Tierärztlicher Behandlungsfehler und Tod des Pferdes

Beweislastumkehr und grober Behandlungsfehler

„Besteht bei einer sachgerechten Behandlung eines Pferdes eine Überlebenswahrscheinlichkeit von mindestens bzw. mehr als 10 Prozent, so lässt sich eine Kausalität zwischen einem Behandlungsfehler und dem Tod des Pferdes als Schaden annehmen.“

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 26. April 2012, Az. 12 U 166/10

vorgehend Landgericht Potsdam, Urteil vom 14. Oktober 2010, Az. 11 O 207/08,

Der Sachverhalt

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Zahlung von Schadensersatz wegen einer ihrer Ansicht nach fehlerhaften ärztlichen Behandlung ihres Reitpferdes im Zusammenhang mit der operativen Behandlung einer Dünndarmverschlingung. Die Parteien streiten darüber, ob in der Nacht nach der Operation bzw. am Folgetag weitere rektale Untersuchungen des Pferdes stattgefunden haben, ob hierbei das Vorliegen von Dünndarmschlingen hätte festgestellt werden müssen und eine zweite (Notfall-)Operation veranlasst gewesen wäre sowie, ob insoweit den Beklagten grobe Behandlungsfehler vorzuwerfen sind. Des Weiteren streiten die Parteien über den Wert des verstorbenen Pferdes.

Das Landgericht wies die Klage ab. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe gegen die Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz zu. Im Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass den Beklagten kein Behandlungsfehler unterlaufen sei. Fehlerhaft hätten die Beklagten hingegen nach der Operation die nach Feststellung des Sachverständigen gebotenen rektalen Untersuchungen unterlassen, wobei aus dem Fehlen einer Dokumentation der Maßnahme auf deren Unterbleiben zu schließen sei. Die Klägerin habe jedoch die Kausalität zwischen dem Behandlungsfehler und dem Schaden nicht nachweisen können. Eine Beweislastumkehr sei mangels Vorliegens eines groben Behandlungsfehlers nicht gegeben.

Hiergegen legte die Klägerin Berufung ein und bekam Recht.

 

Die Entscheidung

Die Klägerin habe gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz.

Den Beklagten sei ein Behandlungsfehler in Form eines Befunderhebungsfehlers vorzuwerfen, weil sie keine rektale Kontrolluntersuchung des Pferdes vornahmen. Der Sachverständige habe dargelegt, dass nach einer Operation im Bauchraum mit Massage und Reposition des verdrehten Dünndarms Komplikationen in Form des erneuten Auftretens von Dünndarmschlingen und einer dann einsetzenden Darmlähmung auftreten können. Aus diesem Grunde seien nach der durchgeführten Operation die Beobachtung des Pferdes und die Vornahme von Kontrolluntersuchungen erforderlich gewesen, die auch die Durchführung rektaler Kontrollen umfassten.

Der Sachverständige habe ferner nachvollziehbar dargetan, dass eine Dokumentation der rektalen Untersuchungen und Befunde – die vorliegend nicht erfolgt sei – aus medizinischen Gründen erforderlich gewesen sei, da fehlende Befunde zu einer Fehleinschätzung des Krankheitsstatus führen könnten. Fehlt eine aus medizinischen Gründen erforderliche Dokumentation, so sei zu vermuten, dass die entsprechende Maßnahme – hier die rektale Untersuchung – unterblieben ist. Es handele sich um eine widerlegbare Vermutung. Einen Gegenbeweis hätten die Beklagten nicht geführt. Die seitens der Beklagten unterlassene Befunderhebung führe zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität mit der Folge, dass die Beklagten den Nachweis hätten erbringen müssen, dass nicht bereits in der Nacht nach der OP bei einer rektalen Untersuchung des Pferdes eine Lähmung des Dünndarms festgestellt worden wäre. Diesen Beweis hätten die Beklagten nicht geführt.

Auf dieser Grundlage stehe weiter fest, dass den Beklagten als weiterer Behandlungsfehler das Unterlassen einer Notfalloperation vorzuwerfen ist. Auch hier sei den Feststellungen des Sachverständige zu folgen; es habe eine Notoperation in einem Zeitfenster von zwei bis drei Stunden nach der Untersuchung mit dem zu unterstellenden reaktionspflichtigen Ergebnis erfolgen müssen und die Verzögerung der Operation über 11.00 Uhr hinaus sei grob fehlerhaftEntgegen der Auffassung des Landgerichts lasse sich das Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers nicht mit der Überlegung verneinen, die Klägerin hätte möglicherweise – bei entsprechender Nachfrage der Beklagten – die Zustimmung zu der gebotenen zweiten Operation verweigert. Anhaltspunkte für ein solches Verhalten der Klägerin bestünden nicht. Dem Landgericht sei nicht darin zu folgen, dass auch bei Annahme eines groben Behandlungsfehlers die Kausalität des Unterlassens der Operation für den Tod des Pferdes nicht anzunehmen sei. Die Kausalität eines groben Behandlungsfehlers für den Primärschaden sei nur zu verneinen, wenn trotz der generellen Eignung des Behandlungsfehlers den eingetretenen Schaden herbeizuführen, der Umkehr der Beweislast entgegen stünde, dass aufgrund konkreter Umstände der Eintritt des Primärschadens äußerst unwahrscheinlich sei, was von der Behandlerseite nachzuweisen sei. Eine gänzlich unwahrscheinliche Kausalität sei bei einer zehnprozentigen Chance des Erfolgseintritts dabei noch nicht anzunehmen.

Die Klägerin könne von den Beklagten wegen der diesen vorzuwerfenden Behandlungsfehler die Zahlung von Schadensersatz verlangen. Der Wert des Pferdes habe sich durch die zwei notwendigen Kolikoperationen um 20% gemindert. Die Sachverständige habe nachvollziehbar ausgeführt, dass die Kolikoperationen sich auf den Marktwert auswirkten, da das Kaufinteresse für Pferde, die eine schwere Operation hinter sich haben, geringer sei, als für Pferde ohne vergleichbare Beeinträchtigungen.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Rücktritt vom Pferdekaufvertrag wegen „Sommerekzem“ Beweislastumkehr beim Pferdekauf

„Die Vermutung des § 476 BGB a.F. [§b477 BGB n.F.] ist grundsätzlich auch auf den Tierkauf anzuwenden. Sie kann jedoch wegen der Art des Mangels bei bestimmten Tierkrankheiten ausgeschlossen sein; bei einer saisonal sichtbaren Allergie – hier: Sommerekzem eines Pferdes – ist dies nicht der Fall.“

BGH, Urteil vom 29. März 2006, Az. VIII ZR 173/05

vorgehend OLG Hamm, Urteil vom 1. Juli 2005, Az. 11 U 43/04

vorgehend LG Arnsberg, Urteil vom 6. Februar 2004, Az. 4 O 396/02

nachgehend BGH, Beschluss vom 5. Februar 2008, Az. VIII ZR 94/07

Grundsatzentscheidung

(Sachverhalt siehe OLG Hamm, Urteil vom 1. Juli 2005, Az. 11 U 43/04)

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Eingreifen der in § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] geregelten Vermutung sind erfüllt. Die Allergie hat sich bei dem verkauften Pferd im August 2002 und damit innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang gezeigt. Das Auftreten dieses Sachmangels begründet nach der Rechtsprechung des Senats eine – lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende – Vermutung, dass dieser Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag. Dies gilt allerdings nach § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] dann nicht, wenn die Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist. Ein solcher Ausnahmetatbestand liegt hier jedoch nicht vor.

Die Vermutung des § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] ist auch beim Kauf eines Pferdes entsprechend anzuwenden; insoweit ist sie nicht schon mit der Art des Kaufgegenstandes unvereinbar. Beim Kauf eines Pferdes ist die Anwendung der Vermutung jedenfalls nicht von vornherein wegen der Art des Tieres ausgeschlossen.

Die Vermutung ist bei einem Sommerekzem auch nicht mit der Art des Mangels unvereinbar.

Beim Tierkauf sind die Besonderheiten zu berücksichtigen, die sich aus der Natur des Tieres als Lebewesen ergeben. Anders als bewegliche Sachen unterliegen Tiere während ihrer gesamten Lebenszeit einer ständigen Entwicklung und Veränderung ihrer körperlichen und gesundheitlichen Verfassung, die nicht nur von den natürlichen Gegebenheiten des Tieres (Anlagen, Alter), sondern auch von seiner Haltung (Ernährung, Pflege, Belastung) beeinflusst wird. In den Gesetzesmaterialien zu § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] wird insoweit ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Vermutung mit der Art des Mangels jedenfalls bei Tierkrankheiten häufig unvereinbar sein werde, weil wegen der Ungewissheiten über den Zeitraum zwischen Infektion und Ausbruch der Krankheit nicht selten ungewiss bleiben werde, ob eine Ansteckung bereits vor oder erst nach Lieferung des Tieres an den Käufer erfolgt sei; eine Vermutung, dass der Mangel zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgelegen habe, lasse sich dann nicht rechtfertigen, was aber nicht unbedingt auch für andere Fehler eines Tieres gelten müsse.

Das Sommerekzem ist mit der Vermutung des § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] vereinbar. Das Sommerekzem ist keine versteckte Krankheit, sondern eine saisonal sichtbare Allergie, bei der eine überschießende Reaktion des Immunsystems auf Mückenstiche zu dem vom Sachverständigen beschriebenen klinischen Erscheinungsbild (Entzündung der Haut, Juckreiz) führt. Auch das Berufungsgericht geht davon aus, dass die durch Kontakt mit dem Reizstoff hervorgerufenen Symptome des Sommerekzems (Scheuerstellen, Haarbruch) nicht übersehen werden können. Es ist deshalb durchaus feststellbar, ob das Pferd unter dieser Allergie bereits vor Gefahrübergang einmal gelitten hat, auch wenn die Allergie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses selbst wegen des saisonbedingt fehlenden Kontaktes mit Mücken nicht sichtbar sein konnte. Für einen Ausschluss der Vermutung unter dem in der Gesetzesbegründung zu § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] hervorgehobenen Gesichtspunkt einer der Aufklärung nicht zugänglichen Ungewissheit über den Zeitpunkt der Entstehung einer später ausgebrochenen Infektionskrankheit ist deshalb hier jedenfalls kein Raum.

 

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Sehnenschaden beim Pferd – Gewährleistungsrechte des Pferdekäufers

Beweislastumkehr wegen der Art des Mangels nicht anwendbar

Landgericht Neubrandenburg, Urteil vom 07.05.2004, AZ: 11 U 230/05

 

Sachverhalt:

Der Kläger, ein Pferdekäufer, macht gegen den Beklagten, einen Pferdehändler, Ansprüche aus einem Kaufvertrag über ein Pferd geltend.  Der Kauf des Pferdes stand unter der auflösenden Bedingung einer tierärztlichen Ankaufsuntersuchung. Die tierärztliche Ankaufsuntersuchung des klägerischen Tierarztes verlief befundfrei. Knapp einen Monat später verordnete dieser Tierarzt dem Pferd jedoch eine siebentätige antipholgistische Therapie sowie eine Ruhepause wegen einer Lahmheit, die sich daraufhin verringerte.Zwei Monate später trat die Lahmheit erneut auf. Die nun mittels Leitungsanästhesie und Ultraschall durchgeführte Untersuchung zeigte einen zentralen Defekt mit zwei Zentimeter unterhalb des Fesselträgerurspungs. Das Pferd benötigte eine Therapie mit Ruhigstellung. Danach zeigte das Pferd immer noch eine geringgradige Lahmheit vorne beiderseits. Der Kläger wollte das Pferd wegen der aufgetretenen Lahmheit vorne beiderseits aufgrund des Defekts im Fesselträgerursprungs gegen ein anderes Pferd eintauschen. Eine Einigung zwischen den Parteien erfolgte nicht. Der Kläger verlangte daraufhin mit anwaltlichen Schreiben den Beklagten unter Fristsetzung zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Pferdes auf. Der Kläger ist der Ansicht, der Defekt habe schon bei  Übergabe vorgelegen. Durch diesen Mangel, sei das Pferd zudem nicht zum Reit- und Springsport geeignet.

Der Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, das Pferd sei zum Zeitpunkt der Übergabe mangelfrei gewesen.

 

Entscheidung:

Die Klage wurde abgewiesen. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch nach § 437 Nr. 2, 440, 323, 326 Abs. 5 BGB auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Pferdes. Der Kläger konnte nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass ein Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe vorlag.

Der Käufer ist grundsätzlich für die Tatsache beweispflichtig, dass ein Sachmangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag. Eine diesbezügliche Beweislastumkehr befindet sich allerdings bei den Vorschriften des Verbrauchsgüterkaufs, der hier vorlag. Nach § 477 n.F. BGB wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich der Mangel innerhalb von 6 Monaten zeigte. Ausgenommen ist diese Vermutung, jedoch, wenn das mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist. Diese Ausnahme liegt bei dem geltend gemachten Sachmangel vor. Nach dem Gutachten eines Sachverständigen handelt es sich bei dem Mangel „um einen Sehnenschaden, der durch eine übermäßige Belastung der Sehnenfasern, bereits durch ein Fehltritt, entstehen kann“. Die Folge ist die Verdickung des Sehnenabschnittes, die nachträglich festgestellt werden könnte.

Die Vermutung des § 477 n.F. BGB ist vorliegend nicht anzuwenden, da diese Vermutung nur bei Krankheiten, die nicht tierärztlich, z.B bei einer Ankaufsuntersuchung, festgestellt werden können, greift. Diese Krankheit hätte bei der -laut dem Sachverständigengutachten- Ankaufsuntersuchung aber erkannt werden können. Zudem kann das Pferd nach dem Sachverständigengutachten künftig noch im Reit- und Springsport eingesetzt werden, sodass der Zweck des Vertrags auch aufrechterhalten wurde.

Ansprüche des Käufers bestehen daher nicht

 

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Kissing Spines Mangel eines Pferdes – Gewährleistungsrecht im Pferderecht

Haftung beim Pferdekauf: Beweislastumkehr bei Vorliegen von Kissing-Spines anwendbar

„Das Vorliegen von Kissing-Spines bei einem Pferd, das aufgrund der konkreten Gegebenheiten im Zeitpunkt des Gefahrüberganges eine mehr als 50%-ige Wahrscheinlichkeit dafür begründet, dass sich bei dem Pferd alsbald klinische Symptome einstellen werden, steht der Anwendbarkeit des § 476 BGB nicht entgegen.“

LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17. Dezember 2008, Az. 14 O 10670/07

Der Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines PferdekaufvertragesDer Kläger erwarb von der Beklagten eine Stute. Zuvor wurde das Pferd von der Ehefrau des Klägers Probe geritten. Hierbei zeigten sich keine negativen Auffälligkeiten. Auch die Ankaufsuntersuchung, welche das Verhalten unter einem Reiter nicht testete, kam zu keinem besonderen Befund.

In der Folgezeit wurde die Stute tierärztlich untersucht und durch einen Osteopathen behandelt. Mit Anwaltsschreiben wandte sich der Kläger sodann an die Beklagte. Dort führte er aus, dass das Pferd mehrere Chips sowie hochgradige „Kissing Spines“ aufweise und lahme. Zugleich forderte der Kläger die Beklagte darin auf, den Mangel zu beheben. Nachdem die Beklagte in der Folgezeit keinerlei Aktivitäten im Hinblick auf eine Mängelbeseitigung entfaltete, erklärte der Kläger mit Anwaltsschreiben den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte den gezahlten Kaufpreis zurück. Dies lehnte die Beklagte ab.

Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe das Pferd „R.“ vor allem zur Zucht erwerben wollen; nur gelegentlich habe sie es reiten wollen. Es sei bei dem Vertragsschluss nicht davon die Rede gewesen, dass das Pferd als Dressurpferd genutzt werden solle. Das Pferd habe nach seiner Überführung in den Stall des Klägers nicht gelahmt. Außerdem liege kein Verbrauchsgüterkauf vor.

 

Die Entscheidung

Der Kläger sei zum Rücktritt berechtigt gewesen, denn die Stute sei mangelhaft.

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH könne ein Mangel nicht bereits darin gesehen werden, dass bei einem klinisch unauffälligen Pferd lediglich eine Abweichung von der „physiologischen Norm“ vorliege, die mit einer geringen Wahrscheinlichkeit dazu führe, dass das Pferd zukünftig klinische Symptome entwickeln werde, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegen stünden – dies selbst dann, wenn der Markt bereits auf diese geringe Wahrscheinlichkeit mit Preisabschlägen reagiere. Dass erkennende Gericht teile in Abgrenzung dazu die Auffassung des LG Münster, wonach ein Fehler im Rechtssinne dann zu bejahen sei, wenn im Zeitpunkt des Gefahrübergangs aufgrund der gegebenen Befunde eine Wahrscheinlichkeit von 50% oder mehr dafür bestehe, dass sich alsbald klinische Symptome einstellen würden oder sich tatsächlich eingestellt hätten.

Aufgrund des Gutachtens der gerichtlichen Sachverständigen stehe fest, dass das Pferd an einem Mangel in vorbeschriebenem Rechtssinne leide. Danach weise das Pferd sogenannte „Kissing Spines“ mit Osteolysen am Übergang BWS / LWS auf, die aufgrund ihrer konkreten physiologischen Gegebenheiten eine mehr als 50%ige Wahrscheinlichkeit dafür begründen würden, dass klinische Symptome auftreten werden, die die Tauglichkeit für die Verwendung der Stute als Reitpferd bzw. als Dressurpferd beeinträchtigen werden. Insoweit lägen bei dem Pferd am Rücken aber auch im Bereich der Hintergliedmaßen Befunde nach den Röntgenklassen III-IV vor, verbunden mit klinischer Schmerzhaftigkeit im Sinne eines apparenten „Kissing-Spines-Syndroms“. Auf die Chips, die nach den Ausführungen der Sachverständigen den gerichtlich vorgegebenen Mangelbegriff nicht ausfüllen würden, komme es mithin nicht an.  Zwar hätten sich die Symptome der physiologischen Mängel des Pferdes (das Lahmen) nach dem Vortrag des Klägers erst nach der Übergabe des Pferdes gezeigt. Das sei für den Kläger indessen unschädlich, weil ein Verbrauchsgüterkauf vorläge, so dass zu seinen Gunsten die Beweislastumkehr des § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] eingreife.

Der Befund der Kissing Spines stünde der Anwendung der Beweislastregelung des § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] nicht. Denn bei den „Kissing Spines“ als einer besonderen Disposition der Wirbelsäule des Pferdes handele es sich nicht um ein plötzlich und unerwartet auftauchendes Phänomen, sondern um ein solches, das zu seiner Ausbildung eine gewisse Zeit und Stetigkeit brauchen würde; soweit dem Urteil des OLG Celle anderes zu entnehmen sei, beachte es die grundlegenden Ausführungen des BGH zur Anwendbarkeit des § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] nicht. Der Auffassung des OLG Oldenburg sei ebenfalls nicht zu folgen. Das OLG habe in seinem Urteil die Anwendbarkeit des § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] ausgeschlossen, weil die Beweislastregelung mit der Art des Mangels nicht vereinbar sei. Eine solche Begründung – diverse Entstehungsfaktoren und ggf. kurze Entstehungszeit – reiche für einen Ausschluss der Beweislastregelung nicht.

Den der Beklagten obliegenden Entlastungsbeweis im Rahmen des § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] habe diese angesichts des entgegen stehenden Sachverständigengutachtens nicht führen können.

 

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Haftung beim Pferdekauf – Vorliegen eines Sommerekzems

„Die Mangelhaftigkeit eines Pferdes kann sich daraus ergeben, dass es bei Gefahrübergang so hochgradig gegen Mückenstiche sensibilisiert ist, dass weiterer Kontakt mit dem Reizstoff mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald zu einem Sommerekzem führen muss.“

 

LG Flensburg, Urteil vom 31. Oktober 2006, Az. 1 S 50/06

vorgehend AG Husum, Urteil vom 12. April 2006, Az. 2 C 1009/04

Der Sachverhalt

Die Klägerin erwarb von dem Beklagten eine Holsteiner Stute zum Kaufpreis von 4.200,00 €.

Die Klägerin hat die Minderung des Kaufpreises und Rückzahlung eines Teilbetrages von 2.000,00 € begehrt. Sie hat behauptet, die Stute habe bereits bei Übergabe eine hohe Konzentration allergenspezifischer IgE-Antikörper gegen Kriebelmücken und Culicoides aufgewiesen. Deshalb sei es bei der Stute wenige Tage nach ihrer Aufstallung im Stall der Klägerin und nach der Ankaufsuntersuchung zum Ausbruch eines sog. „Sommerekzems“ gekommen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne keine Sachmängelgewährleistungsansprüche geltend machen, weil die Stute bei Übergabe noch nicht an einem Sommerekzem erkrankt gewesen sei. Die Ankaufsuntersuchung sei ohne Befund geblieben, das Sommerekzem sei allenfalls nach der Übergabe ausgebrochen. Zwar sei die Allergie bei Übergabe bereits angelegt gewesen. Eine solche Anlage einer späteren allergischen Reaktion reiche für die Feststellung eines Sachmangels aber nicht aus, wenn das Hinzutreten weiterer Umstände erforderlich, dieses aber nur mit geringer Wahrscheinlichkeit und deshalb eher zufällig zu erwarten sei. So lägen die Dinge hier. Der Sachverständige habe ausgeführt, ein Pferd mit einer erhöhten Allergiebereitschaft könne noch nicht als Ekzemer bezeichnet werden, weil es nicht voraussehbar sei, ob das Ekzem ausbrechen werde. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung.

 

Die Entscheidung des Landgerichts

Die Klägerin bekam Recht. Sie könne den Kaufpreis mindern und die Rückzahlung von 2.000,00 € verlangen.

Das Vorhandensein einer allergischen Erkrankung (Sommerekzem) der Stute stelle einen Mangel dar, weil es den Aufenthalt eines daran leidenden Pferdes im Freien während der Sommermonate unter normalen Bedingungen nicht zulasse. Die allergische Reaktion werde durch den Kontakt mit dem Speichel der Kriebelmücke ausgelöst, mit deren Auftreten während des Sommers regelmäßig zu rechnen sei.

Das Vorliegen einer solchen Erkrankung sei durch die tierärztliche Untersuchung und den sich hieran anschließenden Allergietest, der eine hohe Konzentration von allergenspezifischen IgE-Antikörpern gegen Culicoides ergeben habe, festgestellt worden. Die Blutuntersuchung zeige starke bis höchstgradige Sensibilisierungen gegen unterschiedliche Insekten, so dass die Stute als „Risikokandidat für Typ-1-allergische Erkrankungen einschließlich Sommerekzem“ anzusehen sei. Außerdem wiesen die Verdickungen des Bindegewebes der Haut im Bereich des Mähnenkamms und Hautfältelungen neben dem Mähnenkamm darauf hin, dass das Pferd in der Zeit vor der Begutachtung unter starken entzündlichen Veränderungen im Mähnenkamm gelitten habe, als deren Ursache ein Sommerekzem höchst wahrscheinlich sei.

Dieser Mangel habe bereits bei der Übergabe der Stute vorgelegen, denn bereits die genetische Disposition für eine Sensibilisierung gegen Mückenstiche stelle einen Mangel dar und § 476 BGB a.F. [§ 477 BGB n.F.] spreche für die Klägerin. Die Allergie beruhe auf einer entsprechenden Disposition des Pferdes, die zwar – als Vorstufe der Allergie – noch nicht mit der pathologischen Symptomatik verbunden sei, die aber die Gefahr in sich berge, dass das Pferd später die Allergie ausbilden werde; schon darin liege ein Sachmangel.

Der Verkäufer eines Tieres hafte nach § 434 BGB, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank sei und sich auch nicht in einem – ebenfalls vertragswidrigen – Zustand befinde, auf Grund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass es alsbald erkranke. Das könne der Fall sein, wenn am Tag der Übergabe eine solche Disposition vorhanden sei, die bei Kontakt mit Reizstoffen bereits zu diesem Zeitpunkt zu pathologischen Erscheinungen geführt hätte.

Im Fall der Stute spreche auch eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Veranlagung zu einer Erkrankung führe. Zwar bedeute der Nachweis von zellgebundenen sensibilisierenden Antikörpern nicht, dass es beim Pferd zwangsläufig zu einem klinischen Ausbruch der Erkrankung durch Ausbildung der typischen Symptome komme; auch Pferde mit vorhandenen zellgebundenen Antikörpern könnten über viele Jahre oder lebenslang gesund bleiben. Hier sei der Ausbruch der Krankheit aber sehr wahrscheinlich gewesen. Bei allen „Ekzemern“, deren Krankheits-Vollbild sichtbar durchgebrochen ist, fänden sich große Mengen Antikörper gegen einzelne Insekten im Blut. Dieser Befund träfe auch auf die Stute zu. Nach dem Bericht des Untersuchungslabors über die Blutprobe wäre kurz nach Übergabe der Stute an die Klägerin eine hohe Konzentration allergenspezifischer Antikörper gegen den Speichel der Kriebelmücken festzustellen.

Dass die Stute das Sommerekzem erst nach der Einstallung bei der Klägerin entwickelte, berühre die Haftung des Beklagten nicht. Es liege im Wesen des Verkaufs von Pferden, dass sie den Besitzer wechseln und dort auf andere Pferde und andere Umweltbedingungen treffen. Trotz dieser Veränderungen müssen sie so robust sein, dass sie ihre Verwendungsfähigkeit ohne begleitende medikamentöse Behandlung behielten. Eine nach dem Verwendungszweck nicht zu erwartende wesentliche Änderung der Haltungs- und Einsatzbedingungen sei von dem Beklagten nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich.

 

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