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Kein Anspruch auf Transportkostenvorschuss

Kein Anspruch auf Transportkostenvorschuss, wenn Verkäufer Pferd zum Zwecke der Nachbesserung kostenlos abholen will.

BGH, Urteil vom 30.03.2022 – VIII ZR 109/20

Der Sachverhalt:
Die Klägerin erwarb im Juni 2017 vom Beklagten im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufes einen Wallach.
Ab August 2017 rügte die Klägerin dem Beklagten gegenüber mehrmals ein Zungenstrecken des Pferds und setze ihm eine Frist zur Mangelbeseitigung. Der Beklagte erklärte sich zur Nachbesserung bereit an. Zudem bot er an, das Pferd hierzu am Belegenheitsort abzuholen, was die Klägerin ablehnte. Stattdessen wollte sie das Pferd selbst zum Beklagten transportieren und verlangte dafür von ihm die Zahlung eines Transportkostenvorschusses in Höhe von 1.200 €, was der Beklagte ablehnte.
Nachdem die Frist im September 2017 abgelaufen war und der Beklagte weder die Nachbesserung vorgenommen noch den Transportkostenvorschuss gezahlt hatte, erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag. Anfang Dezember erklärte sie wieder den Rücktritt, diesmal, weil der Beklagte die Nachbesserung ernsthaft und endgültig verweigere.

Die Entscheidung:
Die Klägerin hat nach diesem Urteil mangels wirksamen Rücktritts keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Pferdes.

Zwar sei hier ein Sachmangel in Form des Zungenstreckens gegeben, denn die Parteien hätten eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen, wonach sich das Pferd zu Dressurzwecken eignen solle. Dieser Sachmangel hätte sowohl bei der Übergabe als auch zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung bestanden.

Allerdings muss der Käufer dem Verkäufer vor einem Rücktritt grundsätzlich eine Frist zur Nacherfüllung setzen. Hier hat die Klägerin dem Beklagten zwar eine Frist gesetzt. Diese hat der BGH aber als nicht ordnungsgemäß eingestuft. Die Klägerin habe dem Beklagten nicht die Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben, dafür hätte sie laut BGH dem Beklagten das Pferd zur Verfügung stellen müssen. Die Klägerin habe die Abholung des Pferds durch den Beklagten verweigert und darauf bestanden, das Pferd selbst zu dem Beklagten – dem Ort der Nacherfüllung – zu bringen. Den Transport zum Beklagten habe sie von einem Transportkostenvorschuss abhängig gemacht, den sie aber nicht hätte verlangen können.

Unter bestimmten Voraussetzungen könne der Käufer im Rahmen eines Verbrauchgüterkaufes zwar einen Anspruch auf Zahlung eines Transportkostenvorschusses gegen den Verkäufer haben, vgl. §§ 439 Abs. 2, 475 Abs. 4 BGB. Dieser Anspruch sei hier aber aufgrund der Bereitschaft des Beklagten, das Pferd zum Zwecke der Nachbesserung kostenlos abzuholen, nicht gegeben. Die Möglichkeit, einen Transportkostenvorschusses zu verlangen, solle den Käufer davor schützen, von der Geltendmachung seines Rechts auf Nachbesserung nur deswegen abzusehen, weil er dafür in Vorlage treten müsse. Hier allerdings entstünden der Käuferin aufgrund der Bereitschaft des Beklagten, das Pferd kostenlos abzuholen, gar keine Auslagen, für welche sie in Vorlage gehen müsse. Sei der Verkäufer – wie hier – bereit, die Kaufsache zwecks Nachbesserung beim Käufer abzuholen und auf seine Kosten zum Erfüllungsort zu verbringen, erleide der Käufer keine finanziellen Nachteile und werde somit auch nicht von der Geltendmachung seiner Rechte abgehalten.

Ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, wonach die Nachbesserung für den Verbraucher ohne erhebliche Unannehmlichkeiten erfolgen müsse. Ein gewisses Maß an Unannehmlichkeit sei dem Käufer zumutbar; entscheidend sei, dass der Käufer keiner Belastung ausgesetzt werde, die geeignet wäre, einen durchschnittlichen Verbraucher von der Geltendmachung seiner Ansprüche abzuhalten. Eine solche Belastung sieht der BGH als nicht gegeben, denn die Klägerin habe mit der Forderung nach einem Transportkostenvorschuss zu erkennen gegeben, dass sie bereit sei, ein Transportrisiko zu tragen, welches lediglich eine regelmäßig mit einer Nachbesserung einhergehende Belastung sei. Das Berufungsgericht hatte keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Transportrisiken bei einem Transport durch den Beklagten höher wären als bei einem solchen durch die Klägerin.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Verladen eines Pferdes – Mitverschulden

Pferderecht/Pferdehalterhaftung: Verladen eines Pferdes – Mitverschulden

LG Münster, Urteil vom 31.07.2019 (Az. 4 O 534/16)

Der Sachverhalt:
Das klagende Land ist Dienstherrin der Geschädigten, die beim Versuch, das Pferd des Beklagten zu 1) zu verladen, von dem austretenden Pferd verletzt wurde. Beklagte zu 2) ist die Halterin des Pferdeanhängers, in den das Tier verladen werden sollte, Beklagte zu 3) die Haftpflichtversicherung des beabsichtigen Zugfahrzeugs des Pferdeanhängers.
Die Geschädigte ist eine verladeerfahrene Reiterin, die das Pferd auch schon geritten hatte. Sie wollte am 21.09.2013, während es noch dunkel war, das Pferd mithilfe der Tochter des Beklagten zu 1) in den Pferdeanhänger verladen. Dabei war ihr bekannt, dass das Pferd Verladeschwierigkeiten hatte, zudem war am Unfalltag bereits ein Verladeversuch aufgrund des Verhaltens des Pferdes misslungen. Während eines erneuten Verladeversuchs hielt sie sich im Gefahrenbereich der Hinterhufe des Pferdes auf und wurde sodann durch ein Austreten des Pferdes am Kopf unterhalb der Augenbraue verletzt.

Die Entscheidung:
Das Gericht wies die Klage als unbegründet ab.
Der Beklagte zu 1) hafte als Halter des Pferdes zwar grundsätzlich für den durch dieses herbeigeführten Schaden nach § 833 S. 1 BGB.

Allerdings sieht das Gericht das Mitverschulden der Geschädigten als derart hoch an, dass es deren Anspruch gemäß § 254 BGB um 100 Prozent kürzt.

Wisse eine erfahrene Reiterin, dass es bei dem erstmaligen Versuch, ein Pferd auf einen Anhänger zu verladen, zu erheblichen Problemen gekommen ist, und halte sie sich trotz dieser Warnsignale bei dem zweiten Verladeversuch in dem Gefahrenbereich einen Meter hinter oder seitlich hinter dem Pferd auf, rechtfertige dies nach dem LG Münster wie hier die Annahme, dass die Haftung für die Tiergefahr vollkommen zurücktrete. Die Gefahr einer solchen Reaktion hätte sich für die Geschädigte als erfahrene Reiterin aufdrängen müssen. Daher hätte sie äußerste Vorsicht walten lassen müssen, zumal, wenn nach ihrer eigenen Aussage die Beleuchtung des Anhängers nicht funktionsfähig gewesen sei. Zudem schließt sich das Gericht den Feststellungen des Sachverständigen an, nach denen das Verladen von Pferden auf Pferdeanhänger einen besonders gefahrträchtigen Vorgang darstelle, weswegen bei jedem Verladevorgang darauf geachtet werden müsse, dass sich Personen nicht in den Gefahrenbereich der Hinterhufe begäben. Das Verhalten der Geschädigten beim Verladen stelle einen elementaren Verstoß gegen die Sicherheitsgrundsätze beim Verladen von Pferden dar.

Das Gericht hielt schon die vorliegenden Umstände für ausreichend, um einen Anspruch der Geschädigten wegen ihres weit überwiegenden Mitverschuldens vollständig zu verneinen, weswegen es die zwischen den Parteien strittige Frage, ob die Geschädigte dem Pferd beim Verladen mit einer Reitgerte auf die Hinterbeine geschlagen habe, offenließ.
Aufgrund des Mitverschuldens hat auch die Klage gegen die Beklagten zu 2) und 3) keinen Erfolg.

Das Gericht verneint einen Anspruch aus der Kraftfahrzeughalterhaftung nach § 7 StVG darüber hinaus wegen § 8 Nr. 2 StVG, nach dem § 7 StVG nicht gilt, wenn der Verletzte bei dem Betrieb des Fahrzeugs tätig war. Durch ihre Mitwirkung beim Verladen des Pferdes auf den Anhänger habe die Geschädigte sich freiwillig in eine so nahe und unmittelbare Beziehung zu den sich daraus ergebenden Gefahren begeben, dass sie nach Art ihrer Tätigkeit den besonderen Gefahren des Betriebs des Gespanns mehr ausgesetzt gewesen sei als die Allgemeinheit.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp