Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch wegen der Infektion von Pferden mit dem EIA-Virus

Dass das Blut eines Spendertieres im Mai 2012 nicht auf EIA-Viren getestet wurde, stellte keine Verletzung des Standards guter Tiermedizin dar.“

Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 23. September 2015, Az. I-5 U 189/14

vorgehend Landesgericht Bonn, Urteil vom 12. November 2014, Az. 9 O 8/13

Der Sachverhalt

Die Kläger sind Pferdezüchter. Der Beklagte betreibt eine tierärztliche Pferdeklinik. Er war seit 2002 Eigentümer des Pferdes „B“. Dieses Pferd wurde auch für Blut- und Plasmaspenden eingesetzt.

Am 17. Mai 2011 verkaufte der Beklagte einer der Klägern eine solche Plasmaspende.

Der Beklagte führte bei vier der klägerischen Pferde jeweils eine Plasmatransfusion mit Plasma des Pferdes „B“ durch.

Die Kläger behaupten, dass B2s Blut mit einem Virus („Equine Infektiöse Anämie“ = EIA) verseucht gewesen sei.

Durch die vier klägerischen Pferde, die eine Plasmainfusion erhalten haben, seien zwei weitere klägerische Pferde angesteckt worden.

Nach Entdeckung der Infektion seien die infizierten Pferde auf Anordnung des Veterinäramtes getötet worden.

Die Kläger begehren Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Die Entscheidung

Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht weist die Parteien darauf hin, dass es beabsichtigt, die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Es kämen keine vertraglichen Ansprüche (§§ 280, 611 BGB) in Betracht.

Bezüglich der angesteckten Pferde schon deshalb nicht, weil hier keine vertragliche Verbindung zu dem Beklagten bestünde. Einen Behandlungs- oder sonstigen Vertrag, der auf die Behandlung ihrer Pferde gerichtet wäre, und in dessen Folge verseuchtes Blutplasma übertragen worden wäre, hätten die Kläger mit dem Beklagten nicht geschlossen. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der wohl am ehesten als Kaufvertrag zu qualifizierende Vertrag über das Blutplasma die Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erfülle.

Hinsichtlich der tierärztlichen Behandlung der Pferde, die eine Plasmatransfusion erhielten, sei zwar ohne weiteres vom Vorliegen eines Behandlungsvertrages auszugehen. Allerdings fehle es am Erfordernis einer schuldhaften Pflichtverletzung des Beklagten. Der Tierarzt verstoße nur dann in vorwerfbarer Weise gegen seine vertraglichen Pflichten, wenn er das nicht beachte, was zum Zeitpunkt der schädigenden Handlung oder Unterlassung tierärztlicher Standard bedeute. Standard bedeute dabei den Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und ärztlichen (bzw. tierärztlichen) Erfahrung, der sich in der praktischen Erprobung bewährt habe und dessen Einsatz zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich sei.

Unter diesen Voraussetzungen könne aber eine Verletzung des Standards guter Tiermedizin auch für den hier interessierenden Zeitraum, in dem die Pferde durch den Beklagten eine Plasmaspende erhielten, nicht festgestellt werden. Bei dieser Bewertung stütze sich der Senat ebenso wie die Kammer auf das überzeugende Gutachten des Sachverständigen, der sich sehr eingehend unter Auswertung der entsprechenden Literatur und unter Einholung eigener Auskünfte mit der Frage auseinandergesetzt habe, ab wann davon auszugehen gewesen sei, dass die Testung von Plasma auf EIA-Viren vor der Verabreichung an ein Tier sich im Bewusstsein der entsprechenden Tiermediziner-Kreise als gutes standardgemäßes Vorgehen durchgesetzt hätte. Er sei zu dem Ergebnis gelangt, dass es letztlich die Infektionsfälle gewesen seien, die im Spätsommer/Herbst des Jahres 2012 aufgetreten oder bekannt geworden seien, die ein Bewusstsein für die Notwendigkeit der Testung auf EIA-Viren geschaffen hätten. Dieser Umstand spreche dafür, einen tierärztlichen Standard erst ab diesem Zeitpunkt, d.h. ein Jahr nach den hier erfolgen Plasmaspenden, anzunehmen.

Auch Ansprüche der Kläger aus § 1 Abs.1 Satz 1 ProdHaftG bestünden nicht.

Das Produkthaftungsgesetz sei zwar anwendbar, das streitgegenständliche Blutplasma sei aber nicht fehlerhaft im Sinne des ProdHaftG gewesen. Nach § 3 ProdHaftG habe ein Produkt einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit biete, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere seiner Darbietung, des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden könne, sowie des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde, berechtigterweise erwartet werden könne.

Nach diesen Grundsätzen könnte von dem Beklagten zum Zeitpunkt des Verkaufs des Blutplasmas bzw. zum Zeitpunkt der Verabreichung des Blutplasmas nicht berechtigterweise erwartet werden, dass er das zu einem früheren Zeitpunkt gewonnene Blutplasma bzw. das Spenderpferd auf eine infektiöse Anämie untersuche. Entscheidend sei hierfür, dass dies zu diesen Zeitpunkten nicht als tierärztlicher Standard zu fordern gewesen sei.

Schließlich würden auch Ansprüche auf rein deliktischer Grundlage (§ 823 Abs.1 BGB) nicht in Betracht kommen.

Der übliche deliktsrechtliche Ansatz der Garantenstellung des Arztes bzw. Tierarztes durch faktische Übernahme der Behandlung scheide für die angesteckten Pferde aus. Hier könnte eine Haftung nur denkbar sein unter dem Gesichtspunkt des vorangegangenen Tuns, nämlich der Eröffnung einer Gefahrenquelle durch ein „Inverkehrbringen“ verseuchten Plasmas. Vorwerfbar im Sinne einer Fahrlässigkeit sei dies indes nicht. Fahrlässigkeit setze das Außerachtlassen einer verkehrsüblichen Sorgfaltspflicht voraus. Verkehrsübliche Sorgfalt wiederum sei gleichzusetzen mit der Pflicht eines ordentlichen Tierarztes, was wiederum auf den tierärztlichen Standard verweise, der nach dem oben Gesagten nicht verletzt sei.

Im Hinblick auf die Pferde, die eine Plasmatransfusion erhalten hätten, bei dem eine auf vertraglicher Grundlage beruhende tierärztliche Behandlungsübernahme durch den Beklagten vorliege, richte sich der Haftungsmaßstab unmittelbar nach dem tierärztlichen Standard, der auch in seinem Fall nicht verletzt sei.

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Susan Beaucamp

(Rechtsanwältin)