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Beschaffenheitsvereinbarung Ausbildungsstand, Rückgabe Pferd

„Dressur A“, Haftungsausschluss bei nebenberuflich-tätigen Verkäufer, Ersatz von notwendigen Aufwendungen wie Stall- und Futterkosten, Kostenersatz Ersatz für artgerechte Bewegung, Tierarzt, Tierhalterhaftpflichtversicherung, vorprozessuale Anwaltstätigkeit ohne verzugsbegründende Tatsachen

LG Münster, Urteil vom 24.09.2007 – 2 O 11/07

Der Sachverhalt: 

Die Klägerin ist Freizeitreiterin und Inhaberin des Reitausweises der Leistungsklasse D (Dressur) 5. Der Beklagte betrieb im Nebenerwerb eine Landwirtschaft mit Biolandprodukten und züchtete hobbymäßig Pferde, die er verkaufte, soweit bei ihm auf dem Hof Platzmangel herrschte. Der Beklagte zog zunächst aus einer seiner Hobbyzucht stammenden Fuchsstute ein Fohlen und gab sie sodann an den Zeugen S, um sie wieder anreiten zu lassen. Mit Hilfe eines Vermittlers wurde die kaufinteressierte Klägerin auf die Stute aufmerksam und kaufte sie nach einer Besichtigung, einem Vorreiten und einem Proberitt am 19.10.2006. Der zwischen den Parteien geschlossene Pferdekaufvertrag beinhaltete die Angabe, dass die Stute den Ausbildungsstand „Dressur: A“ aufweiste, wobei in Bezug auf das Springen folgender Passus eingefügt war: „Springen: nicht unter dem Sattel gesprungen“. Über den Kaufpreisrückerstattung hinaus zeichnete sich der Verkäufer laut Vertragsbedingungen von weiteren Kosten bei einer Rückabwicklung (Alt: Wandlung) frei. Ferner wurde darin der Ausschluss von Schadensersatzansprüchen jeglicher Art vereinbart.

Am 25.10.2006 teilte die Klägerin dem Beklagten schriftlich mit, dass sie Sachmängel an der Stute festgestellt habe. Insbesondere erfülle die Stute nicht die im Pferdekaufvertrag bezeichnete Eigenschaft: „Dressur A“. Mit anwaltlichen Schreiben vom 06.12.2006 forderte die Klägerin den Beklagten auf, Nachbesserung in Form eines Korrekturberitts vorzunehmen, welches dieser ablehnte. 

Die Klägerin behauptet in Ihrer Klage vor dem Landgericht Münster, dass die mangelnde Eigenschaft, die Dressur Klasse A zu erfüllen, auf gesundheitliche Probleme des Pferdes zurückzuführen sein könnte, z.B. wegen neuronaler Defizite und Problemen im Bereich des Ileosakralgelenks. Auch ein Gewährleistungsausschluss greife aufgrund der von der Klägerin angenommenen Unternehmerstellung des Beklagten und des damit vorliegenden Verbrauchsgüterkaufs nicht. Über die Rückabwicklung des Pferdekaufvertrages hinaus, beantragte die Klägerin die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, zukünftige Aufwendungen für das Pferd zu erstatten. Darunter machte sie Stall- und Futterkosten, Kosten für artgerechte Bewegung des Tieres, tierärztliche Kosten sowie die Kosten für eine abgeschlossene Tierhalterhaftpflichtversicherung geltend. 

Der Beklagte trat der Klage entgegen und bestritt die Mangelhaftigkeit des Pferdes zum Zeitpunkt der Übergabe. Im Übrigen war der Beklagte aus der Tatsache heraus, er betreibe die Pferdezucht lediglich hobbymäßig, der Ansicht, keine Unternehmerstellung Inne zu haben. 

 

Die Entscheidung:

Das Landgericht gibt der Klägerin im Wesentlichen Recht.

Zunächst ist nach den Feststellungen des Landgerichts die Rückabwicklung des Pferdekaufvertrages nach § 348 BGB zu gewähren und die empfangenen Leistungen (Kaufpreis und Eigentum und Besitz an der Fuchsstute), Zug um Zug zurück zu gewähren, da sich das Vorliegen eines Sachmangels an der Stute zum Zeitpunkt der Übergabe nachweisen ließe. Das Ausbildungsniveau des Pferdes wurde durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen überprüft, welcher das Gericht zu der Überzeugung führte, dass die Stute zum Zeitpunkt der Übergabe nicht über das angeführte Ausbildungsniveau verfügte. Der von der Klägerin ohne Fristsetzung erklärte Rücktritt sei im Übrigen gemäß § 323 Abs. 2 BGB zulässig gewesen, da der Beklagte in seinem anwaltlichen Schreiben vom 11.12.2006 eine Nachbesserung in Form einer Nachschulung des Pferdes ablehnte und insgesamt Gewährleistungsansprüche von sich wies. 

Ein etwaiger vertraglicher Gewährleistungsausschluss kann sich nach sachgerechter Auslegung des Landgerichts auch nicht auf die explizit vereinbarte Beschaffenheitsangabe „A Dressur“ beziehen. 

Auch kam das Landgericht zu dem Urteil, dass ein Ausschluss nach § 442 BGB trotz des durchgeführten Proberitts nicht vorliege. Es wurde festgestellt, dass das Pferd unmittelbar vor dem Proberitt der Klägerin von einem Dritten in A-Dressur-Niveau geritten wurde. Daher könnte nicht ausgeschlossen werden, dass das Pferd hierdurch derart vorbereitet und warmgeritten wurde, dass die Klägerin das tatsächliche Ausbildungsniveau zu jenem Zeitpunkt nicht erkennen konnte. 

Auch erkannte das Landgericht der Klägerin die beantragte Erstattung von Stall- und Futterkosten im Rahmen der notwendigen Verwendungen nach § 347 Abs. 2 iVm. § 90 a S. 3, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB zu. Den sich hierauf ebenfalls beziehende Gewährleistungsausschluss stufte das Landgericht aufgrund der dem Beklagten zugesprochenen Unternehmerstellung nach §§ 14, 475 a.F. BG, jedenfalls aber aufgrund § 444 BGB als unwirksam ein. Die Unternehmerstellung bejahte das Landgericht aufgrund der engen Verbindung zum landwirtschaftlichen Betrieb (als Haupterwerb) des Beklagten und der Internetbewerbung des Zuchtbetriebes. Jedenfalls bejaht das Landgericht aber eine Garantieübernahme des Beklagten hinsichtlich der Beschaffenheit des Pferdes, wodurch der Haftungsausschluss als unwirksam erachtet wird. 

Im Übrigen stellte das Landgericht fest, dass neben Stall- und Futterkosten auch die Kosten für artgerechte Bewegung, Wurmkuren und anderer tierärztlicher Versorgung nach § 347 Abs. 2 BGB als notwendige Verwendungen erstattungsfähig sind. Nicht aber die Kosten für die Tierhalterhaftpflichtversicherung, da sie keine Pflichtversicherung ist und weder der Haltung noch der Nutzung des Tieres dient. Nach Ansicht des Landgerichts schützte sie lediglich die Vermögensinteressen des Versicherungsnehmers. Kostenersatz für die vorprozessuale Anwaltstätigkeit für die Klägerin lehnte das Gericht mit der Begründung ab, dass diese aufgrund der erstmaligen Geltendmachung von Gewährleistungsrechten keinen Verzugsschaden darstellen. 

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Susan Beaucamp

(Rechtsanwältin)

Foto: Fotalia 

 

Das Warmblood Fragile Foal Syndrome – eine rechtliche Betrachtung

Was ist das Warmblood Fragile Foal Syndrom, oder auch kurz WFFS?

WFFS oder auch nur FFS, da es nicht nur bei Warmblütern nachgewiesen wurde, sondern auch zum Beispiel bei Vollblütern, Knabstruppern und Trakehnern, ist ein Gendefekt welcher rezessiv vererbt wird. Das bedeutet, dass es krankes Fohlen nur entstehen kann, wenn beide Elterntiere Träger des Gens sind. In diesem Falle entsteht zu 25% ein an FFS erkranktes Fohlen, zu 50% ein Träger und zu 25% ein Fohlen, welches das Gen gar nicht in sich trägt. Ein Pferd, bei dem das Gen nur einfach vorliegt, ist zwar Träger für den Gendefekt, erkrankt selbst jedoch nie und ist somit vollkommen gesund. In den 25% der Fälle, in denen bei Verpaarung zweier Träger das Gen von beiden Seiten vererbt wird, erkrankt das Fohlen an FFS. Dies bedeutet, dass die Kollagenfasern im Körper nicht richtig ausgebildet werden. Das Fohlen hat eine deutlich dünnere Haut und Gelenke die stark überdehnbar sind. In den meisten Fällen werden die Fohlen schon während der Trächtigkeit resorbiert oder abortiert. Kommt ein betroffenes Fohlen lebendig auf die Welt, so reißt die Haut schon bei normalen Bewegungen auf, im Rahmen der Geburtshilfe kommt es zu schweren Verletzungen des Fohlens, so dass es entweder innerhalb weniger Stunden verstirbt oder eingeschläfert werden muss.

Paart man hingegen einen Nichtträger mit einem Träger an, so liegt die Wahrscheinlichkeit, dass das Fohlen wiederum Träger wird bei 50%, zu 50% trägt das Fohlen das Gen nicht in sich. Jedenfalls aber kann es niemals zu einem kranken Fohlen kommen.

Mittlerweile geht man davon aus, dass bei den deutschen Warmblutzuchtverbänden ca. 10 – 15% der Pferde Träger des Gens sind. Den Gendefekt muss es schon seit etwa 170 Jahren geben, erstmals nachgewiesen werden konnte er jedoch erst 2012, in der breiten Öffentlichkeit wurde er erst ab 2018 thematisiert.

Seit 2019 müssen die im HB I eingetragenen Deckhengste auf das Gen getestet werden. Beabsichtigt man einen positiven Hengst einzusetzen, so muss auch die Stute auf das Gen getestet werden, andernfalls begibt man sich in einen Konflikt zum Tierschutzgesetz. §11b I TierSchG verbietet es, Wirbeltiere zu züchten, soweit im Falle der Züchtung züchterische Erkenntnisse erwarten lassen, dass als Folge der Zucht, bei der Nachzucht erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten. Nach Abs. 2 kann die zuständige Behörde das Unfruchtbarmachen von Wirbeltieren anordnen, soweit züchterische Erkenntnisse erwarten lassen, dass deren Nachkommen Störungen oder Veränderungen im Sinne des Absatzes 1 zeigen werden.

Seit dem Bekanntwerden des Gendefekts ist es demnach verboten, zwei Trägertiere miteinander anzupaaren. Jetzt, da die Deckhengste verpflichtend getestet werden müssen, ist es daher erforderlich auch seine Stute auf das Gen testen zu lassen, beabsichtigt man einen positiven Hengst einzusetzen. Der Test ist dabei einfach über eine Haar- oder Blutprobe, derzeit für ca. 40 – 60 €, durchzuführen.

Ein Verstoß gegen § 11 b Abs. 1 TierSchG stellt gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 22 TierSchG eine Ordnungswidrigkeit dar, welche mit einer Geldbuße bis zu 25.000 € geahndet werden kann. Dabei kann die Ordnungswidrigkeit sowohl vorsätzlich, als auch fahrlässig begangen werden!

Die Unfruchtbarmachung von Trägertieren i.S.d. Abs. 2 dürfte jedoch erstmal nicht drohen, da das Gen rezessiv vererbt wird und man so erkrankte Fohlen leicht vermeiden kann, indem man die Elterntiere testet. Zudem hätte es wohl auch negative Auswirkungen auf die Population. Es scheint derzeit gesichert, dass Donnerhall FFS-Träger gewesen sein muss, weitere Träger sind z.B. auch Don Schufro (u.a.Vater von Weihegold, Isabell Wert) oder Balou du Rouet. Man male sich aus, wo die heutige Sportpferdezucht wäre, wenn sie hätten unfruchtbar gemacht werden müssen nur aufgrund dieses Gens.

Ähnliche, ebenfalls rezessiv vererbbare Gendefekte sind auch bei Quaterhorses bekannt, wie zum Beispiel HERDA oder GBED. Auch hier dürfen Träger weiterhin zur Zucht eingesetzt werden. Gentests werden für Zuchttiere verlangt.Eine andere Frage ist, ob der Trägerstatus einen Sachmangel im Rahmen des Gewährleistungsrechts darstellt und somit Gewährleistungsansprüche auslösen kann. Diese Frage dürfte wohl nicht so einfach zu beantworten sein, zumal es noch keinerlei Rechtsprechung zu dem Thema gibt.

Voraussetzung für Gewährleistungsansprüche ist, dass ein Mangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag. Da das Gen schon von Geburt an in dem Pferd angelegt ist, liegt dieser immer bereits bei Gefahrübergang vor. Fraglich ist jedoch, ob der Genstatus überhaupt einen Mangel i.S.d. § 434 BGB darstellt.

Wurde im Vertrag eine bestimmte Beschaffenheit des Pferdes vereinbart, so liegt ein Mangel immer vor, wenn die Ist- von der Sollbeschaffenheit abweicht. Da ein Träger grundsätzlich nicht an dem Gendefekt erkrankt und sich der Genstatus allein bei Zuchtpferden auswirkt, dürfte WFFS bei einem Wallach niemals einen Mangel begründen können, ebenso bei Pferden, die als reine Reitpferde gekauft wurden.

Soweit es im Vertrag heißt, dass die Befunde der Ankaufsuntersuchung die gesundheitliche Beschaffenheit des Pferdes bestimmen sollen, so kann dies nur für gesundheitsrelevante Aspekte gelten, die Gegenstand dieser Untersuchung waren. Umstände, die von der Untersuchung gar nicht erfasst wurden, können regelmäßig auch nicht Gegenstand der den Gesundheitszustand des Pferdes betreffenden Beschaffenheitsvereinbarung sein (Vgl. OLG Düsseldorf, 13 U 116/13). Das heißt, nur weil im Protokoll der AKU nicht vermerkt ist, dass das Pferd Träger ist, liegt keine Abweichung von der Beschaffenheitsvereinbarung vor, wenn das Pferd diesbezüglich gar nicht getestet wurde.

Schwieriger wird es, wenn das Pferd mit der BeschaffenheitsvereinbarungZuchtpferd“ gekauft wurde. Grundsätzlich hindert das Vorliegen des Gens nicht daran, dass das Pferd fruchtbar ist und in der Lage, gesunde Nachkommen zu zeugen. Jedoch ist man in der Auswahl des Partners eingeschränkt, man kann etwa 10 bis 15% der Hengste nicht einsetzen. Die Nachkommen aus einer Verpaarung mit einem Nichtträger können jedoch auch ihrerseits wieder zur Zucht eingesetzt werden. Zudem wurden auf den letzten Körungen zum Beispiel in München, Münster und Vechta auch mehrere Träger gekört und auch prämiert. In München wurde gerade erst sogar ein Träger zum Siegerhengst gekürt. Die Träger sind auch grundsätzlich vermarktbar, so wurde in Münster ein Träger mit einem Zuschlagspreis von 400.000 € zweitteuerster Hengst des Hengstmarktes. Man wird hier in beide Richtungen argumentieren können.

Wurde keine Beschaffenheit vereinbart, so liegt ein Mangel vor, wenn sich das Pferd nicht für die im Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Hierzu sei auf die obigen Ausführungen verwiesen.

 

Deutlicher

Liegt auch eine solche vertraglich vorausgesetzte Verwendung nicht vor, so liegt ein Mangel vor, wenn das Pferd sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet. Dies ist dann der Fall, wenn das Pferd keine Beschaffenheit aufweist, die bei Pferden der gleichen Art üblich ist, und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann. Da das Gen nur bei etwa 10 -15% der Warmblutpferde vorkommt, kann man wohl nicht behaupten, dass dieser Genstatus für Pferde üblich wäre. Allerdings kann man nie jede Stute mit jedem Hengst anpaaren, allein aus Inzuchtgründen sind immer einige Verpaarungen ausgeschlossen. Der Käufer kann also nicht erwarten, dass ein Zuchtpferd grundsätzlich mit jedem anderen verpaart werden kann. Auch hier lässt sich wohl beides vertreten.

Würde man annehmen, dass ein Mangel vorliegt, so wäre für einen Rücktritt vom Kaufvertrag eine weitere Voraussetzung, dass der Mangel nicht unerheblich ist, § 326 Abs. 5 BGB. Die Erheblichkeit des Mangels wird grundsätzlich vermutet. Ein Fall der Unerheblichkeit muss vom Verkäufer bewiesen werden. Merkliche Wertminderungen können zumindest im Rahmen der letzten Hengstauktionen mit veröffentlichtem Genstatus nicht sicher festgestellt werden. Es wurden jedenfalls alle zum Verkauf angebotenen positiven Hengste auch offiziell zugeschlagen und das zu teilweise weit überdurchschnittlichen Preisen. Auch können etwa 90% aller im HB I eingetragenen Hengste unbedenklich genutzt werden. Auch hier dürfte es eine Wertungsfrage sein, ob man einen Mangel als erheblich oder unerheblich ansieht. Aber auch bei einem unerheblichen Mangel würde jedenfalls ein Recht auf Minderung bestehen.

Für einen Schadensersatzanspruch ist grundsätzlich ein Verschulden des Käufers notwendig. Da erst seit 2019 alle Hengste getestet werden müssen, kann wohl selbst bei der Verpaarung von zwei Trägern, und damit einhergehend einem toten Fohlen, bei einer Bedeckung vor 2019 kein fahrlässiges Handeln unterstellt werden, denn zuvor bestand schlichtweg keine Kenntnis über den Genstatus der meisten Zuchttiere und die Erkrankung war auch noch weitgehend unbekannt. Schadensersatzansprüche dürften wohl erst zu begründen sein, wenn auch jetzt noch zwei Träger miteinander verpaart werden würden, trotz Kenntnis von dem Gendefekt.

Es ist für zukünftige Pferdekaufverträge bezogen auf Zuchtpferde daher anzuraten, entweder vor dem Verkauf oder im Rahmen der Ankaufsuntersuchung den Gentest durchzuführen, der wie gesagt sehr einfach und günstig durchgeführt werden kann, und das Testergebnis in die Beschaffenheitsvereinbarung mit aufzunehmen oder aber im Kaufvertrag ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass der Genstatus nicht getestet wurde und diesbezüglich die Gewährleistung auszuschließen. Ob und wie in Zukunft Gerichte dieses Thema bewerten, bleibt abzuwarten.

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Susan Beaucamp

(Rechtsanwältin)

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Aufklärungspflichten des Tierarztes über Risiken der Aufwachphase

OLG Dresden, Urt. v. 15.01.2019 – 4 U 1028/18

Sachverhalt:

Der Kläger, ein erfahrener Pferdehalter und Reiter, brachte seinen jungen Hengst in die Tierklinik des Beklagten um ihn dort kastrieren zu lassen. Dem Kläger wurde im Vorfeld der Operation ein standardmäßiges Informationsblatt über Narkose- und Operationsrisiken übergeben, worauf nur allgemein auf die bei dem Eingriff bestehenden Narkose- und Operationsrisiken bzw. auf das Risiko eines Zwischenfalls hingewiesen wurde. Der Kläger unterzeichnete das Vertragsformular und bestätigte hiermit auch die Kenntnisnahme von dem Informationsblatt. Der Hengst wurde sodann in der Klinik zunächst untersucht, wobei keinerlei Auffälligkeiten festgestellt werden konnten, und dann in Narkose gelegt und operiert. Zum Aufwachen wurde der Hengst in eine sogenannte Aufwachbox verbracht und in regelmäßigen Abständen überwacht. Bei einem der Aufstehversuche verletzte sich der Wallach und zog sich eine Fraktur am Sprunggelenk zu, die zu seinem Tod führte. Der Kläger begehrte nun Schadensersatz wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Vorfeld und Behandlungsfehlern während der Operation. Die Tierklinik verlangte ihrerseits die Zahlung der Operationskosten von dem Kläger.

 

Entscheidung:

Nachdem das LG Dresden in der ersten Instanz der Klage stattgegeben hatte, legte der Beklagte dagegen Berufung ein. Die Berufung hatte Erfolg, so dass das OLG Dresden das erstinstanzliche Urteil abänderte und die Klage insgesamt abwies und auf die Widerklage hin den Kläger verurteilte, die noch ausstehenden Operationskosten zu zahlen. Der Beklagte hat keine vertraglichen Aufklärungs- und Beratungspflichten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen tierärztlichen Behandlungsvertrag gem. §§ 611, 280 I, 249 BGB verletzt, weswegen dem Kläger kein Schadensersatzanspruch zusteht.

Der Tierarzt schuldet seinem Auftraggeber orientiert an dessen wirtschaftlichen Interessen, dem ideellen Wert des Wallachs und den Geboten des Tierschutzes vertraglich eine Beratung, zu der die Art und Weise des geplanten Eingriffs in groben Zügen, dessen Erfolgsaussichten und Risiken sowie vorhandene Alternativen gehören. Der Auftraggeber kann dann abwägen, in welche Eingriffe er demgemäß einwilligen will. Die Grundsätze über Art und Umfang der humanärztlichen Aufklärungspflicht können dabei nicht ohne weiteres auf den tiermedizinischen Bereich übertragen werden. Die Paragraphen 630a ff. BGB gelten nicht für die Behandlung von Tieren. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten spielt hier zudem keine Rolle. Jedoch kann der ideelle Wert eines Tieres den Umfang der Aufklärung beeinflussen, wenn ein besonderes ideelles Interesse des Auftraggebers für den Tierarzt erkenntlich wird. Ein solches gesteigertes ideelles Interesse bestand im vorliegenden Fall jedoch nicht. Haftungsgrundlage ist eine Eigentumsverletzung, bei der das Integritätsinteresse geschützt wird. Das Handeln gemäß des erteilten Auftrages genügt daher regelmäßig unabhängig von einer Risikoaufklärung zur Rechtfertigung des tierärztlichen Eingriffs. Die Beweislast für eine Vertragspflichtverletzung trägt hierbei der Kläger. Eine Pflichtverletzung konnte dieser vorliegend jedoch nicht beweisen. Der Kläger wurde durch das ausgeteilte Informationsblatt ausreichend über die Risiken der Operation und der Narkose aufgeklärt. Die Aufwachphase und die damit einhergehenden Risiken bei Aufstehversuchen sind dem Narkoserisiko zuzurechnen. Eine gesonderte Aufklärung über die Risiken des Aufwachens waren nicht geschuldet. Vorliegend handelte es sich um eine Routineoperation eines gesunden Pferdes. Die Operation wies daher keine besonderen Risiken auf und es bestanden auch keine besonderen wirtschaftlichen oder ideellen Interessen an dem Pferd, die eine gesteigerte Aufklärungspflicht hätten begründen können. Zudem müsse man davon ausgehen, dass gerade erfahrenen Pferdehaltern, wie dem Kläger, bekannt ist, dass Sturz- und Verletzungsrisiken während der Aufwachphase bestehen. Von einem Tierarzt kann daher nicht erwartet werden, dass er ohne konkreten Anlass über alle möglichen peri- und postoperativen Risiken aufklärt und ungefragt Angaben über den Ablauf und die Überwachung der Aufwachphase zu machen hat. Eine besondere Aufklärung über das Frakturrisiko in der Aufwachphase war zudem nicht geschuldet, da das Risiko laut des Sachverständigen mit lediglich 0,2% nur sehr gering war. Auch über die fehlende Verwendung von Aufstehhilfen musste der Kläger nicht aufgeklärt werden, denn die verschiedenen Arten von Aufstehhilfen bergen ihrerseits Gefahren und dienen keinesfalls als Garantie für ein gefahrloses Aufstehen. Der Einsatz eines Kopfschutzes hätte außerdem die Verletzung des Hinterbeines nicht verhindern können. Es erscheine zudem abwegig, dass der Kläger sich angesichts der geringen Wahrscheinlichkeit bei einer Aufklärung gegen die Operation entschieden hätte, denn die Alternative dazu wäre gewesen, den Hengst nicht zu kastrieren und ihn dauerhaft alleine und nicht in Gesellschaft mit anderen Pferden zu halten. Jeder „vernünftige“ Pferdebesitzer hätte sich, angesichts der geringen Risikowahrscheinlichkeit in Abwägung zu den Nachteilen für eine solche Operation entschieden.

Eine schuldhafte Pflichtverletzung im Rahmen der Durchführung der Operation konnte ebenfalls nicht festgestellt werden. Die Operation wurde nach den Ausführungen des Sachverständigen  ordnungsgemäß durchgeführt. Er hat ausgeführt, dass es nicht zum tiermedizinischen Standard gehört, Pferde nach einer Anästhesie mit Aufstehhilfen zu unterstützen, so dass das Aufstehen lassen des Pferdes ohne Aufstehhilfe nach einer Operation keine Pflichtverletzung darstellt. Auch eine ununterbrochene Beaufsichtigung in der Aufwachphase ist nicht geschuldet. Zum einen ist dies unüblich, zum anderen hätte auch eine ständige Überwachung die Verletzung nicht verhindert.

Der widerklagend geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Operationskosten ergibt sich aus § 611 BGB. Der tierärztliche Behandlungsvertrag stellt einen Dienstvertrag dar, weswegen der Zahlungsanspruch unabhängig von einem bestimmten Behandlungserfolg entsteht.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Stute verletzt Hengst nach Deckakt – Schadensersatzforderung gegen Halterin der Stute?

„Wenn (…) die Eigentümerin des Hengstes in Kauf nimmt, die Paarung durch Führen der Pferde am langen Zügel ohne jede Sicherungsmaßnahmen durchzuführen, handelt sie auf eigene Gefahr, muss das Risiko selbst verantworten und kann es nicht auf die Halterin der Stute abwälzen.“ (Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 10.06.2013 – 3 U 1486/12 – )

Sachverhalt:

Der Araberhengst  der Klägerin aus einem Gestüt im Rheingau sollte im Mai 2011 die Stute der Beklagten aus Rheinhessen decken. Die Belegung der Stute sollte nicht durch künstliche Besamung, sondern auf natürliche Weise (Natursprung) erfolgen, wobei die beiden Pferde am langen Zügel geführt wurden. Auf eine Sicherung der Pferde wurde von den Parteien einvernehmlich verzichtet. Nachdem sich die Pferde auf einer Wiese beschnuppert hatten, zeigte die Stute ihre Paarungsbereitschaft und der Hengst sprang von hinten auf sie auf. Als er nach dem Deckakt von der Stute herunter stieg, trat die Stute nach hinten aus. Der Tritt traf den Hengst am rechten Vorderbein, wodurch er einen schweren Trümmerbruch erlitt und noch am selben Tag vom Tierarzt erlöst werden musste.

Die Halterin und Eigentümerin des eingeschläferten Hengstes verlangte nach dem Vorfall Schadensersatz in Höhe von 25.000 Euro (Wert des Hengstes nach ihren Angaben) von der Halterin der Stute. Die Beklagte erwiderte, dass die Klägerin selbst auf Vorkehrungen zum Schutz ihres Pferdes verzichtet habe und damit selbst die Schuld für den Schaden trage.

 

Entscheidung:

Kein Schadensersatz für eingeschläfertes Pferd wegen überwiegendem Mitverschulden der Klägerin

Verletzt eine Stute den Hengst beim Deckakt, realisiere sich die in jedem Tier innewohnende  typische Tiergefahr. Für Schäden die durch diese Tiergefahr entstehen, haftet grundsätzlich der Tierhalter, § 833 I BGB. Anders sehe es jedoch aus, wenn wie hier die Halterin und Eigentümerin des Hengstes selbst keine Sicherungsmaßnahmen für den Deckakt getroffen habe. Dann habe sie ein Mitverschulden, was die Haftung für die Halterin der Stute ausschließe, so das Landgericht.

Die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil blieb vor dem Oberlandesgericht Koblenz ohne Erfolg. Zwar habe sich in dem Verhalten der Stute eine typische Tiergefahr realisiert, womit die Eigentümerin des Hengstes grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte habe. Dieser erübrige sich aber, da die Klägerin ihr Pferd während der Paarung nicht geschützt und damit auf eigene Gefahr gehandelt habe. Das Austreten der Stute während dem Decken sei ein Verhalten, mit dem man rechnen müsse. Durch das Zuführen des Hengstes im vorliegenden Fall ohne Sicherheitsmaßnahmen sei die Hengstbesitzerin bewusst ein Risiko eingegangen, sodass die Haftung der Halterin der Stute komplett entfalle.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Wann gilt ein Pferd als „gebraucht“?

„Nach Auffassung des Senates ist der zum Zeitpunkt des Verkaufs zweieinhalb Jahre alte Hengst nicht mehr als jung und infolgedessen als „gebraucht“ im Sinne des Gesetzes anzusehen.“

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 04.07.2018, Az. 12 U 87/17

Vorinstanz: Landgericht Itzehoe, Urteil vom 15. November 2017

Der Sachverhalt

Die Klägerin ersteigerte am 01.11.2014 auf einer von der Beklagten veranstalteten Auktion einen damals zweieinhalb Jahre alten Hengst. Nach Rücktritt vom Pferdekaufvertrag verlangt sie die Rückabwicklung des Pferdekaufvertrages (Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes). Der Hengst stand ab der Übergabe bis zum Sommer 2015 im Stall der Klägerin. Die Klägerin hat behauptet, sie habe versucht den Hengst zu longieren und an Sattel und Reitergewicht zu gewöhnen. Ab dem Sommer 2015 bis Oktober 2015 habe der Hengst auf einer Weide gestanden. Ab Mitte Oktober 2015 bis Frühjahr 2016 habe sie versucht, den Hengst anzureiten.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe den Hengst als zukünftiges Dressurpferd gekauft, das Tier sei nicht reitbar und auffällig widersetzlich und empfindlich. Es habe schon mindestens im Zeitpunkt der Auktion ein sogenanntes Kissing Spines im Bereich der Brust und der Lendenwirbelsäule und eine Verkalkung im Nackenbereich im Bereich des Hinterhauptes aufgewiesen. Der Beklagte hat die behaupteten Sachmängel bestritten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, der Rücktritt sei wegen Verjährung eines hypothetischen Nacherfüllungsanspruchs unwirksam (§§ 438 Abs. 4, 218 BGB). Die Klägerin habe zwar den Rücktritt mit Schreiben vom 11.10.2016 und damit vor Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist erklärt. Die Verjährungsfrist sei jedoch nach den Auktionsbedingungen der Beklagten auf drei Monate nach Gefahrübergang beschränkt worden. Die Auktionsbedingungen der Beklagten seien wirksam als allgemeine Geschäftsbedingungen in den Vertrag einbezogen worden.

Die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf gemäß § 474 Abs. 2 Satz 2 BGB seien nicht anwendbar, da die Klägerin den Hengst bei einer öffentlich zugänglichen Versteigerung gekauft und das Tier als gebrauchte Sache im Sinne des Gesetzes anzusehen sei.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt.

Die Entscheidung

Die von der Klägerin eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg. Das OLG wies die Berufung zurück, weil der Rücktritt vom Pferdekaufvertrag – unabhängig davon, ob das Pferd mangelhaft ist oder nicht – unwirksam gewesen sei. Die Gewährleistungsansprüche seien bereits verjährt, denn die vertraglich vereinbarte Verkürzung der Gewährleistungsfrist auf drei Monate sei wirksam. Eine derartige Verkürzung wäre nur dann nicht möglich, wenn die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf zur Anwendung kämen. Dies sei aber nicht der Fall, weil es sich bei dem Hengst um eine gebrauchte Sache im Sinne dieser Vorschrift handele und er in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung verkauft worden sei.

Für die Frage, ob ein Tier gebraucht ist, sei allein auf den Ablauf einer gewissen Zeitspanne nach der Geburt des Tieres und der damit verbundenen körperlichen Entwicklung des Tieres abzustellen. Es komme entscheidend darauf an, ob das Tier über einen längeren Zeitraum so vielen Umwelteinflüssen und äußeren Einwirkungen ausgesetzt war, dass das altersbedingte Sachmängelrisiko derart gestiegen ist, sodass das Tier nicht mehr als neu angesehen werden kann. Das sei hier der Fall, so die Richter. Ein Hengst im Alter von zweieinhalb Jahren ist schon längere Zeit von der Mutterstute getrennt, hat eine eigenständige Entwicklung vollzogen und ist bereits seit längerem geschlechtsreif. Durch die Geschlechtsreife verändert sich nicht nur das Verhalten eines Hengstes erheblich, sondern durch die eingetretenen biologischen Veränderungen erhöht sich auch das Mängelrisiko beträchtlich.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Käuferin steht der Gang zum Bundesgerichtshof (BGH) noch offen.

Über den Ausgang der Verhandlung werden wir berichten.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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