Urteil nach Pferdesturz

(Definition des Nutztierbegriff im Bereich der Pferdehalter Haftung) – OLG Köln, Urteil vom 07. Februar 2018 – 5 U 128/16

Der Sachverhalt:

Dem Ehemann der Klägerin wurden von einem Dritten zwei Pferde, M und N, überlassen, da dessen Eigentümer die Unterstellkosten des im Besitz eines der Tiere befindlichen Dritten nicht übernahmen. Im Folgenden stellte die Klägerin die Pferde auf dem Hof des Beklagten unter, welcher den betrieblichen Einsatz des Pferdes M auf seinem Hof plante und durch seine betriebliche Mittel für den Unterhalt dieses Pferdes aufkam. Das Pferd N sollte dagegen als Reitpferd der im Jahre 2007 geborenen Tochter der Klägerin und ihres Ehemanns verwendet werden. Am 9.2.2014 führte die Klägerin, ihr Ehemann und ihre Mutter, sowie die seinerzeit minderjährige Tochter des Beklagten mit den zwei Pferden vom Hof des Beklagten zu einer nahegelegenen Kapelle einen Spaziergang durch. Die Tochter des Beklagten ging mit Pferd M voraus und führte es hierbei an der linken Seite. Hiernach folgte ihr die Klägerin mit dem zweiten Pferd N, welches sie an der rechten Seite führte. Der Ehemann lief an der rechten hinteren Seite des von der Klägerin geführten Pferdes. Als ein Jogger einen querenden Weg entlanglief, scheute das erste Pferd M, drehte sich nach rechts und lief Richtung Hof zurück. Das zweite Pferde N drehte sich gleichzeitig links herum und stellte sich somit quer zum Weg. In dieser Konstellation lief das erste Pferd M gegen das querstehende Pferd N, wodurch dieses auf die Klägerin fiel und unter sich begrub. Hierbei zog sich die Klägerin ein schweres Schädel-Hirn-Trauma mit Subarachnoidblutung sowie Frakturen der Schädelkalotte links okzipital und der Hinterhauptkondyle rechts zu.

Die Entscheidung: Pferdehalterhaftung und keine Nutztiereigenschaft

Das OLG Köln bestätigte die Entscheidung des Landgerichts dem Grunde nach. Dieses hatte zuvor die Haftung des Beklagten als Tierhalter gemäß § 833 S. 1 BGB bejaht und eine Nutztiereigenschaft des Pferdes, welches einen Haftungsausschluss begründet hätte, trotz Vortrag der angedachten betrieblichen Verwendung des Pferdes M und der durch betriebliche Mittel sichergestellte Unterhalt des Tieres verneint.

Zu dem vorgenannten Ergebnis kam auch das OLG, welches bestätigte, dass zum Unfallzeitpunkt eine Verwendung des Pferdes M als Reit- oder Kutschpferd von Beklagtenseite lediglich in Erwägung gezogen worden sei, zum Unfallzeitpunkt jedoch noch nicht bestand. In dem Berufungsverfahren vor dem OLG Köln trug der Beklagte u.a. ohne Erfolg vor, ihm habe zum Unfallzeitpunkt mangels künftiger Umgangsvereinbarung kein Bestimmungsrecht zugestanden, wodurch er keine – jedenfalls keine alleinige – Haltereigenschaft Inne gehabt habe. Nach der vom OLG vorliegend berücksichtigten Rechtsprechung des BGH ist jedoch Halter,

„in wessen Gesamtinteresse das Tier gehalten wird und wessen Wirtschaftsbetrieb oder Haushalt es dient. Für die Tierhaltereigenschaft ist maßgeblich darauf abzustellen, wem die Bestimmungsmacht über Tier zusteht und wer aus eigenem Interesse für die Kosten des Tieres aufkommt, den allgemeinen Wert und Nutzen des Tiers für sich in Anspruch nimmt und das Risiko seines Verlustes trägt.“

Auf die Eigentümerstellung käme es hierbei nach der Auffassung des Gerichts nicht an, da dieser Eigenschaft lediglich Indizienwirkung zukäme. (BGH, Urteil vom 6.3.1990 – VI ZR 246/89). Der Beklagte sei nach der Gesamtbetrachtung im Wesentlichen aufgrund des Aufkommens für die Kosten des Pferdes im eigenen Interesse Allein-Halter im Sinne der Norm gewesen. Die angebliche Nutztierhaltung des Pferdes M wehrte das OLG ab, indem es bei „potentiell doppelfunktionale“ Tieren, wie es bei Pferden möglich ist, auf den objektiv dienstbar gemachten Zweck der Verwendung und die Widmung eines Tieres abstellt.

Auch der hilfsweise vorgetragene Kausalitätsmangel ging fehl. Der Beklagte trug vor, die Verletzungen der Klägerin seien nach dem Geschehensablauf nicht durch den Aufprall des Pferdes M auf das Pferd N und dadurch durch den Sturz des Pferdes N auf die Klägerin geschehen. Ein solcher Geschehensablauf vorausgesetzt, hätte die Klägerin lediglich wegschleudern müssen und nicht, wie geschehen, von Pferd N überrollen lassen. Es spräche Einiges dafür, dass die Klägerin bereits beim Ausbruch ihres geführten Pferdes unglücklich gefallen wäre und dass das auf sie fallende Pferd im Anschluss lediglich die Leibesquetschungen bis zum Hals verursacht habe. Das OLG trug mit seinen Ergebnissen der Beweisaufnahme, insbesondere der Zeugenvernehmung des Ehemannes und der Mutter der Klägerin die Feststellungen des Landgerichts und stütze den Vortrag der Klägerin, wonach die Verletzungen der Klägerin durch den durch das Pferd M ausgelösten Sturz des Pferdes N auf sie entstanden seien.

Das OLG erkannte jedoch durch die Realisierung der Tiergefahr des von der Klägerin gehaltenen Pferdes N, einen Mitverschuldensanteil gemäß § 254 Abs. 1 BGB in einer Höhe von einem Viertel an. Die Mithaltereigenschaft der Klägerin und ihres Ehemanns sei in der konkreten Verwendungsabsicht, der zwischen den Parteien gefundenen Absprache und auch der entgeltlichen Einstellung des Pferdes N bei dem Beklagten zu sehen.

Für die Realisierung der Tiergefahr des Pferdes N spreche seine in der Situation unangepasste Drehung, welches dazu geführt habe, dass dem durchgehenden Pferd zu Teilen der Weg versperrt wurde. Dies sei eine ebenfalls unangemessene, tierische Reaktion auf eine von den Tieren wahrgenommene Gefahrenquelle. Das vom Kläger angeführte Argument, eine Tiergefahr sei bei Pferd N nicht anspruchskürzend zu berücksichtigen, da es durch „vis absoluta“ auf die Klägerin geschleudert worden sei, befand das OLG als nicht durchdringend, da es dieses Argument die unangemessene Seitwärtsstellung des Pferdes M kurz vor dem Zusammenstoß nicht berücksichtige.

Copyright

Susan Beaucamp

(Rechtsanwältin)

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