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Unfall bei Proberitt – Kein konkludenter (stillschweigender) Haftungsausschluss bei einem Proberitt auf Veranlassung des Pferdehalters

OLG Schleswig, Urteil vom 29.02.2012 – 7 U 115/11

In der Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck ging es um die Frage, ob zwischen ihr und der Geschädigten ein konkludenter Haftungsausschluss vereinbart worden war. Dieser hätte zur Folge, dass die Beklagte keine Schadensersatzpflicht trifft.

Sachverhalt:

Der Sohn der Beklagten veranlasste einen Proberitt, bei dem es darum ging, der Klägerin eine kostenpflichtige Reitbeteiligung an dem Pferd schmackhaft zu machen. Als die Klägerin das Pferd der Beklagten ritt, kam es zu einem Sturz, bei dem sie verletzt wurde. Im Zuge ihrer Klage verlangte die Klägerin Schmerzensgeld von der Halterin des Pferdes. Das Landgericht Lübeck gab ihr Recht und verurteilte die Halterin zu einer Schadensersatzzahlung. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein.

 

Entscheidung:

Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten als unbegründet zurückgewiesen. An einen stillschweigenden Haftungsausschluss knüpft das Gericht besondere Umstände. Insbesondere müsse eine Situation vorliegen, bei der, wenn man einen Haftungsausschluss  offen kommuniziert hätte, der Geschädigte eine solche Abmachung billigerweise nicht hätte versagen dürfen. Daran fehle es jedoch, weil die Beklagte haftpflichtversichert war. Eine Haftungsbeschränkung hätte demnach nur den Haftpflichtversicherer entlastet und entspreche in der Regel nicht dem Willen der Beteiligten. Vor allem, weil die Beklagte selbst vom Vorliegen oder Nichtvorliegen einer solchen nicht betroffen wäre. Ebenso könne ein konkludenter Haftungsausschluss nicht damit begründet werden, dass es – wie von der Beklagten vorgetragen – in Reiterkreisen üblich sei, beim Ritt auf einem fremden Pferd den Halter im Falle eines Unfalls nicht zu verklagen. Der Bundesgerichtshof hat selbst in Fällen, in denen das Reiten auf einem fremden Pferd überwiegend im Interesse des Reiters lag, eine konkludente Haftungsbeschränkung zugunsten des Tierhalters abgelehnt.(BGH Aktenzeichen VI ZR 49/91)

 

Ebenfalls keine Haftung der Geschädigten durch Obhutübernahme des Pferdes

Die Beklagte hat im Zuge der Verhandlung angemerkt, die Geschädigte sei erheblich oder gar weit überwiegend mitverantwortlich für den Sturz gewesen. Die Geschädigte müsse gemäß § 834 BGB dafür einstehen. Aus § 834 BGB geht hervor, dass derjenige, der die Obhut über ein Tier übernommen hat, die Vermutung gegen sich gelten lassen muss, dass ihn im Schadensfalle ein Verschulden trifft. Eine Obhutübernahme hat das Gericht aber abgelehnt, weil die Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Es fehle schon allein an der Übernahme der Aufsicht, weil der Sohn der Beklagten für das Tier zuständig und die ganze Zeit anwesend war, als die Geschädigte das Pferd ritt. Es käme mithin nur ein Mitverschulden nach § 254 BGB in Betracht, bei dem der Halter des Tieres beweisen muss, dass vorwerfbare Fehler auf Seiten der Geschädigten vorlagen. Solche seien weder dargelegt noch bewiesen. Die aufgeworfene Einschätzung der Beklagten, die Geschädigte habe nach zwanzigjähriger Reitpause ihre Fähigkeiten überschätzt, begründe kein vorwerfbares Verschulden. Es habe keinerlei Anzeichen dafür gegeben, wieso sie ein – wie von allen Beteiligten unstreitig als gutwillig und leicht zu führendes – Pferd nicht hätte kontrollieren und führen können.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Haftung des Pferdehalters auch bei Reitbeteiligung

Zur Haftung des Tieraufsehers


Das Oberlandesgericht Nürnberg hat mit Urteil vom 29.03.2017 – 4 U 1162/13 – entschieden, dass ein Pferdehalter  auch bei einer Reitbeteiligung für Unfälle haftet, die durch sein Pferd verursacht werden. Die Haltereigenschaft wird durch die Vereinbarung einer Reitbeteiligung nicht berührt. Ein stillschweigender Haftungsausschluss zwischen Pferdehalter und Reiter kann nicht ohne weiteres angenommen werden.

 

 

Sachverhalt:

 

Klägerin des zugrundeliegenden Streitfalls ist die gesetzliche Krankenversicherung der geschädigten Reiterin. Die beklagten Pferdehalterin hatte mit der Reiterin eine Reitbeteiligung vereinbart, wonach sie mit deren Pferd an drei Tagen in der Woche gegen Bezahlung von 100,- € monatlich ausreiten durfte. Die geschädigte Reiterin stürzte bei einem Ausritt vom Pferd und erlitt eine Querschnittslähmung. Für den Reitunfall war das Verhalten des Pferdes ursächlich. Die Reitbeteiligung ist von der Haftpflichtversicherung der Beklagten nicht erfasst.

 

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat die auf Ersatz der Heilbehandlungskosten gerichtete Klage in erster Instanz vollumfänglich abgewiesen. Die Auslegung des abgeschlossenen Vertrages über die Reitbeteiligung ergebe, dass die geschädigte Reiterin und die beklagte Pferdehalterin stillschweigend einen Haftungsausschluss vereinbart hätten.

 

Mit der gegen das Urteil eingelegten Berufung hatte die Klägerin zumindest teilweise Erfolg. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat eine Haftung der Beklagten grundsätzlich bejaht, der Höhe aber eine Anspruchskürzung in Höhe von 50 % vorgenommen.

 

Das Gericht ist der Auffassung, dass die Beklagte trotz der vereinbarten Reitbeteiligung zum Unfallzeitpunkt alleinige Halterin des Pferdes gewesen sei.  Denn sie hatte das alleinige Bestimmungsrecht über das Tier und trug sämtliche Aufwendungen, wie etwa für Tierarzt, die Versicherung oder Futter. Die geschädigte Reiterin  zahlte dagegen nur ein geringes Entgelt für die gelegentliche Nutzung des Pferdes. Für die Haftung des Tierhalters sei maßgeblich, ob sich die spezifische Tiergefahr verwirklicht habe. Vorliegend war das Pferd der Beklagten grundlos plötzlich los galoppiert, was zu dem Unfall führte.

 

Nach Auffassung des Gerichts beinhaltete die Vereinbarung einer Reitbeteiligung nicht automatisch einen stillschweigenden Haftungsausschluss. Es komme vielmehr auf die konkreten Umstände des  Einzelfalles an. Ein Haftungsausschluss könne etwa dann angenommen werden, wenn die Geschädigte an der Überlassung des Tieres ein besonderes Interesse gehabt hätte. Hier habe die Reitbeteiligung allerdings erst seit kurzer Zeit bestanden und die Beklagte sei selbst davon ausgegangen, dass etwaige im Rahmen der Reitbeteiligung entstehende Schäden auch von ihrer Versicherung gedeckt seien.

 

Nach Ansicht des Gerichts haftet die Beklagte aber nur mit einer Quote von 50 %. Denn die geschädigte Reiterin sei zum Unfallzeitpunkt  Tieraufseherin i.S.v. § 834 BGB gewesen. Nach dieser Vorschrift besteht zu Lasten des Tieraufsehers die widerlegbare Vermutung, dass ihn ein Sorgfaltspflichtverstoß trifft, welcher auch für den eingetretenen Schaden ursächlich geworden ist. Da es der geschädigten Reiterin nicht gelungen sei, diese Vermutung zu widerlegen und der Unfall nicht mehr aufklärbar sei, führe dies zu einer Anspruchskürzung wegen vermuteten Mitverschuldens in Höhe von 50%.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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