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Reitunfall nicht aufklärbar – wer haftet?

Reagiert ein Pferd unberechenbar, ist darin die Verwirklichung der spezifischen Tiergefahr zu sehen. Für Unfälle, die durch die sog. Tiergefahr verursacht worden sind, haftet grundsätzlich der Halter, § 833 1 BGB. Kann jedoch das Unfallopfer nicht beweisen, dass der Unfall durch das unberechenbare Verhalten des Tieres verursacht worden ist, besteht kein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Tierhalter!                        

 

Sachverhalt:

Die Klägerin ritt das Pferd der Beklagten am 28.12.2007 allein in den Wald aus. Es kam zu einem Unfall bei dem sich die Klägerin schwer verletzte. Da sie für ungefähr 15 Minuten bewusstlos war, konnte sie sich nicht genau an den Sturz erinnern. Sie beharrte aber darauf, dass das Pferd plötzlich durchgegangen und ins Unterholz gelaufen sei. Dabei sei sie gegen einen Ast geprallt und heruntergefallen. Ihre Verletzungen seien somit durch das Pferd verursacht worden und die spezifische Tiergefahr habe sich in dem Verhalten des Pferdes verwirklicht. Sie verlangte von der Halterin des Pferdes Schadensersatz für ihre Körperverletzung, Ausgleich für ihre monatlichen Erwerbseinbußen sowie Ersatz sämtlicher weiterer materieller und derzeit nicht vorhersehbarer immaterieller Schäden.

 

Entscheidung:

Die Klage blieb ohne Erfolg.

Die Klägerin hätte beweisen müssen, dass der Grund für den Unfall in der spezifischen Tiergefahr des Pferdes liege. Dies sei ihr nicht gelungen.  Sie stütze ihre Angaben zum Unfallgeschehen auf bloße Vermutungen, da sie keine konkreten Erinnerungen an den Unfall habe. Mit einem Sachverständigengutachten könne der Ablauf des Unfallgeschehens auch nicht rekonstruiert werden, da es zu wenige Anhaltspunkte dafür gebe. Das Durchgehen des Pferdes als möglicher Geschehensablauf reiche zum Beweis nicht aus und auch das Verletzungsbild, welches darauf hindeute, dass die Geschädigte mit einem Gegenstand kollidierte, erkläre nicht wie es zu dem Unfall gekommen ist. Nicht jeder Unfall mit einem Pferd könne auf die spezifische Tiergefahr zurückgeführt werden. Auch der Reiter allein oder Kreislaufprobleme könnten einen Sturz verursachen. Hier könne nicht  ausreichend bewiesen werden, ob die Klägerin wegen eines unberechenbaren Verhalten des Pferdes stürzte. Es wäre auch möglich, dass die Klägerin von einem herabfallenden Ast getroffen worden sei. Damit bestehe kein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte im Sinne von § 833 1 BGB.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Haftung des Pferdehalters auch bei Reitbeteiligung

Zur Haftung des Tieraufsehers


Das Oberlandesgericht Nürnberg hat mit Urteil vom 29.03.2017 – 4 U 1162/13 – entschieden, dass ein Pferdehalter  auch bei einer Reitbeteiligung für Unfälle haftet, die durch sein Pferd verursacht werden. Die Haltereigenschaft wird durch die Vereinbarung einer Reitbeteiligung nicht berührt. Ein stillschweigender Haftungsausschluss zwischen Pferdehalter und Reiter kann nicht ohne weiteres angenommen werden.

 

 

Sachverhalt:

 

Klägerin des zugrundeliegenden Streitfalls ist die gesetzliche Krankenversicherung der geschädigten Reiterin. Die beklagten Pferdehalterin hatte mit der Reiterin eine Reitbeteiligung vereinbart, wonach sie mit deren Pferd an drei Tagen in der Woche gegen Bezahlung von 100,- € monatlich ausreiten durfte. Die geschädigte Reiterin stürzte bei einem Ausritt vom Pferd und erlitt eine Querschnittslähmung. Für den Reitunfall war das Verhalten des Pferdes ursächlich. Die Reitbeteiligung ist von der Haftpflichtversicherung der Beklagten nicht erfasst.

 

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat die auf Ersatz der Heilbehandlungskosten gerichtete Klage in erster Instanz vollumfänglich abgewiesen. Die Auslegung des abgeschlossenen Vertrages über die Reitbeteiligung ergebe, dass die geschädigte Reiterin und die beklagte Pferdehalterin stillschweigend einen Haftungsausschluss vereinbart hätten.

 

Mit der gegen das Urteil eingelegten Berufung hatte die Klägerin zumindest teilweise Erfolg. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat eine Haftung der Beklagten grundsätzlich bejaht, der Höhe aber eine Anspruchskürzung in Höhe von 50 % vorgenommen.

 

Das Gericht ist der Auffassung, dass die Beklagte trotz der vereinbarten Reitbeteiligung zum Unfallzeitpunkt alleinige Halterin des Pferdes gewesen sei.  Denn sie hatte das alleinige Bestimmungsrecht über das Tier und trug sämtliche Aufwendungen, wie etwa für Tierarzt, die Versicherung oder Futter. Die geschädigte Reiterin  zahlte dagegen nur ein geringes Entgelt für die gelegentliche Nutzung des Pferdes. Für die Haftung des Tierhalters sei maßgeblich, ob sich die spezifische Tiergefahr verwirklicht habe. Vorliegend war das Pferd der Beklagten grundlos plötzlich los galoppiert, was zu dem Unfall führte.

 

Nach Auffassung des Gerichts beinhaltete die Vereinbarung einer Reitbeteiligung nicht automatisch einen stillschweigenden Haftungsausschluss. Es komme vielmehr auf die konkreten Umstände des  Einzelfalles an. Ein Haftungsausschluss könne etwa dann angenommen werden, wenn die Geschädigte an der Überlassung des Tieres ein besonderes Interesse gehabt hätte. Hier habe die Reitbeteiligung allerdings erst seit kurzer Zeit bestanden und die Beklagte sei selbst davon ausgegangen, dass etwaige im Rahmen der Reitbeteiligung entstehende Schäden auch von ihrer Versicherung gedeckt seien.

 

Nach Ansicht des Gerichts haftet die Beklagte aber nur mit einer Quote von 50 %. Denn die geschädigte Reiterin sei zum Unfallzeitpunkt  Tieraufseherin i.S.v. § 834 BGB gewesen. Nach dieser Vorschrift besteht zu Lasten des Tieraufsehers die widerlegbare Vermutung, dass ihn ein Sorgfaltspflichtverstoß trifft, welcher auch für den eingetretenen Schaden ursächlich geworden ist. Da es der geschädigten Reiterin nicht gelungen sei, diese Vermutung zu widerlegen und der Unfall nicht mehr aufklärbar sei, führe dies zu einer Anspruchskürzung wegen vermuteten Mitverschuldens in Höhe von 50%.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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