Tierhalterhaftung – Das überholende Pferd auf dem Abreiteplatz
„Überholt ein Pferd im Galopp auf einem Abreiteplatz ein im Schritt sich fortbewegendes Pferd, schlägt dieses aus und verletzt hierdurch die vorbeireitende Reiterin, so muss sich die Geschädigte die Tiergefahr ihres eigenen Pferdes zurechnen lassen. Im Regelfall wird es zu einer Haftungsteilung kommen.“
Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 7. Januar 2016, Az. 1 U 422/15
Vorinstanz: Landgericht Koblenz, Urteil vom 2. März 2015, Az. 15 O 466/13
Der Sachverhalt
Die Parteien nahmen an einem Turnier teil. Die Klägerin ritt mit ihrem Pferd zum Aufwärmen und damit zur Vorbereitung der für sie anstehenden Springprüfung auf dem Abreiteplatz. Sie ritt im Galopp auf dem dritten Hufschlag. Als die Klägerin an dem Pferd des Beklagten vorbeireiten wollte, erschrak dieses und trat aus. Dabei wurde die Klägerin erheblich verletzt, in dessen Folge sie auch operiert wurde.
Die Klägerin begehrte vom Beklagten Schadensersatz.
Das Urteil
Das Oberlandesgericht gab der Klage nur zu 50 % statt.
Die Tiergefahr des Pferdes des Beklagten mit der Haftungsfolge aus § 833 BGB habe sich in dem Erschrecken und Auskeilen seines Pferdes verwirklicht. Dieses tierische Verhalten sei auch durch die (schnelle) Annäherung des Pferdes der Klägerin im Galopp verursacht worden. Damit habe sich auch die Tiergefahr des von der Klägerin gerittenen Pferdes verwirklicht, was zu einer Schadensteilung führen würde. Insoweit gelte, dass die Tiergefahr, die von dem eigenen Tier ausgehe und den Schaden mitverursache, sich der Geschädigte entsprechend § 254 BGB anrechnen lassen müsse. Es gebe im vorliegenden Fall auch keine Veranlassung hinsichtlich der Art, des Umfangs der Tiergefahr zwischen den beiden Pferden zu differenzieren. Selbst wenn das Pferd des Beklagten zum Austreten neige, so sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin sich diesem Pferd im Galopp von hinten näherte und hierdurch auch eine nicht unwesentliche Gefährdungsursache gesetzt habe. Dieser Mitverursachungsanteil würde sich noch (deutlich) erhöhen, wenn das Pferd des Beklagten tatsächlich mit der roten Schleife sichtbar gekennzeichnet gewesen wäre. Gleichfalls sei für die Abwägung der Gefährdungsanteile nicht entscheidend, dass sich wohl beide Pferde unstreitig jeweils auf den falschen Wegstrecken bewegt haben. Auch diese erkennbaren Abweichungen von den allgemeinen Gepflogenheiten im Reitsport habe die Klägerin zu besonderer Vorsicht und einem unfallverhindernden Abstand beim Vorbeigaloppieren anhalten können und wohl auch müssen.
Unter Berücksichtigung all dieser tatsächlichen Gegebenheiten seien die Verursachungsanteile beider Pferde für den Unfall der Klägerin als gleichgewichtig anzusehen und die Ersatzansprüche der Klägerin seien daher zu halbieren.
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Rechtsanwältin Susan Beaucamp