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Rücktritt vom Pferdekaufvertrag wegen „Sommerekzem“ Beweislastumkehr beim Pferdekauf

„Die Vermutung des § 476 BGB a.F. [§b477 BGB n.F.] ist grundsätzlich auch auf den Tierkauf anzuwenden. Sie kann jedoch wegen der Art des Mangels bei bestimmten Tierkrankheiten ausgeschlossen sein; bei einer saisonal sichtbaren Allergie – hier: Sommerekzem eines Pferdes – ist dies nicht der Fall.“

BGH, Urteil vom 29. März 2006, Az. VIII ZR 173/05

vorgehend OLG Hamm, Urteil vom 1. Juli 2005, Az. 11 U 43/04

vorgehend LG Arnsberg, Urteil vom 6. Februar 2004, Az. 4 O 396/02

nachgehend BGH, Beschluss vom 5. Februar 2008, Az. VIII ZR 94/07

Grundsatzentscheidung

(Sachverhalt siehe OLG Hamm, Urteil vom 1. Juli 2005, Az. 11 U 43/04)

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Eingreifen der in § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] geregelten Vermutung sind erfüllt. Die Allergie hat sich bei dem verkauften Pferd im August 2002 und damit innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang gezeigt. Das Auftreten dieses Sachmangels begründet nach der Rechtsprechung des Senats eine – lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende – Vermutung, dass dieser Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag. Dies gilt allerdings nach § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] dann nicht, wenn die Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist. Ein solcher Ausnahmetatbestand liegt hier jedoch nicht vor.

Die Vermutung des § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] ist auch beim Kauf eines Pferdes entsprechend anzuwenden; insoweit ist sie nicht schon mit der Art des Kaufgegenstandes unvereinbar. Beim Kauf eines Pferdes ist die Anwendung der Vermutung jedenfalls nicht von vornherein wegen der Art des Tieres ausgeschlossen.

Die Vermutung ist bei einem Sommerekzem auch nicht mit der Art des Mangels unvereinbar.

Beim Tierkauf sind die Besonderheiten zu berücksichtigen, die sich aus der Natur des Tieres als Lebewesen ergeben. Anders als bewegliche Sachen unterliegen Tiere während ihrer gesamten Lebenszeit einer ständigen Entwicklung und Veränderung ihrer körperlichen und gesundheitlichen Verfassung, die nicht nur von den natürlichen Gegebenheiten des Tieres (Anlagen, Alter), sondern auch von seiner Haltung (Ernährung, Pflege, Belastung) beeinflusst wird. In den Gesetzesmaterialien zu § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] wird insoweit ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Vermutung mit der Art des Mangels jedenfalls bei Tierkrankheiten häufig unvereinbar sein werde, weil wegen der Ungewissheiten über den Zeitraum zwischen Infektion und Ausbruch der Krankheit nicht selten ungewiss bleiben werde, ob eine Ansteckung bereits vor oder erst nach Lieferung des Tieres an den Käufer erfolgt sei; eine Vermutung, dass der Mangel zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgelegen habe, lasse sich dann nicht rechtfertigen, was aber nicht unbedingt auch für andere Fehler eines Tieres gelten müsse.

Das Sommerekzem ist mit der Vermutung des § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] vereinbar. Das Sommerekzem ist keine versteckte Krankheit, sondern eine saisonal sichtbare Allergie, bei der eine überschießende Reaktion des Immunsystems auf Mückenstiche zu dem vom Sachverständigen beschriebenen klinischen Erscheinungsbild (Entzündung der Haut, Juckreiz) führt. Auch das Berufungsgericht geht davon aus, dass die durch Kontakt mit dem Reizstoff hervorgerufenen Symptome des Sommerekzems (Scheuerstellen, Haarbruch) nicht übersehen werden können. Es ist deshalb durchaus feststellbar, ob das Pferd unter dieser Allergie bereits vor Gefahrübergang einmal gelitten hat, auch wenn die Allergie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses selbst wegen des saisonbedingt fehlenden Kontaktes mit Mücken nicht sichtbar sein konnte. Für einen Ausschluss der Vermutung unter dem in der Gesetzesbegründung zu § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] hervorgehobenen Gesichtspunkt einer der Aufklärung nicht zugänglichen Ungewissheit über den Zeitpunkt der Entstehung einer später ausgebrochenen Infektionskrankheit ist deshalb hier jedenfalls kein Raum.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Haftung beim Pferdekauf – Vorliegen eines Sommerekzems

„Die Mangelhaftigkeit eines Pferdes kann sich daraus ergeben, dass es bei Gefahrübergang so hochgradig gegen Mückenstiche sensibilisiert ist, dass weiterer Kontakt mit dem Reizstoff mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald zu einem Sommerekzem führen muss.“

 

LG Flensburg, Urteil vom 31. Oktober 2006, Az. 1 S 50/06

vorgehend AG Husum, Urteil vom 12. April 2006, Az. 2 C 1009/04

Der Sachverhalt

Die Klägerin erwarb von dem Beklagten eine Holsteiner Stute zum Kaufpreis von 4.200,00 €.

Die Klägerin hat die Minderung des Kaufpreises und Rückzahlung eines Teilbetrages von 2.000,00 € begehrt. Sie hat behauptet, die Stute habe bereits bei Übergabe eine hohe Konzentration allergenspezifischer IgE-Antikörper gegen Kriebelmücken und Culicoides aufgewiesen. Deshalb sei es bei der Stute wenige Tage nach ihrer Aufstallung im Stall der Klägerin und nach der Ankaufsuntersuchung zum Ausbruch eines sog. „Sommerekzems“ gekommen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne keine Sachmängelgewährleistungsansprüche geltend machen, weil die Stute bei Übergabe noch nicht an einem Sommerekzem erkrankt gewesen sei. Die Ankaufsuntersuchung sei ohne Befund geblieben, das Sommerekzem sei allenfalls nach der Übergabe ausgebrochen. Zwar sei die Allergie bei Übergabe bereits angelegt gewesen. Eine solche Anlage einer späteren allergischen Reaktion reiche für die Feststellung eines Sachmangels aber nicht aus, wenn das Hinzutreten weiterer Umstände erforderlich, dieses aber nur mit geringer Wahrscheinlichkeit und deshalb eher zufällig zu erwarten sei. So lägen die Dinge hier. Der Sachverständige habe ausgeführt, ein Pferd mit einer erhöhten Allergiebereitschaft könne noch nicht als Ekzemer bezeichnet werden, weil es nicht voraussehbar sei, ob das Ekzem ausbrechen werde. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung.

 

Die Entscheidung des Landgerichts

Die Klägerin bekam Recht. Sie könne den Kaufpreis mindern und die Rückzahlung von 2.000,00 € verlangen.

Das Vorhandensein einer allergischen Erkrankung (Sommerekzem) der Stute stelle einen Mangel dar, weil es den Aufenthalt eines daran leidenden Pferdes im Freien während der Sommermonate unter normalen Bedingungen nicht zulasse. Die allergische Reaktion werde durch den Kontakt mit dem Speichel der Kriebelmücke ausgelöst, mit deren Auftreten während des Sommers regelmäßig zu rechnen sei.

Das Vorliegen einer solchen Erkrankung sei durch die tierärztliche Untersuchung und den sich hieran anschließenden Allergietest, der eine hohe Konzentration von allergenspezifischen IgE-Antikörpern gegen Culicoides ergeben habe, festgestellt worden. Die Blutuntersuchung zeige starke bis höchstgradige Sensibilisierungen gegen unterschiedliche Insekten, so dass die Stute als „Risikokandidat für Typ-1-allergische Erkrankungen einschließlich Sommerekzem“ anzusehen sei. Außerdem wiesen die Verdickungen des Bindegewebes der Haut im Bereich des Mähnenkamms und Hautfältelungen neben dem Mähnenkamm darauf hin, dass das Pferd in der Zeit vor der Begutachtung unter starken entzündlichen Veränderungen im Mähnenkamm gelitten habe, als deren Ursache ein Sommerekzem höchst wahrscheinlich sei.

Dieser Mangel habe bereits bei der Übergabe der Stute vorgelegen, denn bereits die genetische Disposition für eine Sensibilisierung gegen Mückenstiche stelle einen Mangel dar und § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] spreche für die Klägerin. Die Allergie beruhe auf einer entsprechenden Disposition des Pferdes, die zwar – als Vorstufe der Allergie – noch nicht mit der pathologischen Symptomatik verbunden sei, die aber die Gefahr in sich berge, dass das Pferd später die Allergie ausbilden werde; schon darin liege ein Sachmangel.

Der Verkäufer eines Tieres hafte nach § 434 BGB, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank sei und sich auch nicht in einem – ebenfalls vertragswidrigen – Zustand befinde, auf Grund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass es alsbald erkranke. Das könne der Fall sein, wenn am Tag der Übergabe eine solche Disposition vorhanden sei, die bei Kontakt mit Reizstoffen bereits zu diesem Zeitpunkt zu pathologischen Erscheinungen geführt hätte.

Im Fall der Stute spreche auch eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Veranlagung zu einer Erkrankung führe. Zwar bedeute der Nachweis von zellgebundenen sensibilisierenden Antikörpern nicht, dass es beim Pferd zwangsläufig zu einem klinischen Ausbruch der Erkrankung durch Ausbildung der typischen Symptome komme; auch Pferde mit vorhandenen zellgebundenen Antikörpern könnten über viele Jahre oder lebenslang gesund bleiben. Hier sei der Ausbruch der Krankheit aber sehr wahrscheinlich gewesen. Bei allen „Ekzemern“, deren Krankheits-Vollbild sichtbar durchgebrochen ist, fänden sich große Mengen Antikörper gegen einzelne Insekten im Blut. Dieser Befund träfe auch auf die Stute zu. Nach dem Bericht des Untersuchungslabors über die Blutprobe wäre kurz nach Übergabe der Stute an die Klägerin eine hohe Konzentration allergenspezifischer Antikörper gegen den Speichel der Kriebelmücken festzustellen.

Dass die Stute das Sommerekzem erst nach der Einstallung bei der Klägerin entwickelte, berühre die Haftung des Beklagten nicht. Es liege im Wesen des Verkaufs von Pferden, dass sie den Besitzer wechseln und dort auf andere Pferde und andere Umweltbedingungen treffen. Trotz dieser Veränderungen müssen sie so robust sein, dass sie ihre Verwendungsfähigkeit ohne begleitende medikamentöse Behandlung behielten. Eine nach dem Verwendungszweck nicht zu erwartende wesentliche Änderung der Haltungs- und Einsatzbedingungen sei von dem Beklagten nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Arglistig verschwiegenes Sommerekzem beim Pferdekauf

Arglistig verschwiegenes Sommerekzem

OLG Hamm, Urteil vom 10.11.2008 – 2 U 132/08

 

Sachverhalt:

 

Die Klägerin suchte ein Springpferd für sich, mit welchem sie hobbymäßig an Springturnieren teilnehmen wollte. Sie wurde auf eine Stute aufmerksam, die von einer professionellen Reitlehrerin angeboten wurde. Nach mehreren Proberitten und längeren Preisverhandlungen, wurde die Stute zum Preis von 25.000€ gekauft, wobei 20.000€ durch Geldleistung und 5.000€ durch Inzahlungnahme eines anderen Pferdes geleistet wurden. Die streitgegenständliche Stute wurde bis zum Verkauf unter einer sogenannten Ekzemerdecke gehalten, auch wies sie leichte Scheuerstellen an Mähne und Schweif auf. Bei den Verkaufsgesprächen wurde darüber gesprochen, ob das Pferd unter einem Sommerekzem leide, wobei Inhalt und Verlauf des Gespräches streitig sind.

Im darauffolgenden Sommer ritt die Klägerin das Pferd auf einigen Turnieren und hielt es teilweise ohne Decke. Die Stute zeigte nach Kontakt zu Insekten starke allergische Reaktionen, weswegen die Klägerin das Pferd einem Tierarzt vorstellte. Dieser diagnostizierte anhand einer Blutprobe, dass das Pferd an einem Sommerekzem leidet.

 

Die Klägerin behauptet, sie habe in dem Verkaufsgespräch wegen der Decke explizit danach gefragt, ob das Pferd an einem Ekzem leide. Die Beklagte hätte jedoch versichert, die Decke trage das Pferd lediglich, um sauber zu bleiben. Sie hat den Rücktritt erklärt und verlangt die Rückabwicklung des Kaufvertrages.

Die Beklagte hält dagegen, sie habe darauf hingewiesen, dass das Pferd ein Sommerekzem habe. Außerdem hätte die Klägerin bei einem Termin zum Proberitt gesehen, wie das Pferd mit einer Lotion an den Scheuerstellen behandelt worden sei.

 

Entscheidungsgründe:

 

Bereits die Vorinstanz ( LG Detmold, 12 O 243/07) hatte der Klägerin Recht gegeben und die Beklagte zur Rückabwicklung des Kaufvertrages verurteilt. Die daraufhin eingelegte Berufung blieb ebenfalls erfolglos.

Das Sommerekzem stellt unabhängig von einer eventuellen Beschaffenheitsvereinbarung einen Sachmangel im Sinne des § 434 I S.2 Nr.2 BGB dar. Dieser Sachmangel habe nach der Beweisaufnahme und den Ausführungen der Beklagten auch schon bei Gefahrübergang vorgelegen.  Es ist unstreitig, dass die Beklagte das Pferd unter einer Ekzemerdecke hielt. Auch haben Zeugen bestätigt, dass das Pferd sich gescheuert habe und Scheuerstellen an Mähne und Schweif aufwies. Die Blutuntersuchung, die die Allergie gegen Insekten, Gräser, Schimmelpilze und Milben bestätigte, fand zudem zeitnah nach der Übergabe statt.

Die Setzung einer Nacherfüllungsfrist gem. § 323 I BGB war vorliegend entbehrlich, da eine Nacherfüllung unmöglich gewesen ist. Der Rücktritt gemäß § 346 V BGB konnte daher durch die Klägerin erklärt werden. Ein Sommerekzem ist nicht mit zumutbarem Aufwand in überschaubarer Zeit heilbar. Zwar ist eine Desensibilisierung theoretisch möglich, jedoch sind die Heilungschancen völlig ungewiss. Hinzu kommt, dass eine Nacherfüllung der Klägerin wegen der arglistigen Täuschung der Beklagten gemäß § 440 S.1 Alt.3 BGB unzumutbar wäre.

Nach den Zeugenaussagen hatte die Beklagte die Klägerin nicht über das Sommerekzem aufgeklärt. Der Hinweis, das Pferd scheuere sich gelegentlich, stellt keine ausreichende Aufklärung dar. Bei dem Sommerekzem handelt es sich aufgrund der erheblich eingeschränkten Nutzbarkeit eines Pferdes als Reitpferd um einen Mangel, welcher auch ohne Nachfrage durch den Käufer zu offenbaren ist.

Die Beklagte hat selbst angegeben, dass das Pferd Scheuerstellen gehabt hätte, welche mit einer Lotion behandelt wurden, zudem ist es unstreitig, dass das Pferd eine Ekzemerdecke getragen hatte.  Es ist nicht glaubhaft, dass das Pferd eine solche Decke lediglich getragen haben soll, um es weniger putzen zu müssen. Die Beklagte hat auch angegeben, dass das Pferd bei ihr nicht an dem Sommerekzem erkrankt sei, weil sie entsprechend vorgebeugt habe.

Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass die Beklagte, auch gerade als professionelle Reitlehrerin, es zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat, dass das Pferd unter einem Sommerekzem litt. Die Beklagte hat zumindest damit gerechnet, dass der Klägerin die Erkrankung unbekannt war und sie das Pferd in Kenntnis der Erkrankung nicht oder nicht zu diesen Konditionen gekauft hätte. Daher hat sie den Mangel des Pferdes arglistig verschwiegen und die Klägerin darüber getäuscht.

Der Rücktritt ist auch nicht wegen § 442 BGB ausgeschlossen, da von einer positiven Kenntnis der Klägerin von dem Mangel nicht ausgegangen werden konnte.

Der Kaufvertrag war somit rückabzuwickeln.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp