OLG Köln, Urteil vom 23. August 2017 – I-16 U 68/17 (Nachfristsetzung entbehrlich)

Der Sachverhalt:

Der als Rechtsanwalt tätige Beklagte ist Erwerber eines im Frühjahr 2012 beim Streithelfer, erstandenen Pferdes. Kläger ist der Zweit-Käufer bzw. Vater des im späteren Besitz der gerade volljährig gewordenen Tochter stehenden Pferdes, welcher das Pferd vom Beklagten durch mündlichen Kaufvertrag als Freizeitpferd unter näher zwischen den Parteien strittigen Umstände im Juni oder Juli 2016 erwarb.

Am 30.07.2013 bedurfte es laut behandelnden Tierarztes einer Operation des Pferdes, bei der planmäßig das Unterstützungsband der oberflächlichen Beugesehen am rechten Vorderbein durchtrennt wurde. Der behandelnde Tierarzt kam hierbei zu der Auffassung, dass das Pferd in der Vergangenheit bereits an derselben Stelle mit derselben Indikation operiert worden sei und teilte dies dem Kläger im Anschluss mit. Daraufhin erklärte der Kläger am 12.08.2014 den Rücktritt vom Vertrag.

Am 23.10.2016 musste das Pferd aufgrund zahlreicher maligner Melanome eingeschläfert werden.

Die Entscheidung: Die Voroperation des Pferdes stellt einen Mangel dar, Vertrag kann rückabgewickelt werden

Das Oberlandesgericht Köln bestätigte das vorinstanzliche Urteil des Landgerichts und sprach dem Kläger die Zahlungsansprüche gegen den Beklagten zu. Die vom Beklagten gerügte Aktivlegitimation des Klägers bestätigte das OLG nicht, denn nach §§ 133, 157 BGB ist dies im streitigen Fall nach normativer Auslegung zu ermitteln. Maßgeblich sei dabei, wie der jeweilige Empfänger die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Hierbei könne auch die Interessenlage und die Begleitumstände sowie das spätere Verhalten der Beteiligten eine Rolle spielen. Das OLG war der Ansicht, dass kein Zweifel an der Käufereigenschaft des Klägers bestünde, denn die gerade erst volljährig gewordene und wirtschaftlich unerfahrene Tochter des Klägers sollte das Pferd lediglich nutzen. Ebenso sei der Kaufpreis vollständig durch den Kläger beglichen worden, darüber hinaus seien die maßgeblichen Vertragsverhandlungen bewusst zwischen Kläger und Beklagten erfolgt.

Die von Klägerseite behauptete Erkenntnis über eine Vor-Operation der Beugesehne am Pferd wurde gutachterlich anhand eines Operations- Videos bestätigt. Eine solche Vor-Operation stellt nach Ansicht des Gerichts gemäß § 434 BGB einen Mangel dar, solange dieser nicht zuvor mitgeteilt und aus der Gewährleistung ausgeschlossen wurde.

Eine Vor-Operation mindere die Tauglichkeit des Pferdes als Reit- und Freizeitpferd, da je nach Belastung das Risiko für ein reaktives Krankheitsgeschehen der oberflächlichen Beugesehne erhöht sei. Mithin bestünde nach Ansicht des OLG ein bei Gefahrübergang bestehender Sachmangel an dem Pferd in der Form der Ungeeignetheit für die nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung ( § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) – jedenfalls aber für die gewöhnliche Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). Dieser berechtige den Kläger aufgrund der Einstufung der kaufrechtlich geschuldeten Übergabe eines sachmangelfreien Tieres als eine Stückschuld zur Rückabwicklung des Kaufvertrages.

Das OLG beruft sich ferner bezüglich des Einwandes der unterbliebenen Nachfristsetzung zur Nacherfüllung auf das Urteil des BGH v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, wonach auch beim Stückkauf eine Nachlieferung möglich ist und zwar dann, wenn die Kaufsache durch eine gleichartige und gleichwertige ersetzt werden kann. Dies ist der Fall, wenn nach dem Willen der
Parteien bei Vertragsschluss die Kaufsache austauschbar ist. Beim Kauf eines nach Besichtigung ausgewählten Tieres komme die vor Vertragsschluss begründete emotionale Beziehung zwischen Käufer und Tier als Besonderheit hinzu. Die vorliegende Kenntnis des Klägers über die Tatsache, dass das Pferd eine Steigungstendenz hatte und seine bewusste Hinnahme aufgrund der besonderen Herausforderung für seine Tochter als Reiterin qualifiziere das Pferd als einen Stückkauf, weshalb eine Nachlieferung ausscheide. Im Übrigen sei eine Nachfristsetzung wegen ernsthafter Erfüllungsverweigerung des Beklagten gem. §§ 437 Nr. 1 iVm 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich gewesen.

Zuletzt greift das OLG auch nicht die Entscheidung des Landgerichts hinsichtlich der vom Beklagten geltend gemachten notwendigen Verwendungen an. Die angefallenen Tierarzt-, Hufschmied und Unterstellkosten seien dem Kläger durch Zahlung des Beklagten in voller Höhe zu erstatten.

Eine Wertersatzpflicht für die unmögliche Rückgabe des verstorbenen Pferdes träfe den Kläger schließlich auch nach § 346 Abs. 2 BGB nicht. Der Beklagte habe den Untergang des Pferdes zu vertreten, vgl. § 346 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 1 BGB, da er sich zu diesem Zeitpunkt gemäß §§ 293, 295 BGB in Annahmeverzug befand.

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