OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 06.07.2010 – 17 U 28/09
Sachverhalt:
Der Beklagte hat über das Internet ein Pferd zum Preis von 19.000€ angeboten. Die Klägerin zeigte Interesse und fuhr am 13.08.2006 zu dem Beklagten nach Norddeutschland, um das Pferd zu besichtigen und es Probe zu reiten. Am 25.08.2016 führte der Tierarzt Dr. A in Gegenwart beider Parteien eine Ankaufsuntersuchung durch. Im Protokoll wurden alle untersuchten Stellen als unauffällig und „ohne besonderen Befund“ vermerkt. Noch am selben Tag kaufte die Klägerin das Pferd für 14.000 €.
Am 11.12.2006 übernahm ein Fachtierarzt für Pferde Dr. B die Untersuchung des Pferdes und teilte der Klägerin mit, dass an der Longe sowohl auf der rechten als auch auf der linken Hand eine undeutliche, geringgradige gemischte Lahmheit hinten links sichtbar war. Ebenso wurde festgestellt, dass die Beweglichkeit des Halses sowohl nach rechts als auch nach links eingeschränkt war.
Die Klägerin ließ das Pferd daraufhin am 31.01./01.02.2007 von einem weiteren auf Pferde spezialisierten Arzt, Dr. C, untersuchen. Dr. C kam zur Diagnose, dass bei dem Pferd von schmerzhaften Prozessen im oberen Halswirbelsäulenbereich und in der distalen linken Hintergliedmaße ausgegangen werden müsse. Er beurteilte die Reitbarkeit des Pferdes als „eingeschränkt“.
Basierend auf den Diagnosen der Tierärzte verlangte die Klägerin am 14.03.2007 vom Beklagten Minderung des Kaufpreises. Bei einer Einigung würde sie keinen Gebrauch von ihrem Rücktrittsrecht machen und das Pferd behalten. Der Beklagte wiederrum war der Meinung, es hätten keine krankhaften Befunde zum Zeitpunkt der Übergabe des Pferdes vorgelegen und lehnte eine Minderung des Kaufpreises sowie eine Rückabwicklung des Pferdekaufvertrages ab.
Die Klägerin erhob sodann Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes. Sie behauptete, bereits bei Gefahrübergang habe der Wallach erhebliche gesundheitliche Mängel gehabt, insbesondere habe er unmittelbar danach gelahmt.
Landgericht weist Klage zurück
Das Landgericht Verden hat erstinstanzlich die Klage abgewiesen. Es führte dazu aus, dass die Klägerin keinen Rückgewähranspruch aus § 437 Nr. 2 BGB habe, weil kein Rücktrittgrund gegeben sei. Das Pferd sei bei Gefahrübergang laut einem Sachverständigen des Gerichts, Dr. SV1, nicht mangelhaft gewesen. Es habe eine geringe Lahmheit vorgelegen, die aber beim Galopp fast vollständig verschwunden sei. Die Lahmheit sei durch den Umstand, dass die Käuferin das Pferd längere Zeit nicht geritten habe und dadurch die Rückenmuskulatur wenig ausgeprägt war, bedingt worden.
Gemäß § 477 BGB muss bei einem Mangel, der sich innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe der Kaufsache zeigt, der Verkäufer beweisen, dass die Sache bei Gefahrübergang mangelfrei war, sogenannte Beweislastumkehr, soweit es sich vorliegend um einen Verbrauchsgüterkauf handelt. Kann Der Verkäufer den Beweis nicht erbringen, so wird vermutet, dass die Sache mangelbehaftet übergeben wurde. Diese Vorschrift war nach Auffassung des Gerichts vorliegend nicht einschlägig, weil sich Pferde aufgrund ihrer Art und auch im Hinblick auf die schnellen Veränderungen ihres Allgemein- und Gesundheitszustandes kaum für die Anwendung der Beweislastumkehrregelung eignen.
Die Klägerin legte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein.
Berufungsgericht revidiert das Urteil des Landgerichts
Die Berufung der Klägerin vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte Erfolg. Das Gericht verurteilte den Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pferdes.
Der Senat habe nach der erneuten Beweisaufnahme keine Zweifel mehr daran, dass das Pferd bei Gefahrübergang mangelhaft gewesen sei. Zu dieser Überzeugung sei das Gericht unter anderem durch die Begutachtung von Dr. B gelangt, die belegte, dass beim Pferd eine Lahmheit erkennbar war und diese auch beim Galopp nicht vollständig verschwand. Maßgeblich sei das Gericht aber durch ein Gutachten eines zweiten Sachverständigen, Tierarzt Dr. C, überzeugt worden. Im damals anstehenden Fall des Oberlandesgerichts Oldenburg (RdL 2005, 65) hatte Dr. C angeführt, „dass durch verschiedene Faktoren wie zunehmende Belastung, falsche Reitweise, schlecht sitzender Sattel, Muskelschmerzen, röntgenologische Veränderungen im Sinne eines Kissing-Spines-Syndroms relativ kurzzeitig klinisch auffällig würden“. Das würde erklären, warum die Erkrankung bei der Ankaufsuntersuchung und vom Sachverständigen Dr. A nicht bemerkt worden sei. Diese reaktiven Veränderungen am Knochen könnten auch binnen weniger Monate erfolgen, erklärte Dr. B. So könnte eine Erkrankung theoretisch auch nach Gefahrübergang erfolgt sein. Dass es aber erst nach der Übergabe des Pferdes dazu gekommen sei, schließt das Gericht aufgrund der vorgetragenen Beweise und Schilderungen aus.
Ebenso führte der Senat entgegen der Ansicht des Landgerichts an, dass die Beweislastumkehr des § 477 BGB auf den vorliegenden Fall anwendbar sei. Dabei bezieht er sich auf eine Entscheidung des BGH vom 29.03.2006 (BGHZ 167, 40 ff. = NJW 2006, 2250= RdL 2006, 205 ff.), wonach die Anwendung der Beweislastumkehr wegen der Art des Mangels nur bei bestimmten Tierkrankheiten, wie einer saisonalen Allergie, ausgeschlossen werden könne. Eine solche Erkrankung sei hier aber nicht Gegenstand des Rechtsstreits, sondern der wesentlich schwerer wiegende Befund von Kissing-Spines.
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Rechtsanwältin Susan Beaucamp
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