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Mangelhaftigkeit eines Pferdes bei unerwünschten Verhaltensweisen

Keine Mangelhaftigkeit eines Pferdes zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs bei unerwünschter Verhaltensweisen

LG Coburg, Endurteil v. 26.01.2016 – 23 O 500/14

Entwickelt ein noch relativ junges Pferd, welches zum Übergabezeitpunkt an den Käufer ein ruhiges und ausgeglichenes Wesen zeigt, unter dem neuen, unerfahrenen Reiter unerwünschte Verhaltensweisen (Schreckhaftigkeit, Respektlosigkeit) kann für den Zeitpunkt des Gefahrübergangs kein Sachmangel festgestellt werden.

Der Sachverhalt:

Im Frühjahr 2014 erwarb der Hobby-Reiter (Kläger) ein damals 6-jähriges Pferd, das von der beklagten Verkäuferin als ruhig, ausgeglichen und problemlos im Gelände reitbar beschrieben worden war. Es sei eine „coole Socke“. Im Kaufvertrag wurde unter anderem geregelt, dass das Pferd angeritten sei und mit dem Tier weitergearbeitet werden müsse.

Ganz so cool war ‚Dusty‘ dann aber wohl doch nicht. Wenige Wochen nach der Übergabe sei das anfangs eher schläfrige Verhalten des Pferdes ins zunehmend Schreckhafte umgeschlagen. Schon beim geringsten Anlass neigte Dusty zu Panik und Flucht. Seinen neuen Besitzer habe er bereits zweimal abgeworfen. Für Freizeitreiter, an die das Angebot der Verkäuferin sich unbestritten gerichtet hatte, sei das Pferd nicht reitbar, fand der Käufer. Damit läge die vereinbarte Beschaffenheit des Pferdes nicht vor. Dieses leide vielmehr unter einem Charaktermangel, sei möglicherweise traumatisiert. Nach erfolgloser Aufforderung zur Nacherfüllung trat der Reiter schließlich vom Kaufvertrag zurück und forderte dessen Rückabwicklung.

Die Entscheidung:

Die Richter wiesen die Klage ab. Die Richter verlangten einen Nachweis für die Mangelhaftigkeit des Tieres zum Zeitpunkt der Übergabe. Sie befragten mehrere Zeugen, die angaben, dass die Verhaltensänderung erst nach einigen Wochen eingetreten sei. Auch nach Auffassung eines Sachverständigen handelte es sich bei den Auffälligkeiten des Pferdes nicht um eine Verhaltensstörung, sondern um ein – wenn auch unerwünschtes –  Verhalten, das dem Normalverhalten der Fluchttiere im weiteren Sinn entspreche, welches durch die Unerfahrenheit des Klägers als Reiter und dessen Umgang mit Pferden ausgelöst worden sei. Eine Traumatisierung konnte im Gutachten nicht bestätigt werden. Insgesamt sah das Gericht daher einen Charaktermangel bei Übergabe des Tieres nicht als erwiesen an.

Soweit der Käufer die fehlende Rittigkeit beziehungsweise Beherrschbarkeit des Pferdes gerügt hatte, handelt es sich nach der Entscheidung des LG um Gegebenheiten, die wegen der ständigen Entwicklung lebender Tiere nicht nur jederzeit auftreten, sondern auch vom Pferd und seiner Veranlagung unabhängige Ursachen haben können. Die speziellen Eigenschaften der Tiere als Lebewesen mit ständiger Entwicklung dürfen laut Gericht bei der Anwendung des Mängelgewährleistungsrechts nicht aus den Augen verloren werden. Daher komme dem Reiter die Regelung des § 476 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht zugute. Insgesamt konnte er den Nachweis der Mangelhaftigkeit des Tieres zum Zeitpunkt der Übergabe nicht führen.

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Susan Beaucamp

Rechtsanwältin

Verletzung durch Pferdetritt

Verletzung durch Pferdetritt: Tierarzt trifft bei unsachgemäßem Annähern an ein Tier ein Mitverschulden

Tierarzt muss bei geringem Platz in Pferdebox mit Widerstand des Tiers rechnen!

Verletzt eine Stute einen Tierarzt, der ihr Fohlen behandeln will, kann dem Tierarzt ein – im konkreten Fall mit einem Anteil von ¼ zu bemessendes – Mitverschulden anzurechnen sein, weil er sich der Stute in einer erkennbar gefährlichen Situation unsachgemäß genähert hat und dann durch einen Tritt des Pferdes verletzt wurde. Dies entschied das Oberlandesgericht Hamm und änderte damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Arnsberg teilweise ab.

Der Sachverhalt:

Der Kläger aus ist Tierarzt, der Beklagte aus Hobbypferdezüchter. Im April 2013 war der Beklagte Halter einer bisher ungerittenen Zuchtstute und ihres ca. drei Wochen alten Fohlens. Der Beklagte rief den Kläger wegen eines Notfalls zu Hilfe. Der Kläger sollte das an Durchfall erkrankte Fohlen im Reitstall des Beklagten ärztlich behandeln. Beim Eintreffen des Klägers befanden sich Stute und Fohlen in einer ca. 3,18 x 3,15 m großen Pferdebox. Der Beklagte hatte die Stute mit dem Kopf zur hinteren rechten Ecke gerichtet mit Halfter und Führstrick angebunden. Um das Fohlen zum Zwecke der Untersuchung und Behandlung von der Stute zu trennen, versuchte der Beklagte zunächst vergeblich, dem Jungtier einen Halfter über den Kopf zu streifen. Daraufhin begab sich der Kläger ca. 1 m weit in den vorderen Teil der Box, um das Fohlen von vorn am Kopf des Tieres zu fixieren. In diesem Moment drehte sich die Stute mit der Kruppe in Richtung Boxentür um und trat aus, wobei sie den Kläger am linken Oberschenkel traf und schwer verletzte. Der Kläger erlitt Frakturen, Muskel-, Kreuzband-, Gelenkkapsel- und Meniskusverletzungen, er musste operiert und stationär behandelt werden.

Das Urteil:

Der vom Kläger auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gegen den Beklagten erhobenen Klage gab das Oberlandesgericht Hamm unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote von ¼ zulasten des Klägers statt.

Der Beklagte hafte aus dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung als Tierhalter, da sich in der Verletzung des Klägers die typische Tiergefahr realisiert habe.

Dem Kläger sei allerdings ein Mitverschulden mit einer Quote von ¼ anzulasten.

Dieses sei in seinem tatsächlichen Verhalten vor der Verletzung begründet. Vor dem Betreten der Pferdebox sei für den Kläger erkennbar gewesen, dass er in der zu kleinen Pferdebox an jeder Stelle vom Huf der – offensichtlich erregten – Stute habe getroffen werden können. Der Schaden wäre durch zumutbares Trennen des Fohlens vom Muttertier mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vermieden worden.

In dieser Situation habe der Kläger die Pferdebox nicht betreten dürfen. Es habe mit einer Reaktion der Stute in einer so kurzen Zeitspanne gerechnet werden müssen, die keine menschliche Abwehrhandlung mehr zugelassen hätte. Um die beiden Pferde zu trennen, habe eine wesentlich weniger risikobehaftete Methode zur Verfügung gestanden. Die Stute und ihr Fohlen hätten durch ein Hinaus- und Wiederhineinführen beider Pferde aus und in die Pferdebox, gegebenenfalls unter Inanspruchnahme einer Nachbarbox voneinander getrennt werden können, indem die Boxentür zwischen Stute und Fohlen geschlossen worden wäre. Dieses zum Trennen der Tiere geeignete Vorgehen wäre dem Kläger auch zumutbar gewesen und hätte die Gefahr einer Verletzung erheblich verringert.

Mitverschulden des Klägers wird mit Quote von 1/4 bemessen

Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge – auf Seiten des Beklagten sei zu berücksichtigen, dass er die Pferde in einer zu kleinen Box gehalten und die Stute unsachgemäß mit dem Kopf vom Fohlen entfernt angebunden habe – verbleibe ein mit der Quote von ¼ zu bemessenes Mitverschulden beim Kläger.

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Susan Beaucamp

Rechtsanwältin