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Pferde und Kinder

Landgericht Nürnberg-Fürth, Hinweisbeschluss vom 16.10.2017, Az. 16 S 5049/17

Vorinstanz: Amtsgericht Nürnberg, Urteil vom 13.07.2017, Az. 239 C 1390/17

Der Sachverhalt

Die Beklagte besuchte mit ihren drei und fünf Jahre alten Enkelkindern die Reithalle einer nahe gelegenen Reitanlage. Damit ihr dreijähriges Enkelkind die Reiter mit ihren Pferden besser sehen konnte, setzte die Beklagte es auf die Holzbande. Dort baumelten die Beine des Kindes, sodass seine Turnschuhe gegen die Holzwand stießen.

Zu diesem Zeitpunkt führte die Klägerin ihr Pferd am langen Zügel durch die Reithalle. Das Pferd der Klägerin erschrak durch das von dem Enkel der Beklagten verursachte Geräusch und ging rückwärts. Durch die plötzliche Rückwärtsbewegung des Pferdes rutschte die Hand der Klägerin in den Zügel und wurde nach hinten gerissen. Die Klägerin erlitt eine Schulterverletzung. Neben einem Schmerzensgeld von 3.000 Euro verlangte sie von der Beklagten auch den Ersatz des Haushaltsführungsschadens in Höhe von fast 2.000 Euro.

Die Entscheidungen

Das Amtsgericht wies die Klage ab. Der Beklagten sei der Schaden nicht zurechenbar. Sie habe sich sozialadäquat verhalten. Es sei nachvollziehbar, ihr Enkelkind auf den Rand der Bande zu setzen, um den Pferden und Reitern zusehen zu können. Ihr sei höchstens geringfügig vorzuwerfen, dass die Füße des Kindes in den Reitbereich hineinragten.

Im Übrigen sei allein das Verhalten des Pferdes, welches in den Zurechnungsbereich der Klägerin fällt, für die Verletzung der Klägerin ausschlaggebend. Für die Beklagte sei es weder vorhersehbar noch vermeidbar gewesen, dass das Pferd auf Poltergeräusche so schreckhaft reagieren werde.

Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung beim Landgericht Nürnberg-Fürth ein, nahm diese aber nach dem Hinweisbeschluss des Landgerichts zurück. Das Landgericht bestätigte nicht nur die Ansicht des Amtsgerichts, es ging sogar darüber hinaus.

An der Reithalle befand sich weder ein Hinweisschild, noch würden die Besucher anders vor dem Betreten der Reithalle darauf hingewiesen werden, dass man sich möglichst leise verhalten müsse. Vor allem hinsichtlich Alltagsgeräuschen – wie dem Poltern der Bande – hätte es eines ausdrücklichen Hinweises bedurft.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Zur Haftung des Reitlehrers beim Springtraining

KG Berlin, Beschl. v. 02.03.2017 – 11 U 5/16

Sachverhalt:

Der Kläger des vorliegenden Verfahrens buchte bei dem Beklagte eine Stunde Springtraining. Der Beklagte, der ein erfahrener Reitlehrer war, baute zu Beginn der Reitstunden einen In-Out-Sprung bestehende aus einem ca. 30 cm hohen Cavaletti und einem höheren Steilsprung auf. Der Abstand zwischen den beiden Sprüngen betrug ca. 2,40 m. Der Beklagte wies den Kläger an, das Hindernis zunächst im Trab anzureiten, wobei das Pferd des Klägers das Cavaletti zunächst umstieß. Anschließend sollte der Kläger das Hindernis im Galopp anreiten, was ihm auch zweimal hintereinander ohne weiteres gelang. Daher erhöhte der Beklagte den Steilsprung leicht auf ca. 80 cm. Bei dem darauffolgenden Versuch, das erhöhte Hindernis im Galopp zu überwinden, riss das Pferd des Klägers die obere Stange des Steilsprungs mit den Vorderbeineinen zu Boden und stürzte auf den Kläger. Der Kläger erlitt hierdurch erhebliche Verletzungen. Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld. Er behauptet, der Beklagte habe den Sturz dadurch verursacht, dass er die Abstände zwischen den Sprüngen falsch abgemessen habe.

 

Entscheidung:

Die Klage hatte weder in erster noch in zweiter Instanz Erfolg, da der Kläger dem Beklagten nicht die Verletzung einer für den Sturz ursächlichen Verkehrssicherungspflicht nachweisen konnte.

Da dem Springtraining zugrunde liegenden Vertragsverhältnis ist als Dienstvertrag gem. §§ 611 ff. BGB zu qualifizieren, da der Beklagte lediglich die Durchführung einer Unterrichtsstunde, nicht aber einen konkreten Ausbildungserfolg schuldete. Ein Schadensersatzanspruch aus dem Dienstvertrag kommt in Betracht, wenn dem Dienstleister die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht zur Last gelegt werden kann. Die Frage, wann bei einer Springstunde die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht angenommen werden kann, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Ausschlaggebenden Faktoren sind dabei das Alter und der Ausbildungsstand von Pferd und Reiter,  der Schwierigkeitsgrad der Übung und die Frage, ob das Hindernis ordnungsgemäß aufgebaut worden ist.

Da der Kläger des vorliegenden Verfahrens als durchaus erfahrenen Reiter mit seinem Pferd das Hindernis in der Reitstunden bereits zweimal problemlos überwunden hatte und das Pferd des Klägers in der Vergangenheit unstreitig bereits Sprünge bis zu einer Höhe von etwa 1,05 m erfolgreich gemeistert hatte, war nur noch fraglich, ob der Beklagte den Abstand zwischen dem Cavaletti und dem Steilsprung pflichtwidrig zu eng gewählt hatte. Denn die Richtlinien für Reiten und Fahren der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) sehen für ein In-Out „regelmäßig“ eine Distanz von 3 m oder mehr vor.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand fest, dass dies vorliegend nicht der Fall war. Denn bei den Richtlinien der FN handelt es sich lediglich um Empfehlungen und nicht um verbindliche Richtlinien im juristischen Sinne. Der Trainer einer Springreitstunde kann daher individuell an Fähigkeiten und Merkmale von Pferd und Reiter angepasst die Abstände zwischen den Hindernissen wählen, d.h. also vergrößern als auch verkleinern.  Einen „ordnungsgemäßen“ Abstand zwischen Cavaletti und dem nachfolgenden Hindernis existiert daher nicht.

Der Beklagte hätte den Kläger auch nicht darauf hinweisen müssen, dass er den Sprung erhöht hatte, denn die Erhöhung war so geringfügig, dass sie keinen Einfluss auf den Sprungablauf haben konnte.

Das im Rahmen der Springreitstunden aufgezeichnete Video ergab zudem, dass das Pferd nicht aufgrund des zu geringen Abstands gestürzt war, sondern weil sie unaufmerksam war. Eine Überforderung von Pferd und Reiter war zu keinem Zeitpunkt ersichtlich. Bei dem Sturz des Beklagten hatte sich vielmehr  das dem Springreitsport naturgemäß innewohnende allgemeine Risiko verwirklicht. Eine Haftung des Beklagten schied daher aus.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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