Genmutation PSSM Typ 1 bei einem Pferd – Stellt dies einen Mangel dar und rechtfertig somit den Rücktritt eines Kaufvertrages?

(Pferderecht Düsseldorf, Pferderecht Köln, Pferderecht Hannover, Pferderecht München, Pferderecht Niedersachsen, Pferderecht Berlin, Pferderecht Münster, Pferderecht Mönchengladbach, Pferderecht Krefeld)

OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.05.2014 – I-13 U 116/13

In einem Verfahren, welches vor dem Landgericht Mönchengladbach begann und schließlich vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf landete, geht es um die Rückabwicklung eines Pferdekaufvertrages und die Frage, ob eine Genmutation einen Mangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB darstellt.

Der vorliegende Rechtsstreit fing mit einem Kaufvertrag vom 09. November 2011 an, als ein Käufer für seine damals 13-jährige Tochter ein Western-Reitpferd erwarb. Der Kaufpreis betrug 13.000 €. Doch schon bald nach dem Kauf zeigte das Pferd auffälliges Verhalten beim Reiten, was den Kläger dazu veranlasste, eine labortechnische Blutanalyse durchführen zu lassen.

So getan, lag schon einige Zeit später das Ergebnis vor: Die Stute trug die Genmutation PSSM Typ 1 in sich, eine unheilbare Erbkrankheit, die Muskelstoffwechselstörungen verursacht und mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% an die Nachkommen weitergegeben wird. Der Käufer erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Verkäuferin außergerichtlich auf, den Kaufpreis zurückzuzahlen, sowie die Unterbringungs- und Verpflegungskosten des Pferdes zu erstatten.

Da diese Aufforderung erfolglos blieb, machte der Käufer und Kläger vor dem Landgericht Mönchengladbach geltend, dass die Beklagte zur Zahlung von 15.817,78 € nebst Zinsen verurteilt wird. Dies sollte gegen Rückgabe der Palomino-Quarter-Horse Stute „A.“ geschehen, die im Jahr 2005 geboren wurde. Weiter beantragte der Kläger die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten für die Rücknahme der Stute und forderte die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm die Unterhaltungskosten für die Stute zu zahlen. Diese Kosten umfassen unter anderem Boxenmiete, Bewegungskosten, Tierarztkosten und Futterkosten ab dem 1. Mai 2012 bis zur Rücknahme der Stute.
Schließlich verlangte er von der Beklagten die Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 430,66 € nebst Zinsen ab Klagezustellung.

Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen. Nach Ihrer Auffassung, wies die Stute bei Gefahrübergabe keinen Mangel auf und die Gewährleistungsansprüche seien nach dem geschlossenen Vertrag sowieso ausgeschlossen. Weiter vertrat Sie die Ansicht, dass, auch wenn eine Genetische Disposition vorliegen würde, dies keinen Mangel darstellen würde.

Das Gericht führte eine Beweisaufnahme durch und hörte eine Sachverständige an. Diese kam zu dem Schluss, dass die Stute den Gendefekt trägt, jedoch die PSSM-Erkrankung noch nicht ausgebrochen ist. Darüber hinaus stellte die Sachverständige fest, dass nach ihren Erkenntnissen auch keine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Pferd in Zukunft klinisch auffällig wird. Daher konnte bei der streitgegenständlichen Stute kein Mangel festgestellt werden.

Nach Abschluss der Beweisaufnahme wies das Gericht die Klage ab. Die Begründung hierfür lag im Wesentlichen darin, dass der Kläger, als Käufer, nicht nachweisen konnte, dass die Stute zum Zeitpunkt des Kaufs ungeeignet für den Reitsport war. Zudem wurde festgestellt, dass die Zuchteignung aufgrund eines vertraglichen Haftungsausschlusses nicht berücksichtigt werden konnte.

Nachdem der Kläger Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt hatte, forderte die Beklagte energisch die Zurückweisung der Berufung. In ihrer Verteidigung betonte sie erneut, dass der Gesundheitszustand der Stute gemäß den vertraglich vereinbarten Richtlinien ausschließlich durch die tierärztlichen Untersuchungen beim Ankauf festgelegt wurde. Dabei wies sie darauf hin, dass trotz eines Hinweises auf die Möglichkeit eines Gentests seitens der Beklagten der Kläger darauf verzichtet hatte.

Die Stute, so argumentierte die Beklagte, erfülle weiterhin die vereinbarte Beschaffenheit als Reitpferd, da der festgestellte Gendefekt den Einsatz als solches nicht behindere. Obwohl die Sachverständige bestimmte Empfehlungen bezüglich eines erhöhten Fütterungs- und Trainingsaufwands aussprach, wies die Beklagte darauf hin, dass auch die bundesministeriellen Leitlinien eine ausgewogene Bewegung und Ernährung für Pferde vorsehen. Zudem machte sie deutlich, dass die Zuchttauglichkeit der Stute nicht Bestandteil der vertraglichen Vereinbarung war und daher durch den festgestellten Gendefekt nicht beeinträchtigt wird.

Die zulässige Berufung des Klägers blieb in der Sache erfolglos. Gemäß § 437 BGB steht dem Kläger kein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags zu, da der Kaufgegenstand nicht mangelhaft ist. Die streitgegenständliche Stute erfüllt die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit eines gesunden Reitpferdes gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Die Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags sowie das Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme ergaben, dass der gesundheitliche Zustand der Stute zum maßgeblichen Zeitpunkt der Übergabe trotz des vorhandenen Gendefekts der vereinbarten Beschaffenheit des Tieres entsprach.

Entscheidend dafür, ob das verkaufte Objekt die vertraglich festgelegte Beschaffenheit erfüllt, ist der Zeitpunkt des Gefahrübergangs, das heißt, wenn das Objekt dem Käufer übergeben wird gemäß § 446 Abs. 1 BGB. Es wurde keine konkrete Vereinbarung über den genetischen Zustand der Stute getroffen. Die über den Gesundheitszustand getroffene Vereinbarung bezog sich ausschließlich auf die bei Vertragsschluss durchgeführten tierärztlichen Ankaufuntersuchungen. Die Untersuchung des Blutbildes auf genetische Defekte war nicht Gegenstand dieser Untersuchungen und hatte daher keine Relevanz für die vertragliche Vereinbarung.

Obwohl es möglich ist, dass eine negative Abweichung in der Beschaffenheit vorliegt, selbst wenn sich der Mangel erst später zeigt, war die Ursache für den festgestellten Gendefekt bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden. Dennoch spielt dieser Umstand keine entscheidende Rolle, da die Stute bis heute trotz des genetischen Defekts keine Beeinträchtigung als Reitpferd zeigt.

Auch die behauptete mangelnde Eignung der Stute als Zuchtpferd führt nicht zum Rücktrittsrecht des Klägers. Zwischen den Parteien wurde keine Vereinbarung über die Eignung der Stute als Zuchtpferd getroffen. Die Erwartung des Klägers, die Stute möglicherweise später als Zuchtpferd einzusetzen, fand keine vertragliche Grundlage. Die Eignung der Stute als Zuchtpferd wurde nicht als Sollbeschaffenheit vereinbart und ist daher nicht Gegenstand des Vertrags.

Insgesamt zeigt dieser Rechtsstreit die Komplexität von Kaufverträgen im Pferdehandel und die Bedeutung einer genauen vertraglichen Vereinbarung. Die Entscheidung der Gerichte verdeutlichte die Notwendigkeit einer gründlichen Prüfung vor Vertragsabschluss.

Copyright
Susan Beaucamp
(Rechtsanwältin)

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