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Rücktritt vom Pferdekaufvertrag – Vorhandensein eines „Röntgenbefunds“ als Sachmangel

Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Oktober 2017, Az. VIII ZR 32/16

Vorinstanzen: LG München II, Urteil vom 28.03.2014 – 10 O 3932/11

OLG München, Urteil vom 11.01.2016 – 17 U 1682/14

Beweislastumkehr: nicht möglich

 

Der Sachverhalt:

Die Parteien schlossen im Jahr 2010 einen mündlichen Pferdekaufvertrag über einen damals 10 Jahre alten Wallach zum Preis von 500.000 €. Der Käufer beabsichtigte den Wallach als Dressurpferd bei Grand-Prix-Prüfungen einzusetzen. Der Pferdeverkäufer, ein selbständiger Reitlehrer und Pferdetrainer, hatte das Pferd zuvor für eigene Zwecke erworben und zum Dressurpferd ausgebildet. Nach zwei Proberitten und einer Ankaufsuntersuchung mit Röntgenbildern, in der sich keine erheblichen Befunde ergeben hatten, wurde das Pferd dem Pferdekäufer Ende November 2010 übergeben. Im Juni 2011 wurde dann jedoch im Rahmen einer tierärztlichen Untersuchung ein Röntgenbefund an einem Halswirbel des Pferdes festgestellt – der Gelenkfortsatz des vierten Halswirbels des Pferdes war deutlich verändert. Das Pferd lahmte und hatte Schmerzen, sodass es sich der reiterlichen Einwirkung widersetzte. Ob die schwerwiegenden Rittigkeitsprobleme auf die durch den Röntgenbefund festgestellte Veränderung des Halswirbels zurückzuführen waren, ließ sich nicht feststellen. Der Pferdekäufer erklärte – nach vergeblicher Fristsetzung zur Nacherfüllung – den Rücktritt vom Pferdekaufvertrag und begehrt dessen Rückabwicklung.

Das Urteil:

Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht gaben dem Pferdekäufer Recht. Auf die –Revision des Pferdeverkäufers entschied der Bundesgerichtshof jedoch, dass ein Reitlehrer und Pferdetrainer, der ein zuvor ausschließlich für private Zwecke erworbenes und ausgebildetes Dressurpferd verkauft, insoweit ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht als Unternehmer anzusehen sei und der Käufer sich deshalb nicht auf die Beweislastumkehr des § 477 BGB berufen könne.

Außerdem entwickelte der BGH seine bisherige Rechtsprechung dahingehend weiter, dass auch bei einem hochpreisigen Pferd Abweichungen von der physiologischen (Ideal)Norm ohne nachweisbare klinische Auswirkungen grundsätzlich keinen Sachmangel begründen, solange die Vertragsparteien keine dahingehende Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben.

Wie der BGH bereits in der Vergangenheit entschied, wird die Eignung eines symptomfreien Pferdes für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd nicht schon dadurch berührt, dass aufgrund von Abweichungen von der “physiologischen Norm” eine lediglich geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Pferd zukünftig klinische Symptome entwickeln könnte, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen. Ebenso wenig gehöre es zur üblichen Beschaffenheit eines Pferdes, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen “Idealnorm” entspreche. Ein Pferdekäufer könne nicht erwarten, ein Pferd mit “idealen” Anlagen zu erhalten, sondern müsse vielmehr damit rechnen, dass das von ihm erworbene Pferd in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufweise, wie sie für Lebewesen nicht ungewöhnlich sind.

Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob es sich um ein hochpreisiges oder günstiges Pferd oder einen vergleichsweise häufig oder (wie hier) selten auftretenden Röntgenbefund handelt. Der streitgegenständliche Röntgenbefund stelle deshalb keinen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB dar. Denn der gerichtliche Sachverständige hat klinische Auswirkungen dieses Befunds weder für den Übergabezeitpunkt feststellen können, noch es für wahrscheinlich erachtet, dass solche zukünftig auftreten werden. Soweit ein Pferdekäufer beim Pferdekauf derartige Abweichungen von der physiologischen Norm vermeiden will, bleibt es ihm unbenommen, mit dem Verkäufer eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB abzuschließen. Ohne eine derartige – vom Berufungsgericht im vorliegenden Fall zu Unrecht bejahte – Vereinbarung hat der Pferdeverkäufer allerdings nur dafür einzustehen, dass das Pferd bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich nicht in einem Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird.

Da nach alledem ein Mangel des Dressurpferdes aufgrund des Röntgenbefundes nicht in Betracht käme, könnten allenfalls die vom Pferdekäufer behaupteten diversen “Rittigkeitsprobleme” (Lahmheit, Schmerzen, Widersetzlichkeit) einen Sachmangel begründen. Dies gelte allerdings nur dann, wenn sie bereits bei Übergabe des Pferdes vorhanden waren und nicht erst danach auftraten. Dies konnte der Pferdekäufer nicht beweisen.

Die Beweislastumkehr des § 477 BGB käme dem Pferdekäufer hier nicht zugute. Denn diese Vorschrift gilt nur für Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer bewegliche Sachen kauft. An einer Unternehmereigenschaft des Pferdeverkäufers fehle es vorliegend jedoch, denn er handelte bei diesem Verkauf des Dressurpferdes nicht “in Ausübung” seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit als Reitlehrer und Pferdeausbilder. Vielmehr habe er das Pferd zuvor ausschließlich zu privaten Zwecken ausgebildet und trainiert, so dass ein Zusammenhang zu seiner beruflichen Tätigkeit allenfalls äußerlicher Natur war.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Kissing Spines – Rücktritt vom Pferdekaufvertrag

Für eine nach Übergabe erstmals auftretende Rückensymptomatik gilt von der Art des Mangels her die Vermutung des § 477 BGB.

„Bei Warmblut-Reitpferden stellen sklerotische Veränderungen der Wirbelsäule als solche – ohne in Erscheinung tretende Beschwerden – keinen Sachmangel gemäß § 434 Abs. 1 BGB dar“

OLG Celle, Urteil vom 31. Mai 2006, Az. 7 U 252/05

vorgehend LG Lüneburg, Urteil vom 29. September 2005, Az. 4 O 204/04

 

Der Sachverhalt

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Reitpferd sowie Ersatz der ihr durch Unterstellung entstandenen Kosten.

Beide Parteien sind Tierärzte. Die Klägerin ist zusätzlich Diplom-Pferde-Physiotherapeutin.

Der Beklagte veräußerte die von ihm selbst gezogene Trakehnerstute „L.“ an die Klägerin. Die Klägerin hatte das Pferd zuvor probegeritten. Die Parteien vereinbarten eine Ankaufuntersuchung durch den Tierarzt S., die bereits am Tag zuvor erfolgte.

Schriftlich wandte die Klägerin sich an den Beklagten und beanstandete, die Stute habe von Anfang an leider nicht die Entwicklung gezeigt, die sie erwartet habe. Sie habe die weitere Untersuchung nun in tierärztliche Hand übergeben. Der Tierarzt habe eine mittelgradige Hyperästhesie der langen Rückenmuskulatur im Bereich der Sattellage und Lende beidseitig festgestellt. Das Pferd sei im Trab hochgradig verspannt, das Untertreten hinten beidseits deutlich verkürzt. Eine Röntgenuntersuchung der Dornfortsätze in der Sattellage habe deutlich enge Zwischenräume mit drei Verdichtungszonen im Randbereich (Kissing Spines) ergeben. Nach Durchführung einer lokalen antiphlogistischen Behandlung der drei Dornfortsatzzwischenräume sei nach einer Woche keine Überempfindlichkeit der langen Rückenmuskulatur mehr festzustellen gewesen, das Untertreten im Trab sei ohne Einschränkung erfolgt und die Rückenschwingung sei deutlich zu erkennen gewesen.

Die Klägerin erklärte den Rücktritt. Die Beklagte verweigerte die Rückabwicklung, sodass die Klägerin Klage am Landgericht erhob.

Das Landgericht wies die Klage ab. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

 

Die Entscheidung

Das OLG wies die Berufung ab, es läge schon kein Sachmangel vor.

Die bei der Trakehnerstute unstreitig festgestellten verengten Zwischenräume mit drei Verdichtungszonen im Randbereich der Dornfortsätze (Kissing Spines) sind von den Feststellungen der Ankaufsuntersuchung nicht erfasst. Dieser ist aufgrund der durchgeführten Adspektion und Palpation des Rückenbereichs zwar zu einer befundlosen Diagnose gelangt. Weitergehende röntgenologische Untersuchungen der Dornfortsätze im Bereich der Brust- und Lendenwirbel des Pferdes waren jedoch nicht Gegenstand seiner Untersuchung und damit auch nicht Grundlage einer etwaigen Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien.

Eine hiervon abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB. Der Pferdekaufvertrag enthält keine konkretisierte Verwendungsbestimmung des kaufgegenständlichen Pferdes.

Schließlich führt auch die Anwendung des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB nicht zu einer Mangelhaftigkeit der veräußerten Stute. Ist die Verwendung der Kaufsache im Vertrag nicht oder aber die gewöhnliche Verwendung nur konkludent vereinbart, so liegt kein Sachmangel im Sinne der vorgenannten Vorschrift vor, wenn sich die Sache für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann. Bei der danach vorzunehmenden Beurteilung der gewöhnlichen Verwendung ist grundsätzlich ein objektivierter Maßstab anzulegen. Vergleichsmaßstab hinsichtlich der üblichen Beschaffenheit ist der Zustand von Sachen gleicher Art und Güte.

In diesem Sinne ist eine Mangelhaftigkeit des Pferdes allein wegen des Vorhandenseins eines „Kissing Spines-Syndroms“ nicht gegeben. Die an der Trakehnerstute festgestellten sklerotischen Veränderungen im Randbereich der Dornfortsätze sind als noch innerhalb der Norm liegend zu qualifizieren. Nach den Sachverständigenfeststellungen sind bei der überwiegenden Zahl von Warmblütern derartige sklerotische Veränderungen festzustellen.

Danach kann nicht festgestellt werden, dass bereits der bloße röntgenologische Befund einen Mangel darstellt. Es gibt bei allen Warmblütern, Menschen und Tieren, zahlreiche von der Norm abweichende Befunde, die gleichwohl nie zu Beschwerden führen. Ein im idealen Sinn mangelfreies Tier dürfte nicht existieren. Die bloße Disposition für das mögliche spätere Auftreten einer Erkrankung, die erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände ausgelöst wird, kann nicht bereits als Mangel eingestuft werden.

Die genetische Disposition eines Tieres, eine bestimmte Krankheit zu bekommen, kann nur dann selbst bereits als Mangel eingestuft werden, wenn das Auftreten der darauf beruhenden Krankheit zwingend, lediglich der Zeitpunkt ungewiss ist. Das ist aber im vorliegenden Fall zu verneinen.

Selbst wenn das Vorliegen eines Mangels zu bejahen wäre, so konnte die Klägerin nicht beweisen, dass der Mangel bereits zum Zeitpunkt der Übereignung vorlag. Der Klägerin kommt insoweit nicht die Beweiserleichterung des § 477 BGB zu Gute, denn die von dem Gesetzgeber für den Verbrauchsgüterkauf vorgesehene Beweislastumkehr für Mängel, die innerhalb von 6 Monaten seit Gefahrübergang auftreten, gilt nicht, wenn die Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist. Diese Voraussetzung liegt hier vor.

Die nach der Übergabe auf dem Gelände der Klägerin bei dem erworbenen Pferd in Erscheinung getretenen Beschwerden können aus verschiedenen Gründen ausgelöst worden sein, insbes. auch psychosomatischer Natur wie von der Klägerin selbst vermutet wie neue Umgebung. neue Bezugspersonen oder einen anderen Sattel. Sie sind deshalb bereits von ihrer Art her nicht geeignet, die Vermutung des § 477 BGB zu begründen.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Kopfscheues Pferd –Rücktritt vom Pferdekaufvertrag wegen charakterlicher Mängel?

Problem: Beschaffenheitsvereinbarung

OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.09.2005; AZ: 22 U 82/05

Vorinstanz: LG Wuppertal, Urteil vom 18.04.2005

 

Sachverhalt:

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Pferdes.

Die Klägerin erwarb vom Beklagten ein Pferd nebst Zubehör für einen Kaufpreis von 4000 Euro. Vor dem Kauf ritt die Klägerin das Pferd Probe.

Der Beklagte habe laut der Klägerin ihr zugesichert, dass das Pferd zum Turniereinsatz geeignet sei. Beim Proberitt sei das Pferd auch ruhig gewesen. Nach der Übergabe sei das Pferd jedoch kopfscheu, nervös und unwillig gewesen und somit weder als Freizeit- noch als Turnierpferd zu gebrauchen.

Zudem sei der mitgelieferte Sattel für das Pferd ungeeignet gewesen, sodass sich die Klägerin einen neuen Sattel kaufen musste.

Der Beklagte behauptet, es sei vereinbart gewesen, dass Pferd als Freizeitpferd zu verwenden.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klage wurde abgewiesen.

Es stehe nach der Überzeugung des Gerichts fest, dass das Pferd als Freizeitpferd geeignet sei und die Möglichkeit eines Turniereinsatzes nur in Aussicht gestellt worden sei. Laut dem Sachverständigen sei zudem davon auszugehen, dass das Pferd an Turnieren für die Dressur teilnehmen könne.

Ansprüche bzgl. des Sattels seien nicht gegeben, da die Klägerin keine Nacherfüllung verlangt habe. Bei einem Mangel beim Sattelzeugs eines Pferdes muss der Kläger diese zunächst verlangen.

Gegen diese Entscheidung begehrt die Klägerin die Berufung. Die Berufung wird zurückgewiesen, da sie unbegründet ist.

Das Pferd weist nämlich keinen Sachmangel nach § 434 Abs. 1 BGB auf. Ein Rücktrittsrecht kommt wegen fehlender Dressureignung nicht in Betracht, da eine solche Beschaffenheitsvereinbarung nicht zwischen den Parteien vereinbart wurde.

Das Pferd sei nach dem Gutachten des Sachverständigen nicht dressurgeeignet sowie nicht turniergeeignet. Das Pferd weigert sich vehement auch bei einem geübten Reiter, an den Hilfen zu gehen. Das Pferd gehorche somit nicht auf reiterliche Einwirkungen.

Zwar haben die Parteien über die Turniereignung des Pferdes gesprochen, diese Gespräche führten aber zum einen nicht dazu, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung vereinbart wurde. Der Sohn des Beklagten, der die Verhandlungen geführt hatte, habe nur dem Kläger mitgeteilt, dass das Pferd das Potenzial für eine Turnierteilnahme nach seiner Einschätzung habe, es also A-Dressur laufen könne, nicht aber, dass es dies auch wirklich erreichen könne. Die Klägerin konnte durch die Aussage erkennen, dass das Pferd bei dem Beklagten kein Training hierfür bekam und, dass dies deshalb nur eine Einschätzung des Beklagten war. Zum anderen steht im Pferdekaufvertrag, dass das Pferd nicht gesund und versicherungsfähig (Haftungsausschluss) ist. Es kommt folglich erst gar nicht als Turnierpferd in Frage.

Der Beklagte habe somit nur ein Pferd mit beschränkter Nutzungsmöglichkeit verkauft. Er wollte nicht für die Beschaffenheit als Turnierpferd einstehen.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Hengstiges Verhalten – Minderung des Kaufpreises wegen Sachmangels

Keine Nachbesserung wegen Arglist des Verkäufers

BGH, Urteil vom 09.01.2008, AZ: VIII ZR 210/96

Vorinstanz: OLG Hamm, Urteil vom 14. Juni 2006, AZ: 11 U 143/05

Eingangsinstanz: LG Münster, Urteil vom 28. Oktober 2005, AZ: 16 O 582/04

Sachverhalt:

Die Klägerin kaufte von dem Beklagten ein Dressurpferd zum Preis von 45.000 Euro. Sie machte wegen eines Sachmangels Minderung in Höhe von 50% des Kaufpreises geltend. Bei dem Sachmangel handele es sich um einen „(residualen) Kryptorchiden“ d.h. es erfolgte bei der Kastration keine vollständige Entfernung des Hodengewebes.

Durch die unvollständige Kastration zeige das Pferd hengstiges Verhalten und sei als Dressurpferd nicht geeignet. Laut der Klägerin habe der Beklagte vor dem Kauf von dem Mangel gewusst und sie daher arglistig getäuscht.

Entscheidungsgründe:

In der Eingangsinstanz und in der Berufungsinstanz unterlag die Klägerin. Die Revision hatte jedoch Erfolg. Die rechtlichen Erwägungen der Vorinstanzen halten eine rechtliche Nachprüfung nicht stand.

Die Klägerin hat ein Anspruch auf Minderung des Kaufpreises nach §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 2, 440, 441, 90 a BGB.

Das Pferd entsprach nicht der vereinbarten Beschaffenheit, weil die vor Gefahrübergang durchgeführte Kastration nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde und das Pferd damit nicht mehr als Dressurpferd geeignet war.

Die Klägerin musste dem Beklagten keine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen. Grundsätzlich wird auch beim Tierkauf vorausgesetzt, dass dem Verkäufer zuerst erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt wird, welches hier unstreitig nicht passierte. Es liegt jedoch eine Ausnahme nach § 440 BGB vor, in dem eine Fristsetzung entbehrlich ist.

Es ist zwar nicht für die Klägerin unzumutbar, dem Pferd die Risiken einer erneuten Operation auszusetzen – an der Beurteilung des Berufungsrichters wegen eines schriftlichen Gutachtens eines Sachverständigen war nichts auszusetzen -.

Die Nacherfüllung ist aber wegen der arglistigen Täuschung des Beklagten für die Klägerin unzumutbar. Eine begangene Täuschungshandlung des Beklagten beschädigt nämlich die erforderliche Vertrauensgrundlage für die Nacherfüllung. Eine Fristsetzung ist entbehrlich.

Der Beklagte hatte als Verkäufer nur ein Anrecht auf Nacherfüllung, wenn er von dem Sachmangel beim Abschluss des Pferdekaufvertrages nichts wusste. War ihm der Mangel jedoch bekannt, hätte er vor Abschluss des Pferdekaufvertrages den Mangel beseitigen können. Der Verkäufer, der arglistig täuscht, hat somit die verbundenen wirtschaftlichen Nachteile der Rückabwicklung des Vertrages zu tragen.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Kissing Spines Mangel eines Pferdes – Gewährleistungsrecht im Pferderecht

Haftung beim Pferdekauf: Beweislastumkehr bei Vorliegen von Kissing-Spines anwendbar

„Das Vorliegen von Kissing-Spines bei einem Pferd, das aufgrund der konkreten Gegebenheiten im Zeitpunkt des Gefahrüberganges eine mehr als 50%-ige Wahrscheinlichkeit dafür begründet, dass sich bei dem Pferd alsbald klinische Symptome einstellen werden, steht der Anwendbarkeit des § 476 BGB nicht entgegen.“

LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17. Dezember 2008, Az. 14 O 10670/07

Der Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines PferdekaufvertragesDer Kläger erwarb von der Beklagten eine Stute. Zuvor wurde das Pferd von der Ehefrau des Klägers Probe geritten. Hierbei zeigten sich keine negativen Auffälligkeiten. Auch die Ankaufsuntersuchung, welche das Verhalten unter einem Reiter nicht testete, kam zu keinem besonderen Befund.

In der Folgezeit wurde die Stute tierärztlich untersucht und durch einen Osteopathen behandelt. Mit Anwaltsschreiben wandte sich der Kläger sodann an die Beklagte. Dort führte er aus, dass das Pferd mehrere Chips sowie hochgradige „Kissing Spines“ aufweise und lahme. Zugleich forderte der Kläger die Beklagte darin auf, den Mangel zu beheben. Nachdem die Beklagte in der Folgezeit keinerlei Aktivitäten im Hinblick auf eine Mängelbeseitigung entfaltete, erklärte der Kläger mit Anwaltsschreiben den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte den gezahlten Kaufpreis zurück. Dies lehnte die Beklagte ab.

Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe das Pferd „R.“ vor allem zur Zucht erwerben wollen; nur gelegentlich habe sie es reiten wollen. Es sei bei dem Vertragsschluss nicht davon die Rede gewesen, dass das Pferd als Dressurpferd genutzt werden solle. Das Pferd habe nach seiner Überführung in den Stall des Klägers nicht gelahmt. Außerdem liege kein Verbrauchsgüterkauf vor.

 

Die Entscheidung

Der Kläger sei zum Rücktritt berechtigt gewesen, denn die Stute sei mangelhaft.

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH könne ein Mangel nicht bereits darin gesehen werden, dass bei einem klinisch unauffälligen Pferd lediglich eine Abweichung von der „physiologischen Norm“ vorliege, die mit einer geringen Wahrscheinlichkeit dazu führe, dass das Pferd zukünftig klinische Symptome entwickeln werde, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegen stünden – dies selbst dann, wenn der Markt bereits auf diese geringe Wahrscheinlichkeit mit Preisabschlägen reagiere. Dass erkennende Gericht teile in Abgrenzung dazu die Auffassung des LG Münster, wonach ein Fehler im Rechtssinne dann zu bejahen sei, wenn im Zeitpunkt des Gefahrübergangs aufgrund der gegebenen Befunde eine Wahrscheinlichkeit von 50% oder mehr dafür bestehe, dass sich alsbald klinische Symptome einstellen würden oder sich tatsächlich eingestellt hätten.

Aufgrund des Gutachtens der gerichtlichen Sachverständigen stehe fest, dass das Pferd an einem Mangel in vorbeschriebenem Rechtssinne leide. Danach weise das Pferd sogenannte „Kissing Spines“ mit Osteolysen am Übergang BWS / LWS auf, die aufgrund ihrer konkreten physiologischen Gegebenheiten eine mehr als 50%ige Wahrscheinlichkeit dafür begründen würden, dass klinische Symptome auftreten werden, die die Tauglichkeit für die Verwendung der Stute als Reitpferd bzw. als Dressurpferd beeinträchtigen werden. Insoweit lägen bei dem Pferd am Rücken aber auch im Bereich der Hintergliedmaßen Befunde nach den Röntgenklassen III-IV vor, verbunden mit klinischer Schmerzhaftigkeit im Sinne eines apparenten „Kissing-Spines-Syndroms“. Auf die Chips, die nach den Ausführungen der Sachverständigen den gerichtlich vorgegebenen Mangelbegriff nicht ausfüllen würden, komme es mithin nicht an.  Zwar hätten sich die Symptome der physiologischen Mängel des Pferdes (das Lahmen) nach dem Vortrag des Klägers erst nach der Übergabe des Pferdes gezeigt. Das sei für den Kläger indessen unschädlich, weil ein Verbrauchsgüterkauf vorläge, so dass zu seinen Gunsten die Beweislastumkehr des § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] eingreife.

Der Befund der Kissing Spines stünde der Anwendung der Beweislastregelung des § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] nicht. Denn bei den „Kissing Spines“ als einer besonderen Disposition der Wirbelsäule des Pferdes handele es sich nicht um ein plötzlich und unerwartet auftauchendes Phänomen, sondern um ein solches, das zu seiner Ausbildung eine gewisse Zeit und Stetigkeit brauchen würde; soweit dem Urteil des OLG Celle anderes zu entnehmen sei, beachte es die grundlegenden Ausführungen des BGH zur Anwendbarkeit des § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] nicht. Der Auffassung des OLG Oldenburg sei ebenfalls nicht zu folgen. Das OLG habe in seinem Urteil die Anwendbarkeit des § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] ausgeschlossen, weil die Beweislastregelung mit der Art des Mangels nicht vereinbar sei. Eine solche Begründung – diverse Entstehungsfaktoren und ggf. kurze Entstehungszeit – reiche für einen Ausschluss der Beweislastregelung nicht.

Den der Beklagten obliegenden Entlastungsbeweis im Rahmen des § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] habe diese angesichts des entgegen stehenden Sachverständigengutachtens nicht führen können.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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