50.000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz nach Reitunfall der Reitbeteiligung

 

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.02.2009, Az. 4 U 210/08

Vorinstanz: Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 22.08.2008, Az. 2-05 O 327/07

Der Sachverhalt

Die Beklagte ist Eigentümerin des Pferdes „X“, die Klägerin ist die im Unfallzeitpunkt 12jährige Reitbeteiligung der Beklagten.

Die Klägerin ritt bereits seit ihrem 6. Lebensjahr regelmäßig und verfügte über hervorragende altersgemäße Reitkenntnisse. Die Beklagte ist Eigentümerin und Halterin zweier Reitpferde. Im Februar 2007 vereinbarte die Mutter der damals 12jährigen Klägerin mit der Beklagten eine „Reitbeteiligung“, wonach die Klägerin gegen Beteiligung an den Unterhaltskosten in Höhe von monatlich 70, € regelmäßig ein Pferd der Beklagten sollte reiten dürfen. Die Klägerin ritt das Pferd „X“ der Beklagten regelmäßig etwa 2 bis 3 mal wöchentlich und zwar auch im Gelände. Dabei hatte sie das Pferd bei allen drei Grundgangarten stets unter Kontrolle. Bei sämtlichen Ausritten ritt die Klägerin ausschließlich auf dem Pferd „X“ und in Begleitung der Beklagten; lediglich bei den Reitstunden der Klägerin war die Beklagte nicht anwesend.

Am 11.03.2007 ritten die Parteien, die Klägerin auf dem Pferd „X“, gemeinsam aus. Die Klägerin trug ordnungsgemäß Helm und Sicherheitsweste. Als sie sich gegen 13.40 Uhr gerade auf einem unbefestigten Feldweg in der Gemarkung … befanden, näherte sich in etwa 50 Meter Entfernung ein Traktor. Dies veranlasste beide Pferde nahezu gleichzeitig, zu scheuen und auf dem Feldweg los zu galoppieren. Während es der Beklagten gelang, ihr Pferd nach einigen Metern zum Stehen zu bringen, galoppierte das Pferd „X“ mit der Klägerin weiter, bis es nach etwa 70 Metern auf einen quer zum Feldweg verlaufenden asphaltierten Weg kam, dabei mit den Hinterbeinen wegrutschte und dort mit seinem gesamten Gewicht auf die Klägerin stürzte.

Durch den Reitunfall erlitt die Klägerin schwerste Verletzungen insbesondere des Schädels. Die Klägerin befindet sich im Wachkoma. Eine Kommunikation mit der Klägerin ist nicht möglich. Die Klägerin wird Zeit ihres Lebens pflegebedürftig bleiben.

Die Entscheidungen

Das Landgericht verurteilte die Beklagte an die Klägerin Schmerzensgeld in Höhe von 150.000,- Euro nebst Zinsen, sowie den Ersatz aller Schäden zahlen. Die Beklagte legte gegen das Urteil Berufung beim Oberlandesgericht ein; dieses wies die Berufung zurück.

Die Beklagte hafte der Klägerin gegenüber als Tierhalterin gemäß § 833 BGB für den Schadensfall vom 11.03.2007. Dem stehe nicht entgegen, dass die Klägerin das den Schaden verursachende Pferd selbst geritten und eine „Reitbeteiligung“ für dieses Pferd mit der Beklagten vereinbart habe. Hierdurch habe die Beklagte nicht ihre Stellung als Tierhalterin verloren; eine solche Stellung sei damit auch nicht für die Klägerin begründet worden (vgl. OLGR Schleswig 2007, 768).

Bei dem Unfall am 11.03.2007 habe sich die spezifische Tiergefahr, mithin eine aus der tierischen Natur im Sinne eines unberechenbaren und selbständigen Verhaltens des Tieres resultierende Gefahr, verwirklicht, für die die Beklagte als Tierhalterin einzustehen habe.

Ein Mitverschulden der Klägerin, das diese Haftung reduzieren würde, sei nicht zu erkennen.

Insoweit habe der Senat bereits ernsthafte Zweifel, ob von einem zwölfjährigen Mädchen gemäß § 254 I BGB überhaupt ein Verhalten erwartet werden könnte, das den Unfall wirksam hätte verhindern können, auch wenn die Klägerin bereits eine Reiterfahrung gehabt habe, die sie für eine „Reitbeteiligung“ in Frage kommen ließ. Für ein Kind in diesem Alter dürften nicht die allgemeinen Sorgfaltsanforderungen herangezogen werden wie für einen Erwachsenen. Vielmehr könnte für die Klägerin nur ein Sorgfaltsmaßstab angelegt werden, der von einem Kind in einem vergleichbaren Alter und mit vergleichbarer Reiterfahrung durchschnittlich erwartet werden könnte (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 276, Rn. 17 mwN.). Danach sei es zweifelhaft, ob von einem zwölfjährigen Mädchen bei dem Durchgehen des von ihm gerittenen Pferdes angesichts von Körpergröße, Körpermasse, Körperbeherrschung und Reiterfahrung der Klägerin erwartet werden könnte, das Pferd im Wege des Parierens rechtzeitig wieder unter Kontrolle zu bringen. Hierauf käme es jedoch letztlich nicht an.

Für den vorliegenden Fall sei der Senat der Ansicht, dass ein Mitverschulden der Klägerin entsprechend der allgemeinen Beweislastverteilung gemäß § 254 BGB von der Beklagten zu beweisen wäre und nicht die Klägerin eine dahingehende Vermutung zu widerlegen hätte.

Ein solches Mitverschulden der Klägerin sei auch nicht deshalb zu erkennen, weil ihre Eltern es zuließen, dass sie an diesem Tage überhaupt ausritt.

Ein insoweit unterstelltes schuldhaftes Handeln der Eltern der Klägerin sei dieser nicht zuzurechnen.

Ein Mitverschulden der Klägerin sei auch nicht darin zu erkennen, dass sie nach dem Durchgehen des Pferdes X dieses nicht veranlasst hätte, im Kreis zu reiten oder zu parieren. Insofern könne dahinstehen, ob von der Klägerin angesichts ihres Alters und ihrer Reiterfahrung ein solches Verhalten zu erwarten gewesen sei und ob die Beklagte ihr diesbezügliche Anweisungen gegeben habe, die die Klägerin trotz der Aufregung des Geschehens hätte wahrnehmen können. Die Beklagte habe jedenfalls nicht nachgewiesen, dass die Klägerin ein Einwirken auf das Pferd, im Kreis zu reiten oder zu parieren, unterließ.