Hengst stirbt nach Kastration: Tierarzt haftet

OLG Hamm bejaht grobe Behandlungsfehler und Verletzung der Aufklärungspflichten

Sachverhalt

Eine Pferdehalterin zog nach einer für ihr Pferd tödlich endenden Operation vor Gericht:
Sie forderte von ihrem Tierarzt Schadensersatz in Höhe der aufgewendeten Kosten für die tierärztliche Behandlung (3000 Euro) sowie Wertersatz in Höhe des Kaufpreises, den sie für das Tier zuvor in Spanien bezahlt hatte (5000 Euro).

Ihr Hengst „Apache“ sollte eigentlich lediglich kastriert werden. Diese Kastration hatte der Tierarzt am liegenden Pferd vorgenommen. Dabei war es jedoch zu Komplikationen gekommen, in Folge derer das Tier in eine Klinik verlegt und dort nochmals operiert werden musste. Es erlitt im Nachgang dieser Behandlung eine Muskelerkrankung sowie ein Multiorganversagen; die Versuche, es wieder in den Stand zu verbringen, scheiterten allesamt, sodass das Pferd letztlich eingeschläfert wurde.

Die Eigentümerin des Hengstes verklagte daraufhin den Tierarzt und das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Urteil vom 12.09.2016, Aktenzeichen: 3 U 28/16) gab ihr Recht.

Danach muss der Tierarzt nun aus zwei verschiedenen Gründen haften:

Entscheidung

Einerseits muss er sich dafür verantworten, dass die von ihm durchgeführte Kastration nicht dem medizinischen Standard entsprach. Denn während dieser Operation hatte er eine sogenannte Ligatur, also das Unterbinden eines Blutgefäßes mit einem chirurgischen Faden, nur auf einer Seite vorgenommen und überdies nicht ausreichend fixiert, sodass sich in der Folge die in der Tierklinik festgestellten Folgeprobleme (die Muskelerkrankung und das Multiorganversagen) entwickelt hatten. Diese Behandlungsfehler stufte das Gericht als grob ein, sodass vermutet werden kann, dass aufgrund dieser groben Behandlungsfehler auch der spätere Tod des Pferdes herbeigeführt worden und dieser mithin dem Tierarzt zuzurechnen war. Das OLG Hamm wendete damit auch hier die vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 10. Mai 2016 (Aktenzeichen VI ZR 247/15) von der Arzt- auf Tierarzthaftung übertragene Rechtsprechung zur Beweislastumkehr an und bleibt somit klar auf der Linie der aktuellen Rechtsprechung zu Haftungsfragen im tiermedizinischen Bereich.

Andererseits muss der Tierarzt, so das Gericht, dafür haften, dass er seine Aufklärungspflichten nicht erfüllt hat. Diese Aufklärungspflichten resultieren aus dem von ihm mit der Pferdehalterin abgeschlossenen tierärztlichen Behandlungsvertrag. Danach wäre er verpflichtet gewesen, sie darüber zu informieren, dass ein Pferd sowohl im Liegen als auch im Stehen kastriert werden kann, und er hätte sie in diesem Zusammenhang auch darüber aufklären müssen, welche Risiken jeweils mit der einen oder anderen Eingriffsart verbunden sein können, und welche Art des Eingriffs bei dem betreffenden Hengst (u.a. aufgrund seiner Rassezugehörigkeit und damit einhergehender körperlicher Auffälligkeiten) vorzugswürdig ist.

Damit stärkte das OLG Hamm nochmals die Rechte von Tierhaltern gegenüber Tierärzten und machte wieder deutlich, dass diese insbesondere ihre Aufklärungspflichten vor operativen Eingriffen am Tier sehr ernst nehmen sollten, um einer Haftung bei eventuellen Komplikationen, die nie gänzlich ausgeschlossen werden können, vorzubeugen.

Copyright

Susan Beaucamp

(Rechtsanwältin)