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Steigen als Sachmangel

Steigen als Sachmangel des Pferdes?

LG Siegen – 2 O 107/09, bestätigt durch OLG Hamm – 19 U 132/11

 

Sachverhalt:

 

Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Kaufvertrages.

Die Klägerin reitet in ihrer Freizeit Dressurturniere. Zu diesem Zweck kaufte sie den sechsjährigen Wallach „C“ zum Preis von 23.000 € von dem Beklagten, der ein Gestüt betreibt und gewerbsmäßig mit Pferden handelt. Laut Vertrag sollte das Pferd bereits geritten, aber noch nicht auf Turnieren vorgestellt worden sein. Die Klägerin ritt das Pferd vor dem Kauf zweimal zur Probe, wobei keinerlei Auffälligkeiten festgestellt werden konnten. Nur knappe zwei Wochen nach der Übergabe, teilte die Klägerin dem Beklagten mit, sie habe bei dem Pferd Verhaltensauffälligkeiten festgestellt. Es zeige ängstliche Reaktionen und neige zum Steigen. Drei Monate später wandte sie sich erneut an den Beklagten und teilte mit, bei C handele es sich um einen „kriminellen Steiger“ und erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Beklagte bot ihr an, das Pferd zurück zu nehmen und gegen ein anderes Pferd umzutauschen oder das Pferd in Beritt zu nehmen und der Klägerin dazu begleitend Reitunterricht zu erteilen. Beides lehnte die Klägerin ab. Sie begehrt die Rückabwicklung des Vertrages und Aufwendungsersatz vom Beklagten.

 

Entscheidung:

 

Die Klage wurde sowohl in erster, als auch in zweiter Instanz als unbegründet abgewiesen.

Nach Überzeugung der Gerichte weist das Pferd bereits keinen Mangel im Sinne des § 434 BGB auf. Laut dem Vertrag sollte sich das Pferd als Reitpferd eignen, auf Turnieren sollte es ausdrücklich noch nicht vorgestellt worden sein. Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass sich das Pferd nicht als Reitpferd eigne. Das Pferd weist unstreitig keinen körperlichen Mangel auf. Laut dem Sachverständigen sei das Pferd etwas „guckig“ und habe daher die Tendenz zum Steigen gezeigt, wobei es aber nie richtig gestiegen ist. Ein Steigen könne dadurch vermieden werden, dass das Pferd in Bewegung gehalten werde. Stockungen im Bewegungsablauf könnten durch konsequentes Weiterreiten ohne jegliche Gewalteinwirkung überwunden werden. Die „Guckigkeit“ habe sich bei dem Sachverständigen innerhalb weniger Tage deutlich gelegt. Der Sachverständige wies darauf hin, dass ein Steigen bei nahezu jedem Pferd durch reiterliche Einwirkung sowohl ausgelöst als auch verhindert werden könne.

 

Selbst wenn man einen Mangel annehmen wolle, so wäre nicht bewiesen, dass der Mangel bereits bei Übergabe vorgelegen habe. Auf die Vermutungsregelung des § 476 BGB kann sich die Klägerin nicht berufen, denn die Vermutungsregelung ist nicht mit der Art des behaupteten Mangels vereinbar. Bei einer Tendenz zum Steigen handelt es sich, sofern keine körperlichen Ursachen dafür feststehen, um eine Auffälligkeit, die unter anderem durch falsche reiterliche Einwirkung oder falsche Ausrüstung spontan entstehen kann.

 

Hinzu kommt, dass die Voraussetzungen des § 323 BGB nicht vorliegen, denn die Klägerin hat dem Beklagten keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt bzw. hat diese sogar abgelehnt. Vorliegend wären sowohl die Nachlieferung als auch die Nachbesserung möglich und zumutbar gewesen. Die Klägerin reitet eine Vielzahl von Pferden und wollte den C lediglich zu sportlichen Zwecken erwerben. Eine besondere persönliche Beziehung zu dem Pferd stand einer Nachlieferung eines gleichwertigen Pferdes daher nicht entgegen. Dass das Pferd grundsätzlich auch innerhalb kurzer Zeit therapierbar gewesen wäre, hat sich dadurch gezeigt, dass es nach nur wenigen Tagen bei dem Sachverständigen bereits keine Tendenz zum Steigen mehr zeigte. Daher wäre auch eine Nachbesserung für die Klägerin zumutbar gewesen. Die Nacherfüllung war auch nicht wegen eines arglistigen Verschweigens des „Mangels“ entbehrlich, da die Klägerin eine Arglist nicht bewiesen und hat und eher ins „Blaue“ behauptet hat.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Weben – ein Sachmangel?

Weben als Sachmangel?

AG Schleswig, Urteil vom 18.06.2010, AZ.: 2 C 21/10

 

Sachverhalt:

 

Der Kläger kaufte bei der Beklagten einen Trakehnerwallach zum Preis von 1800 €. Er suchte ein ruhiges Pferd, welches er hauptsächlich zum Ringreiten einsetzen wollte. Eine Beschaffenheitsvereinbarung wurde nicht getroffen. Etwa einen Monat später wurde der Trakehner gegen einen Westfalenwallach bei der Beklagten eingetauscht ohne Zahlungsausgleich. Einige Zeit später wollte der Kläger auch dieses Pferd wieder bei der Beklagten umtauschen, was diese jedoch ablehnte. Der Kläger erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag, unter anderem, da das Pferd ständig webe.

 

Entscheidung:

 

Das Amtsgericht wies die Klage ab. Der Kläger konnte nicht wirksam vom Kaufvertrag nach § 437 Nr. 2 BGB zurücktreten, denn das Pferd sei nicht mangelhaft im Sinne des § 434 BGB gewesen.

Wenn keine Beschaffenheit vereinbart wurde, liegt ein Sachmangel vor, wenn die Sache sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Beim Weben handelt es sich um eine Verhaltensstörung, die sich dadurch äußert, dass das Pferd sich mit gespreizten Vorderbeinen von einem Bein auf das andere hin und her bewegt. Dies ist häufig auf mangelnde soziale Kontakte, Stress oder Beschränkung der Bewegungsfreiheit zurück zu führen. Grundsätzlich gehen mit dieser Stereotypie aber keine gesundheitlichen Risiken einher, ebenso wenig wie eine Leistungseinschränkung.

Das Amtsgericht war vorliegend der Auffassung, dass es sich wegen der fehlenden Gesundheits- und Leistungsbeschränkung grundsätzlich nicht um einen Sachmangel handele. Aber auch selbst wenn man dies anders bewerten wolle, so würde im vorliegenden Fall dennoch kein Mangel vorliegen, da das Weben sich nicht auf die vertraglich vorausgesetzte Verwendung auswirke. Das Pferd war bereits älter und im untersten Preissegment angesiedelt und sollte lediglich als reines Freizeitpferd dienen. Beim Reiten, Putzen, Satteln u.s.w. zeigte das Pferd keinerlei Auffälligkeiten, sondern nur, wenn es in der Box stand. Da das Pferd hier in einem kleinen privaten Stall am Haus des Klägers untergebracht war, vermochte auch die zum Teil vertretene Ansicht, dass andere Pferde sich dieses Verhalten abschauen könnten, nicht zu einer anderen Bewertung führen.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp