02151 - 76 70 00 9

Pferdekauf, Rücktritt Vom Pferdekaufvertrag

Voraussetzungen des Verbrauchsgüterkaufs, arglistiges Verschweigen einer Zuchtuntauglichkeit und unselbständige Garantie für die Beschaffenheit,

OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.04.2004 – I- 14 U 213/03

 

Sachverhalt:

Der Kläger kaufte am 12.01.2002 eine Pferdestute, namens „Pilofee S“ beim Beklagten für einen Kaufpreis iHv. 30.000 EUR. Der Pferdekaufvertrag wurde von mit einer Ankaufsuntersuchung verbunden. Innerhalb der Rücktrittsfrist erklärte der Kläger den Rücktritt und verlangte Rückabwicklung des Vertrages (Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des Pferdes) sowie Schadensersatz iHv. 6.395,05 EUR.

Der Kläger trug im Rahmen seiner Klage vor dem Landgericht vor, das Pferd leide an einer Knochen- und Knorpelentzündung des Gelenkbereichs (Osteochondrosis Dissecans -OCD) und sei entgegen dem im Pferdekaufvertrag vereinbarten Zweck zuchtuntauglich. Der Beklagte habe dem Kläger zugesichert, dass bei dem Pferd eine OCD (oder Chips-) Erkrankung nicht vorliege und er habe weiter auf Nachfrage des Klägers unzutreffend angegeben, noch keinen Versuch getätigt zu haben, die Stute decken zu lassen. Der Kläger ist der Ansicht, es sei schon kein wirksamer Vertragsschluss zustande gekommen. Jedenfalls sei aber der in den Geschäftsbedingungen angegebene Haftungsausschluss unwirksam, da sich der Pferdekaufvertrag als Verbrauchsgüterkauf darstelle und somit vorformulierte Vertragsbedingungen unwirksam seien.

Der Beklagte bestritt die behaupteten Mängel und berief sich auf den Gewährleistungsausschluss.

 

Entscheidung:

Das erstinstanzliche Gericht (Landgericht) hat die Klage abgewiesen und zur Begründung angeführt, der Kläger habe aufgrund der Untersuchungsergebnisse der Ankaufsuntersuchung Kenntnis gemäß § 442 Abs. 1 S. 2 BGB von der OCD-Erkrankung des Pferdes gehabt und dennoch am Pferdekaufvertrag festgehalten. Die Ankaufsuntersuchung war zwar zeitlich nach dem geschlossenen Pferdekaufvertrag, nach der Auffassung des Gerichts stand Letzterer jedoch unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) einer Billigung des Untersuchungsergebnisses und nicht unter der Bedingung einer bloßen Durchführung einer Ankaufsuntersuchung.

Hinsichtlich der angeführten Zuchtuntauglichkeit habe sich der Beklagte zu Recht auf den Gewährleistungsausschluss berufen, da es sich nicht um einen Verbrauchsgüterkauf handele. Der Kläger habe als darlegungs- und beweisbelastete Partei nichts zu seiner Verbraucherstellung vorgetragen. Diese sei auch nicht offensichtlich, da der Kläger die Stute zu Zuchtzwecken erworben habe, was für eine Unternehmereigenschaft spreche.

Das Landgericht ist der Auffassung, das Verschweigen über den zuvor einmal getätigten erfolglosen Deckungsversuch der Stute sei auch bei einem zu Zuchtzwecken gekauften Pferdes nicht als arglistiges Verschweigen zu werten. Weitere Mängelgewähransprüche kamen mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht in Betracht.

Die vom Kläger vor dem OLG Düsseldorf geführte Berufung, begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass das Landgericht zu Unrecht angenommen habe, der Haftungsausschluss des Pferdekaufvertrags (§ 4) sei insbesondere nach § 475 Abs. 1 a.F., § 309 Nr. 8 b aa, § 309 Nr. 7 a BGB wirksam. Ferner habe sich das Landgericht nicht mit der vorgetragenen Unwirksamkeit nach § 309 Nr. 7 a BGB befasst.

Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass ein den Rücktritt begründender Sachmangel in der OCD-Erkrankung nicht zu sehen ist, da sich die Beschaffenheitsvereinbarung auf erkennbare Eigenschaften des Pferdes nach dessen Inaugenscheinnahme und auf die bei Abschluss des Pferdekaufvertrag vorliegenden Röntgenbilder sowie deren Einordnung in Röntgenklassen I und II des Pferdes beschränke.

Der Haftungsausschluss des Pferdekaufvertrages ist nach Auffassung des Gerichts wirksam. Schon die Unternehmerstellung des Beklagten bestünde nicht, wenn dieser das Pferd nur zu privaten Zuchtzwecken besitze, über keine weiteren eigenen Pferde oder Stallungen verfüge und lediglich für seinen Bruder als Züchter eingetragen sei. Damit sei ein planmäßiges und dauerhaftes Anbieten von Leistungen am Markt gegen Entgelt nicht gegeben und ein Verbrauchsgüterkauf schon aus diesem Grunde abzulehnen gewesen. Ferner sei der Kläger, der ausweislich des Pferdekaufvertrages die Stute zu Zuchtzwecken erwarb, nicht als Verbraucher anzusehen.

Das Berufungsgericht hat ferner festgestellt, dass der Haftungsausschluss im Rahmen einer angewendeten AGB nicht gegen § 309 Nr. 8 a bb BGB verstoßen hat, da eine vierjährige Stute keine neu hergestellte Sache iSd Norm ist. Es ist hierbei auch bei Nutztieren allein auf den Geburtstermin abzustellen, da eine Bewertung eines Nutztieres nach dem Grad der „Benutzung“ bzw. „Gebrauchs“ wenig praktikabel, da ohne sachverständige Hilfe häufig nicht zu klären sei und zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führe.

Ebenfalls drang der Kläger mit dem Vorbringen nicht durch, der Haftungsausschluss verstoße gegen § 309 Nr. 7 a BGB, da der Haftungsausschluss des Pferdekaufvertrags nach dem Gesamtzusammenhang dergestalt auszulegen war, dass hiernach lediglich sonstige Schäden, wie in § 309 Nr. 7 b BGB ausgeschlossen wurden und nicht, wie der Kläger anführt, Körperschäden nach § 309 Nr. 7 a BGB inkludiert waren.

Ferner hat das Berufungsgericht die Feststellungen des Landgerichts bestätigt, dass der Beklagte den ein Jahr vor Ankauf getätigten erfolglosen Deckungsversuch der Stute nicht arglistig verschwiegen habe. Das Gericht hat die Deckungsuntauglichkeit der Stute hierdurch nicht als zwingend erachtet. Insbesondere sei dies nach dem erstinstanzlich unbestrittenen Vortrag des Beklagten, Stuten im Alter von 3 Jahren würden nach Deckungsversuchen lediglich zu 50 % trächtig werden, vorliegend zu bestätigen. Einen anderen Schluss hinsichtlich des Verschweigens ließe sich auch mit dem dahingehend befundlosen Ergebnis der tierärztlichen Ankaufsuntersuchung und den nach dem erfolglosen Deckungsversuch durchgeführten gynäkologischen Untersuchungen der Stute nicht ziehen, denn diese brachten keine Zuchtuntauglichkeit zu Tage.

Auch für eine Zusicherung (Garantieübernahme) ist eine ausdrückliche vertragliche Fixierung über den gesteigerten Willen, hier für eine Fehlende OCD-Erkrankung der Stute einzustehen, nicht ersichtlich.

Copyright

Susan Beaucamp

(Rechtsanwältin)

Foto: Fotalia 

Kissing Spines – Rücktritt vom Pferdekaufvertrag

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 06.07.2010 – 17 U 28/09

Sachverhalt:

Der Beklagte hat über das Internet ein Pferd zum Preis von 19.000€ angeboten. Die Klägerin zeigte Interesse und fuhr am 13.08.2006 zu dem Beklagten nach Norddeutschland, um das Pferd zu besichtigen und es Probe zu reiten. Am 25.08.2016 führte der Tierarzt Dr. A in Gegenwart beider Parteien eine Ankaufsuntersuchung durch. Im Protokoll wurden alle untersuchten Stellen als unauffällig und „ohne besonderen Befund“ vermerkt. Noch am selben Tag kaufte die Klägerin das Pferd für 14.000 €.

Am 11.12.2006 übernahm ein Fachtierarzt für Pferde Dr. B die Untersuchung des Pferdes und teilte der Klägerin mit, dass an der Longe sowohl auf der rechten als auch auf der linken Hand eine undeutliche, geringgradige gemischte Lahmheit hinten links sichtbar war. Ebenso wurde festgestellt, dass die Beweglichkeit des Halses sowohl nach rechts als auch nach links eingeschränkt war.

Die Klägerin ließ das Pferd daraufhin am 31.01./01.02.2007 von einem weiteren auf Pferde spezialisierten Arzt, Dr. C, untersuchen. Dr. C kam zur Diagnose, dass bei dem Pferd von schmerzhaften Prozessen im oberen Halswirbelsäulenbereich und in der distalen linken Hintergliedmaße ausgegangen werden müsse. Er beurteilte die Reitbarkeit des Pferdes als „eingeschränkt“.

Basierend auf den Diagnosen der Tierärzte verlangte die Klägerin am 14.03.2007 vom Beklagten Minderung des Kaufpreises. Bei einer Einigung würde sie keinen Gebrauch von ihrem Rücktrittsrecht machen und das Pferd behalten. Der Beklagte wiederrum war der Meinung, es hätten keine krankhaften Befunde zum Zeitpunkt der Übergabe des Pferdes vorgelegen und lehnte eine Minderung des Kaufpreises sowie eine Rückabwicklung des Pferdekaufvertrages ab.

Die Klägerin erhob sodann Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes. Sie behauptete, bereits bei Gefahrübergang habe der Wallach erhebliche gesundheitliche Mängel gehabt, insbesondere habe er unmittelbar danach gelahmt.

 

Landgericht weist Klage zurück

Das Landgericht Verden hat erstinstanzlich die Klage abgewiesen. Es führte dazu aus, dass die Klägerin keinen Rückgewähranspruch aus § 437 Nr. 2 BGB habe, weil kein Rücktrittgrund gegeben sei. Das Pferd sei bei Gefahrübergang laut einem Sachverständigen des Gerichts, Dr. SV1, nicht mangelhaft gewesen. Es habe eine geringe Lahmheit vorgelegen, die aber beim Galopp fast vollständig verschwunden sei. Die Lahmheit sei durch den Umstand, dass die Käuferin das Pferd längere Zeit nicht geritten habe und dadurch die Rückenmuskulatur wenig ausgeprägt war, bedingt worden.

Gemäß § 477 BGB muss bei einem Mangel, der sich innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe der Kaufsache zeigt, der Verkäufer beweisen, dass die Sache bei Gefahrübergang mangelfrei war,  sogenannte Beweislastumkehr, soweit es sich vorliegend um einen Verbrauchsgüterkauf handelt. Kann Der Verkäufer den Beweis nicht erbringen, so wird vermutet, dass die Sache mangelbehaftet übergeben wurde. Diese Vorschrift war nach Auffassung des Gerichts vorliegend nicht einschlägig, weil sich Pferde aufgrund ihrer Art und auch im Hinblick auf die schnellen Veränderungen ihres Allgemein- und Gesundheitszustandes kaum für die Anwendung der Beweislastumkehrregelung eignen.    

Die Klägerin legte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein.

 

Berufungsgericht revidiert das Urteil des Landgerichts

Die Berufung der Klägerin vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte Erfolg. Das Gericht verurteilte den Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pferdes.

Der Senat habe nach der erneuten Beweisaufnahme keine Zweifel mehr daran, dass das Pferd bei Gefahrübergang mangelhaft gewesen sei. Zu dieser Überzeugung sei das Gericht unter anderem durch die Begutachtung von Dr. B gelangt, die belegte, dass beim Pferd eine Lahmheit erkennbar war und diese auch beim Galopp nicht vollständig verschwand. Maßgeblich sei das Gericht aber durch ein Gutachten eines zweiten Sachverständigen, Tierarzt Dr. C, überzeugt worden. Im damals anstehenden Fall des Oberlandesgerichts Oldenburg (RdL 2005, 65) hatte Dr. C angeführt, „dass durch verschiedene Faktoren wie zunehmende Belastung, falsche Reitweise, schlecht sitzender Sattel, Muskelschmerzen, röntgenologische Veränderungen im Sinne eines Kissing-Spines-Syndroms relativ kurzzeitig klinisch auffällig würden“. Das würde erklären, warum die Erkrankung bei der Ankaufsuntersuchung und vom Sachverständigen Dr. A nicht bemerkt worden sei. Diese reaktiven Veränderungen am Knochen könnten auch binnen weniger Monate erfolgen, erklärte Dr. B. So könnte eine Erkrankung theoretisch auch nach Gefahrübergang erfolgt sein. Dass es aber erst nach der Übergabe des Pferdes dazu gekommen sei, schließt das Gericht aufgrund der vorgetragenen Beweise und Schilderungen aus.    

Ebenso führte der Senat entgegen der Ansicht des Landgerichts an, dass die Beweislastumkehr des § 477 BGB auf den vorliegenden Fall anwendbar sei. Dabei bezieht er sich auf eine Entscheidung des BGH vom 29.03.2006 (BGHZ 167, 40 ff. = NJW 2006, 2250= RdL 2006, 205 ff.), wonach die Anwendung der Beweislastumkehr wegen der Art des Mangels nur bei bestimmten Tierkrankheiten, wie einer saisonalen Allergie, ausgeschlossen werden könne. Eine solche Erkrankung sei hier aber nicht Gegenstand des Rechtsstreits, sondern der wesentlich schwerer wiegende Befund von Kissing-Spines.

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

Wann gilt ein Pferd als „gebraucht“?

„Nach Auffassung des Senates ist der zum Zeitpunkt des Verkaufs zweieinhalb Jahre alte Hengst nicht mehr als jung und infolgedessen als „gebraucht“ im Sinne des Gesetzes anzusehen.“

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 04.07.2018, Az. 12 U 87/17

Vorinstanz: Landgericht Itzehoe, Urteil vom 15. November 2017

Der Sachverhalt

Die Klägerin ersteigerte am 01.11.2014 auf einer von der Beklagten veranstalteten Auktion einen damals zweieinhalb Jahre alten Hengst. Nach Rücktritt vom Pferdekaufvertrag verlangt sie die Rückabwicklung des Pferdekaufvertrages (Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes). Der Hengst stand ab der Übergabe bis zum Sommer 2015 im Stall der Klägerin. Die Klägerin hat behauptet, sie habe versucht den Hengst zu longieren und an Sattel und Reitergewicht zu gewöhnen. Ab dem Sommer 2015 bis Oktober 2015 habe der Hengst auf einer Weide gestanden. Ab Mitte Oktober 2015 bis Frühjahr 2016 habe sie versucht, den Hengst anzureiten.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe den Hengst als zukünftiges Dressurpferd gekauft, das Tier sei nicht reitbar und auffällig widersetzlich und empfindlich. Es habe schon mindestens im Zeitpunkt der Auktion ein sogenanntes Kissing Spines im Bereich der Brust und der Lendenwirbelsäule und eine Verkalkung im Nackenbereich im Bereich des Hinterhauptes aufgewiesen. Der Beklagte hat die behaupteten Sachmängel bestritten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, der Rücktritt sei wegen Verjährung eines hypothetischen Nacherfüllungsanspruchs unwirksam (§§ 438 Abs. 4, 218 BGB). Die Klägerin habe zwar den Rücktritt mit Schreiben vom 11.10.2016 und damit vor Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist erklärt. Die Verjährungsfrist sei jedoch nach den Auktionsbedingungen der Beklagten auf drei Monate nach Gefahrübergang beschränkt worden. Die Auktionsbedingungen der Beklagten seien wirksam als allgemeine Geschäftsbedingungen in den Vertrag einbezogen worden.

Die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf gemäß § 474 Abs. 2 Satz 2 BGB seien nicht anwendbar, da die Klägerin den Hengst bei einer öffentlich zugänglichen Versteigerung gekauft und das Tier als gebrauchte Sache im Sinne des Gesetzes anzusehen sei.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt.

Die Entscheidung

Die von der Klägerin eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg. Das OLG wies die Berufung zurück, weil der Rücktritt vom Pferdekaufvertrag – unabhängig davon, ob das Pferd mangelhaft ist oder nicht – unwirksam gewesen sei. Die Gewährleistungsansprüche seien bereits verjährt, denn die vertraglich vereinbarte Verkürzung der Gewährleistungsfrist auf drei Monate sei wirksam. Eine derartige Verkürzung wäre nur dann nicht möglich, wenn die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf zur Anwendung kämen. Dies sei aber nicht der Fall, weil es sich bei dem Hengst um eine gebrauchte Sache im Sinne dieser Vorschrift handele und er in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung verkauft worden sei.

Für die Frage, ob ein Tier gebraucht ist, sei allein auf den Ablauf einer gewissen Zeitspanne nach der Geburt des Tieres und der damit verbundenen körperlichen Entwicklung des Tieres abzustellen. Es komme entscheidend darauf an, ob das Tier über einen längeren Zeitraum so vielen Umwelteinflüssen und äußeren Einwirkungen ausgesetzt war, dass das altersbedingte Sachmängelrisiko derart gestiegen ist, sodass das Tier nicht mehr als neu angesehen werden kann. Das sei hier der Fall, so die Richter. Ein Hengst im Alter von zweieinhalb Jahren ist schon längere Zeit von der Mutterstute getrennt, hat eine eigenständige Entwicklung vollzogen und ist bereits seit längerem geschlechtsreif. Durch die Geschlechtsreife verändert sich nicht nur das Verhalten eines Hengstes erheblich, sondern durch die eingetretenen biologischen Veränderungen erhöht sich auch das Mängelrisiko beträchtlich.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Käuferin steht der Gang zum Bundesgerichtshof (BGH) noch offen.

Über den Ausgang der Verhandlung werden wir berichten.

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

 

Kissing Spines – Rücktritt vom Pferdekaufvertrag

Für eine nach Übergabe erstmals auftretende Rückensymptomatik gilt von der Art des Mangels her die Vermutung des § 477 BGB.

„Bei Warmblut-Reitpferden stellen sklerotische Veränderungen der Wirbelsäule als solche – ohne in Erscheinung tretende Beschwerden – keinen Sachmangel gemäß § 434 Abs. 1 BGB dar“

OLG Celle, Urteil vom 31. Mai 2006, Az. 7 U 252/05

vorgehend LG Lüneburg, Urteil vom 29. September 2005, Az. 4 O 204/04

 

Der Sachverhalt

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Reitpferd sowie Ersatz der ihr durch Unterstellung entstandenen Kosten.

Beide Parteien sind Tierärzte. Die Klägerin ist zusätzlich Diplom-Pferde-Physiotherapeutin.

Der Beklagte veräußerte die von ihm selbst gezogene Trakehnerstute „L.“ an die Klägerin. Die Klägerin hatte das Pferd zuvor probegeritten. Die Parteien vereinbarten eine Ankaufuntersuchung durch den Tierarzt S., die bereits am Tag zuvor erfolgte.

Schriftlich wandte die Klägerin sich an den Beklagten und beanstandete, die Stute habe von Anfang an leider nicht die Entwicklung gezeigt, die sie erwartet habe. Sie habe die weitere Untersuchung nun in tierärztliche Hand übergeben. Der Tierarzt habe eine mittelgradige Hyperästhesie der langen Rückenmuskulatur im Bereich der Sattellage und Lende beidseitig festgestellt. Das Pferd sei im Trab hochgradig verspannt, das Untertreten hinten beidseits deutlich verkürzt. Eine Röntgenuntersuchung der Dornfortsätze in der Sattellage habe deutlich enge Zwischenräume mit drei Verdichtungszonen im Randbereich (Kissing Spines) ergeben. Nach Durchführung einer lokalen antiphlogistischen Behandlung der drei Dornfortsatzzwischenräume sei nach einer Woche keine Überempfindlichkeit der langen Rückenmuskulatur mehr festzustellen gewesen, das Untertreten im Trab sei ohne Einschränkung erfolgt und die Rückenschwingung sei deutlich zu erkennen gewesen.

Die Klägerin erklärte den Rücktritt. Die Beklagte verweigerte die Rückabwicklung, sodass die Klägerin Klage am Landgericht erhob.

Das Landgericht wies die Klage ab. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

 

Die Entscheidung

Das OLG wies die Berufung ab, es läge schon kein Sachmangel vor.

Die bei der Trakehnerstute unstreitig festgestellten verengten Zwischenräume mit drei Verdichtungszonen im Randbereich der Dornfortsätze (Kissing Spines) sind von den Feststellungen der Ankaufsuntersuchung nicht erfasst. Dieser ist aufgrund der durchgeführten Adspektion und Palpation des Rückenbereichs zwar zu einer befundlosen Diagnose gelangt. Weitergehende röntgenologische Untersuchungen der Dornfortsätze im Bereich der Brust- und Lendenwirbel des Pferdes waren jedoch nicht Gegenstand seiner Untersuchung und damit auch nicht Grundlage einer etwaigen Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien.

Eine hiervon abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB. Der Pferdekaufvertrag enthält keine konkretisierte Verwendungsbestimmung des kaufgegenständlichen Pferdes.

Schließlich führt auch die Anwendung des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB nicht zu einer Mangelhaftigkeit der veräußerten Stute. Ist die Verwendung der Kaufsache im Vertrag nicht oder aber die gewöhnliche Verwendung nur konkludent vereinbart, so liegt kein Sachmangel im Sinne der vorgenannten Vorschrift vor, wenn sich die Sache für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann. Bei der danach vorzunehmenden Beurteilung der gewöhnlichen Verwendung ist grundsätzlich ein objektivierter Maßstab anzulegen. Vergleichsmaßstab hinsichtlich der üblichen Beschaffenheit ist der Zustand von Sachen gleicher Art und Güte.

In diesem Sinne ist eine Mangelhaftigkeit des Pferdes allein wegen des Vorhandenseins eines „Kissing Spines-Syndroms“ nicht gegeben. Die an der Trakehnerstute festgestellten sklerotischen Veränderungen im Randbereich der Dornfortsätze sind als noch innerhalb der Norm liegend zu qualifizieren. Nach den Sachverständigenfeststellungen sind bei der überwiegenden Zahl von Warmblütern derartige sklerotische Veränderungen festzustellen.

Danach kann nicht festgestellt werden, dass bereits der bloße röntgenologische Befund einen Mangel darstellt. Es gibt bei allen Warmblütern, Menschen und Tieren, zahlreiche von der Norm abweichende Befunde, die gleichwohl nie zu Beschwerden führen. Ein im idealen Sinn mangelfreies Tier dürfte nicht existieren. Die bloße Disposition für das mögliche spätere Auftreten einer Erkrankung, die erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände ausgelöst wird, kann nicht bereits als Mangel eingestuft werden.

Die genetische Disposition eines Tieres, eine bestimmte Krankheit zu bekommen, kann nur dann selbst bereits als Mangel eingestuft werden, wenn das Auftreten der darauf beruhenden Krankheit zwingend, lediglich der Zeitpunkt ungewiss ist. Das ist aber im vorliegenden Fall zu verneinen.

Selbst wenn das Vorliegen eines Mangels zu bejahen wäre, so konnte die Klägerin nicht beweisen, dass der Mangel bereits zum Zeitpunkt der Übereignung vorlag. Der Klägerin kommt insoweit nicht die Beweiserleichterung des § 477 BGB zu Gute, denn die von dem Gesetzgeber für den Verbrauchsgüterkauf vorgesehene Beweislastumkehr für Mängel, die innerhalb von 6 Monaten seit Gefahrübergang auftreten, gilt nicht, wenn die Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist. Diese Voraussetzung liegt hier vor.

Die nach der Übergabe auf dem Gelände der Klägerin bei dem erworbenen Pferd in Erscheinung getretenen Beschwerden können aus verschiedenen Gründen ausgelöst worden sein, insbes. auch psychosomatischer Natur wie von der Klägerin selbst vermutet wie neue Umgebung. neue Bezugspersonen oder einen anderen Sattel. Sie sind deshalb bereits von ihrer Art her nicht geeignet, die Vermutung des § 477 BGB zu begründen.

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

Sehnenschaden beim Pferd – Gewährleistungsrechte des Pferdekäufers

Beweislastumkehr wegen der Art des Mangels nicht anwendbar

Landgericht Neubrandenburg, Urteil vom 07.05.2004, AZ: 11 U 230/05

 

Sachverhalt:

Der Kläger, ein Pferdekäufer, macht gegen den Beklagten, einen Pferdehändler, Ansprüche aus einem Kaufvertrag über ein Pferd geltend.  Der Kauf des Pferdes stand unter der auflösenden Bedingung einer tierärztlichen Ankaufsuntersuchung. Die tierärztliche Ankaufsuntersuchung des klägerischen Tierarztes verlief befundfrei. Knapp einen Monat später verordnete dieser Tierarzt dem Pferd jedoch eine siebentätige antipholgistische Therapie sowie eine Ruhepause wegen einer Lahmheit, die sich daraufhin verringerte.Zwei Monate später trat die Lahmheit erneut auf. Die nun mittels Leitungsanästhesie und Ultraschall durchgeführte Untersuchung zeigte einen zentralen Defekt mit zwei Zentimeter unterhalb des Fesselträgerurspungs. Das Pferd benötigte eine Therapie mit Ruhigstellung. Danach zeigte das Pferd immer noch eine geringgradige Lahmheit vorne beiderseits. Der Kläger wollte das Pferd wegen der aufgetretenen Lahmheit vorne beiderseits aufgrund des Defekts im Fesselträgerursprungs gegen ein anderes Pferd eintauschen. Eine Einigung zwischen den Parteien erfolgte nicht. Der Kläger verlangte daraufhin mit anwaltlichen Schreiben den Beklagten unter Fristsetzung zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Pferdes auf. Der Kläger ist der Ansicht, der Defekt habe schon bei  Übergabe vorgelegen. Durch diesen Mangel, sei das Pferd zudem nicht zum Reit- und Springsport geeignet.

Der Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, das Pferd sei zum Zeitpunkt der Übergabe mangelfrei gewesen.

 

Entscheidung:

Die Klage wurde abgewiesen. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch nach § 437 Nr. 2, 440, 323, 326 Abs. 5 BGB auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Pferdes. Der Kläger konnte nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass ein Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe vorlag.

Der Käufer ist grundsätzlich für die Tatsache beweispflichtig, dass ein Sachmangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag. Eine diesbezügliche Beweislastumkehr befindet sich allerdings bei den Vorschriften des Verbrauchsgüterkaufs, der hier vorlag. Nach § 477 n.F. BGB wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich der Mangel innerhalb von 6 Monaten zeigte. Ausgenommen ist diese Vermutung, jedoch, wenn das mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist. Diese Ausnahme liegt bei dem geltend gemachten Sachmangel vor. Nach dem Gutachten eines Sachverständigen handelt es sich bei dem Mangel „um einen Sehnenschaden, der durch eine übermäßige Belastung der Sehnenfasern, bereits durch ein Fehltritt, entstehen kann“. Die Folge ist die Verdickung des Sehnenabschnittes, die nachträglich festgestellt werden könnte.

Die Vermutung des § 477 n.F. BGB ist vorliegend nicht anzuwenden, da diese Vermutung nur bei Krankheiten, die nicht tierärztlich, z.B bei einer Ankaufsuntersuchung, festgestellt werden können, greift. Diese Krankheit hätte bei der -laut dem Sachverständigengutachten- Ankaufsuntersuchung aber erkannt werden können. Zudem kann das Pferd nach dem Sachverständigengutachten künftig noch im Reit- und Springsport eingesetzt werden, sodass der Zweck des Vertrags auch aufrechterhalten wurde.

Ansprüche des Käufers bestehen daher nicht

 

Copyright

Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia