Tierartzhaftung Pferderecht

 

Grober Behandlungsfehler – gilt Beweislastumkehr auch für Tierärzte?

BGH, Urteil vom 10.05.2016 – VI ZR 247/15

Sachverhalt:

Die Klägerin war am 08.07.2010 mit ihrem Pferd beim beklagten Tierarzt vorstellig, nachdem sie an der Innenseite des rechten hinteren Beins eine Wunde entdeckt hatte. Der Beklagte versorgte die Verletzung und gab die Anweisung, das Pferd müsse zwei Tage geschont werden, könne aber dann wieder geritten werden, soweit keine Schwellung im Wundbereich eintrete. Am 11.07.2010 wurde das Pferd dann geritten, wobei der Klägerin Taktunreinheiten im Bereich des verletzten Beines auffielen. Das Reiten wurde daraufhin eingestellt. Am 14.07.2010 brach das Pferd sich beim Aufstehen das Bein. Eine Operation gelang nicht und das Pferd musste eingeschläfert werden.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 114.146,41 Euro Schadensersatz sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Sie begründete ihre Klage damit, dass die am 08.07.2010 behandelte Verletzung durch den Schlag einer Stute verursacht worden sei und dieser zu einer Fissur des darunterliegenden Knochens geführt habe. Innerhalb der nächsten Tage habe sich die Fissur zu der am 14.07.2010 diagnostizierten Fraktur entwickelt. Der Beklagte habe behandlungsfehlerhaft auf eine Lahmheits- und Röntgenuntersuchung des Pferdes verzichtet. Dabei hätte die Fissur erkannt werden können.

Das LG Osnabrück und das OLG Oldenburg erklärten den auf Schadensersatz und darüber hinausgehende Rechtsanwaltskosten gerichteten Klageantrag für gerechtfertigt. Der Beklagte legte Revision ein.

 

Entscheidung:

Unterläuft einem Tierarzt a ein grober Behandlungsfehler, darf die Beweislastumkehr, die bereits auch in der Humanmedizin gilt zugunsten des geschädigten Tierhalters angewendet werden.

Das angefochtene Urteil hat im Ergebnis der revisionsrechtlichen Überprüfung standgehalten. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz zu.

Da nicht geklärt werden konnte, ob es an dem Behandlungsfehler lag, dass sich das Pferd beim Aufstehen das Bein brach, war die zentrale Frage, wer den Beweis hinsichtlich der Kausalität erbringen muss. Normalerweise trägt die Klägerin die Beweislast. Folgte man vorliegend dieser Regel, hätte die Klägerin keinen Anspruch auf Schadensersatz, da der Kausalzusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Fraktur nicht festgestellt werden konnte.

Die Vorinstanz habe jedoch zurecht eine Beweislastumkehr zu Gunsten der Klägerin wegen eines groben Verstoßes gegen die Pflichten aus dem tierärztlichen Behandlungsvertrag festgestellt. Der Grundsatz über die Beweislastumkehr aus der Humanmedizin findet entsprechende Anwendung.

Im humanmedizinischen Bereich führe ein grober Behandlungsfehler, der geeignet sei, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, regelmäßig zur Umkehr der objektiven Beweislast. Dies ergebe sich daraus, dass die nachträgliche Aufklärbarkeit des tatsächlichen Geschehens wegen des besonderen Gewichts des Behandlungsfehlers und seiner Bedeutung für die Behandlung in einer Weise erschwert sei, dass es dem Patienten nicht zugemutet werden könne, den vollen Kausalitätsnachweis zu erbringen.

Die gleiche Problematik der Aufklärungserschwernisse finde sich auch bei grob fehlerhaften tiermedizinischen Behandlungen. Mithin sei die Anwendbarkeit der Beweislastumkehr unter diesem Gesichtspunkt zu bejahen. Ebenso sei die Tätigkeit eines Tierarztes mit der medizinischen Behandlung durch einen Humanmediziner vergleichbar, soweit es um die Heilung und Erhaltung eines lebenden Organismus gehe.

Über die tatsächliche Höhe des Schadensersatzanspruchs muss nun das Landgericht Osnabrück entscheiden.

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

Selbstvornahme beim Kauf eines kranken Pferdes

“periodische Augenentzündung” Mangel

Schadensersatz

BGH, Urteil vom 07.12.2005 – VIII ZR 126/05

Sachverhalt:

Am 08.02.2003 tauschten die Parteien einen Wallach der Klägerin gegen eine Stute des Beklagten. Die Klägerin stellte am 01.04.2003 bei der von ihr erworbenen Stute eine so genannte periodische Augenentzündung fest. Sie ließ das Pferd tierärztlich behandeln und am 07.09.2003 sowie am 21.11.2003 operieren. Im Zuge ihrer Klage verlangte sie Ersatz der Behandlungs- und Operationskosten in Höhe von 1933,47 Euro nebst Zinsen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die daraufhin eingelegte Berufung der Klägerin hatte Erfolg.

Der Beklagte habe der Klägerin die von ihr aufgewendeten Behandlungskosten als ersparte Aufwendungen wegen mangelhafter Erfüllung des Tauschvertrags gemäß §§ 480, 437, 439 Abs. 2, 275 Abs. 1, 326 Abs. 2 BGB (analog) zu erstatten, so das Berufungsgericht. Zwar seien Gewährleistungsansprüche grundsätzlich nur möglich, wenn der Käufer einer mangelbehafteten Sache dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung einräume. Allerdings ist die Fristsetzung nicht erforderlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die es dem Käufer nicht zumuten, mit der Beseitigung des Mangels zu warten, § 440 BGB. Solche Umstände hat das Berufungsgericht vorliegend aus Tierschutzgründen bejaht. Ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280, 281 BGB komme jedoch nicht in Betracht, weil der Beklagte die Augenentzündung des Pferdes nicht zu vertreten habe. Die Klägerin könne jedoch vom Beklagten in entsprechender Anwendung von § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB die Erstattung derjenigen Aufwendungen verlangen, die der Beklagte durch die zur Mangelbeseitigung erforderliche Behandlung erspart habe.

Gegen dieses Urteil legte der Beklagte Revision ein.

 

Entscheidung:

„Scheitert ein Anspruch des Käufers auf Schadensersatz statt der Leistung wegen eines Mangels daran, dass der Verkäufer den Mangel nicht zu vertreten hat, so kann der Käufer die Kosten, die ihm dadurch entstanden sind, dass er den Mangel selbst beseitigt hat, auch dann nicht nach § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB ersetzt verlangen, wenn es ihm aus besonderen Gründen nicht zuzumuten war, dem Verkäufer Gelegenheit zur Nacherfüllung zu geben.“

Die Revision hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten für die von ihr selbst veranlasste Behandlung und Operation des Pferdes nicht zustehe, weil sie es versäumt habe, dem Beklagten die Gelegenheit zu geben, das Pferd wegen der Augenentzündung tierärztlich behandeln zu lassen.

Einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 480, 437 Nr.3, 440, 280, 281 BGB habe das Berufungsgericht zutreffend verneint. Allerdings resultiere dies nicht daraus, dass der Beklagte weder die aufgetretene Erkrankung, noch die unterbliebene Mängelbeseitigung nicht zu vertreten habe. Vielmehr bleibe der Klägerin ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung verwehrt, weil sie den Beklagten nicht zur Mängelbeseitigung aufgefordert habe, obwohl ihr dies zumutbar gewesen wäre.

Beim Kauf von Tieren könnten ausnahmsweise Umstände vorliegen, die eine sofortige Geltendmachung auf Ersatz der Kosten bei einer Selbstvornahme rechtfertigen, so das Gericht. Das sei dann der Fall, wenn der Zustand des Tieres eine unverzügliche tierärztliche Behandlung als Notmaßnahme erforderlich erscheinen lasse, die vom Verkäufer nicht rechtzeitig veranlasst werden könne. Diese Voraussetzungen an eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung seien vorliegend vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden und ergäben sich im Übrigen auch nicht für das Revisionsgericht.

Das Revisionsgericht führte weiterhin aus, dass der vom Berufungsgericht geltend gemachte Anspruch aus § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht anwendbar sei. Ein Käufer, der einen Mangel selbst beseitigt, ohne dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt zu haben, verliere nicht nur den Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung, sondern auch den Anspruch aus § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB (analog) auf Ersatz der vom Verkäufer ersparten Aufwendungen für die Mängelbeseitigung (Senat, BGHZ 162, BGHZ Band 162 Seite 219 = NJW 2005, NJW Jahr 2005 Seite 1348 [unter II 2]; NJW 2005, NJW Jahr 2005 Seite 3211 [unter II 1]). Der Senat begründete seine Argumentation damit, dass die §§ 437 ff. BGB alle Konstellationen der Mängelbeseitigung und Nacherfüllungsansprüche regelten, sodass eine unmittelbare oder analoge Anwendung der § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB solche Fälle ausgeschlossen sei. Im Ergebnis stünde sonst dem Käufer ein Selbstvornahmerecht auf Kosten des Verkäufers zu, auf das der Gesetzgeber aber bewusst verzichtet habe.

Selbst dann, wenn ein Ausnahmefall vorgelegen hätte, bei dem eine Fristsetzung zur Nacherfüllung unzumutbar für die Beklagte gewesen wäre, stünde der Beklagten entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kein Anspruch gemäß §§ 326 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 BGB (analog) auf Ersatz der von ihr aufgewendeten Kosten zu, weil der Beklagte den Umstand für die Erkrankung des Pferdes nicht zu vertreten habe.  

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

Rücktritt vom Pferdekaufvertrag

 

  • Beschaffenheitsvereinbarung beim Pferdekaufvertrag 
  • subjektive Einschätzungen

 

OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.09.2005 – 22 U 82/05

Sachverhalt:

Die Klägerin erwarb am 18.05.2002 von dem Beklagten das Pferd „P“ nebst Zubehör (Sattel/Trense für einen Kaufpreis von 4.000 Euro als Freizeitpferd. Nachdem das Pferd übergeben wurde, verhielt es sich nach Ansicht der Klägerin kopfscheu, nervös und unwillig. die Klägerin erklärte daraufhin den Rücktritt vom Pferdekaufvertrag, da das Pferd für den vereinbarten Verwendungszweck (Beschaffenheit) nicht geeignet und verlangte von dem Beklagten am 28.05.2002 die Rückzahlung all ihrer Kosten, bestehend aus Kaufpreis, Hufschmiedkosten, Tierarztkosten, Unterstellkosten sowie den Kosten für den Kauf eines neuen Sattels in Höhe von 9.903,99 Euro gegen Rückgabe des Pferdes. Der Beklagte wiederum verweigerte die Rückabwicklung des Pferdekaufvertrages mit der Begründung, dass das Pferd zu Freizeitzwecken verkauft wurde und hierfür auch geeignet sei.

Das Landgericht hat erstinstanzlich durch Vernehmung von Zeugen und die Einholung von Sachverständigengutachten die Klage abgewiesen, weil es der Auffassung war, das Pferd sei als Freizeitpferd geeignet. Eine Beschaffenheitsvereinbarung sei nur in dem Sinne zustande gekommen, dass das Pferd grundsätzlich das Potential habe, vielleicht einmal A-Dressur zu laufen. Ein Sachverständiger hat diese Einschätzung, die der Sohn des Beklagten bei der Kaufpreisverhandlung über das Pferd von sich gab, als „grundsätzlich möglich“ bewertet.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt mit der Begründung, dass das Pferd entgegen der Auffassung der Sachverständigen hinsichtlich der Dressureignung den getroffenen Absprachen nicht entspreche.  

 

Entscheidung:

Subjektive Einschätzungen werden nicht automatisch Teil der Beschaffenheitsvereinbarung eines Pferdes

Die Berufung der Klägerin gegen das am 18. 04. 2005 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des LG Wuppertal wurde zurückgewiesen. Es bestehe kein Rücktrittsrecht aus §§ 433, 434 Abs. 1, 437, 440 BGB, weil das Pferd keinen Sachmangel aufweise. Weiterhin komme kein Rücktrittsrecht wegen fehlender Eignung des Pferdes als Freizeitpferd und fehlender Dressureignung in Betracht.

Zwar sei das Pferd nach erneutem Einholen eines weiteren Sachverständigen nicht dressurgeeignet. Eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne der Turniereignung sei jedoch gemäß § 434 Abs.1 Satz 1 BGB zwischen den Parteien nicht erfolgt. Es seien zwar Gespräche hinsichtlich der Turniereignung des Pferdes geführt worden, es kam jedoch nicht zu einer Vereinbarung, dass das Pferd eine übliche Turniereignung haben muss. Der Sohn des Beklagten habe lediglich von einem Potential für eine Turnierteilnahme gesprochen. Er habe im Rahmen der Verhandlungen somit nur eine Einschätzung abgegeben, die nicht auf Erfahrungswerten beruhte. Hinzu komme, dass im Pferdekaufvertrag unter anderem ausdrücklich ausgeführt wurde, dass das Pferd nicht gesund ist. Diese Eigenschafts dürfte aber Voraussetzungen für ein turniergeeignetes Pferd sein. Dieser Haftungsausschluss zeige, so das Gericht, dass der Beklagte nur ein Pferd mit eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten verkaufen wollte. Das Gericht entschied, dass die Anforderungen an eine vertragliche Vereinbarung der Beschaffenheit des Pferdes als turniergeeignet unter Gesamtbetrachtung des Verkaufsgesprächs und des Pferdekaufvertrages nicht vorlägen.

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

Reiterfahrenes Mädchen auf Ponyhof gestürzt – haftet der Ponyhof-Betreiber?

OLG Oldenburg, Beschluß vom 02. 09. 2003 – 15 U 47/03

Sachverhalt:

Die damals 12 jährige Klägerin hat an einer Reitgruppe für Kinder teilgenommen. Die Kinder ritten unter Aufsicht auf dem umzäunten Gelände eines Ponyhof-Betreibers. Es kam zu einem Sturz, bei dem die Klägerin schwere Verletzungen erlitt. Sie verlangte von dem Beklagten, dem Ponyhof-Betreiber, Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Das Landgericht hat erstinstanzlich die Klage zurückgewiesen. Der Unfallhergang sei nicht feststellbar und der Beklagte könne sich nach § 833  S. 2 BGB entlasten, weil er bei der Beaufsichtigung des Pferdes die im Verkehr erforderliche Sorgfalt eingehalten habe.

 

Entscheidung:

„So bedauerlich der Unfall mit seinen sehr schweren Folgen auch ist, so stellt er sich letztlich doch als ein Unglück dar, wie es im Leben immer geschehen kann und für das die Klägerin niemand anderen haftbar machen kann.“

Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Es begründetedie Ablehnung damit, dass die Beweiswürdigungen des Landgerichts nicht rechtsfehlerhaft seien, insbesondere bestünden keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an den Urteilsfeststellungen.. Der genaue Unfallhergang könne, wie vom Landgericht richtig festgestellt, nicht genau ermittelt werden. Ebenso sei es der Klägerin nicht gelungen herzuleiten, dass der Betreiber einen Fehler bei der Auswahl des von der Klägerin gerittenen Ponys gemacht hat. Er habe sich nachweisbar für ein gutmütiges Pony entschieden. Ein Unfall könne nicht automatisch die Begründung für ein vorwerfbares Verhalten bei der Auswahl des richtigen Pferdes sein, weil jedes Pferd in Ausnahmesituationen eine potentielle Gefahr darstelle. Würde man dieser Argumentation der Klage zustimmen, dürften überhaupt keine Pferde zu gewerblichen Zwecken auf Reithöfen-oder schulen gehalten werden, da diese als Halter der Pferde sich sonst nie entlasten könnten.

Ebenso könne dem Beklagten kein vorwerfbares Verhalten bei der Beaufsichtigung derReiter angelastet werden. Die damals 12 jährige Klägerin habe über ausreichend Reiterfahrung verfügt, um das als brav und gutmütig bekannte Pony im Rahmen einer Kinderreitgruppe alleine zu reiten. Entgegen der Auffassung der Klage sei es, so das Gericht, auch für eine versierte Aufsichtskraft unmöglich gewesen, jeglichen Sturz eines Kindes von einem Pferd zu verhindern. Man könne sich nicht in unmittelbarer Nähe eines jeden Pferdes aufhalten.

Das Gericht sieht es deshalb als erwiesen, dass der Beklagte sowohl bei der Auswahl des Pferdes als auch bei der Beaufsichtigung des Pferdes die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat.

 

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

Kissing Spines – Rücktritt vom Pferdekaufvertrag

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 06.07.2010 – 17 U 28/09

Sachverhalt:

Der Beklagte hat über das Internet ein Pferd zum Preis von 19.000€ angeboten. Die Klägerin zeigte Interesse und fuhr am 13.08.2006 zu dem Beklagten nach Norddeutschland, um das Pferd zu besichtigen und es Probe zu reiten. Am 25.08.2016 führte der Tierarzt Dr. A in Gegenwart beider Parteien eine Ankaufsuntersuchung durch. Im Protokoll wurden alle untersuchten Stellen als unauffällig und „ohne besonderen Befund“ vermerkt. Noch am selben Tag kaufte die Klägerin das Pferd für 14.000 €.

Am 11.12.2006 übernahm ein Fachtierarzt für Pferde Dr. B die Untersuchung des Pferdes und teilte der Klägerin mit, dass an der Longe sowohl auf der rechten als auch auf der linken Hand eine undeutliche, geringgradige gemischte Lahmheit hinten links sichtbar war. Ebenso wurde festgestellt, dass die Beweglichkeit des Halses sowohl nach rechts als auch nach links eingeschränkt war.

Die Klägerin ließ das Pferd daraufhin am 31.01./01.02.2007 von einem weiteren auf Pferde spezialisierten Arzt, Dr. C, untersuchen. Dr. C kam zur Diagnose, dass bei dem Pferd von schmerzhaften Prozessen im oberen Halswirbelsäulenbereich und in der distalen linken Hintergliedmaße ausgegangen werden müsse. Er beurteilte die Reitbarkeit des Pferdes als „eingeschränkt“.

Basierend auf den Diagnosen der Tierärzte verlangte die Klägerin am 14.03.2007 vom Beklagten Minderung des Kaufpreises. Bei einer Einigung würde sie keinen Gebrauch von ihrem Rücktrittsrecht machen und das Pferd behalten. Der Beklagte wiederrum war der Meinung, es hätten keine krankhaften Befunde zum Zeitpunkt der Übergabe des Pferdes vorgelegen und lehnte eine Minderung des Kaufpreises sowie eine Rückabwicklung des Pferdekaufvertrages ab.

Die Klägerin erhob sodann Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes. Sie behauptete, bereits bei Gefahrübergang habe der Wallach erhebliche gesundheitliche Mängel gehabt, insbesondere habe er unmittelbar danach gelahmt.

 

Landgericht weist Klage zurück

Das Landgericht Verden hat erstinstanzlich die Klage abgewiesen. Es führte dazu aus, dass die Klägerin keinen Rückgewähranspruch aus § 437 Nr. 2 BGB habe, weil kein Rücktrittgrund gegeben sei. Das Pferd sei bei Gefahrübergang laut einem Sachverständigen des Gerichts, Dr. SV1, nicht mangelhaft gewesen. Es habe eine geringe Lahmheit vorgelegen, die aber beim Galopp fast vollständig verschwunden sei. Die Lahmheit sei durch den Umstand, dass die Käuferin das Pferd längere Zeit nicht geritten habe und dadurch die Rückenmuskulatur wenig ausgeprägt war, bedingt worden.

Gemäß § 477 BGB muss bei einem Mangel, der sich innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe der Kaufsache zeigt, der Verkäufer beweisen, dass die Sache bei Gefahrübergang mangelfrei war,  sogenannte Beweislastumkehr, soweit es sich vorliegend um einen Verbrauchsgüterkauf handelt. Kann Der Verkäufer den Beweis nicht erbringen, so wird vermutet, dass die Sache mangelbehaftet übergeben wurde. Diese Vorschrift war nach Auffassung des Gerichts vorliegend nicht einschlägig, weil sich Pferde aufgrund ihrer Art und auch im Hinblick auf die schnellen Veränderungen ihres Allgemein- und Gesundheitszustandes kaum für die Anwendung der Beweislastumkehrregelung eignen.    

Die Klägerin legte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein.

 

Berufungsgericht revidiert das Urteil des Landgerichts

Die Berufung der Klägerin vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte Erfolg. Das Gericht verurteilte den Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pferdes.

Der Senat habe nach der erneuten Beweisaufnahme keine Zweifel mehr daran, dass das Pferd bei Gefahrübergang mangelhaft gewesen sei. Zu dieser Überzeugung sei das Gericht unter anderem durch die Begutachtung von Dr. B gelangt, die belegte, dass beim Pferd eine Lahmheit erkennbar war und diese auch beim Galopp nicht vollständig verschwand. Maßgeblich sei das Gericht aber durch ein Gutachten eines zweiten Sachverständigen, Tierarzt Dr. C, überzeugt worden. Im damals anstehenden Fall des Oberlandesgerichts Oldenburg (RdL 2005, 65) hatte Dr. C angeführt, „dass durch verschiedene Faktoren wie zunehmende Belastung, falsche Reitweise, schlecht sitzender Sattel, Muskelschmerzen, röntgenologische Veränderungen im Sinne eines Kissing-Spines-Syndroms relativ kurzzeitig klinisch auffällig würden“. Das würde erklären, warum die Erkrankung bei der Ankaufsuntersuchung und vom Sachverständigen Dr. A nicht bemerkt worden sei. Diese reaktiven Veränderungen am Knochen könnten auch binnen weniger Monate erfolgen, erklärte Dr. B. So könnte eine Erkrankung theoretisch auch nach Gefahrübergang erfolgt sein. Dass es aber erst nach der Übergabe des Pferdes dazu gekommen sei, schließt das Gericht aufgrund der vorgetragenen Beweise und Schilderungen aus.    

Ebenso führte der Senat entgegen der Ansicht des Landgerichts an, dass die Beweislastumkehr des § 477 BGB auf den vorliegenden Fall anwendbar sei. Dabei bezieht er sich auf eine Entscheidung des BGH vom 29.03.2006 (BGHZ 167, 40 ff. = NJW 2006, 2250= RdL 2006, 205 ff.), wonach die Anwendung der Beweislastumkehr wegen der Art des Mangels nur bei bestimmten Tierkrankheiten, wie einer saisonalen Allergie, ausgeschlossen werden könne. Eine solche Erkrankung sei hier aber nicht Gegenstand des Rechtsstreits, sondern der wesentlich schwerer wiegende Befund von Kissing-Spines.

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia