Sachmangel bei Reitpferden: Spat
(Stellt eine erbliche Krankheitsdisposition eine Abweichung von der üblichen Beschaffenheit im Sinne des § 434 I Satz 2 Nr. 2 BGB dar?)
„Spat“ Mangel des Pferdes
LG Lüneburg, Urteil vom 16.03.2004, AZ.: 4 O 322/03
Sachverhalt:
Der Kläger kaufte am 27. Oktober 2002 von dem Beklagten eine Stute für seine Tochter. Bei einer wenige Tage vor dem Kauf durchgeführten Ankaufsuntersuchung wurden keine auffälligen Befunde attestiert.
Anfang März des Folgejahres zeigte das Pferd plötzlich eine Lahmheit hinten rechts. Das Pferd wurde daher tierärztlich untersucht, wobei am 30.05.2003 ein Beckenschiefstand festgestellt wurde. Eine Besserung trat aber auch nach der Behandlung nicht ein, weswegen der Kläger die Stute am 30.06. in einer Klinik erneut untersuchen ließ. Dort stellte der behandelnde Tierarzt eine Spaterkrankung der Stute fest. Nach Ansicht des Tierarztes sei davon auszugehen, dass diese Erkrankung bereits seit längerem, jedenfalls aber vor Ablauf der sechsmonatigen Frist und auch schon bei Übergabe vorgelegen habe.
Der Kläger begehrte daraufhin die Rückabwicklung des Vertrages.
Entscheidung des Landgerichts:
Das Gericht wies die Klage als unbegründet ab. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages.
Es stehe nicht fest, dass das Pferd zum Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft gewesen sei. Unabhängig davon, ob im vorliegenden Fall die Beweislastumkehr des § 476 BGB überhaupt anwendbar wäre oder nicht, habe sich die Spaterkrankung nicht innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang gezeigt. Das plötzliche Auftreten einer deutlichen Lahmheit spreche gerade dagegen, dass sie auf der später festgestellten Spaterkrankung beruhe, denn eine solche Krankheit entwickele sich langsam steigernd. Hinzu käme, dass die zuvor behandelnden Tierärzte grade keinen Spat diagnostiziert hätten, obwohl bei einer Lahmheit der Hinterbeine grundsätzlich immer an eine solche Erkrankung zu denken sei. Selbst wenn eine schon im Entstehen begriffene Spaterkrankung dadurch nur überdeckt worden sein sollte, würde es an einem Sich-zeigen im Sinne des § 476 BGB fehlen.
Es sei auch nicht mit Sicherheit feststellbar, dass die Erkrankung bereits im Zeitpunkt der Übergabe begonnen hatte, sich zu entwickeln. Bei der Ankaufsuntersuchung wurde durch Beugeproben gezielt auf solche Symptome untersucht, wobei sich keine Auffälligkeiten gezeigt hatten. Laut des Sachverständigen ist nicht sicher, wann die Veränderungen – gegebenenfalls unerkannt – begannen. Es sei aber damit zu rechnen, dass sich eine solche Erkrankung zwischen 6 und 12 Monaten entwickele. Die Diagnose „Spat“ wurde im vorliegenden Fall allerdings erst acht Monate nach Übergabe gestellt, wodurch unklar ist, in welchem Stadium sich das Pferd zu diesem Zeitpunkt befand. Sollte sich die Krankheit, was nach Ansicht des Sachverständigen möglich ist, nur über einen Zeitraum von sechs Monaten entwickelt haben, dann wäre sie bei Übergabe noch nicht vorhanden gewesen. Der zuvor diagnostizierte Beckenschiefstand könnte indes für eine schnellere Entwicklungsdauer des Spats sprechen.
Auch, wenn die Erkrankung möglicherweise auf einer anlagebedingten Schwäche des Pferdes beruhte, stelle dies keinen Mangel im Sinne des Gesetzes dar. Zum einen, weil nicht mit Sicherheit gesagt werden könne, dass eine genetische Prädisposition die einzige verbleibende Ursache für Spat ist, sofern eine übermäßige Belastung ausgeschlossen werden könne. Und zum anderen, weil eine entsprechende Veranlagung nicht bedeutet, dass und wann genau die Krankheit überhaupt ausbricht. Eine solche Veranlagung erhöhe nur die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Pferd an der Krankheit erkranken werde. Dies würde allerdings die vertragliche Verwendung als Reitpferd noch nicht zum Zeitpunkt der Übergabe beeinträchtigen, sondern erst später, falls die Krankheit auftritt. Nach der Ansicht des Landgerichts stelle eine erbliche Krankheitsdisposition eines Pferdes jedenfalls keine Abweichung von der üblichen Beschaffenheit gemäß § 434 I Satz 2 Nr. 2 BGB dar, weil der Käufer, der ein Lebewesen kauft, mit dem Vorliegen solcher Abweichungen vom Idealzustand rechnen müsse.
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Susan Beaucamp
(Rechtsanwältin)