Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Oktober 2017, Az. VIII ZR 32/16
Vorinstanzen: LG München II, Urteil vom 28.03.2014 – 10 O 3932/11
OLG München, Urteil vom 11.01.2016 – 17 U 1682/14
Beweislastumkehr: nicht möglich
Der Sachverhalt:
Die Parteien schlossen im Jahr 2010 einen mündlichen Pferdekaufvertrag über einen damals 10 Jahre alten Wallach zum Preis von 500.000 €. Der Käufer beabsichtigte den Wallach als Dressurpferd bei Grand-Prix-Prüfungen einzusetzen. Der Pferdeverkäufer, ein selbständiger Reitlehrer und Pferdetrainer, hatte das Pferd zuvor für eigene Zwecke erworben und zum Dressurpferd ausgebildet. Nach zwei Proberitten und einer Ankaufsuntersuchung mit Röntgenbildern, in der sich keine erheblichen Befunde ergeben hatten, wurde das Pferd dem Pferdekäufer Ende November 2010 übergeben. Im Juni 2011 wurde dann jedoch im Rahmen einer tierärztlichen Untersuchung ein Röntgenbefund an einem Halswirbel des Pferdes festgestellt – der Gelenkfortsatz des vierten Halswirbels des Pferdes war deutlich verändert. Das Pferd lahmte und hatte Schmerzen, sodass es sich der reiterlichen Einwirkung widersetzte. Ob die schwerwiegenden Rittigkeitsprobleme auf die durch den Röntgenbefund festgestellte Veränderung des Halswirbels zurückzuführen waren, ließ sich nicht feststellen. Der Pferdekäufer erklärte – nach vergeblicher Fristsetzung zur Nacherfüllung – den Rücktritt vom Pferdekaufvertrag und begehrt dessen Rückabwicklung.
Das Urteil:
Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht gaben dem Pferdekäufer Recht. Auf die –Revision des Pferdeverkäufers entschied der Bundesgerichtshof jedoch, dass ein Reitlehrer und Pferdetrainer, der ein zuvor ausschließlich für private Zwecke erworbenes und ausgebildetes Dressurpferd verkauft, insoweit ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht als Unternehmer anzusehen sei und der Käufer sich deshalb nicht auf die Beweislastumkehr des § 477 BGB berufen könne.
Außerdem entwickelte der BGH seine bisherige Rechtsprechung dahingehend weiter, dass auch bei einem hochpreisigen Pferd Abweichungen von der physiologischen (Ideal)Norm ohne nachweisbare klinische Auswirkungen grundsätzlich keinen Sachmangel begründen, solange die Vertragsparteien keine dahingehende Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben.
Wie der BGH bereits in der Vergangenheit entschied, wird die Eignung eines symptomfreien Pferdes für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd nicht schon dadurch berührt, dass aufgrund von Abweichungen von der “physiologischen Norm” eine lediglich geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Pferd zukünftig klinische Symptome entwickeln könnte, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen. Ebenso wenig gehöre es zur üblichen Beschaffenheit eines Pferdes, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen “Idealnorm” entspreche. Ein Pferdekäufer könne nicht erwarten, ein Pferd mit “idealen” Anlagen zu erhalten, sondern müsse vielmehr damit rechnen, dass das von ihm erworbene Pferd in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufweise, wie sie für Lebewesen nicht ungewöhnlich sind.
Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob es sich um ein hochpreisiges oder günstiges Pferd oder einen vergleichsweise häufig oder (wie hier) selten auftretenden Röntgenbefund handelt. Der streitgegenständliche Röntgenbefund stelle deshalb keinen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB dar. Denn der gerichtliche Sachverständige hat klinische Auswirkungen dieses Befunds weder für den Übergabezeitpunkt feststellen können, noch es für wahrscheinlich erachtet, dass solche zukünftig auftreten werden. Soweit ein Pferdekäufer beim Pferdekauf derartige Abweichungen von der physiologischen Norm vermeiden will, bleibt es ihm unbenommen, mit dem Verkäufer eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB abzuschließen. Ohne eine derartige – vom Berufungsgericht im vorliegenden Fall zu Unrecht bejahte – Vereinbarung hat der Pferdeverkäufer allerdings nur dafür einzustehen, dass das Pferd bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich nicht in einem Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird.
Da nach alledem ein Mangel des Dressurpferdes aufgrund des Röntgenbefundes nicht in Betracht käme, könnten allenfalls die vom Pferdekäufer behaupteten diversen “Rittigkeitsprobleme” (Lahmheit, Schmerzen, Widersetzlichkeit) einen Sachmangel begründen. Dies gelte allerdings nur dann, wenn sie bereits bei Übergabe des Pferdes vorhanden waren und nicht erst danach auftraten. Dies konnte der Pferdekäufer nicht beweisen.
Die Beweislastumkehr des § 477 BGB käme dem Pferdekäufer hier nicht zugute. Denn diese Vorschrift gilt nur für Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer bewegliche Sachen kauft. An einer Unternehmereigenschaft des Pferdeverkäufers fehle es vorliegend jedoch, denn er handelte bei diesem Verkauf des Dressurpferdes nicht “in Ausübung” seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit als Reitlehrer und Pferdeausbilder. Vielmehr habe er das Pferd zuvor ausschließlich zu privaten Zwecken ausgebildet und trainiert, so dass ein Zusammenhang zu seiner beruflichen Tätigkeit allenfalls äußerlicher Natur war.
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Rechtsanwältin Susan Beaucamp
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