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Haftung des Turnierveranstalters bei Reitturnier

Haftung des Turnierveranstalters bei Springturnier

BGH, Urteil vom 23. 9. 2010 – III ZR 246/09

Sachverhalt

 Der Beklagte richtete auf der vereinseigenen Anlage ein Reit- und Springturnier aus. In der zuvor veröffentlichten Ausschreibung mit „Allgemeinen Bestimmungen“ hieß es unter anderem: „Der Veranstalter schließt jegliche Haftung für Schäden aus, die den Besuchern, Teilnehmern und Pferdebesitzern durch leichte Fahrlässigkeit des Veranstalters, seiner Vertreter oder Erfüllungsgehilfen entstehen. Jede Haftung für Verletzungen bei Menschen und Pferden wird ausgeschlossen.“

Der Kläger ist Eigentümer der Stute S, welche mit der Tochter des Klägers auf diesem Turnier in einer Springprüfung der Klasse M startete. Am Ende des Parcours befand sich ein Kombinationshindernis bestehend aus einem Steilsprung und einem Oxer. Nachdem das Pferd das erste Hindernis übersprungen hatte, kollidierte es mit einem rechts neben dem Hindernis aufgestellten Fangständer, der als fest verschraubte Holzkonstruktion mit einem Eisenfuß ausgeführt war und dessen oberes Ende einige Zentimeter niedriger lag als die obere Stange des Hindernisses. Das Pferd erlitt infolge dieser Kollision schwere Verletzungen im Kniebereich und musste nach erfolgloser medizinischer Behandlung eingeschläfert werden.

 

Entscheidung

Der BGH folgte den vorinstanzlichen Entscheidungen. Danach war die Klage erfolgreich, der Beklagte schuldet dem Kläger gemäß §§ 280 I, 241 II BGB Schadensersatz in Höhe des Wertes der verletzten Stute.

Bei einem Reitturnier handelt es sich nach herrschender Meinung um eine Auslobung in Form eines Preisausschreibens. Daher besteht zwischen dem Turnierveranstalter und den Teilnehmern eine schuldrechtliche Sonderverbindung. Aus dieser können (Neben-)Pflichten hinsichtlich der sorgfältigen und ordnungsgemäßen Vorbereitung und Durchführung des Wettbewerbs und hinsichtlich des Schutzes der Teilnehmer vor Gefahren erwachsen. Diese Schutzpflichten können auch gegenüber Dritten,wie hier dem Kläger als Eigentümer des Pferdes, begründet werden.

Der Beklagte hat vorliegend die ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt und hierdurch den Tod des Pferdes verursacht. Grundsätzlich ist der Turnierveranstalter dazu verpflichtet, eine geeignete Anlage für den Wettbewerb zur Verfügung zu stellen, welche keine Gefahren ausweist, die über das übliche Risiko hinausgehen und mit denen der Turnierteilnehmer nicht zu rechnen braucht. Dabei sind diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger und gewissenhafter Angehöriger des betreffenden Verkehrskreises für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm zumutbar sind.

Im vorliegenden Fall entsprach der aufgestellte Fangständer in seiner konkreten Verwendung nicht diesen Anforderungen, da er niedriger als das zu überspringende Hindernis und von diesem nicht optisch abgegrenzt war. Wenn ein Fangständer dazu einlädt, übersprungen zu werden, so muss er wenigstens so konstruiert sein, dass ein Überspringen gefahrlos möglich ist. Dies ist nicht der Fall, wenn der Fang, wie hier, standfest ist.

Das Handeln des Parcourschefs und der Turnierrichter ist insofern dem Veranstalter auch zurechenbar als dessen Erfüllungsgehilfen gem. § 278 BGB.

Ein Mitverschulden nach § 254 BGB bzw. eine Anspruchsminderung aus entgegenstehender Anwendung des § 833 BGB wurden abgelehnt, da ein Reiterfehler nicht festgestellt werden konnte und weil die Verschuldenshaftung der Gefährdungshaftung gegenübersteht.

Die Haftung konnte auch nicht aufgrund der „Allgemeinen Bedingungen“ ausgeschlossen werden, da die Klauseln unwirksam, im Sinne der hier anwendbaren AGB-Kontrolle, waren. Der vollständige Ausschluss der Haftung, auch in Bezug auf Personenschäden und in Fällen groben Verschuldens, ist nach § 309 Nr. 7 a,b BGB nicht zulässig.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Unfall mit Pony im Straßenverkehr – Hälftige Haftung

OLG Celle Urt. v. 10.04.2018 – 14 U 147/17

 

Sachverhalt:

Mit ihrem Pony ritt die  Tochter der Klägerin auf der rechten Seite eines Weges. Hierbei handelt es sich um eine einspurige Fahrbahn mit Randstreifen auf beiden Seiten. Der Beklagte befuhr mit seinem LKW der Reiterin entgegen. Als die Reiterin den LKW kommen sah, hielt sie mit dem Pony an und stellte es leicht schräg mit dem Kopf Richtung Fahrbahn auf den Randstreifen und blieb dabei auf dem Pony sitzen. Der Beklagte drosselte das Tempo des LKWs und lenkte ihn ganz auf den rechten Rand der asphaltierten Fahrbahn. Als der LKW etwa halb an dem Pony vorbei war, erschreckte sich dieses, stieg und verletzte sich so schwer, dass es an den Folgen des Unfalls eingeschläfert werden musste. Ob es zu einer Kollision zwischen Pferd und LKW  gekommen ist oder nicht, konnte nicht abschließend geklärt werden. Die Klägerin begehrt neben der Erstattung von Behandlungskosten auch den Wert des Ponys ersetzt.

 

Entscheidung:

Der Beklagte wurde vom Landgericht Verden ( 5 O 282/14) auf Basis einer hälftigen Haftung zur Zahlung von 4000 € an die Klägerin verurteilt. Die Entscheidung der hälftigen Haftung wurde damit begründet, dass der LKW Fahrer die ihm aus §§ 1 Abs. 2, 2 Abs. 2 StVO obliegenden Pflichten nicht nachgekommen sei. Der von ihm zur Reiterin eingehaltene Abstand sei nicht ausreichend gewesen.  Dies wäre ihm jedoch objektiv möglich gewesen, wenn er den Grünstreifen befahren hätte. Alternativ hätte er anhalten und das Pferd passieren lassen oder sich mit der Reiterin verständigen müssen.

Der Mitverschuldensanteil der Klägerin von 50% ergibt sich aus der allgemeinen Tiergefahr, die sich durch das Scheuen des Ponys realisiert hat. Des Weiteren habe sich die Reiterin vor dem Unfall korrekt verhalten, weshalb ihr kein über die allgemeine Tiergefahr hinausgehender Verursachungs- und Verschuldensbeitrag anzulasten ist.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit dem Ziel, dass der LKW-Fahrer den Schaden in voller Höhe zu ersetzen habe. Die Berufung wurde vom Oberlandesgericht Celle jedoch zurückgewiesen. Im Ergebnis hat das Oberlandesgericht Celle das Urteil der Vorinstanz bestätigt, nach dem die Klägerin einen um 50% gekürzten Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten (bzw. dessen Versicherung)  aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 VVG hat. Im Gegensatz zum Landgericht sah das Berufungsgericht auch ein Verschulden bei der Reiterin, was sich allerdings im Ergebnis nicht auswirkt. Nach der ständigen Rechtsprechung scheidet eine Mithaftung des Tierhalters aus § 833 Abs. 1 BGB in der Regel aus, wenn den Mitverursacher des Unfalls nicht nur eine Gefährdungshaftung, sondern auch eine Verschuldenshaftung aus § 823 Abs. 1 BGB trifft. Nur in letzterem Fall greift § 840 Abs. 3 BGB wonach nur diejenige Partei haftet, die zusätzlich ein Verschulden trifft. Hier haftet der Beklagte nicht nur aus der Betriebsgefahr des LKWs, sondern auch aus dem schuldhaften Verstoß gegen das Abstandsgebot. Grundsätzlich reicht zwar ein Seitenabstand beim Passieren anderer Verkehrsteilnehmer von einem Meter aus, beim Passieren von Reitern muss allerdings mit unerwarteten Reaktionen des Pferdes gerechten werden, so dass hier unter Abwägung der konkreten Umstände ein Mindestabstand von anderthalb bis zwei Meter zum Pony einzuhalten ist.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Celle scheidet die Anwendung des § 840 Abs. 3 BGB im vorliegenden Fall aber deshalb aus, weil die Reiterin ebenfalls ein Verschulden trifft. Sie haftet für die Unfallfolgen nicht nur aus § 833 S. 1 BGB, sondern auch aus § 823 Abs. 1, 254 BGB bzw. 17 StVG. Das bloße Durchparieren zum Halten und schräg zur Fahrbahn stellen des Pferdes reicht für die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt nicht aus. Die Reiterin hätte die Gefahrsituation erkennen und vom Pony absteigen müssen, um es zu führen. Alternativ hätte sie zurück reiten müssen bis zu einer breiteren Stelle des Weges, an dem der LKW mit größerem Abstand hätte passieren können. Jedenfalls hätte sie sich mit dem LKW-Fahrer verständigen müssen. Ferner stellte  das Aufstellen des Ponys mit dem Kopf Richtung Fahrbahn, also mit Fluchtrichtung auf den LKW und der dadurch noch weiter verringerte Abstand des Ponys zur Fahrbahn eine Sorgfaltspflichtverletzung dar.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia