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Kein anfängertaugliches Pferd – Rücktritt vom Pferdekaufvertrag

OLG Oldenburg, Urt. v. 01.02.2018 – 1 U 51/16

 

Sachverhalt:

Die Klägerin, eine in New York wohnhafte Reiterin, wollte für sich ein anfängertaugliches Pferd kaufen. Da sie erst im gehobeneren Alter überhaupt mit dem Reiten angefangen hatte und dementsprechend noch wenig Erfahrung hatte, suchte sie nach einem braven, leichtrittigen, lektionssicheren und anfängertauglichen Pferd. Der Beklagte bot ihr dazu das Pferd „C“ an, welches nach seiner Aussage all diese Attribute erfülle. Nachdem die Klägerin das Pferd drei Mal zur Probe ritt, kaufte sie es zum Preis von 55.000€. Kurze Zeit später stellte sich jedoch heraus, dass das Pferd sich nicht so einfach im Umgang darstellte. Dies äußerte sich darin, dass es sich kaum longieren ließ und beim Aufsteigen festgehalten werden musste. Die Käuferin erklärte daraufhin den Rücktritt wegen eines Sachmangels, da das Pferd nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweise. Der Beklagte blieb bei seiner Ansicht, dass es sich bei „C“ um ein braves und leicht zu handhabendes Pferd handele, so dass es zum Rechtsstreit kam.

 

Entscheidungsgründe:

Das OLG Oldenburg gab der Klägerin Recht, denn das Pferd entspreche nicht der Beschaffenheitsvereinbarung. Nach dieser Vereinbarung sollte das Pferd brav und leicht zu handhaben sein. Nach Aussage mehrerer Zeugen und des Sachverständigen stellte es sich jedoch so dar, dass das Pferd sehr nervös sei, sich in der Box nicht anfassen lasse und unberechenbar sei. Bei „C“ handele es sich um ein sehr sensibles Pferd, für dessen Handhabung besondere Erfahrungen im Umgang mit Pferden notwendig seien, weswegen es für Anfänger, wie die Klägerin, gerade nicht geeignet sei. Nach Ansicht des Gerichts sei das Rücktrittsrecht auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom Mangel hatte, denn es könne nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Umstand der Klägerin bei den Proberitten hätte auffallen müssen. Die Aufforderung zur Nacherfüllung unter Setzung einer Frist war vorliegend entbehrlich, da die Nachlieferung eines anderen Pferdes ausscheide. Die Parteien haben sich nämlich auf den Kauf dieses bestimmten Pferdes geeignet und nicht auf die Lieferung eines austauschbaren Pferdes.  

Interessant sind hierzu die Ausführungen des OLG Hamm – 19 U 132/11 in Bezug auf ein zum Steigen neigendes Pferd. Das Gericht hat hier ausgeführt, dass bei Verhaltensauffälligkeiten nicht automatisch die Nacherfüllung in Form der Nachbesserung ausgeschlossen sein muss, denn es könnte möglich sein, dass diese therapierbar sind. Mit diesem Aspekt scheint sich das OLG Oldenburg jedoch gar nicht befasst zu haben.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Hengstiges Verhalten – Minderung des Kaufpreises wegen Sachmangels

Keine Nachbesserung wegen Arglist des Verkäufers

BGH, Urteil vom 09.01.2008, AZ: VIII ZR 210/96

Vorinstanz: OLG Hamm, Urteil vom 14. Juni 2006, AZ: 11 U 143/05

Eingangsinstanz: LG Münster, Urteil vom 28. Oktober 2005, AZ: 16 O 582/04

Sachverhalt:

Die Klägerin kaufte von dem Beklagten ein Dressurpferd zum Preis von 45.000 Euro. Sie machte wegen eines Sachmangels Minderung in Höhe von 50% des Kaufpreises geltend. Bei dem Sachmangel handele es sich um einen „(residualen) Kryptorchiden“ d.h. es erfolgte bei der Kastration keine vollständige Entfernung des Hodengewebes.

Durch die unvollständige Kastration zeige das Pferd hengstiges Verhalten und sei als Dressurpferd nicht geeignet. Laut der Klägerin habe der Beklagte vor dem Kauf von dem Mangel gewusst und sie daher arglistig getäuscht.

Entscheidungsgründe:

In der Eingangsinstanz und in der Berufungsinstanz unterlag die Klägerin. Die Revision hatte jedoch Erfolg. Die rechtlichen Erwägungen der Vorinstanzen halten eine rechtliche Nachprüfung nicht stand.

Die Klägerin hat ein Anspruch auf Minderung des Kaufpreises nach §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 2, 440, 441, 90 a BGB.

Das Pferd entsprach nicht der vereinbarten Beschaffenheit, weil die vor Gefahrübergang durchgeführte Kastration nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde und das Pferd damit nicht mehr als Dressurpferd geeignet war.

Die Klägerin musste dem Beklagten keine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen. Grundsätzlich wird auch beim Tierkauf vorausgesetzt, dass dem Verkäufer zuerst erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt wird, welches hier unstreitig nicht passierte. Es liegt jedoch eine Ausnahme nach § 440 BGB vor, in dem eine Fristsetzung entbehrlich ist.

Es ist zwar nicht für die Klägerin unzumutbar, dem Pferd die Risiken einer erneuten Operation auszusetzen – an der Beurteilung des Berufungsrichters wegen eines schriftlichen Gutachtens eines Sachverständigen war nichts auszusetzen -.

Die Nacherfüllung ist aber wegen der arglistigen Täuschung des Beklagten für die Klägerin unzumutbar. Eine begangene Täuschungshandlung des Beklagten beschädigt nämlich die erforderliche Vertrauensgrundlage für die Nacherfüllung. Eine Fristsetzung ist entbehrlich.

Der Beklagte hatte als Verkäufer nur ein Anrecht auf Nacherfüllung, wenn er von dem Sachmangel beim Abschluss des Pferdekaufvertrages nichts wusste. War ihm der Mangel jedoch bekannt, hätte er vor Abschluss des Pferdekaufvertrages den Mangel beseitigen können. Der Verkäufer, der arglistig täuscht, hat somit die verbundenen wirtschaftlichen Nachteile der Rückabwicklung des Vertrages zu tragen.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Pferdekaufvertrag: Rücktritt wegen Mangelhaftigkeit des Pferdes

„Lässt der Vortrag des beklagten Verkäufers offen, ob der Ursprung für den Mangel in einem Handeln oder Unterlassen nach Gefahrübergang lag und dem Verkäufer daher nicht zuzurechnen ist, reicht dies nicht aus, die Vermutungswirkung des § 477 BGB zu beseitigen.“

LG Frankfurt, Urteil vom 05. April 2018, Az. 2-32 O 95/17

 

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Pferdekaufvertrag: Rücktritt wegen Mangelhaftigkeit des Pferdes

Die Beklagte betreibt einen Reit-, Ausbildungs- und Handelsstall für Dressurpferde. Im Juli 2016 erwarb die Klägerin nach vorheriger Besichtigung und Erprobung von der Beklagten ein Pferd für ihre Tochter.

Zwischen den Parteien wurde eine Ankaufsuntersuchung vereinbart und vor dem Kauf durchgeführt. Die Untersuchung war ohne besonderen Befund.

Drei Tage nach dem Kauf wandte sich die Klägerin an die Beklagte und teilte ihr mit, das Pferd habe ein entzündetes Auge. Mit anwaltlichem Schreiben wandte sich die Klägerin dann Ende August an die Beklagte und teilte mit, dass das Pferd nach einem Hund ausgetreten habe und aus der Nachbarbox gefüttert werden müsse, da es nach dem Fütternden tritt. Auch beim Fertigmachen trete das Pferd immer wieder aus. Komme man dem Pferd an die Hinterbeine, trete es gezielt aus. Weiterhin lasse sich das Pferd nicht anbinden. Bei einem Ausritt habe das Pferd einem Jogger in den Bauch getreten. Unmittelbar nachdem das Pferd in den Stall der Klägerin verbracht worden sei, sei ein entzündetes Auge erkennbar gewesen, in Sattellage sei ein Pilz aufgetreten und es bestehe eine Nesselsucht am Mähnenkamm. Mit gleichem Schreiben erklärte der Anwalt für die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte auf, das Pferd bis Zug um Zug gegen vollständige Rückzahlung des Kaufpreises zurückzunehmen. Sollte die Beklagte eine Möglichkeit der Nachbesserung sehen, solle sie ihre konkreten Vorschläge mitteilen. Ihr werde dann das Pferd für eine Zeit von vier Wochen zur Verfügung gestellt.

Die Beklagte wies die Gewährleistungsansprüche der Klägerin zurück.

Eine tierärztliche Untersuchung im Dezember ergab den nachfolgenden Befund: „Der Augapfel ist zurückgezogen, es besteht ein leichter Blepharospasmus. Eine Tränenspur unterhalb des Auges weist auf eine länger andauernde Schmerzhaftigkeit des Auges hin. […] Die Pupille ist sehr eng (Miosis) und nicht responsiv. Der Bereich des Glaskörpers ist (soweit einsehbar) gelb-grün verfärbt, […] Im Umgang zeigt das Pferd eine hochgradige Einschränkung der Sehkraft auf der linken Seite und ist extrem schreckhaft und nervös. […].“

 

Die Entscheidung

Das Gericht gab der Klage statt. Der Klägerin stand ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu. Das Pferd war vorliegend nicht frei von Sachmängeln, da es jedenfalls nicht für die gewöhnliche Verwendung eignete und eine Beschaffenheit aufwies, die bei Sachen der gleichen Art nicht üblich ist und die der Verkäufer nach der Art der Sache nicht erwarten kann.

Beim Pferdekauf liegt ein Sachmangel unter anderem vor, in einer mangelnden „Rittigkeit“, einer periodischen Augenentzündung, schlechten Charaktereigenschaften oder einer Abweichung der Beschaffenheit vom Ergebnis der Kaufuntersuchung.

Die Klägerin hat durch die Vorlage des Attests substantiiert zu den Befunden des streitgegenständlichen Pferdes vorgetragen. Diese stehen zumindest teilweise in Abweichung zu den Befunden der Kaufuntersuchung, dort insbesondere zur Untersuchung der Augen und des Verhaltens.

Das Pferd war bereits bei Gefahrübergang, also bei der Übergabe der gekauften Sache mangelbehaftet. Zeigt sich bei einem Verbrauchsgüterkauf innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, dass diese Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist, § 477 BGB n.F..

Die Abweichung des tatsächlichen Zustandes des Pferdes vom in der Ankaufuntersuchung beschriebenen Zustand trat innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe des Pferdes auf.

Die Klägerin muss nach der geänderten Rechtsprechung des BGH (BGH vom 12.10.2016, Az.: VIII ZR 103/15) nicht nachweisen, dass der von ihr geltend gemachte akute Mangel auf einer Ursache beruht, die einen latenten Mangel darstellt, damit die Vermutungswirkung des § 477 BGB zur Anwendung kommt.

Der BGH hat diese Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben, nachdem der EuGH bezüglich der § 447 BGB zu Grunde liegenden Regelung in der Art. 5 Abs. 3 VerbrGKRL entschieden hat, der Verbraucher müsse nur das Vorliegen einer binnen 6 Monaten seit Lieferung aufgetretenen Vertragswidrigkeit beweisen, nicht aber deren Grund. Im Falle dieses Beweises muss der Verkäufer beweisen, dass die Vertragswidrigkeit bei Lieferung noch nicht vorlag, sondern ihren Grund oder Ursprung in einem nach Lieferung eingetretenem Umstand hat.

Auf Grund der Entscheidung des EuGH geht der BGH nunmehr, davon aus, dass wenn sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang beim Verbrauchsgüterkauf ein mangelhafter Zustand zeigt, zu Gunsten des Käufers die Vermutung greift, dass dieser bereits bei Gefahrübergang bestanden hat.

Das bedeutet, dass zu Gunsten des Käufers vermutet wird, dass ein erst nach Gefahrübergang aufgetretener „akuter Mangel“ auf einem bereits bei Gefahrübergang vorhandenen „latenten Mangel“ beruht.

Der Käufer muss nur entsprechend darlegen und ggf. beweisen, dass ein mangelhafter Zustand besteht und sich dieser binnen sechs Monaten nach Lieferung des Gutes( hier Pferdes) herausgestellt hat.

Demgegenüber muss der Verkäufer nachweisen, dass die Vermutungswirkung des § 447 BGB nicht greift, weil ein Sachmangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch nicht vorhanden war oder weil er seinen Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen nach diesem Zeitpunkt hatte und dem Verkäufer damit nicht zuzurechnen ist.

Gelingt ihm die Beweisführung nicht „rechtlich hinreichend“, greift zu Gunsten des Käufers die Vermutung des § 477 BGB auch dann ein, wenn die Ursache für den mangelhaften Zustand oder Zeitpunkt ihres Auftretens offengeblieben ist, also letztlich offen geblieben ist, ob überhaupt ein vom Verkäufer zu vertretender Sachmangel vorlag.

Daneben verbleibt dem Verkäufer die Möglichkeit, sich darauf zu berufen und nachzuweisen, dass das Eingreifen der Beweislastumkehr des § 477 BGB ausnahmsweise bereits deswegen ausgeschlossen ist, weil die Vermutung, dass bereits bei Gefahrübergang im Ansatz ein Mangel vorlag, mit der Art der Sache oder eines derartigen Mangels unvereinbar ist (§ 477 letzter Halbs. BGB) ist.

Zur Widerlegung der Vermutung des § 477 BGB hat der Verkäufer also den Beweis des Gegenteils dahin zu erbringen, dass der binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang aufgetretene mangelhafte Zustand auf eine nach Gefahrübergang eingetretene, ihm nicht zuzurechnende Ursache – sei es auf ein Verhalten des Käufers oder eines Dritten, sei es auf sonstige Umstände, etwa eine übliche Abnutzungserscheinung nach Gefahrübergang, – zurückzuführen ist.

Hierfür ist eine Erschütterung der Vermutung nicht ausreichend; erforderlich ist vielmehr der volle Beweis des Gegenteils der vermuteten.

Die Beklagte hat lediglich vorgetragen und Beweis angeboten, dass vor der Übergabe des Pferdes an die Klägerin kein Befund oder Anzeichen für eine Augenentzündung und auch keinerlei sonstiger Krankheitszustand vorgelegen hatte. Ebenso hat die Beklagte vorgetragen, dass Pferd sei vor Gefahrübergang nicht unsicher, unrittig, schreckhaft und nervös gewesen. Eine periodische Augenentzündung könne im Rahmen eines Stressschubes von jetzt auf gleich auftreten.

Selbst wenn man diesen Vortrag als wahr unterstellt, reicht er nicht aus, um die Vermutungswirkung des § 477 BGB zu beseitigen. Der Vortrag lässt offen, dass der Ursprung für den Mangel in einem Handeln oder Unterlassen nach Gefahrübergang lag und dem Verkäufer daher nicht zuzurechnen ist. Vielmehr bleibt bereits nach dem Vortrag der Beklagten die Ursache für den mangelhaften Zustand offen. Der Vortrag, Pilz, Nesselsucht und Augenentzündung könne auf eine geschwächte Immunabwehr in Folge des Stresses im Zusammenhang mit dem Stallwechsel auftreten, sagt gerade nicht aus, dass es sich dabei um die einzig mögliche Ursache handelt.

Die Vermutungswirkung ist vorliegend auch nicht ausgeschlossen, weil die Vermutung nach der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist. Dies gilt insbesondere, soweit die Beklagte vorträgt, eine Augenentzündung oder Pilz und Nesselsucht könne typischerweise jederzeit nach der Übergabe eintreten.

Ein Sachmangel, der typischerweise jederzeit nach der Übergabe eintreten kann und für sich genommen keinen hinreichend wahrscheinlichen Rückschluss auf sein Vorliegen bei Gefahrübergang zulässt, begründet die Unvereinbarkeit nicht. Die Klägerin konnte demnach wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Rücktritt vom Pferdekaufvertrag wegen „Sommerekzem“ Beweislastumkehr beim Pferdekauf

„Die Vermutung des § 476 BGB a.F. [§b477 BGB n.F.] ist grundsätzlich auch auf den Tierkauf anzuwenden. Sie kann jedoch wegen der Art des Mangels bei bestimmten Tierkrankheiten ausgeschlossen sein; bei einer saisonal sichtbaren Allergie – hier: Sommerekzem eines Pferdes – ist dies nicht der Fall.“

BGH, Urteil vom 29. März 2006, Az. VIII ZR 173/05

vorgehend OLG Hamm, Urteil vom 1. Juli 2005, Az. 11 U 43/04

vorgehend LG Arnsberg, Urteil vom 6. Februar 2004, Az. 4 O 396/02

nachgehend BGH, Beschluss vom 5. Februar 2008, Az. VIII ZR 94/07

Grundsatzentscheidung

(Sachverhalt siehe OLG Hamm, Urteil vom 1. Juli 2005, Az. 11 U 43/04)

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Eingreifen der in § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] geregelten Vermutung sind erfüllt. Die Allergie hat sich bei dem verkauften Pferd im August 2002 und damit innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang gezeigt. Das Auftreten dieses Sachmangels begründet nach der Rechtsprechung des Senats eine – lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende – Vermutung, dass dieser Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag. Dies gilt allerdings nach § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] dann nicht, wenn die Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist. Ein solcher Ausnahmetatbestand liegt hier jedoch nicht vor.

Die Vermutung des § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] ist auch beim Kauf eines Pferdes entsprechend anzuwenden; insoweit ist sie nicht schon mit der Art des Kaufgegenstandes unvereinbar. Beim Kauf eines Pferdes ist die Anwendung der Vermutung jedenfalls nicht von vornherein wegen der Art des Tieres ausgeschlossen.

Die Vermutung ist bei einem Sommerekzem auch nicht mit der Art des Mangels unvereinbar.

Beim Tierkauf sind die Besonderheiten zu berücksichtigen, die sich aus der Natur des Tieres als Lebewesen ergeben. Anders als bewegliche Sachen unterliegen Tiere während ihrer gesamten Lebenszeit einer ständigen Entwicklung und Veränderung ihrer körperlichen und gesundheitlichen Verfassung, die nicht nur von den natürlichen Gegebenheiten des Tieres (Anlagen, Alter), sondern auch von seiner Haltung (Ernährung, Pflege, Belastung) beeinflusst wird. In den Gesetzesmaterialien zu § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] wird insoweit ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Vermutung mit der Art des Mangels jedenfalls bei Tierkrankheiten häufig unvereinbar sein werde, weil wegen der Ungewissheiten über den Zeitraum zwischen Infektion und Ausbruch der Krankheit nicht selten ungewiss bleiben werde, ob eine Ansteckung bereits vor oder erst nach Lieferung des Tieres an den Käufer erfolgt sei; eine Vermutung, dass der Mangel zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgelegen habe, lasse sich dann nicht rechtfertigen, was aber nicht unbedingt auch für andere Fehler eines Tieres gelten müsse.

Das Sommerekzem ist mit der Vermutung des § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] vereinbar. Das Sommerekzem ist keine versteckte Krankheit, sondern eine saisonal sichtbare Allergie, bei der eine überschießende Reaktion des Immunsystems auf Mückenstiche zu dem vom Sachverständigen beschriebenen klinischen Erscheinungsbild (Entzündung der Haut, Juckreiz) führt. Auch das Berufungsgericht geht davon aus, dass die durch Kontakt mit dem Reizstoff hervorgerufenen Symptome des Sommerekzems (Scheuerstellen, Haarbruch) nicht übersehen werden können. Es ist deshalb durchaus feststellbar, ob das Pferd unter dieser Allergie bereits vor Gefahrübergang einmal gelitten hat, auch wenn die Allergie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses selbst wegen des saisonbedingt fehlenden Kontaktes mit Mücken nicht sichtbar sein konnte. Für einen Ausschluss der Vermutung unter dem in der Gesetzesbegründung zu § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] hervorgehobenen Gesichtspunkt einer der Aufklärung nicht zugänglichen Ungewissheit über den Zeitpunkt der Entstehung einer später ausgebrochenen Infektionskrankheit ist deshalb hier jedenfalls kein Raum.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Sehnenschaden beim Pferd – Gewährleistungsrechte des Pferdekäufers

Beweislastumkehr wegen der Art des Mangels nicht anwendbar

Landgericht Neubrandenburg, Urteil vom 07.05.2004, AZ: 11 U 230/05

 

Sachverhalt:

Der Kläger, ein Pferdekäufer, macht gegen den Beklagten, einen Pferdehändler, Ansprüche aus einem Kaufvertrag über ein Pferd geltend.  Der Kauf des Pferdes stand unter der auflösenden Bedingung einer tierärztlichen Ankaufsuntersuchung. Die tierärztliche Ankaufsuntersuchung des klägerischen Tierarztes verlief befundfrei. Knapp einen Monat später verordnete dieser Tierarzt dem Pferd jedoch eine siebentätige antipholgistische Therapie sowie eine Ruhepause wegen einer Lahmheit, die sich daraufhin verringerte.Zwei Monate später trat die Lahmheit erneut auf. Die nun mittels Leitungsanästhesie und Ultraschall durchgeführte Untersuchung zeigte einen zentralen Defekt mit zwei Zentimeter unterhalb des Fesselträgerurspungs. Das Pferd benötigte eine Therapie mit Ruhigstellung. Danach zeigte das Pferd immer noch eine geringgradige Lahmheit vorne beiderseits. Der Kläger wollte das Pferd wegen der aufgetretenen Lahmheit vorne beiderseits aufgrund des Defekts im Fesselträgerursprungs gegen ein anderes Pferd eintauschen. Eine Einigung zwischen den Parteien erfolgte nicht. Der Kläger verlangte daraufhin mit anwaltlichen Schreiben den Beklagten unter Fristsetzung zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Pferdes auf. Der Kläger ist der Ansicht, der Defekt habe schon bei  Übergabe vorgelegen. Durch diesen Mangel, sei das Pferd zudem nicht zum Reit- und Springsport geeignet.

Der Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, das Pferd sei zum Zeitpunkt der Übergabe mangelfrei gewesen.

 

Entscheidung:

Die Klage wurde abgewiesen. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch nach § 437 Nr. 2, 440, 323, 326 Abs. 5 BGB auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Pferdes. Der Kläger konnte nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass ein Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe vorlag.

Der Käufer ist grundsätzlich für die Tatsache beweispflichtig, dass ein Sachmangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag. Eine diesbezügliche Beweislastumkehr befindet sich allerdings bei den Vorschriften des Verbrauchsgüterkaufs, der hier vorlag. Nach § 477 n.F. BGB wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich der Mangel innerhalb von 6 Monaten zeigte. Ausgenommen ist diese Vermutung, jedoch, wenn das mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist. Diese Ausnahme liegt bei dem geltend gemachten Sachmangel vor. Nach dem Gutachten eines Sachverständigen handelt es sich bei dem Mangel „um einen Sehnenschaden, der durch eine übermäßige Belastung der Sehnenfasern, bereits durch ein Fehltritt, entstehen kann“. Die Folge ist die Verdickung des Sehnenabschnittes, die nachträglich festgestellt werden könnte.

Die Vermutung des § 477 n.F. BGB ist vorliegend nicht anzuwenden, da diese Vermutung nur bei Krankheiten, die nicht tierärztlich, z.B bei einer Ankaufsuntersuchung, festgestellt werden können, greift. Diese Krankheit hätte bei der -laut dem Sachverständigengutachten- Ankaufsuntersuchung aber erkannt werden können. Zudem kann das Pferd nach dem Sachverständigengutachten künftig noch im Reit- und Springsport eingesetzt werden, sodass der Zweck des Vertrags auch aufrechterhalten wurde.

Ansprüche des Käufers bestehen daher nicht

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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