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Rücktritt vom Pferdekaufvertrag – OCD als Sachmangel

Die Vermutung des § 477 BGB greift auch bei OCD

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 10. August 2006, Az. 2 U 19/05

Vorinstanz: LG Siegen, 07.09.2004, Az. 2 O 219/04
LG Siegen, 07.12.2004, 2 O 219/04

Der Sachverhalt

Der Kläger begehrt den Rücktritt eines zwischen den Parteien unter dem 09.01.2004 geschlossenen Pferdekaufvertrags. Der Kaufpreis betrug 10.000,- Euro. Der Beklagte ist ein Unternehmer, welcher unter dem Namen „Gestüt – Ferienpension – Reitschule H“ firmiert.

Nachdem das Pferd bereits im Eigentum des Klägers war, begann es zu lahmen. Der behandelnde Tierarzt stellte fest, dass das Pferd an einer hochgradigen Osteochondrosis dissecans (im Folgenden OCD) im rechten hinteren Kniescheibengelenk litt. In der vor dem Kauf erfolgten großen Ankaufsuntersuchung war dies nicht aufgefallen. Der Kläger behauptet, die OCD habe bereits bei Gefahrübergang am 25.01.2004 vorgelegen. Der Kläger erklärte daher gegenüber dem Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Beklagte vertritt die Meinung, dass sich das Pferd beim Kläger in der Box verletzt habe, nachdem es nach seiner Kastration neben einer Stute aufgestallt wurde.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 07.12.2004 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob das Pferd zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs mängelbehaftet gewesen sei. Jedenfalls stehe dem vom Kläger geltend gemachten Rücktritt entgegen, dass keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt worden sei.

Nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht forderte der Kläger mit an den Beklagten persönlich gerichtetem Schreiben vom 08.12.2004 diesen unter Fristsetzung bis zum 20.12.2004 zur Abholung des Pferdes zwecks Operation in einer Fachklinik für Pferde auf. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist erklärte er mit Schreiben vom 30.12.2004 erneut den Rücktritt vom dem am 09.01.2004 geschlossenen Pferdekaufvertrag und forderte den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 15.01.2005 zur Rückzahlung des Kaufpreise Zug um Zug gegen Abholung des Pferdes auf.

Gegen das Urteil des Landgerichts hat der Kläger sodann Berufung eingelegt. Mit dieser verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klageziel.

Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht gab dem Kläger Recht.

Dem Kläger stünde ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises sowie Ersatz der notwendigen Verwendungen (Stallkosten, Tierarztkosten) Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Pferdes gemäß §§ 437 Nr. 2, 440, 323 i.V.m. §§ 346, 347 Abs. 2 S. 1 BGB zu.

Es handele sich um einen Verbrauchsgüterkauf, § 477 BGB. Der Beklagte, sei Unternehmer i.S.d. § 14 BGB. Bei dem Kläger, der das Pferd offenbar für seine Tochter gekauft habe, handele es sich um einen Verbraucher i.S.d. § 13 BGB. Es sei davon auszugehen, dass das Pferd bei Gefahrübergang mit einem Sachmangel i.S.d. § 434 BGB in Gestalt einer OCD mit einer ca. 3,5 cm großen Läsion im rechten hinteren Kniescheibengelenk behaftet war.

Es könne dahinstehen, ob die Parteien den Gesundheitszustand des Pferdes, wie er in dem Bericht zur Ankaufsuntersuchung vom 05.01.2004 festgestellt wurde, zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB gemacht hätten. Jedenfalls stelle die vom Sachverständigen diagnostizierte OCD im rechten hinteren Kniescheibengelenk einen Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB dar. Denn sie beruhe nicht etwa auf einem altersentsprechenden üblichen Verschleiß, sondern sei entweder genetisch oder traumatisch bedingt. Eine solche Erkrankung entspreche nicht dem üblichen Zustand eines zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vier Jahre alten, noch nicht angerittenen Pferdes und musste vom Kläger auch nicht erwartet werden. Eine andere Wertung ergebe sich auch nicht daraus, dass das Pferd ausweislich des im Kaufvertrag in Bezug genommenen Ankaufsuntersuchungsberichts vom 05.01.2004 bereits OCDs jeweils an der Dorsalseite der Fesselgelenke vorne links und hinten rechts sowie am Sprunggelenk rechts aufwies. Aus diesem Befund ergebe sich kein Verdacht für das Vorliegen weiterer OCDs an anderen Gelenken.

Der gemäß § 477 BGB beweisbelastete Beklagte habe nicht den Beweis führen können, dass das Pferd bei Gefahrübergang im Januar 2004 noch nicht mit der vom Sachverständigen diagnostizierten krankhaften Veränderung in Gestalt einer OCD am rechten hinteren Kniescheibengelenk behaftet war. Die Vermutungswirkung des § 477 BGB sei auch nicht aufgrund einer Unvereinbarkeit mit der Art der Sache oder des Mangels ausgeschlossen. Eine solche Unvereinbarkeit sei nicht bereits dann gegeben, wenn der Mangel typischerweise jederzeit auftreten kann (vgl. BGH NJW 2005, 3490 für den Sachkauf). Ebensowenig rechtfertige auch beim Pferdekauf allein die Ungewissheit über den Entstehungszeitpunkt des Mangels den Ausschluss der Vermutungswirkung ( BGH Urteil vom 29.03.2006, VIII ZR 173/05). Maßgeblich sei vielmehr die spezifische Art der Tierkrankheit.

Ausgehend von diesen Grundsätzen sei auch nicht damit der Nachweis der Unvereinbarkeit der Vermutungswirkung geführt, dass vorliegend für die OCD mehrere Ursachen in Betracht kommen, die z.B. in Gestalt einer Traumatisierung, einer akuten entzündlichen Gelenkerkrankung (Arthritis) oder einer chronischen Gelenkerkrankung (Arthrose) auch nach Gefahrübergang eingetreten sein können. Ließe bereits die Möglichkeit verschiedener und nicht sämtlich im Verantwortungsbereich des Verkäufers liegender Ursachen für den vorhandenen Sachmangel die Vermutungswirkung entfallen, führte dies zu einer Aushöhlung des Verbraucherschutzes im Rahmen des § 477 BGB. Das gelte bei der hier in Rede stehenden Erkrankung insbesondere deshalb, weil nach Darlegung des Sachverständigen derzeit keine Möglichkeit bestehe, vorhandene Chips nach ihrer Genese (wachstums- oder traumatisch bedingte OCD) zu differenzieren. Anders als dem Verkäufer, der bei einer Röntgenuntersuchung des Kniegelenks vor Verkauf den Mangel hätte feststellen können, verbleibt dem Käufer nach Gefahrübergang angesichts der eingeschränkten diagnostischen Mittel bei mehreren, vom Verkäufer behaupteten Ursachen der OCD keine Nachweismöglichkeit zum Vorhandensein des Mangels bereits bei Gefahrübergang.

Darüber hinaus habe der Sachverständige es für unwahrscheinlich erachtet, dass Anfang März 2004 ein akutes Trauma bei einem bis dato nicht geschädigten rechten hinteren Kniescheibengelenk zu der diagnostizierten OCD geführt haben kann. Nach seiner Einschätzung könnte die von ihm festgestellte erhebliche Läsion mit einem Umfang von ca. 3,5 cm, wenn sie denn einen traumatischen Ursprung hätte, nur durch ein schweres Trauma verursacht worden sein. Dieses wiederum hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit spontan eine deutliche Hangbeinlahmheit und zwingend eine erhebliche Schwellung nach sich gezogen, so dass Anlass zur sofortigen Konsultation eines Tierarztes bestanden hätte. Diese habe nach den Akten allerdings weder Anfang noch Mitte März 2004 stattgefunden.

Die Behauptung des Beklagten, die OCD habe bei Gefahrübergang jedenfalls noch nicht in der auf den Röntgenbildern erkennbaren Ausprägung vorliegen können, da sie andernfalls unausweichlich bereits zu Lahmheitserscheinungen geführt hätte, habe der Sachverständige nicht bestätigt. Ein noch nicht angerittenes Pferd könne auch mit der Läsion, wie sie auf dem Röntgenbild erkennbar sei, ohne weiteres bei Gefahrübergang beschwerdefrei sein.

Zudem wird aus dem Schreiben, das auf den bei Nichteinhaltung der Fristen drohenden Rücktritt vom Pferdekaufvertrag hinweist, deutlich, dass die Aufforderung ernst gemeint ist.

Der Kläger hat eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt und nach deren fruchtlosen Ablauf den Rücktritt vom Pferdekaufvertrag erklärt.

Im Zuge des durch den wirksamen Rücktritt vom Pferdekaufvertrag entstandenen Rückabwicklungsverhältnisses seien neben dem Kaufpreis die notwendigen Verwendungen in Gestalt von Stallkosten für die sowie die Tierarztkosten zu erstatten.

Darüber hinaus stehe dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung nutzloser Aufwendungen für Kastration und Ankaufuntersuchung

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Pferdekaufvertrag: Rücktritt wegen Mangelhaftigkeit des Pferdes

„Lässt der Vortrag des beklagten Verkäufers offen, ob der Ursprung für den Mangel in einem Handeln oder Unterlassen nach Gefahrübergang lag und dem Verkäufer daher nicht zuzurechnen ist, reicht dies nicht aus, die Vermutungswirkung des § 477 BGB zu beseitigen.“

LG Frankfurt, Urteil vom 05. April 2018, Az. 2-32 O 95/17

 

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Pferdekaufvertrag: Rücktritt wegen Mangelhaftigkeit des Pferdes

Die Beklagte betreibt einen Reit-, Ausbildungs- und Handelsstall für Dressurpferde. Im Juli 2016 erwarb die Klägerin nach vorheriger Besichtigung und Erprobung von der Beklagten ein Pferd für ihre Tochter.

Zwischen den Parteien wurde eine Ankaufsuntersuchung vereinbart und vor dem Kauf durchgeführt. Die Untersuchung war ohne besonderen Befund.

Drei Tage nach dem Kauf wandte sich die Klägerin an die Beklagte und teilte ihr mit, das Pferd habe ein entzündetes Auge. Mit anwaltlichem Schreiben wandte sich die Klägerin dann Ende August an die Beklagte und teilte mit, dass das Pferd nach einem Hund ausgetreten habe und aus der Nachbarbox gefüttert werden müsse, da es nach dem Fütternden tritt. Auch beim Fertigmachen trete das Pferd immer wieder aus. Komme man dem Pferd an die Hinterbeine, trete es gezielt aus. Weiterhin lasse sich das Pferd nicht anbinden. Bei einem Ausritt habe das Pferd einem Jogger in den Bauch getreten. Unmittelbar nachdem das Pferd in den Stall der Klägerin verbracht worden sei, sei ein entzündetes Auge erkennbar gewesen, in Sattellage sei ein Pilz aufgetreten und es bestehe eine Nesselsucht am Mähnenkamm. Mit gleichem Schreiben erklärte der Anwalt für die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte auf, das Pferd bis Zug um Zug gegen vollständige Rückzahlung des Kaufpreises zurückzunehmen. Sollte die Beklagte eine Möglichkeit der Nachbesserung sehen, solle sie ihre konkreten Vorschläge mitteilen. Ihr werde dann das Pferd für eine Zeit von vier Wochen zur Verfügung gestellt.

Die Beklagte wies die Gewährleistungsansprüche der Klägerin zurück.

Eine tierärztliche Untersuchung im Dezember ergab den nachfolgenden Befund: „Der Augapfel ist zurückgezogen, es besteht ein leichter Blepharospasmus. Eine Tränenspur unterhalb des Auges weist auf eine länger andauernde Schmerzhaftigkeit des Auges hin. […] Die Pupille ist sehr eng (Miosis) und nicht responsiv. Der Bereich des Glaskörpers ist (soweit einsehbar) gelb-grün verfärbt, […] Im Umgang zeigt das Pferd eine hochgradige Einschränkung der Sehkraft auf der linken Seite und ist extrem schreckhaft und nervös. […].“

 

Die Entscheidung

Das Gericht gab der Klage statt. Der Klägerin stand ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu. Das Pferd war vorliegend nicht frei von Sachmängeln, da es jedenfalls nicht für die gewöhnliche Verwendung eignete und eine Beschaffenheit aufwies, die bei Sachen der gleichen Art nicht üblich ist und die der Verkäufer nach der Art der Sache nicht erwarten kann.

Beim Pferdekauf liegt ein Sachmangel unter anderem vor, in einer mangelnden „Rittigkeit“, einer periodischen Augenentzündung, schlechten Charaktereigenschaften oder einer Abweichung der Beschaffenheit vom Ergebnis der Kaufuntersuchung.

Die Klägerin hat durch die Vorlage des Attests substantiiert zu den Befunden des streitgegenständlichen Pferdes vorgetragen. Diese stehen zumindest teilweise in Abweichung zu den Befunden der Kaufuntersuchung, dort insbesondere zur Untersuchung der Augen und des Verhaltens.

Das Pferd war bereits bei Gefahrübergang, also bei der Übergabe der gekauften Sache mangelbehaftet. Zeigt sich bei einem Verbrauchsgüterkauf innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, dass diese Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist, § 477 BGB n.F..

Die Abweichung des tatsächlichen Zustandes des Pferdes vom in der Ankaufuntersuchung beschriebenen Zustand trat innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe des Pferdes auf.

Die Klägerin muss nach der geänderten Rechtsprechung des BGH (BGH vom 12.10.2016, Az.: VIII ZR 103/15) nicht nachweisen, dass der von ihr geltend gemachte akute Mangel auf einer Ursache beruht, die einen latenten Mangel darstellt, damit die Vermutungswirkung des § 477 BGB zur Anwendung kommt.

Der BGH hat diese Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben, nachdem der EuGH bezüglich der § 447 BGB zu Grunde liegenden Regelung in der Art. 5 Abs. 3 VerbrGKRL entschieden hat, der Verbraucher müsse nur das Vorliegen einer binnen 6 Monaten seit Lieferung aufgetretenen Vertragswidrigkeit beweisen, nicht aber deren Grund. Im Falle dieses Beweises muss der Verkäufer beweisen, dass die Vertragswidrigkeit bei Lieferung noch nicht vorlag, sondern ihren Grund oder Ursprung in einem nach Lieferung eingetretenem Umstand hat.

Auf Grund der Entscheidung des EuGH geht der BGH nunmehr, davon aus, dass wenn sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang beim Verbrauchsgüterkauf ein mangelhafter Zustand zeigt, zu Gunsten des Käufers die Vermutung greift, dass dieser bereits bei Gefahrübergang bestanden hat.

Das bedeutet, dass zu Gunsten des Käufers vermutet wird, dass ein erst nach Gefahrübergang aufgetretener „akuter Mangel“ auf einem bereits bei Gefahrübergang vorhandenen „latenten Mangel“ beruht.

Der Käufer muss nur entsprechend darlegen und ggf. beweisen, dass ein mangelhafter Zustand besteht und sich dieser binnen sechs Monaten nach Lieferung des Gutes( hier Pferdes) herausgestellt hat.

Demgegenüber muss der Verkäufer nachweisen, dass die Vermutungswirkung des § 447 BGB nicht greift, weil ein Sachmangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch nicht vorhanden war oder weil er seinen Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen nach diesem Zeitpunkt hatte und dem Verkäufer damit nicht zuzurechnen ist.

Gelingt ihm die Beweisführung nicht „rechtlich hinreichend“, greift zu Gunsten des Käufers die Vermutung des § 477 BGB auch dann ein, wenn die Ursache für den mangelhaften Zustand oder Zeitpunkt ihres Auftretens offengeblieben ist, also letztlich offen geblieben ist, ob überhaupt ein vom Verkäufer zu vertretender Sachmangel vorlag.

Daneben verbleibt dem Verkäufer die Möglichkeit, sich darauf zu berufen und nachzuweisen, dass das Eingreifen der Beweislastumkehr des § 477 BGB ausnahmsweise bereits deswegen ausgeschlossen ist, weil die Vermutung, dass bereits bei Gefahrübergang im Ansatz ein Mangel vorlag, mit der Art der Sache oder eines derartigen Mangels unvereinbar ist (§ 477 letzter Halbs. BGB) ist.

Zur Widerlegung der Vermutung des § 477 BGB hat der Verkäufer also den Beweis des Gegenteils dahin zu erbringen, dass der binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang aufgetretene mangelhafte Zustand auf eine nach Gefahrübergang eingetretene, ihm nicht zuzurechnende Ursache – sei es auf ein Verhalten des Käufers oder eines Dritten, sei es auf sonstige Umstände, etwa eine übliche Abnutzungserscheinung nach Gefahrübergang, – zurückzuführen ist.

Hierfür ist eine Erschütterung der Vermutung nicht ausreichend; erforderlich ist vielmehr der volle Beweis des Gegenteils der vermuteten.

Die Beklagte hat lediglich vorgetragen und Beweis angeboten, dass vor der Übergabe des Pferdes an die Klägerin kein Befund oder Anzeichen für eine Augenentzündung und auch keinerlei sonstiger Krankheitszustand vorgelegen hatte. Ebenso hat die Beklagte vorgetragen, dass Pferd sei vor Gefahrübergang nicht unsicher, unrittig, schreckhaft und nervös gewesen. Eine periodische Augenentzündung könne im Rahmen eines Stressschubes von jetzt auf gleich auftreten.

Selbst wenn man diesen Vortrag als wahr unterstellt, reicht er nicht aus, um die Vermutungswirkung des § 477 BGB zu beseitigen. Der Vortrag lässt offen, dass der Ursprung für den Mangel in einem Handeln oder Unterlassen nach Gefahrübergang lag und dem Verkäufer daher nicht zuzurechnen ist. Vielmehr bleibt bereits nach dem Vortrag der Beklagten die Ursache für den mangelhaften Zustand offen. Der Vortrag, Pilz, Nesselsucht und Augenentzündung könne auf eine geschwächte Immunabwehr in Folge des Stresses im Zusammenhang mit dem Stallwechsel auftreten, sagt gerade nicht aus, dass es sich dabei um die einzig mögliche Ursache handelt.

Die Vermutungswirkung ist vorliegend auch nicht ausgeschlossen, weil die Vermutung nach der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist. Dies gilt insbesondere, soweit die Beklagte vorträgt, eine Augenentzündung oder Pilz und Nesselsucht könne typischerweise jederzeit nach der Übergabe eintreten.

Ein Sachmangel, der typischerweise jederzeit nach der Übergabe eintreten kann und für sich genommen keinen hinreichend wahrscheinlichen Rückschluss auf sein Vorliegen bei Gefahrübergang zulässt, begründet die Unvereinbarkeit nicht. Die Klägerin konnte demnach wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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