Pferdehalterhaftung – Mitverschulden des Bereiters

OLG Schleswig Urt. v. 12.06.2015 17 U 103/14

Leitsätze:

Der Bereiter handelt nicht auf eigene Gefahr, sondern nach wie vor in einem Vertragsverhältnis zum Pferdehalter, auch wenn ihm dieser den weiteren Beritt eines Problempferdes anheimgestellt hat. Der Bereiter wird dadurch nicht aus dem Vertrag entlassen.

Reitet der Bereiter in einer solchen Situation trotzdem weiter und wird abgeworfen, so kann ein Schadensersatzanspruch wegen Mitverschuldens zu kürzen sein.

Sachverhalt:

Der Kläger ist selbständiger Bereiter und Reitlehrer. Er vereinbarte vertraglich, das Pferd der Beklagten auszubilden und ihm vorhandene Unarten wie steigen und buckeln abzugewöhnen. Nach bereits einigen Monaten im Beritt buckelte das Pferd während eines Termins schon beim Ablongieren so stark, dass der Pferdehalter dem Bereiter anbot, das Pferd an einem anderen Tag zu reiten und es an diesem Tag beim Longieren zu belassen. Um den Ausbildungserfolg nicht zu gefährden, entschied sich der Kläger jedoch dazu, das Pferd zu reiten. Nachdem er aufgestiegen war, buckelte das Pferd über zehn Minuten hinweg, bis es ihn letztendlich abwarf. Der Kläger wurde dabei erheblich an der Halswirbelsäule verletzt, so dass ihm in der Folge Heilbehandlungskosten in Höhe von über 75.000€ entstanden.

Der Bereiter begehrte nun von dem Pferdehalter Ersatz der Heilbehandlungskosten, sowie ein angemessenes Schmerzensgeld.

Entscheidung des OLG Schleswig:

Ein Anspruch des Klägers gegen den beklagten Pferdehalter aus § 833 BGB bestand grundsätzlich, da sich in dem Buckeln und Steigen des Pferdes die spezifische Tiergefahr verwirklicht hatte und der Bereiter dadurch gestürzt war und sich die schweren Verletzungen zugezogen hatte. Bei der Tierhalterhaftung handelt es sich um eine verschuldensunabhängige Haftung, so dass es auf ein Verschulden des Pferdehalters nicht ankommt.

Fraglich war jedoch, ob die Haftung der Beklagten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls, wegen eines etwaigen Mitverschuldens des Bereiters zu kürzen oder sogar nach Treu und Glauben wegen einer freiwilligen Selbstgefährdung auszuschließen war.

Der Bereiter könnte auf „eigene Gefahr“ gehandelt haben, indem er das Pferd bestieg, obwohl es an diesem Tag offensichtlich unwillig war und ihm von der Beklagten anheimgestellt wurde, das Pferd ein anderes Mal zu reiten.

Das Gericht entschied, dass der Bereiter nicht auf eigene Gefahr gehandelt hatte, sondern sich nach wie vor in einem vertraglichen Verhältnis zum Pferdehalter befand. Der Bereiter wird durch den ihm eingeräumten Ermessensspielraum nicht aus dem Vertragsverhältnis entlassen. Da bei Personen, die sich aus beruflichen Gründen der Tiergefahr aussetzen, ein vollständiger Haftungsausschluss wegen freiwilliger Selbstgefährdung grundsätzlich abzulehnen ist, ist die Haftung der Beklagten gegenüber dem Bereiter in diesem Fall nicht ausgeschlossen.

Allerdings kürzte das Gericht die Ansprüche des Klägers um 50%, da es in seinem Verhalten ein mitwirkendes Verschulden im Sinne des § 254 BGB sah.

Dabei führte das Gericht zur Begründung aus, dass der Kläger als berufsmäßiger Bereiter von ausgewiesenen Problempferden zwar regelmäßig ein erhöhtes Risiko in Kauf nehmen muss, im konkreten Fall hätte er sich dieses Risikos aber nicht aussetzen dürfen, da das Pferd auch nach zehn Minuten nicht aufhörte zu buckeln und zu steigen. Der Bereiter hätte den Beritt frühzeitiger abbrechen müssen, um sich nicht selbst in Gefahr zu bringen.

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Susan Beaucamp

Rechtsanwältin