Haftungsausschluss bei unentgeltlicher Überlassung eines Reitpferdes für einen Ausritt
Tierhalterhaftung: Haftungsausschluss bei unentgeltlicher Überlassung eines Reitpferdes für einen Ausritt
„Wird vor der unentgeltlichen Überlassung eines Reitpferdes für einen Ausritt zwischen Ver- und Entleiher individuell ein Haftungsausschluss mündlich vereinbart, da der Eigentümer mangels einer Versicherung für Schäden aus Reitunfällen eine Haftung ablehnt, wenn sich der Reiter des Pferdes beim Ausritt verletzen sollte, so ist dies grundsätzlich zulässig und stellt im Verletzungsfall insbesondere keinen Vertrag zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung des beim Ausreiten verunfallten Reiters dar.“
Oberlandesgericht München, Urteil vom 23. März 2016 – 8 U 4804/15
Vorinstanz: Landgericht Passau, Urteil vom 23. November 2015, Az. 1 O 518/15
Der Sachverhalt
Die Klägerin verlangt als gesetzliche Krankenkasse der Zeugin „S“ vom Beklagten als Halter des Reitpferdes „G.“ die Erstattung der Heil- und Pflegekosten, die durch den Reitunfall vom 24.03.2012 entstanden sind.
Die Zeugin „S“ unternahm mit dem ihr vom Beklagten unentgeltlich überlassenen Reitpferd „G. “ am 23.04.2012 einen Ausritt ins Gelände. Als „G.“ scheute, stürzte sie vom Pferd, wobei sie sich eine Sprunggelenksfraktur zuzog, die operativ versorgt werden musste.
Der Beklagte lehnte eine Haftung mit der Begründung ab, dass er mit der Zeugin „S“ mündlich vereinbart habe, dass der Ausritt auf eigene Gefahr erfolge und dass er nicht hafte, wenn sie vom Pferd falle.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass kein wirksamer Haftungsausschluss vereinbart worden sei, weil die Vereinbarung zu vage formuliert gewesen sei und außerdem einen Vertrag zu Lasten Dritter darstelle. Ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter liege vor, wenn durch ihn unmittelbar eine Rechtspflicht eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten entstehen solle.
Das Urteil
Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht wiesen die Klage ab.
Ein Haftungsausschluss sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Überlassung eines Reitpferdes für einen Ausritt grundsätzlich zulässig.
Der Bundesgerichtshof lasse die Annahme eines konkludent vereinbarten Haftungsausschlusses dann zu, wenn die Überlassung des Reitpferdes unentgeltlich aus reiner Gefälligkeit erfolgte.
Im vorliegenden Fall sei das Pferd „G.“ der Zeugin „S“ unstreitig aus reiner Gefälligkeit unentgeltlich für einen Ausritt überlassen worden, so dass allein deshalb schon ein Haftungsausschluss anzunehmen wäre.
Der Beklagte habe hier jedoch mit der volljährigen und damit vollgeschäftsfähigen Zeugin „S“ individuell einen Haftungsausschluss mündlich vereinbart. Eine solche Vereinbarung habe die Zeugin „S“ bestätigt. Sie habe bekundet, dass sie vereinbarungsgemäß den Ausritt auf „eigene Gefahr“ unternommen habe sowie dass zwischen ihr und dem Beklagten klar gewesen sei, dass er mangels einer Versicherung für Schäden aus Reitunfällen eine Haftung ablehne, wenn sie sich beim Ausritt verletze.
Weitere Zeugen hätten übereinstimmend angegeben, dass der Beklagte mit jeder Person, der er unentgeltlich ein Pferd für einen Ausritt überlasse, mündlich einen Haftungsausschluss vereinbare.
Diese individuell getroffene mündliche Vereinbarung über einen sei ausreichend bestimmt gewesen. Der Zeugin „S“, die gegen den Beklagten keine Ansprüche geltend gemacht habe, sei nach ihrer Aussage klar gewesen, dass sie die Folgen eines Sturzes vom Pferd alleine zu tragen habe und dass der Beklagte mangels einer Versicherung für Schäden aus Reitunfällen eine Haftung bei einem Sturz vom Pferd ablehne.
Der zwischen dem Beklagten und der Zeugin Stefanie H. individuell vereinbarte Haftungsausschluss stelle auch keinen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter dar.
Ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter sei dadurch gekennzeichnet, dass die Vertragspartner einen Dritten unmittelbar durch den von ihnen abgeschlossenen Vertrag belasten, ohne dass der Dritte in die Vertragsgestaltung eingeschaltet gewesen sei. In der Regel gehe es bei den Verträgen zu Lasten Dritter um Leistungspflichten, die dem Dritten ohne seine Zustimmung unmittelbar durch den Vertrag aufgezwungen werden sollen.
Kein solcher Vertrag zu Lasten Dritter liege somit vor, wenn sich die Leistungspflicht des Dritten nicht unmittelbar aus dem von den anderen Personen geschlossenen Vertrag, sondern aus dem Gesetz oder aus einem anderen Vertrag ergebe, den der leistungspflichtige Dritte mit dem Anspruchsteller abgeschlossen habe.
Im vorliegenden Fall sei die Leistungspflicht der Klägerin nicht durch den zwischen dem Beklagten und der Zeugin „S“ individuell mündlich vereinbarten Haftungsausschluss, sondern dadurch begründet worden, dass die Zeugin „S“ bei der Klägerin gesetzlich krankenversichert gewesen sei. Die Pflicht der Klägerin für die durch den Reitunfall verursachten Heil- und Pflegekosten aufzukommen hätten sich also aus dem mit der Zeugin „S“ eingegangenen Versicherungsverhältnis bzw. aus dem Sozialgesetzbuch V ergeben.
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Rechtsanwältin Susan Beaucamp
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