Ergänzende Vertragsauslegung zu einem anlagebedingten Mangel beim Kauf und Rückkauf eines Pferdes

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 9. September 2014, Az. 19 U 40/14

Vorinstanz: Landgericht Paderborn, 10. Februar 2014, Az. 4 O 162/13

Der Sachverhalt

Die Beklagte kaufte im Jahr 2007 eine Stute von der Klägerin. Im Jahr 2011 kaufte die Klägerin die Stute von der Beklagten zurück. Die Stute wies später eine hochgradige Parodontose mit schmerzhaften Entzündungsprozessen auf, sodass das Tier letztlich die Nahrung verweigerte und im Jahr 2012 eingeschläfert werden musste. Grund für das Krankheitsbild war eine genetisch bedingte Wachstumsstörung, die zu einer Fehlentwicklung des Kiefers und des Zahnwachstums führte.

Die Klägerin trat vom Kaufvertrag zurück und forderte den Kaufpreis zurück.

Das Urteil

Das Landgericht wies die Klage ab und das Oberlandesgericht bestätigte dieses Urteil.

Ein Mangel an sich habe bei der streitgegenständlichen Stute im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Z. 1 BGB zwar vorgelegen. Unstreitig habe sie an einer Veränderung ihres Kiefers gelitten, welche auf einer genetisch bedingten Wachstumsstörung beruht hätten. Als Folge dieser genetischen, von vornherein angelegten, Disposition seien die Abstände zwischen ihren Zähnen zu groß geworden. Das Futter habe sich in den Interdentalräumen festgesetzt, wodurch es zu einer hochgradigen Form der Parodontose gekommen sei. Es hätten sich Zahnfleischtaschen gebildet, welche zu schmerzhaften Entzündungsprozessen und in der Folge zur Verweigerung der Nahrungsaufnahme geführt hätten. Nach den Angaben von Dr. T sei diese Kieferveränderung – wenn auch noch nicht offensichtlich – bereits im Juli 2011 vorhanden gewesen.

Es sei auch nicht feststellbar, dass die Parteien bei Abschluss des Rückkaufvertrages im Jahre 2011 eine Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 S. 1 BGB getroffen hätten, wonach das Pferd exakt mit derjenigen Grundbeschaffenheit einschließlich seiner genetischen Disposition rückveräußert werden solle, welche bereits bei Erwerb des Tieres im Jahr 2007 vorgelegen habe.

Die Parteien hätten weder im Jahre 2007 und auch noch im Jahre 2011 Kenntnis von gesundheitlichen Beschwerden des Tieres gehabt und sich unstreitig auch keinerlei Gedanken über einen, also von Anfang an, genetisch angelegten Mangel gemacht, sondern seien von einem solchen gerade nicht ausgegangen. Infolgedessen hätten die Parteien bei Abschluss des streitgegenständlichen Rückkaufvertrages im Juli 2011 ihren Regelungsplan zur Sachmängelgewährleistung nur unvollständig vereinbart. Insoweit sei eine „planwidrige Unvollständigkeit“ im Sinne einer „Regelungslücke“ verblieben.

In der vorliegenden Konstellation, in der das Tier zunächst veräußert und einige Jahre später von denselben Parteien rückveräußert worden sei, erschiene es weder angemessen noch interessengerecht, wenn sich die Mängelgewährleistung des Rückverkäufers einschränkungslos nach den §§ 434 ff. BGB richten würde. Angesichts der fortschreitenden Auswirkungen der genetischen Disposition des Pferdes auf das Wachstum seines Kiefers hinge es mehr oder weniger vom Zufall ab, ob der Rückkauf im Jahr 2011 noch zu einem Zeitpunkt erfolgte, als die Folgen der Wachstumsstörung für die Zahnstellung im Kiefer des Pferdes noch nicht erkennbar waren. Unter Anwendung der gesetzlichen Mängelgewährleistungsregeln, die ihrem Sinn und Zweck nach für ein einmaliges Austauschverhältnis konzipiert seien, würde die Mängelhaftung hierdurch ausschließlich auf die Rückverkäufer verlagert, obwohl der Sachmangel ursprünglich aus der Sphäre Erstverkäufers stamme, so dass dieser dafür Gewähr zu leisten gehabt hätte. Für ein interessengerechtes Ergebnis bedürfe es hier mithin einer ergänzenden Vertragsauslegung.

Dazu sei vom mutmaßlichen Parteiwillen auszugehen. Hätten die Parteien bei Abschluss des Rückkaufvertrages im Jahre 2011 die Möglichkeit eines schon anlagebedingten Mangels bedacht, hätten sie bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben einen Ausschluss der Sachmängelgewährleistung des Rückverkäufers für solche Mängel vereinbart, mit denen die streitgegenständliche Stute bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs anlässlich ihrer ersten Veräußerung im Jahre 2007 behaftet gewesen sei. Durch einen teilweisen Ausschluss der Sachmängelgewährleistung im Wege der ergänzenden Auslegung des Rückkaufvertrages wären indes nicht etwaige Gewährleistungsansprüche aus dem Erstverkauf aus dem Jahr 2007 wieder aufgelebt, sondern es würde lediglich die Sachmängelhaftung anlässlich des Rückkaufvertrages aus dem Jahr 2011 zur Wahrung der Interessen in der besonderen Konstellation zwischen den Parteien eingeschränkt.

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Susan Beaucamp

Rechtsanwältin