem Eigentümer der Besitzer die Stute auf seine Kosten decken und die befruchtete Eizelle im Wege des Embryotransfers in einer ihm gehörende Austragungstute einsetzen lässt, Züchter des dann geborenen Fohlens.

Die Klägerin ist Eigentümerin des erfolgreichen Dressurpferdes „Weihegold“. Die Klägerin überlies die Stute 2011 den Beklagten zu 3 und vereinbarte mit diesem, dass das Pferd von ihm ausgebildet wird. Der Beklagte zu 3 übernahm die Kosten für Pflege, Unterbringung und Beritt. Als Gegenleistung räumte die Klägerin ihm das Recht ein, alle ein bis zwei Jahre einen Embryo der Stute zu entnehmen, um hieraus Fohlen zu gewinnen.

So getan, der Beklagte zu 3 entnahm eine befruchtete Eizelle und ließ diese einer in seinem Eigentum stehenden Austragungsstute einsetzen. Diese Stute gebar 2013 ein Fohlen. Der Beklagte zu 1 beantragte bei der Beklagten zu 2, einem vereinsrechtlich organisierten Verband von Pferdezüchtern, für das Fohlen einen so genannten Equidenpass und eine Eigentumsurkunde. Beides wurden dem Beklagten zu 3 ausgestellt. In beiden Papieren ist der Beklagte zu 3 als Züchter eingetragen.

Die Klägerin macht geltend, dass nicht der Beklagte zu 3, sondern sie die Eigentümerin der Mutterstute und damit die Züchterin des Fohlens sei. Sie verlangt von den Beklagten, den ausgestellten Equidenpass und die Eigentumsurkunde einzuziehen und unbrauchbar zu machen. Von dem Beklagten zu 3 verlangt sie die Herausgabe dieser Papiere an den Beklagten zu 2.

Die Klage war tatsächlich in allen Instanzen ohne Erfolg. Sämtliche Ansprüche setzen voraus, dass der Beklagte zu 3 in den oben genannten Urkunden unrechtmäßig als Züchter eingetragen wurde. Hierzu sagt der BGH allerdings deutlich, dass dies nicht der Fall sei. Die Bewertungen des Berufungsgerichtes, wonach der zwischen den Beklagten zu 3 und der Klägerin geschlossene Vertrag dahingehend auszulegen war, dass der Beklagte zu 3 auch Züchter des aus der Embryoentnahme gewonnenen Fohlen sein sollte, wäre rechtlich nicht zu beanstanden.

Weiterhin führt der BGH aus, dass dem Beklagten zu 3 durch die mit der Klägerin getroffenen Vereinbarung die Abwicklung des gesamten Zuchtvorgangs übertragen wurde. So hatte der Beklagte zu 3 ja auch die Wahl, den Deckhengst zu bestimmen, eine Austragungsstute auszuwählen und diese zu erwerben. Der Beklagte zu 3 trug auch die Deckprämie und die mit Embryoentnahme- und Transfer verbundenen finanziellen Belastungen. Auch wies der BGH deutlich darauf hin, dass auch für den Fall, dass der Begriff des Züchters in Verbands- und vereinsrechtlichen Regelungen der Beklagten zu 2 und der Deutschen Reiterliche Vereinigung definiert wird, diese Bestimmungen, der vom Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung des zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 3 getroffenen Vereinbarungen, nicht entgegenstehen.

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Susan Beaucamp
(Rechtsanwältin)